Die neuen direkt wirkenden antiviralen Substanzen (DAA) zur Therapie der Hepatitis C ermöglichen in den meisten Fällen eine Heilung. Gleichzeitig sind die Kosten für eine solche Behandlung enorm und die Rückvergütung beschränkt sich auf fortgeschrittene Fälle. Neuerdings wird ein weiterer Punkt diskutiert: Kommt es nach antiviraler Therapie früher zu Rezidiven eines bereits behandelten hepatozellulären Karzinoms (HCC)? Zwei unabhängige Studien deuten darauf hin, dass ca. ein Drittel der Patienten kurz nach der Behandlung erneut mit einem HCC konfrontiert ist. Ein überraschend schlechtes Ergebnis, schliesslich müsste man annehmen, dass Folgekomplikationen (inklusive HCC) nach der Eradikation der HCV-Infektion seltener auftreten.
Die erste Studie aus dem Umfeld der Universität von Bologna sorgte bereits Mitte Jahr am internationalen Leberkongress in Barcelona für Aufsehen. In der Single-Center-Studie analysierte man eine Kohorte von 344 HIV-negativen Patienten mit Leberzirrhose (Child-Pugh-Stadium A/B) im Alter von median 63 Jahren (60% Männer; 69% Genotyp 1-Infektion), die mit den neuen antiviralen Substanzen behandelt wurden [1]. Zum Zeitpunkt der Behandlung lagen keine aktiven HCC-Läsionen vor (per MRT oder CT bestätigt). 59 Patienten (17%) wiesen solche jedoch in ihrer Vorgeschichte auf – die HCC waren mit transarterieller Chemoembolisation und/oder Radiofrequenzablation behandelt worden.
29% mit Rezidiven nach sechs Monaten
Sechs Monate nach der Therapie mit Sofosbuvir und Simeprevir (34%), Ombitasvir/Paritaprevir/Ritonavir plus Dasabuvir 3D (22%), Sofosbuvir und Ribavirin (17%), Sofosbuvir und Daclatasvir (16%) oder Sofosbuvir und Ledipasvir (10%) fanden sich bei insgesamt 26 Patienten (7,6%) aktive HCC, grösstenteils bei Männern (medianes Alter 58 Jahre; Child-Pugh A in 73% der Fälle).
Davon
- wiesen 81% einen einzelnen und 19% multiple Tumoren auf;
- wies ein Grossteil (17) ein Rezidiv auf (29% der 59 ehemals Betroffenen);
- präsentierte sich ein geringer Teil (9) mit einem neuen HCC (3,2% der 285 ehemals nicht Betroffenen).
- 13 der 26 Patienten hatten eine HCV-Genotyp 1-Infektion, 9 eine Genotyp-2/3-Infektion und 4 eine Genotyp 4-Infektion gehabt. Bei 85% der Patienten war eine «sustained virological response» (SVR), also eine Heilung, erreicht worden. Bei HCC-Detektion war das Alphafetoprotein (AFP) nur bei 2 der 26 Patienten erhöht. Laut Studie hatten weder die Art der Therapie noch das Ansprechen darauf oder der HCV-Genotyp einen Einfluss auf die HCC-Rate.
Patienten auch nach HCV-Eradikation nachkontrollieren
Die Autoren folgern, dass in dieser grossen retrospektiven Studie mit einem eher kurzen Follow-up bereits ein Drittel der ehemals von HCC Betroffenen ein HCC-Rezidiv aufwies. Diese Rate ist im Vergleich zu den neu aufgetretenen HCC (3,2%) hoch und entspricht nicht dem Standard. Selbst wenn man berücksichtigt, dass sich das HCC-Risiko bei Patienten mit Leberzirrhose auch nach HCV-Eradikation weniger stark reduziert als bei den restlichen Patienten, ist eine Rückfallrate von fast 30% in so kurzer Zeit beachtlich. Deshalb müssen gerade solche Patienten nach der Interferon-freien Behandlung gut monitorisiert werden, so das vorläufige Fazit. Der genaue Mechanismus hinter dem Ergebnis sei derweil weiter zu erforschen.
In einer entsprechenden Sicherheitsüberprüfung der EMA wird dem neu entdeckten Risiko bereits nachgegangen [2]. Es wird davor gewarnt, die DAA-Therapie vorschnell für die erhöhte Rezidivrate verantwortlich zu machen.
Spanische Studie kommt zu gleichem Ergebnis
Die zweite Studie stammt von einem Team aus Barcelona [3]. Nachbeobachtet wurden in insgesamt vier Spitälern 58 Patienten mit früherem HCC, das komplett auf die Therapie angesprochen hatte (keine Tumoren mehr nachweisbar). Sie erhielten ebenfalls die erwähnten antiviralen Substanzen (Interferon durfte folglich nicht Teil des Regimes sein). Nach einem medianen Follow-up von ca. sechs Monaten fand sich ebenfalls bei fast einem Drittel (27,6%) ein radiologisch gesichertes Tumorrezidiv (16 Patienten). Dieses bestand aus einem intrahepatischen Wachstum (drei Patienten), aus einer neuen intrahepatischen Läsion (fünf Patienten), aus bis zu drei neuen Läsionen (≤3 cm, vier Patienten), aus multifokalen Läsionen (ein Patient) sowie aus einem infiltrativen, schlecht abgrenzbaren HCC und/oder extrahepatischen Läsionen (drei Patienten). Im Median verstrichen bis zum Wiederauftreten des Tumors nur gerade 3,5 Monate.
Fehlt Interferon?
Obwohl die Kohorte in dieser Studie sehr klein war, lag auch hier die Rate an Rezidiven, die zeitgleich zur HCV-Eradikation auftraten, überraschend hoch, und das Rezidivmuster war unerwartet. Möglicherweise begünstigt das Fehlen von Interferon die Entstehung von neuen Tumorherden. Interferon werden ausser immunregulatorischen und antiviralen auch antitumorale Eigenschaften und Effekte auf die Kanzerogenese zugeschrieben. Man darf allerdings nicht vergessen, dass heute ältere und kränkere HCV-Patienten behandelt werden als früher. Dies könnte sich durchaus auf die Rezidivrate auswirken.
Literatur:
- Buonfiglioli F, et al.: Development of hepatocellular carcinoma in hcv cirrhotic patients treated with direct acting antivirals. Journal of Hepatology 2016; 64: S215.
- EMA: Direct-acting antivirals indicated for treatment of hepatitis C (interferon-free). 2016. www.ema.europa.eu.
- Reig M, et al.: Unexpected early tumor recurrence in patients with hepatitis C virus-related hepatocellular carcinoma undergoing interferon-free therapy: a note of caution. Journal of Hepatology 2016 April 12. DOI: DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.jhep.2016.04.008 [Epub ahead of print].
InFo ONKOLOGIE & HÄMATOLOGIE 2016; 4(4): 2
Autoren
- Andreas Grossmann
Publikation
- INFO ONKOLOGIE & HÄMATOLOGIE
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