Brustkrebs kann bei gesunden Frauen mit Medikamenten verhindert werden. Studien belegen die Wirksamkeit. In einigen Ländern ist die endokrine Therapie in dieser Indikation zugelassen. Die Akzeptanz der Chemoprävention ist generell aber gering. An der St. Gallen Breast Cancer Conference gab’s hierzu Neuigkeiten.
Die präventive medikamentöse Behandlung von gesunden Frauen, die z.B. aufgrund einer familiären Belastung ein hohes Brusttumorrisiko haben, stösst generell auf wenig Akzeptanz – trotz Zulassung in einigen Ländern und obwohl sie bei bestimmten Frauen womöglich eine Alternative zu den hoch invasiven Verfahren der beidseitigen Brustamputation oder der Eierstock-Entfernung wäre. Zwar sind betreffende Substanzen wirksam und vergleichsweise sicher. Die Bereitschaft vieler Hochrisikopatientinnen, die Nebenwirkungen einer Chemoprophylaxe zu tolerieren, ist langfristig aber gering. Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass der klare Nachweis eines Überlebensvorteils aussteht. Die genauen Gründe der Ablehnung bleiben jedoch unklar.
Dr. Jack Cuzick rekapitulierte die Fortschritte und Erkenntnisse der letzten Jahre und zeigte auf, wo die optimalen Einsatzgebiete der Prävention liegen.
Die Anfänge
Es ist inzwischen bereits mehr als dreissig Jahre her, nämlich 1985, als erste Evidenz publiziert wurde, dass Tamoxifen adjuvant nicht nur in der Behandlung von Brustkrebs, sondern auch in der Prävention eine entscheidende Rolle spielt [1]. Diese Beobachtung ist nicht zuletzt einer spezifischen Voraussetzung von Brustkrebs geschuldet: Wenn die eine Brust bereits an Krebs erkrankt ist und behandelt wird, kann man beobachten, ob die zweite noch gesunde Brust von der Therapie ebenfalls profitiert bzw. später seltener an einem Tumor erkrankt. Mit Tamoxifen liess sich damals die kumulative Inzidenz von kontralateralem Brustkrebs signifikant von 10 auf 3 Fälle senken. Diese Beobachtung wurde in weiteren Studien bestätigt, was dazu führte, dass unter anderem bereits 1986 von einer Gruppe um Dr. Cuzick vorgeschlagen wurde, Brustkrebs nicht nur therapeutisch, sondern auch präventiv mit Medikamenten anzugehen (ähnlich wie kardiovaskuläre Krankheiten).
Tamoxifen war also der erste Wirkstoff, der in diesem Zusammenhang untersucht wurde. Kurz nach der erwähnten Publikation folgten die Royal-Marsden-, die NSABP-P1-, eine italienische und schliesslich die IBIS-I-Studie (an der Dr. Cuzick entscheidend beteiligt war) – alle prüften Tamoxifen in der Dosis von 20 mg/d in Populationen mit erhöhtem Risiko. Hinzu kam eine breite Evidenz aus Trials, die Tamoxifen weiterhin im adjuvanten Setting untersuchten und Daten zur kontralateralen Brust lieferten.
Präventiver Effekt über mindestens 20 Jahre
Die IBIS-I-Studie griff der Referent speziell heraus. Daran nahmen über 7000 prä- und postmenopausale Hochrisikopatientinnen teil. Sie erhielten entweder Tamoxifen oder Placebo über eine Therapiedauer von fünf Jahren. Inzwischen beträgt die mediane Nachbeobachtungszeit beeindruckende 16 Jahre (bei vielen Frauen sogar 20 Jahre) – die Verblindung auf Seiten der Investigatoren und Patientinnen wurde über diesen Zeitraum grösstenteils aufrechterhalten [2]. Die Resultate sind beeindruckend: 20 mg/d Tamoxifen über fünf Jahre verringerte das Risiko für Brustkrebs bereits nach zehn Jahren um 28%. Die Number Needed to Treat (NNT) lag zu diesem Zeitpunkt bei 59, d.h. man musste 59 Hochrisikofrauen über fünf Jahre behandeln, um eine davon innerhalb der ersten zehn Jahre vor Brustkrebs zu schützen. Beobachtete man die Gruppe weitere zehn Jahre – ohne, dass die Patientinnen Tamoxifen erneut einnehmen mussten –, war der präventive Benefit durch die endokrine Therapie noch ausgeprägter. Zusammengenommen fand sich eine Verringerung der Brustkrebs-Inzidenz von 12,3% auf 7,8%, was einer NNT von 22 entspricht. Eine primärpräventive Therapie über fünf Jahre schützt in den nächsten 20 Jahren in einer Gruppe von 22 Frauen also eine vor Brustkrebs. Die Risikoreduktion lag nach dem verlängerten Follow-up bei 29%. Beim invasiven Östrogenrezeptor-positiven Brustkrebs war sie mit 34% noch ausgeprägter (Langzeitraten von 8,3% vs. 4,9%, NNT=29). Hier liegt der Hauptfokus der Prävention. Invasive Östrogenrezeptor-negative Fälle liessen sich durch Tamoxifen nicht verhindern.
Die Kurven gehen zudem weiter auseinander, es ist also möglich, dass der präventive Effekt nicht auf 20 Jahre beschränkt ist. Eine weitere Extension der Studie wird Auskunft darüber geben.
Im Unterschied zu anderen Untersuchungen liess man in IBIS-I eine begleitende Hormonersatztherapie (HRT), falls nötig, zu, was sich als nachteilig herausstellte. Frauen unter HRT erlebten einen deutlich kleineren Effekt der Tamoxifen-Gabe als solche ohne HRT.
Leben die Patientinnen auch länger?
Was in IBIS-I bisher nicht gezeigt werden konnte, ist eine Verlängerung des Brustkrebs-spezifischen Überlebens bzw. ein signifikanter Einfluss von Tamoxifen auf die Brustkrebs-spezifische Mortalitätsrate. Womöglich ist es schlicht zu früh, um einen solchen Effekt zu beobachten, wie Dr. Cuzick vermutete. Die statistische Power sei derzeit noch ungenügend, die meisten erkrankten Frauen seien glücklicherweise noch am Leben. Deshalb müsse man hier wohl mindestens zehn weitere Nachbeobachtungsjahre abwarten, um einen statistisch relevanten Effekt nachweisen – oder eben nicht nachweisen – zu können. Nach den ersten zehn Jahren fand sich zunächst eine leichte Mortalitätserhöhung unter Tamoxifen, die im Verlauf der Beobachtung allerdings nicht weiter zunahm, sondern eher wieder zurückging. Natürlich sei man sich den potenziellen Auswirkungen auf die Entwicklung eines Endometriumkarzinoms bewusst. Der Mortalitätsanstieg sei in diesem Bereich bisher allerdings nicht signifikant (5 vs. 0 Todesfälle). Bezüglich Gesamtmortalität fand sich keine Erhöhung.
Zusammenfassend habe Tamoxifen also klar einen präventiven Effekt auf die Inzidenz, Unklarheiten bestünden weiterhin hinsichtlich der Auswirkungen auf die Überlebensprognose.
Weitere Präventionsansätze
Nach Tamoxifen prüfte man, ob sich mit einem anderen selektiven Östrogen-Rezeptor-Modulator (SERM), nämlich Raloxifen, ebenfalls ein präventiver Effekt erreichen lässt. Zwei weitere grosse Studien mit Lasofoxifen und Arzoxifen folgten. In der adjuvanten Behandlung wurden die Aromatase-Hemmer (Letrozol, Anastrozol, Exemestan) zugelassen, die ebenfalls vielversprechende Resultate in der Prävention lieferten – und schliesslich untersuchte man Wirkstoffe wie NSAR, Bisphophonate, Metformin und Statine mit (zumindest bisher) weniger überzeugenden Ergebnissen im präventiven Setting.
SERM: Die MORE-Studie und deren Extension namens CORE warten mit dramatischen Risikoreduktionen von 60% auf (Raloxifen). Darüber hinaus gibt es die RUTH- und schliesslich die STAR-Studie. Auf letztere ging der Referent genauer ein. Mit fast 20 000 Teilnehmerinnen war die Untersuchung sehr umfangreich angesetzt. Sie verglich direkt Raloxifen 60 mg/d mit Tamoxifen 20 mg/d – dies bei postmenopausalen Hochrisikopatientinnen über eine Therapiedauer von fünf Jahren. Während die initiale Auswertung [3] eine Gleichwertigkeit der beiden Ansätze andeutete, zeigte sich nach einem verlängerten Follow-up von 81 Monaten [4], dass Tamoxifen präventiv um 24% effektiver ist als Raloxifen (p=0,01). Aufgrund der besseren Tolerabilität (gerade auch hinsichtlich Endometrium) bleibe Raloxifen zwar eine Option, so der Referent. Die Resultate seien angesichts der Hoffnungen, die MORE/CORE weckte, dennoch eher enttäuschend. Mit Lasofoxifen fand sich in der PEARL-Studie unter höherer Dosierung wiederum ein deutlicher Effekt, allerdings wird die Entwicklung in der entsprechenden Indikation derzeit nicht vorangetrieben. Unter Berücksichtigung der Heterogenität der genannten Studien(-ziele) kann man ungefähr von einer Risikoreduktion im Bereich von 30–40% nach zehn Jahren ausgehen. Bei invasiven Östrogenrezeptor-positiven Brusttumoren ist eine leicht höhere Risikoreduktion zu erwarten.
Aromatase-Hemmer: Die erste Evidenz kam auch hier aus dem adjuvanten Setting. Zwei Studien haben die Wirkstoffklasse zudem bei postmenopausalen Frauen ohne Brustkrebs, aber mit hohem Risiko untersucht. Die eine davon namens MAP3 [5] beobachtete mit Exemestan eine ausgeprägte Risikoreduktion gegenüber Placebo von 65% (p=0,002). Die Beobachtungsdauer war eher kurz, mit einem Median von etwas mehr als 30 Monaten. Es zeigte sich, dass sich nach diesem Zeitraum (das Follow-up war dann natürlich eingeschränkt) sogar noch deutlich mehr tat.
Die zweite Untersuchung aus diesem Bereich heisst IBIS-II [6]. Hier diente Anastrozol (1 mg/d) als Untersuchungswirkstoff. Er wurde bei 3864 postmenopausalen Frauen im Alter zwischen 40 und 70 Jahren mit hohem Brustkrebsrisiko (u.a. Familienanamnese, Atypie, lobuläres Carcinoma in situ [LCIS], hohe Brustdichte) über fünf Jahre verabreicht. Eine HRT war diesmal nicht zugelassen. Die Resultate waren mit MAP3 vergleichbar. Im primären Endpunkt, der allgemeinen Brustkrebs-Inzidenz, fand man nach median fünf Jahren Follow-up eine Risikosenkung von 53% durch den Aromatase-Hemmer (p<0,0001) – laut Dr. Cuzick starke Evidenz dafür, dass Anastrozol ein guter präventiver Wirkstoff ist. Bei gesonderter Betrachtung von invasiven Östrogenrezeptor-positiven Brusttumoren war die Reduktion, wie im primären Endpunkt von MAP3, ebenfalls grösser, nämlich 58% (bei invasiven Östrogenrezeptor-negativen Fällen fand sich erneut kein signifikanter Effekt).

Im Vergleich zu früheren adjuvanten Studien war die Frakturrate geringer und gegenüber Placebo nicht-signifikant erhöht (8,5% vs. 7,7%). Das lag auch daran, dass osteoporotische Frauen Bisphosphonate einnehmen und solche mit Osteopenie sich regelmässigen DXA-Scans unterziehen mussten. Muskuloskelettale Ereignisse, eine bekannte Problematik unter Aromatase-Hemmer-Therapie, traten tatsächlich sehr häufig auf, nämlich bei 64% in der Untersuchungs-, aber auch bei 57,8% in der Kontrollgruppe (p=0,0001). In nicht-kontrollierten Situationen würden sie häufig komplett den Aromatase-Hemmern zugeschrieben, wobei ein Grossteil davon schlicht mit unbeeinflussbaren Faktoren wie dem Alter zusammenhänge, so der Experte. Natürlich müsse man, falls man Aromatase-Hemmer denn breitflächig in der Prävention verwenden wolle, über eine begleitende Bewegungstherapie nachdenken, um solche Ereignisse zu verhindern.
In Übersicht 1 sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der Brustkrebs-Prävention via endokrine Therapie zusammengefasst.
Quelle: 15th St. Gallen International Breast Cancer Conference, 15.–18. März 2017, Wien
Literatur:
- Cuzick J, Baum M: Tamoxifen and contralateral breast cancer. Lancet 1985 Aug 3; 2(8449): 282.
- Cuzick J, et al.: Tamoxifen for prevention of breast cancer: extended long-term follow-up of the IBIS-I breast cancer prevention trial. Lancet Oncol 2015 Jan; 16(1): 67–75.
- Vogel VG, et al.: Effects of tamoxifen vs raloxifene on the risk of developing invasive breast cancer and other disease outcomes: the NSABP Study of Tamoxifen and Raloxifene (STAR) P-2 trial. JAMA 2006 Jun 21; 295(23): 2727–2741.
- Vogel VG, et al.: Update of the National Surgical Adjvant Breast and Bowel Project Study of Tamoxifen and Raloxifene (STAR) P-2 Trial: Preventing Breast Cancer. Cancer Prev Res (Phila) 2010 Jun; 3(6): 696–706.
- Goss PE, et al.: Exemestane for breast-cancer prevention in postmenopausal women. N Engl J Med 2011 Jun 23; 364(25): 2381–2391.
- Cuzick J, et al.: Anastrozole for prevention of breast cancer in high-risk postmenopausal women (IBIS-II): an international, double-blind, randomised placebo-controlled trial. Lancet 2014 Mar 22; 383(9922): 1041–1048.
InFo ONKOLOGIE & HÄMATOLOGIE 2017; 5(2): 23–26
Autoren
- Andreas Grossmann
Publikation
- INFO ONKOLOGIE & HÄMATOLOGIE
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