Bluthochdruck ist der häufigste behandelbare Risikofaktor von Herzinfarkt, Schlaganfall oder Nierenschädigung. Ergibt sich bei Patienten ein Verdacht auf eine sekundäre Hypertonie – das heisst, eine Hypertonieform, bei welcher es einen spezifischen und potenziell reversiblen Grund hat, weshalb der Blutdruck erhöht ist – wird eine weitere diagnostische Abklärung empfohlen. Eine häufige Ursache für eine sekundäre Hypertonie ist das Vorliegen eines Schlafapnoe-Syndroms. Und die häufigste endokrinologische Ursache ist der primäre Hyperaldosteronismus (auch Conn-Syndrom genannt).
Hypertonie wird als therapieresistent definiert, wenn der Zielblutdruck trotz der Anwendung von drei blutdrucksenkenden Medikamenten in maximal verträglicher Dosierung (vorzugsweise RAS-Blocker, Kalziumkanalblocker, thiazidartiges Diuretikum) nicht erreicht wird [1,2]. Man kann davon ausgehen, dass etwa 1 von 10 Hypertonikern eine sekundäre Hypertonieform aufweist [3]. Je nach Quelle bzw. in Abhängigkeit davon, was subsummiert wird, kann die Prävalenz bis zu 20% betragen. Eine alterskorrelierte Übersicht, welche Grunderkrankungen zu einer sekundären Hypertonie führen können, ist in Abbildung 1 dargestellt. Neben Fällen mit einer definitionsgemässen therapieresistenten Hypertonie oder einer raschen Verschlechterung eines zuvor stabilen Blutdruckes, wird empfohlen alle Patienten mit einer Erstmanifestation von Hypertonie im Alter von <40 Jahren, auf mögliche Grunderkrankungen abzuklären. PD Dr. med. Thilo Burkard und PD Dr. med. Matthias Betz vom Universitätsspital Basel, stellten zwei Fällbeispiele aus ihrem klinischen Alltag vor [3].

Fall 1: OSAS
Im ersten Fallbeispiel ging es um einen 62-jährigen Patienten, welcher trotz einer antihypertensiven Dreifach-Fixkombination** (Amlodipin 5 mg, Valsartan 80 mg, Hydrochlorothiazid 12,5 mg) sowie einer Zweifach-Kombi& aus Bisoprololfumarat (5 mg) und Hydrochlorothiazid (12,5 mg) bei Heimmessungen über einen längeren Zeitraum mehrmals einen Blutdruck von 150/90 mm Hg aufwies [3]. Der adipöse Patient hatte einen BMI 42,5 kg/m2 und Typ-2-Diabetes. In der 24-h-Blutdruckmessung fiel ein fehlendes nächtliches Dipping auf, was ein Hinweis auf eine mögliche Schlafapnoe ist. Zur Frage des weiteren diagnostischen Prozederes wurde erwähnt, dass bei Verdacht auf symptomatische Schlafapnoe häufig der Fragebogen «Epworth Sleepiness Scale» eingesetzt werde, dies aber bei Patienten mit refraktärer Hypertonie nicht sehr aussagekräftig sei [3]. Ein besser geeignetes Screening-Verfahren sei in diesem Kontext die nächtliche Pulsoximetrie. Vereinfacht ausgedrückt misst ein Pulsoximeter die Sauerstoffmenge im Blut. Und zwar werden Sauerstoffsättigung und die Atemzüge über einen Sensor, der vor der Nase liegt, gemessen. Kommt es hierbei zur Aufzeichnung von mehr als 10 jeweils länger als 10 Sekunden dauernden Atempausen pro Stunde ist eine Untersuchung im Schlaflabor indiziert [4]. Die Polysomnographie ist der «Goldstandard» zur Bestätigung oder zum Ausschluss eines OSAS [5]. Anhand der Schlaflabor-Untersuchung kann festgestellt werden, wieviele Atempausen pro Stunde und Nacht, im Verhältnis zum Gesamtschlaf, bestehen. Bei über 10 Atempausen pro Stunde sollte eine Therapie eingeleitet werden [4]. Im vorliegenden Fall führte die Abklärung im Schlaflabor zur Diagnose einer schweren komplexen Schlafapnoe mit lageabhängiger obstruktiver oder zentraler Komponente.
** 1-0-1
& 1-0-0
Als therapeutische Massnahmen wurde eine CPAP-Therapie (Continuous Positive Airway Pressure) verordnet; ausserdem wurde der Patient in die Adipositas-Sprechstunde verwiesen mit dem Ziel einer Gewichtsreduktion und er wurde darauf aufmerksam gemacht, dass er keine Schlafmittel einnehmen soll [3]. Ein CPAP-Gerät besteht aus einem Basisgerät und einer Maske mit Verbindungsschlauch für die Luftzufuhr. Erfahrungsgemäss funktioniere die CPAP-Therapie meistens relativ gut, wenn das Gerät während der Nacht für mindestens 6 h getragen werde [3]. Dies war auch bei diesem Patienten so. Ausserdem erreichte er eine Gewichtsreduktion von 126 kg auf 96 kg bzw. verringerte sich der BMI von 42,5 kg/m2 auf 32 kg/m2. Im Verlauf besserten sich die Werte in der 24-h-Blutdruckmessung deutlich und es zeigte sich ein weitgehend normales Blutdruckprofil mit nächtlichem Dipping.
Hypertonie und OSAS: Evidenzlage Zu den Zusammenhängen von obstruktiver Schlafapnoe (OSAS) mit der arteriellen Hypertonie, insbesondere der resistenten Hypertonie gibt es eine breite Evidenzbasis [6]. In der «Wisconsin Sleep Cohort Study» hatten Teilnehmer mit schwerer OSAS (Apnoe-Hypopnoe-Index >15/h) ein 3,2-fach erhöhtes Risiko, einen Bluthochdruck zu entwickeln [7]. Die Auswirkungen der CPAP-Therapie auf den arteriellen Blutdruck wurden unter anderem in einer Metaanalyse von 32 randomisierten Studien untersucht, in denen eine «aktive Hochdrucktherapie» (CPAP, Protrusionsschienen, Antihypertensiva) mit einer «passiven Gruppe» (sham-CPAP, Antihypertensiva, Gewichtsverlust) verglichen wurde. Dabei zeigte sich, dass unter CPAP-Therapie der Blutdruck sowohl systolisch als auch diastolisch signifikant gesenkt werden konnte [8]. Dass eine zusätzliche Gewichtsreduktion sinnvoll ist bei Schlafapnoe geht unter anderem aus einer Publikation von Chirinos et al. hervor [9]. |
Fall 2: Conn-Syndrom
Bei einer 46-jährigen Patientin (BMI 23,9 kg/m2) mit bekannter Osteoporose nach primärem Hyperparathyreoidismus wurde in der Arztpraxis ein Blutdruck von 160/100 mm Hg gemessen [3]. In letzter Zeit waren auch bei Heimmessungen mehrmals ähnlich erhöhte Werte aufgetreten. Gemäss 24-h-Blutdruckmessung handelte es sich um eine Hypertonie Grad II mit fehlendem nächtlichen Dipping. Ausserdem wurde eine Hypokaliämie festgestellt. Die Verdachtsdiagnose lautete primärer Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom).
Conn-Syndrom: häufig übersehen Beim Conn-Syndrom hat sich Aldosteron der Kontrolle durch andere Hormone entzogen. Es kommt zur Überproduktion und der Blutdruck steigt. Gleichzeitig verliert der Körper Kalium und das Blut wird alkalisch. Eine sogenannte Alkalose ist eine Störung des Säure-Basen-Haushaltes, im Rahmen derer der pH-Wert des Blutes auf über 7,45 ansteigt. Sie gehört zusammen mit einem Kaliummangel und einem Bluthochdruck zur klassischen Trias eines Conn-Syndroms. In den meisten Fällen ist jedoch nur der Blutdruck erhöht. Daher wird das Conn-Syndrom oft lange übersehen. Im Durchschnitt vergehen von der Erstmanifestation des Bluthochdrucks bis zur bestätigten Diagnose eines Conn-Syndroms rund zehn Jahre. |
nach [10] |
Wenn Patienten im Rahmen von drei voneinander unabhängigen Messungen an unterschiedlichen Wochentagen Blutdruckwerte von >150/100 Hg aufweisen und bei unzureichendem Ansprechen auf drei Antihypertensiva (inkl. Diuretikum) wird empfohlen, auf das Vorliegen eines primären Hyperaldosteronismus zu testen [3]. Dabei wird im ersten Schritt die Aldosteron-Renin-Ratio bestimmt. Bei primärem Hyperaldosteronismus ist das Aldosteron hoch, das Renin gleichzeitig sehr niedrig. Am besten misst man vormittags, mindestens 2 h nach dem Aufstehen (Blutentnahme nach 5–15 min Sitzen). Spironolacton und Epleneron müssen vier Wochen pausiert werden vor der Bestimmung der Aldosteron-Renin-Ratio. Auch übrige interferierende Medikamente sollten pausiert werden, sofern dies ohne grössere Risiken für den Patienten möglich ist. Nach diesem «Case finding» ist ein Bestätigungstest erforderlich, ausser bei Patienten mit einer spontanen Hypokaliämie, supprimiertem Renin und Aldosteron >550 pmol/l. Der Bestätigungstest besteht in einem intravenösen (i.v.) Kochsalzbelastungstest:
- Infusion von 1 l NaCl 0,9% über 4 h
- vor und nach der Infusion werden Aldosteron, Renin, Cortisol und Kalium bestimmt
- Aldosteron <140 pmol/l: primärer Hyperaldosteronismus ist sehr unwahrscheinlich
- Aldosteron >280 pmol/l: primärer Hyperaldosteronismus ist sehr wahrscheinlich
In einem dritten diagnostischen Schritt geht es dann noch um die Lokalisationsdiagnostik.
Im vorliegenden Fall bestätigte sich die autonome Aldosteronsekretion im NaCl-Belastungstest [3]. Die Lokalisationsdiagnostik mit dem NNV-Katheter ergab eine unilaterale Sekrektion. Es wurde eine unilaterale Adrenalektomie durchgeführt. Im Verlauf normalisierten sich die Blutdruckwerte der Patientin.
Kongress: medArt Basel
Literatur:
- «Hypertonie», Nationale VersorgungsLeitlinie, Kurzfassung, Version 1.0 AWMF-Register-Nr. nvl-009, https://register.awmf.org, (letzter Abruf 27.08.2024)
- Bakris GL: Hypertonie, www.msdmanuals.com/de/profi/herz-kreislauf-krankheiten/hypertonie/hypertonie, (letzter Abruf 27.08.2024).
- «Schwere Hypertonie», Meet the Experts, MTE 103, PD Dr. med. Thilo Burkard., PD Dr. med. Matthias Betz, medArt, Basel, 17.–21.06.24.
- «Schlafapnoe-Syndrom», Deutsche Hirnstiftung, https://hirnstiftung.org, (letzter Abruf 27.08.2024).
- Schweizerische Gesellschaft für Pneumologie: Diagnose und Betreuung von Patienten mit obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom, www.pneumo.ch, (letzter Abruf 27.08.2024)
- S3-Leitlinie, Nichterholsamer Schlaf/Schlafstörungen, Kapitel «Schlafbezogene Atmungsstörungen», Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), https://register.awmf.org, (letzter Abruf 27.08.2024).
- Peppard PE, et al.: Prospective study of the association between sleep-disordered breathing and hypertension. NEJM 2000; 342: 1378–1384.
- Fava C, et al.: Effect of CPAP on blood pressure in Patients with OSA/ Hypopnea – a systematic review and metaanalysis. Chest 2014; 145(4): 762–771.
- Chirinos JA, et al.: CPAP, weight loss, or both for obstructive sleep apnea. N Engl J Med 2014; 370(24): 2265–2275.
- «Conn-Syndrom: Heilbarer Bluthochdruck wird oft erst spät erkannt», Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), 29.09.2021.
- Mancia G, et al.: 2023 ESH Guidelines for the management of arterial hypertension The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Hypertension: Endorsed by the International Society of Hypertension (ISH) and the European Renal Association (ERA). J Hypertens 2023; 41(12): 1874–2071.
HAUSARZT PRAXIS 2024; 19(9): 42–43 (veröffentlicht am 18.9.24, ahead of print)
Autoren
- Mirjam Peter, M.Sc.
Publikation
- HAUSARZT PRAXIS
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