Die Ergometrie ist eine häufig durchgeführte Untersuchung in der Praxis, bei der die Beurteilung des Blutdrucks einen fundamentalen Bestandteil der Interpretation des Testergebnisses bildet. Eine überschiessende Blutdruckantwort (Belastungshypertonie) ist dabei mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, was die prognostische und therapeutische Konsequenz anbelangt.

Die physikalische Belastungsuntersuchung auf dem Velo oder Laufband ist eine sehr häufig durchgeführte Untersuchung in der Praxis des Grundversorgers und des Kardiologen. Die Beurteilung des Blutdrucks (BD) während dieser Untersuchung ist dabei ein fundamentaler Bestandteil der Interpretation des Testergebnisses. Während der Ischämie-bedingte BD-Abfall bekanntermassen ein ungünstiges Zeichen darstellt, ist die Beurteilung einer überschiessenden BD-Antwort (Belastungshypertonie, BelHT) mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, was die prognostische und  therapeutische Konsequenz anbelangt. Der (physiologische oder überschiessende) BD-Anstieg unter Belastung führt dazu, dass bei Patienten mit arterieller Hypertonie (HT) der Nutzen und die potenziellen Gefahren des Sports gegeneinander abgewogen werden müssen, insbesondere bei sportlichen Aktivitäten mit hoher statischer, isometrischer Belastung. Schlussendlich können auch Athleten von einer HT betroffen sein, was in Abklärung und Therapie einige Besonderheiten mit sich bringt.

Normales Kreislaufverhalten unter Belastung

Eine dynamische, körperliche Aktivität erhöht den metabolischen Bedarf der arbeitenden Muskulatur. Es kommt daher zu einer Umverteilung des Blutes zugunsten der Muskulatur auf Kosten der inaktiven Organe. Diese Umverteilung wird durch lokale und systemisch gesteuerte Vasodilatation der Arteriolen im Verbrauchsorgan gesteuert und führt zur Abnahme des totalen peripheren Widerstands (TPR). Gleichzeitig wird über eine Steigerung der Sympathikusaktivität, der Herzfrequenz, der myokardialen Kontraktilität und der Relaxation das Herzzeitvolumen (HZV) gesteigert. Da das HZV proportional stärker zu als der TPR abnimmt, kommt es gemäss der Gleichung (arterieller Mitteldruck = HZV × TPR) zu einem Anstieg des arteriellen Mitteldrucks. Während der diastolische BD unter fortgesetzter Belastung relativ konstant bleibt oder gar abnimmt, steigt der systolische BD kontinuierlich an auf maximale Werte, die vom Alter, dem Geschlecht und weiteren Faktoren abhängig sind (Abb. 1).

Belastungshypertonie

Definition: Es gibt aktuell keinen allgemeinen Konsens bezüglich der Definition einer BelHT. Viele Studien orientieren sich an den Belastungs-BD-Verteilungen der untersuchten Population, was schwierig in den klinischen Alltag umzusetzen ist. Die systolischen Perzentilenkurven für den maximalen Belastungs-BD lassen aber einen systolischen BD >210 mmHg für Männer und >190 mmHg für Frauen als unserer Meinung nach vernünftigen «cut-off» erscheinen [2], welcher durch zahlreiche Daten untermauert wird.

Mechanismus: Eine BelHT entsteht dann, wenn der TPR unter Belastung nicht genügend abnimmt und zusammen mit dem adäquat steigenden HZV zu einer Erhöhung des BD führt. Eine wesentliche Rolle im Pathomechanismus der eingeschränkten TPR-Reduktion spielt dabei die gestörte endotheliale Vasodilatation [3], zudem ist vor allem bei älteren Personen eine erhöhte Gefässsteifigkeit an der Entstehung der BelHT beteiligt [3]. Weiterhin ist bei Individuen mit einer BelHT im Vergleich zu jenen ohne BelHT die Angiotensin II-Ausschüttung während der Belastung gesteigert [3]. Wichtig ist, dass eine normotensive BD-Antwort auf eine körperliche Belastung nicht automatisch mit einer physiologischen BD-Antwort gleichzusetzen ist, da bei eingeschränkter Reduktion des TPR und des HZV die BD-Antwort ebenfalls normal ausfallen kann (Tab. 1).

Prognostische Bedeutung bei «gesunden» Personen: Zahlreiche Studien haben die Entwicklung einer HT bei normotensiven Personen mit BelHT untersucht und trotz deutlicher methodischer Unterschiede dieser Studien eine konsistente Assoziation der BelHT mit der zukünftigen Entwicklung einer HT gefunden [4]. Diese Assoziation ist besonders deutlich bei Personen mit einem Ruhe-BD im prähypertensiven Bereich und konnte sowohl für einen erhöhten Belastungs-BD bei moderater als auch maximaler Belastung gezeigt werden [4].

Bezüglich des kardiovaskulären Outcomes ist bei normotensiven Personen vor allem eine BelHT bei mittlerer Belastung mit einer erhöhten Ereignisrate assoziiert [5], während die BelHT unter maximaler Belastung weniger Aussagekraft besitzt. Eine submaximale Belastung spiegelt die alltäglichen Belastungsintensitäten besser wider als die maximale Belastung, weshalb hohe BD-Werte bei submaximaler Belastung häufig (in bis zu 56%) mit erhöhten BD-Werten im Alltag assoziiert sind [6] (maskierte HT). Bei Patienten mit etablierter HT ist die prognostische Bedeutung der BelHT deutlich abgeschwächt, diejenige eines erhöhten TPR unter Belastung allerdings klar gegeben [7]. Ein möglicher Grund könnte darin bestehen, dass bei manchen hypertensiven Patienten mit normalem BD-Verhalten unter Belastung eine Reduktion des HZV durch eine linksventrikuläre Hypertrophie den Aufbau der BelHT trotz erhöhtem TPR verhindert und damit die Prognose dieser Patientengruppe deutlich schmälert (Tab. 1).

Prognostische Bedeutung bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit: Eine myokardiale Ischämie unter Belastung führt zur eingeschränkten linksventrikulären Pumpfunktion und damit zu einer Reduktion des HZV mit Verhinderung einer BelHT, selbst bei erhöhtem TPR (pseudo-normale BD-Antwort, Tab. 1). Das Extrembeispiel dieser Antwort ist die Belastungshypotonie (BD-Abfall unter Belastung) resp. der fehlende BD-Anstieg. Daher erstaunt es nicht, dass Patienten mit BelHT sowohl angiografisch als auch funktionell weniger häufig Ischämien zeigen und eine bessere Prognose aufweisen als Patienten ohne BelHT [8]. Diese Studiendaten sind allerdings relativ alt, und die prognostische Bedeutung der BelHT bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit im Zeitalter der Revaskularisation ist letztendlich nicht vollständig geklärt.

Management der Belastungshypertonie: Die maskierte HT ist bei Patienten mit BelHT häufig und sollte mittels 24-h-BD-Messung gesucht werden, wenn bei normotensiven Ruhe-BD-Werten eine BelHT objektiviert wird (Abb. 2) [9]. Wichtig bei der Behandlung der isolierten BelHT sind konsequent durchgeführte Lifestylemassnahmen, insbesondere regelmässige körperliche Aktivität, welche nebst einer BD-Senkung zu einer Gewichtsreduktion und Verbesserung des metabolischen Profils führen kann und die prognostisch wichtige körperliche Fitness steigert. Ob eine medikamentöse Therapie der BelHT bei normalem Ruhe-BD einen Nutzen bringt, ist umstritten [3], da es hierzu noch keine Outcome-Studien gibt und da bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit die BelHT prognostisch sogar günstig erscheint. Die Pharmakotherapie einer isolierten BelHT ist daher nur in seltenen, individuellen Fällen einzusetzen, z.B. bei häufig Sport treibenden Athleten mit einer dilatierten Aorta. Es konnte gezeigt werden, dass bei Patienten mit diastolischer Dysfunktion und BelHT eine Gabe von Losartan den Belastungs-BD senkt und die Leistungsfähigkeit sich geringfügig verbessert, wohingegen Hydrochlorothiazid zwar den Belastungs-BD senkt, aber nicht zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit führt [10]. Für die Betablocker wurde ebenfalls ein BD-senkender Effekt während körperlicher Belastung beschrieben. Sie führen zu einer Abnahme des HZV, während dem der TPR im Behandlungsverlauf ansteigt. In Anbetracht der Tatsache, dass bei Patienten mit HT eine adäquate TPR-Reduktion unter Belastung eine entscheidende prognostische Bedeutung hat [7], die Betablocker zu einer Reduktion der Leistungsfähigkeit führen können und der zentrale BD durch die Betablocker weniger günstig beeinflusst wird, sollten die Betablocker jedoch nicht als erste Wahl zur Therapie einer BelHT eingesetzt werden.

Sport bei Patienten mit arterieller Hypertonie resp. Belastungshypertonie

Das Auftreten eines überlebten Myokardinfarkts oder gar eines plötzlichen Herztodes wurde teilweise mit starken körperlichen Anstrengungen assoziiert. Die gefürchteten koronaren Ereignisse sind auf eine Ruptur einer vulnerablen, koronaren Plaque zurückzuführen und betreffen in zunehmendem Masse bereits jüngere Sportler ab 25 Jahren. Inwieweit ein inadäquates BD-Verhalten bei der Ruptur einer koronaren Plaque eine Rolle spielt, ist unklar.

Eine BelHT und eine milde HT sind keinesfalls Grund, von einer regelmässigen, aeroben Aktivität abzuraten, denn unzweifelhaft besteht ein grosser Nutzen in der Ausübung einer regelmässigen, aeroben, körperlichen Aktivität bezüglich Prognose. Die BD-senkenden Effekte des Ausdauersports sind besonders wirksam bei Patienten mit erhöhtem BD und betragen ca. 5 mmHg. Bei Patienten mit einer HT Grad 2 sollten keine körperlichen Aktivitäten mit hohem statischen Anteil durchgeführt werden bis der BD kontrolliert ist (Tab. 2) [11]. Dies gilt insbesondere bei Vorliegen von HT-bedingten Endorganschäden, wie etwa einer hypertensiven Herzkrankheit mit Dilatation der Aorta [12]. Ein Argument für eine echokardiografische Beurteilung von Sportlern, insbesondere bei älteren, sog. Master-Athleten oder bei Sportlern mit Verdacht auf HT ist die Detektion einer allfälligen Dilatation der Aorta ascendens. Eine Dilatation der Aortensinusportion bei Sportlern ist ungewöhnlich und keinesfalls als physiologische Entwicklung im Rahmen eines «Sportherzens» zu interpretieren [12]. Unter Beibehaltung eines ungünstigen Trainingsverhaltens bzw. fehlender Therapie kann es im Verlauf zu einer Progression der Dilatation mit Gefahr einer fatalen Dissektion kommen [12].

Hypertonie bei Sportler

Die HT ist die häufigste kardiovaskuläre Auffälligkeit bei Screening-Untersuchungen von vor allem älteren Athleten, man findet bei Athleten aber auch einen nicht unerheblichen Anteil von maskierter HT [13] mit normalen Praxisblutdruckwerten bei erhöhten durchschnittlichen 24-h-Stunden-BD-Werten. Insbesondere bei Athleten mit erhöhtem BD sollte der Gebrauch von nichtsteroidalen Antirheumatika oder anderen pressorischen Substanzen («energy drinks», Stimulanzien) aktiv erfragt und vermieden werden. Hypertensive Athleten sollten eine Echokardiografie erhalten [10], die Empfehlungen zur Sporttauglichkeit bei Athleten mit HT sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Die Indikation zur Therapie einer HT unterscheidet sich grundsätzlich nicht von dieser bei Nicht-Athleten. Bei Athleten sollten Diuretika und Betablocker nicht als Firstline-Therapie eingesetzt werden, da sie die Leistungsfähigkeit reduzieren und zu Elektrolyt-/Flüssigkeitsverschiebungen führen können. Zudem werden diese Substanzen auf der Dopingliste geführt und sind im Falle der Diuretika in allen Sportarten und zu jedem Zeitpunkt verboten. Es bieten sich daher für Athleten primär ACE-Hemmer/ATII-Antagonisten und Kalziumkanalblocker an [11].

Take-Home-Messages

  • Die Belastungshypertonie wird uneinheitlich definiert. Ein Richtwert beträgt >210 mmHg systolisch für Männer und >190 mmHg systolisch für Frauen unter max. Belastung bei gleichzeitigem Anstieg des diastolischen Blutdrucks.
  • Die prognostische Bedeutung der Belastungshypertonie bei normotensiven resp. prähypertensiven Gesunden bezüglich Entwicklung einer arteriellen Hypertonie ist klar gegeben.
  • Bei Patienten mit einer Belastungshypertonie und normotensiven Blutdruckwerten in Ruhe sollte eine maskierte Hypertonie mittels 24-Stunden-Blutdruckmessung gesucht werden.
  • Eine leichte arterielle Hypertonie oder Belastungshypertonie ist kein Grund von aerober sportlicher Aktivität abzuraten. Bei mittel- bis schwergradiger Hypertonie sollten Belastungen mit hohem statischen Anteil vermieden werden, bis die arterielle Hypertonie gut kontrolliert ist.
  • Eine arterielle Hypertonie, nicht selten maskiert, kommt bei kompetitiv Sport treibenden Athleten gelegentlich vor und sollte gesucht und entsprechend abgeklärt werden.

Literatur:

  1. Sharman JE, LaGerche A: Exercise blood pressure: clinical relevance and correct measurement. J Hum Hypertens 2015; 29(6): 351–358.
  2. Schultz MG, Sharman JE: Exercise Hypertension. Pulse 2014; 1(3–4): 161–176.
  3. Kim D, Ha JW: Hypertensive response to exercise: mechanisms and clinical implication. Clin Hypertens 2016; 22: 17.
  4. Schultz MG, et al.: Clinical Relevance of Exaggerated Exercise Blood Pressure. J Am Coll Cardiol 2015; 66(16): 1843–1845.
  5. Schultz MG, et al.: Exercise-induced hypertension, cardiovascular events, and mortality in patients undergoing exercise stress testing: a systematic review and meta-analysis. Am J Hypertens 2013; 26(3): 357–366.
  6. Schultz MG, et al.: Masked hypertension is «unmasked» by low-intensity exercise blood pressure. Blood Press 2011; 20(5): 284–289.
  7. Fagard RH, et al.: Prognostic value of invasive hemodynamic measurements at rest and during exercise in hypertensive men. Hypertension 1996; 28(1): 31–36.
  8. Lauer MS, et al.: Angiographic and prognostic implications of an exaggerated exercise systolic blood pressure response and rest systolic blood pressure in adults undergoing evaluation for suspected coronary artery disease. J Am Coll Cardiol 1995; 26: 1630–1636.
  9. Brenner R, Allemann Y: [Exercise testing and blood pressure]. Praxis (Bern 1994) 2011; 100(17): 1041–1049.
  10. Little WC, et al.: Effect of losartan and hydrochlorothiazide on exercise tolerance in exertional hypertension and left ventricular diastolic dysfunction. Am J Cardiol 2006; 98(3): 383–385.
  11. Black HR, et al.: Eligibility and disqualification recommendations for competitive athletes with cardiovascular abnormalities: task force 6: Hypertension: a scientific statement from the American Heart Association and the American College of Cardiology. Circulation 2015; 132(22): e298–302.
  12. Pelliccia A, et al.: Prevalence and clinical significance of aortic root dilation in highly trained competitive athletes. Circulation 2010; 122(7): 698–706, 3 p following 706.
  13. Trachsel LD, et al.: Masked hypertension and cardiac remodeling in middle-aged endurance athletes. J Hypertens 2015; 33(6): 1276–1283.

HAUSARZT PRAXIS 2018; 13(6): 28–32

Autoren
  • Prof. Dr. med. Michael Kühne, MD 
  • PD Dr. med. Christian Marc Schmied 
Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS 

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