Die fortschreitende und bislang nicht heilbare Lungenkrankheit COPD geht mit einer hohen Krankheitslast einher. Weltweit ist COPD gemäss WHO heutzutage die vierthäufigste Todesursache international und alleine in der Schweiz leiden über 400’000 Personen an dieser belastenden Lungenerkrankung. Ein neues Positionspapier gibt Denk- und Handlungsanstösse zur Verbesserung der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten.
Die COPD (Chronic obstructive pulmonary disease) geht mit einer chronisch obstruktiven Bronchitis und/oder einem Lungenemphysem einher. Die charakteristische Atemwegsobstruktion ist nach Gabe von Bronchodilatatoren in der Regel nicht vollständig reversibel. Ausmass der Obstruktion, Lungenüberblähung und Gasaustauschstörung können unabhängig voneinander variieren [1]. Prof. Dr. med. Daiana Stolz, leitende Ärztin an der Klinik für Pneumologie am Universitätsspital Basel und Chefärztin und Direktorin der Klinik für Pneumologie am Universitätsklinikum in Freiburg im Breisgau (D) wurde vor drei Jahren vom Lancet beauftragt, eine weltweite Expertengruppe zusammenzustellen, um aufzuarbeiten, wie die COPD am besten diagnostiziert, behandelt, oder gar eliminiert werden könnte. Das über 50 Seiten umfassende Positionspapier wurde im September in The Lancet publiziert (Kasten). [2,3]. «Dieses Positionspapier ist mutig und wegweisend in vielerlei Hinsicht. Es macht die enorme epidemiologische, gesellschaftliche und auch volkswirtschaftliche Bedeutung von COPD klar. Es zeigt, auch im Vergleich mit anderen Volkskrankheiten, wie wenig wir dennoch in der Bekämpfung bisher geschafft haben. Und das Wichtigste: Es macht konkrete Lösungsvorschläge, wie wir es schaffen könnten», so Prof. Dr. med. Wolfram Windisch, Stellvertretender Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) sowie Chefarzt der Lungenklinik Köln-Merheim [3,4].
Rauchen ist nicht der einzige Risikofaktor
«COPD wird von vielen Menschen sehr stark mit Tabakrauchen assoziiert. Das ist auch ein wesentlicher Risikofaktor, aber es gibt eben auch nennenswerte andere Faktoren, die wir genau beobachten müssen. Deswegen haben wir eine neue Klassifizierung von fünf COPD-Typen entwickelt», erklärt Prof. Stolz, Erstautorin des Positionspapiers [3,4]. Dies sind die von den Experten identifizierten Risikofaktoren:
- Genetische Faktoren
- Frühkindliche Ereignisse (z.B. Frühgeburt)
- durchgemachte Infektionen
- Rauchen
- Umweltfaktoren (z.B. Luftverschmutzung)
Dabei können Betroffene auch mehreren Risikofaktoren gleichzeitig ausgesetzt sein – zum Beispiel wenn sie rauchen und ausserdem eine genetische Prädisposition aufweisen. Dadurch wird die Schädigung der Lungengesundheit zusätzlich begünstigt. In Abhängigkeit von diesen jeweiligen Risikofaktoren gelte es, die individuelle COPD-Therapie zu finden, so die Experten.
Expertenkommitte fordert ein UmdenkenDas im Lancet erschienene Positionspapier trägt den Titel «Towards the elimination of chronic obstructive pulmonary disease». «COPD ist eine enorme globale Gesundheitsbelastung für Menschen aller Länder, sozioökonomischer Gruppen und Altersstufen, wobei ärmere, benachteiligte und vulnerable Gruppen besonders betroffen sind», sagt Prof. Dr. med. Daiana Stolz, Erstautorin der Lancet-Publikation. Zigarettenrauchen ist weiterhin in Europa die häufigste Ursache für COPD [5]. Aber wie man heute weiss, gibt es weitere Risikofaktoren, die eine wesentliche Rolle spielen können. Daher wird vorgeschlagen, die COPD auf der Grundlage des Hauptrisikofaktors in fünf verschiedene Typen einzuteilen. Nur so bestehe die Chance, die Krankheit frühzeitig zu diagnostizieren und eine krankheitsmodifizierende Behandlung zu entwickeln. Zumindest einige Formen der COPD können möglicherweise verhindert werden, indem die Lungengesundheit über den gesamten Lebensverlauf hinweg als Leitprinzip berücksichtigt wird. «Es braucht ein Umdenken. Wir müssen die Erkrankungen früher diagnostizieren, bevor das Organ endgültig geschädigt ist und personalisierter behandeln. Das erfordert gezielte Forschungsvorgehen. Gleichzeitig müssen wir Risikofaktoren wie Luftverschmutzung, vorgeburtliche Belastungen und frühkindliche Infektionen stärker berücksichtigen. Sonst riskieren wir die Fortschritte, wie wir sie beim Rauchen gemacht haben, anderswo wieder zu verlieren», so Prof. Stolz [5]. |
Gezielter behandeln: Empfindlichere Diagnostik-Tools sind nötig
«Seit Jahrzehnten beruht die COPD-Diagnostik fast ausschliesslich auf der Spirometrie. Das Problem ist, dass dieser Lungenfunktionstest frühe COPD-Stadien nicht zuverlässig erkennen kann, sondern nur fortgeschrittene – und damit irreversible – Krankheitsstadien», so Prof. Stolz [4]. Die Autoren des Positionspapiers plädieren daher unter anderem für sensitivere Lungenfunktionstests, die Berücksichtigung von individuellen Risikofaktoren in der Anamnese und auch unterstützende bildgebende Verfahren in der Diagnostik. Was die Exazerbation einer COPD angeht, schlagen die Experten eine neue Definition vor. Anhand von objektiven, messbaren Kriterien, wie zum Beispiel bestimmten Entzündungen, liessen sich Betroffene so viel gezielter behandeln als aktuell.
Für die Umsetzung der Vision, COPD langfristig zu eliminieren, sei eine koordinierte Zusammenarbeit internationaler Stakeholder erforderlich, so die Autoren. «COPD ist eine globale Erkrankung, die auch mit Armut korreliert: Länder mit geringerem Einkommen haben auch mehr Fälle. Deswegen sollten alle Gesellschaftsschichten Zugang zu Diagnostik und Behandlung haben», erläutert Prof. Stolz.
Literatur:
- Nationale VersorgungsLeitlinie COPD, 2021, 2. Auflage, Version 1, AWMF-Register-Nr. nvl-003.
- «Die Pneumologie des Universitätsspitals als Titel-Thema im The Lancet», Universitätsspital Basel, 23.09.2022.
- Stolz D, et al.: Towards the elimination of chronic obstructive pulmonary disease: a Lancet Commission. Lancet 2022;400(10356): 921–972.
- «Neue Möglichkeiten für COPD-Diagnostik und -Therapie: Wegweisendes Positionspapier macht konkrete Behandlungsvorschläge», Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V., 15.09.2022
- «Lungenkrankheit COPD: Lancet-Sonderpublikation zu Diagnose, Therapie und Prävention», Universitätsklinikum Freiburg (D), 07.09.2022.
- Olschewski H, et al.: Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung 2021 – die richtige Therapie für den richtigen Patienten. Internist 2021; 62: 679–685.
HAUSARZT PRAXIS 2022; 17(10): 22
Autoren
- Mirjam Peter, M.Sc.
Publikation
- HAUSARZT PRAXIS
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