Reizmagen- und Reizdarmsyndrom sind benigne Erkrankungen, können aber die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränken. Funktionelle Blähungen sind ein häufiges gemeinsames Charakteristikum und wird von Betroffenen als sehr störend empfunden. Eine einheitliche Standardtherapie gibt es nicht, als wirksam erwiesen hat sich eine multimodale, symptomorientierte Therapie.

Funktionelle gastrointestinale Störungen sind häufig und können anhand der Rom IV-Kriterien diagnostiziert werden, wenn es keine Hinweise gibt auf eine andere strukturelle Erkrankung [1]. Die Ursachen sind oft diffus, manchmal spielen ungünstige Ernährungsgewohnheiten und Stress eine Rolle. Motilitätsstörungen und viszerale Hypersensitivität sind entscheidende Faktoren im Pathomechanismus. Typische Symptome funktioneller Magen-Darm-Beschwerden sind Blähungen, Bauchschmerzen oder Krämpfe, Völlegefühl, Durchfall oder Verstopfung.

Symptome auch bei normaler Gasbildung

Bei Blähungen handelt es sich um die subjektive Empfindung eines geblähten Abdomens, die von Betroffenen als sehr störend empfunden wird.  Es handelt sich um ein gemeinsames Symptom verschiedener funktioneller Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes (Abb. 1) [2–5]. Manchmal liegt eine objektiv feststellbare Zunahme des Bauchumfanges vor, was aber nicht zwingend ist. Schweregrad und Verlauf sind individuell unterschiedlich. Während bei einigen die Symptome spontan remittieren, persisitieren diese bei anderen chronisch und führen zu erheblicher Beeinträchtigung [6]. Der Pathomechanismus ist multifaktoriell, es wird davon ausgegangen, dass viszerale Hypersensitivität, verhaltensinduziert abnorme Reflexe, sowie Effekte von schlecht absorbierten fermentierbaren Kohlenhydraten und Alterationen des Mikrobioms (z.B. durch eine Infektion) eine Rolle spielen [7]. Das moderne Konzept der Darm-Hirn-Achse («Brain-Gut-Axis») bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen dem peripheren und dem zentralen Nervensystem [8]. In diesem Erklärungsmodell wird davon ausgagangen, dass viszerale Allodynie zur subjektiven Wahrnehmung von Blähungen führt und diese auch bei normaler oder nur geringfügig erhöhter Gasbildung auftreten kann [9,10]. Der Mechanismus der viszeralen Hypersensitivität, also einer erhöhten Vigilanz gegenüber spezifischen Sensationen im Magen-Darm-Trakt, wird bereits seit Längerem als wichtiger pathogenetischer Faktor für Blähungen und andere funktionelle Verdauungsbeschwerden beschrieben [5,7,11]. Eine tiefere Perzeptions- und Schmerzschwelle auf intestinale Reize trägt zu einer zentralnervösen Sensibilisierung bei.  

 

 

Kümmelöl: karminative Eigenschaften

Die Therapie stellt für Behandler und Patienten eine Herausforderung dar. Es gibt keine einheitliche Strategie zur Behandlung funktioneller Blähungen, ein multimodales symptomorientiertes Prozedere ist am erfolgversprechendsten. Hinsichtlich Ernährung hat sich in kontrollierten empirischen Studien gezeigt, dass eine FODMAP-arme Diät eine Reduktion gastrointestinaler Symptome begünstigt [12]. FODMAPs sind fermentierbare Kohlenhydrate, deren Absorption bei gewissen Personen problematisch ist. Neben Ernährungsumstellung kann auch eine Verhaltenstherapie sinnvoll sein, zum Beispiel für Strategien zur Stressbewältigung. Man weiss, dass Stress die qualitative und quantitative Zusammensetzung des «Mikrobioms» beeinflussen kann [13]. Neben den Allgmeinmassnahmen hat sich Phytotherapie ebenfalls als  wirksam erwiesen. Gemäss einer 2020 erschienenen Publikation von Lacy et al. wird der Erfolg einer Behandlung durch folgende Faktoren besonders gefördert [14]: Psychoedukation, Unterstützung für eine Lebensstilmodifikation, Ernährungsberatung. Phytotherapeutisch können karminative Substanzen, wie beispielsweise Kümmel, Linderung verschaffen. Die Wirkung pflanzlicher Karminativa beruht auf einer Entspannung der Darmmuskulatur und einer Hemmung der Gas- und Schaumbildung. Kümmelöl (Carvi aetheroleum) hat zudem antimikrobielle Effekte, was zu einer verringerten Gasbildung durch Mikroorganismen beiträgt [15]. Dabei wird selektiv das Wachstum pathogener Keime inhibiert, ohne negative Effekte auf nützliche Darmbakterien auszuüben [15]. Kümmelöl wirkt zudem auch schmerzlindernd durch Reduktion der viszeralen Sensitivität (TRPA1-Rezeptor). Auch Pfefferminzöl hat analgetische Effekte (TRPM8-Rezeptor) sowie eine relaxierende Wirkung über die Hemmung von spannungsabhängigem Kalziumeinstrom [16]. Die in dem kapselförmigen Arzneimittel Carmenthin® [17] enthaltene hochdosierte Wirkstoffkombination aus Pfefferminzöl und Kümmelöl lindert nachweislich funktionelle Verdauungsstörungen wie Blähungen, Krämpfe, Völlegefühl und epigastrische Schmerzen.

Literatur:

  1. Stanghellini V, et al.: Gastroenterology 2016 pii: S0016–5085(16)00177–3
  2. May B, et al.: Efficacy and tolerability of a fixed combination of peppermint oil and caraway oil in patients suffering from functional dyspepsia. Aliment Pharmacol Thera 2000; 14: 1671–1677.
  3. Noe S, et al.: Eine offene, multizentrische, apothekenbasierte, prospektive Kohortenstudie mit Menthacarin bei funktionellen gastrointestinalen Beschwerden. Internist 2016; 57 (Suppl. 1), S42–S42
  4. Storr M, Stracke B: Behandlungseffekt und Verträglichkeit von Menthacarin bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie – ein 11-monatiges Follow-up. Z Gastroenterol 2017; 55: e220–e220.
  5. Madisch A, et al.: Diagnose und Therapie der funktionellen Dyspepsie. Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 222–232.
  6. Kamboj AK, Oxentenko AS: Workup and Management of Bloating. Clin Gastroenterol Hepatol 2018; 16(7): 1030–1033.
  7. Mari A, et al.: Bloating and Abdominal Distension: Clinical Approach and Management. Adv Ther 2019; 36(5): 1075–1084.
  8. Matricon J, et al.: Associations Between Immune Activation, Intestinal Permeability and the Irritable Bowel Syndrome. Aliment Pharmacol Ther 2012; 36(11–12): 1009–1031.
  9. Malagelada J, et al.: Bloating and abdominal distension: old misconceptions and current knowledge. Am J Gastroenterol. 2017; 112(8): 1221–31.
  10. Hellström PM: Pathophysiology of the Irritable Bowel Syndrome – Reflections of Today. Best Pract Res Clin Gastroenterol 2019; 40–41:101620.
  11. Serra J, et al.: Modulation of gut perception in humans by spatial summation pheno-mena. J Physiol 1998; 506(2): 579–587.
  12. Halmos EP, et al.: A Diet Low in FODMAPs Reduces Symptoms of Irritable Bowel Syndrome. Gastroente-rology 2014; 146(1): 67–75.e5
  13. Cuntz U: Grundkonzepte der gastrointestinalen Psychophysiologie. Verhaltenstherapie 2014; 24: 100–106.
  14. Lacy BE, et al.: Management of Chronic Abdominal Distension and Bloating. Clinical Gastroenterology and Hepatology, April 01, 2020, DOI:https://doi.org/10.1016/j.cgh.2020.03.056
  15. Hawrelak JA, et al.: Essential oils in the treatment of intestinal dysbiosis: A preliminary in vitro study. Altern Med Rev 2009; 14(4): 380–384.
  16. Deutsche Apothekerzeitung (DAZ): DAZ 2018 (9): 73, 01.03.2018.
  17. Carmenthin: www.compendium.ch

HAUSARZT PRAXIS 2020; 15(7): 44

Autoren
  • Mirjam Peter, M.Sc. 
Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS 

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