Viele Menschen mit Diabetes wissen nicht, dass sie ein erhöhtes Risiko für Herzinsuffizienz (Herzschwäche) haben. Die Diagnose ist oft schwierig, da die Symptome unspezifisch sind und leicht übersehen werden können. Dieser Artikel basiert auf aktuellen Erkenntnissen aus dem Swiss Diabetes Registry und erklärt, wie häufig Herzinsuffizienz bei Diabetes tatsächlich vorkommt, wie sie erkannt wird und welche Rolle SGLT2-Inhibitoren in der Behandlung spielen.

SGLT2-Inhibitoren: Fortschritt in der Behandlung der Herzinsuffizienz

SGLT2-Inhibitoren sind eine Gruppe von Medikamenten, die ursprünglich zur Behandlung des Typ-2-Diabetes entwickelt wurden. Sie senken den Blutzucker, indem sie die Rückresorption von Glukose in den Nieren hemmen. Neuere Studien zeigen jedoch, dass SGLT2-Inhibitoren auch das Risiko für eine Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz (HF, auch Herzschwäche genannt) und für den Tod durch kardiovaskuläre Ursachen deutlich senken können. Die European Society of Cardiology (ESC) empfiehlt daher, SGLT2-Inhibitoren als Erstlinientherapie bei Patienten mit Herzinsuffizienz einzusetzen – unabhängig davon, ob ein Typ-2-Diabetes vorliegt oder nicht. Besonders profitieren Patienten mit einer reduzierten linksventrikulären Ejektionsfraktion (HFrEF, das bedeutet, dass die Pumpleistung der linken Herzkammer deutlich eingeschränkt ist). Doch auch Patienten mit einer leicht reduzierten (HFmrEF) oder erhaltenen (HFpEF) Ejektionsfraktion können laut aktuellen Studien Vorteile durch diese Therapie erwarten. Dr. Frida Renström vom Kantonsspital St. Gallen betont, dass die Leitlinien zwar klar sind, die Umsetzung im Alltag aber durch die schwierige Diagnosestellung erschwert wird.

Warum ist die Diagnose einer Herzinsuffizienz bei Diabetes so schwierig?

Herzinsuffizienz ist eine Erkrankung, bei der das Herz nicht mehr in der Lage ist, ausreichend Blut durch den Körper zu pumpen. Die Symptome sind oft unspezifisch und können leicht mit anderen Komplikationen des Diabetes verwechselt werden. Dazu gehören Müdigkeit, Atemnot (Dyspnoe), geschwollene Knöchel (Ödeme) oder nächtliche Atemnot (Orthopnoe). Gerade bei Menschen mit Typ-2-Diabetes treten solche Beschwerden häufiger auf, sodass die Herzinsuffizienz oft unerkannt bleibt. Die tatsächliche Häufigkeit (Prävalenz) der Herzinsuffizienz bei Diabetes-Patienten ist daher bislang unklar. Ziel der aktuellen Studie war es, herauszufinden, ob ein regelmäßiges Screening auf Herzinsuffizienz in der spezialisierten Diabetesversorgung sinnvoll ist und ob die bestehenden Behandlungsleitlinien angepasst werden sollten.

SwissDiab-Studie: Wie wurde auf Herzinsuffizienz gescreent?

Die Untersuchung wurde im Rahmen des Swiss Diabetes Registry (SwissDiab) durchgeführt, einer großen, multizentrischen Langzeitstudie mit ambulanten Diabetes-Patienten in spezialisierten Zentren. Über einen Zeitraum von 18 Monaten wurden alle Patienten, die zu einem jährlichen SwissDiab-Besuch kamen, systematisch auf Herzinsuffizienz untersucht. Grundlage war der von der ESC empfohlene Diagnosealgorithmus. Patienten, die mindestens eines der folgenden Symptome oder Befunde aufwiesen – arterielle Hypertonie (Bluthochdruck), Orthopnoe (Atemnot im Liegen), nächtliche Dyspnoe, Behandlung mit Diuretika (Entwässerungsmittel), Rasselgeräusche über der Lunge, beidseitige Knöchelödeme, Herzgeräusch oder Jugularvenenerweiterung (erweiterte Halsvenen) – und einen NT-proBNP-Wert von mindestens 125 ng/l hatten, wurden zur weiteren Abklärung an die Kardiologie überwiesen. Dort erfolgte eine Echokardiografie (Ultraschalluntersuchung des Herzens) und eine genaue klinische Bewertung. Die Einteilung erfolgte nach der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF): HFrEF (LVEF ≤40%), HFmrEF (LVEF 41–49%) und HFpEF (LVEF ≥50% plus strukturelle oder funktionelle Herzanomalien). Das LDL-Cholesterin wurde mit der Friedewald-Gleichung berechnet. Patienten, bei denen bereits eine Herzinsuffizienz oder eine koronare Herzkrankheit bekannt war und deren Echokardiogramm in den letzten zwei Jahren erfolgt war, wurden nicht erneut untersucht; hier wurden die Daten aus den Krankenakten übernommen.

Ergebnisse: Wie häufig ist Herzinsuffizienz bei Diabetes?

Insgesamt wurden 555 Patienten im Alter von durchschnittlich 61 Jahren untersucht, davon waren 30% weiblich. Die Mehrheit (60%) hatte einen Typ-2-Diabetes, die durchschnittliche Krankheitsdauer lag bei 14 Jahren. Der mittlere Body-Mass-Index (BMI) betrug 28,4 kg/m2, der HbA1c-Wert lag bei 7,1% und das LDL-Cholesterin bei 2,1 mmol/l. 21,7% der Teilnehmer rauchten. Bei 11,2% (60 Patienten) wurde eine Herzinsuffizienz festgestellt. Davon hatten fast 57% (34 Patienten) eine erhaltene Ejektionsfraktion (HFpEF), 32% (19 Patienten) eine HFrEF. Die Prävalenz war bei Typ-1-Diabetes mit 2,4% (4 Patienten) deutlich niedriger als bei Typ-2-Diabetes mit 16% (51 Patienten). Von den identifizierten Fällen wurden 60% (36 Patienten) im Rahmen der Studie neu diagnostiziert, davon hatten 83,3% einen Typ-2-Diabetes. Betrachtet man die neu diagnostizierten Patienten, so hatten 78% eine HFpEF, 4 Patienten eine HFmrEF und 4 eine HFrEF. Der Screening-Algorithmus zeigte bei Ausschluss bereits bekannter Fälle einen positiven Vorhersagewert von fast 38%. Von den Patienten mit bereits bekannter Herzinsuffizienz nahmen 50% einen SGLT2-Inhibitor ein, zwei von drei Patienten hatten eine HFmrEF und 10 von 15 eine HFrEF. Keiner der Patienten mit bekannter Diagnose hatte eine HFpEF. Alle mit SGLT2i behandelten Patienten mit Herzinsuffizienz litten an Typ-2-Diabetes.

Was bedeuten die Ergebnisse für Patienten?

Die Studie zeigt, dass etwa einer von zehn ambulanten Diabetes-Patienten in der spezialisierten Versorgung an einer Herzinsuffizienz leidet. Betrachtet man nur die Patienten mit Typ-2-Diabetes, ist es sogar jeder Sechste. Besonders auffällig: Drei von fünf Fällen waren zuvor nicht erkannt worden und wiesen meist eine erhaltene Ejektionsfraktion (HFpEF) auf. Die Hälfte der Patienten mit bereits bekannter Herzinsuffizienz und zwei von drei mit bekannter HFrEF erhielten einen SGLT2-Inhibitor, während insgesamt weniger als ein Drittel aller Patienten mit Herzinsuffizienz diese Therapie bekam. Das zeigt, dass sowohl die Diagnose als auch die Behandlung der Herzinsuffizienz bei Diabetes-Patienten im klinischen Alltag noch verbessert werden können. Die Ergebnisse sprechen dafür, das Bewusstsein für Herzinsuffizienz bei Diabetes zu schärfen und regelmäßige Screenings sowie eine konsequente Umsetzung der Therapieempfehlungen – insbesondere den Einsatz von SGLT2-Inhibitoren – zu fördern.

Fazit: Regelmäßiges Screening und Therapieoptimierung sind wichtig

Herzinsuffizienz bleibt bei vielen Diabetes-Patienten unerkannt, obwohl die Behandlungsmöglichkeiten – vor allem durch SGLT2-Inhibitoren – deutlich verbessert wurden. Ein regelmäßiges Screening auf Herzinsuffizienz, insbesondere bei Typ-2-Diabetes, kann helfen, die Erkrankung frühzeitig zu erkennen und gezielt zu behandeln. Patienten sollten ihre Symptome ernst nehmen und bei Beschwerden wie Atemnot, geschwollenen Beinen oder schneller Erschöpfung ihren Arzt ansprechen. Die Studie macht deutlich, dass eine bessere Diagnostik und eine konsequente Umsetzung der Leitlinien zu einer verbesserten Versorgung beitragen können.

Jens Dehn

Quellen

  1. Renström F: Short Oral Discussion «Prevalence of heart failure in patients with diabetes: a SwissDiab study»; EASD Congress 2023, Hamburg, 4.10.2023.

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