Der Status epilepticus ist definiert als ein epileptischer Anfall mit der Dauer von >5 min oder eine Serie von Anfällen, zwischen denen der ursprüngliche neurologische Status nicht wieder erreicht wird. Zur primären Behandlung des Status epilepticus stellt die rasche und ausreichende Gabe von Benzodiazepinen, die in verschiedenen Darreichungsformen verfügbar sind, eine der wichtigsten Optionen dar.
Der Status epilepticus ist definiert als ein epileptischer Anfall mit der Dauer von >5 min oder eine Serie von Anfällen, zwischen denen der ursprüngliche neurologische Status nicht wieder erreicht wird. Mit einer Inzidenz von 10–40 pro 100’000 Personenjahren und einer Mortalität zwischen 7 und 33% ist der Status epilepticus (SE) zum einen einer der häufigsten neurologischen Notfälle, zum anderen jedoch auch ein akut lebensbedrohlicher Zustand [1,2]. Die Mortalität bei Patient:innen ohne Bewusstseinseinschränkungen liegt mit 8,2% deutlich unter der von Patient:innen mit Bewusstseinsstörungen (33%) [2]. Langzeitfolgen können neurologische, kognitive und Verhaltensstörungen und eine deutliche Reduktion der Lebensqualität sein. Darüber hinaus kann ein Status epilepticus mit einer deutlichen Verschlechterung des klinischen Outcomes assoziiert sein. Hierbei spielen unter anderem Komplikationen wie Frakturen, Immobilität, eine im Rahmen des Status erworbene Aspirationspneumonie, aber auch eine Einschränkung der Fertigkeiten des Alltäglichen Lebens als Folge eines längeren Erholungsprozesses, nach dem Staus oder Funktionseinbussen durch einen langen Aufenthalt auf der Intensivstation eine Rolle. Das Outcome nach einem Status epilepticus wird vor allem durch die Ätiologie des Status epilepticus, die Art bzw. das Stadium des Status epilepticus, dessen Dauer und auch das Alter der Patient:innen bestimmt [3]. Prädiktoren für wiederkehrende SE waren Alter <4 Jahre, weibliches Geschlecht, fehlende medikamentöse Responsivität bei der 1. Gabe und symptomatische und progressive Ätiologien.
Leitliniengerechte Therapie des Status epilepticus
Der Therapieerfolg bei SE ist zeitkritisch und von einer umgehenden neurologischen Therapie und Diagnostik abhängig. Der präklinischen Phase kommt daher in der Versorgung eine grosse Bedeutung zu. Die Therapie des SE bei Erwachsenen ist im Rahmen der aktuellen Leitlinie in ein Stufenschema gegliedert (Tab. 1) [4]. Nach allgemeinen Massnahmen wie der Sicherstellung der Vitalparameter (ABCDE-Schema), dem Schutz des Kopfes vor Verletzung, der O2-Gabe bei eine O2-Sättigung <95% und einer symptomatischen Temperatursenkung bei >37,5°C, besteht die Ersttherapie (Stufe 1) in der Gabe von Benzodiazepinen. Die Initialdosen bei Erwachsenen >40 kg Körpergewicht (KG) liegen bei: Lorazepam 0,1 mg/kg KG (max. 4 mg/Bolusgabe, ggf. 1× wiederholen) oder Clonazepam 0,015 mg/kg KG (max. 1 mg/Bolusgabe, ggf. 1× wiederholen) oder Midazolam 0,2 mg/kg KG (max. 10 mg/Bolusgabe intramuskulär (i.m.), intravenös (i.v.) oder intranasal (i.n.), ggf. 1× wiederholen) oder Diazepam 0,15–0,2 mg/kg KG (max. 10 mg/Bolusgabe, ggf. 1× wiederholen). Bei Patient:innen ohne i.v.-Zugang sollte Midazolam intramuskulär per Applikator oder intranasal (10 mg für >40 kg, 5 mg für <40–13 kg KG) als Einzelgabe) appliziert werden. Bei Persistenz des SE nach der initialen Gabe eines Benzodiazepins soll geprüft werden, ob die Dosis adäquat war, da Unterdosierung der Initialtherapie aus Angst vor therapieimmanenten Nebenwirkungen der Benzodiazepine häufig ist und eine reduzierte Anfallskontrolle zur Folge haben kann. Ggf. soll im Rahmen der Ersttherapie das Benzodiazepin erneut in dann ausreichend hoher Dosis appliziert werden.

Wenn die initiale Benzodiazepin-Gabe ausreichend hoch dosiert war sollen innerhalb von 30 min. in der 2. Therapiestufe i.v. verfügbare Anfallssuppressiva (ASM) gegeben werden. Als Medikamente der 1. Wahl sollen Levetiracetam (LEV, 60 mg/kg KG, max. 4500 mg über >10 min i.v.) (nicht zur SE-Therapie zugelassen), Valproat (VPA, 40 mg/kg KG, max. 3000 mg über >10 min i.v.) oder Fosphenytoin (FPHT, 20 mg/kg KG, max. 1500 mg über >10 min i.v.) gegeben werden [4]. Fosphenytoin ist in Deutschland und Österreich zwar zugelassen, wird dort aber nicht vermarktet und ist in der Schweiz nicht zugelassen, sodass dies in der praktischen Umsetzung der Therapie im deutschsprachigen Raum keine Rolle spielt. Eine weitere mögliche Alternative stellt die Gabe von Lacosamid in einer Dosis von 5 mg/kg i.v. dar, welche über 15 min appliziert werden kann [5]. Es ist jedoch zu beachten, dass eine Kontraindikation bei einem AV-Block 2. oder 3. Grades besteht. Auch hier besteht keine Zulassung zur SE-Therapie. Erste Fallserien und Fallberichte beschreiben eine erfolgreiche Anwendung von intravenös verabreichtem Brivaracetam beim refraktären SE [6].
Im Anschluss an die Therapie der Stufe 2 erfolgt bei Versagen der i.v.-ASM eine Intubationsnarkose mit entweder Thiopental, Midazolam oder Propofol (Tab. 2) [5]. Sollte es auch zu einem Versagen dieser Therapiestufe kommen, werden in der aktuellen Leitlinie weitere Therapieoptionen vorgeschlagen, die jedoch grossteils auf einzelnen Fallberichten basieren. Zu diesem Zeitpunkt wird der SE als superrefraktär (SRSE) bezeichnet. Neben der Gabe von Barbituraten, Ketamin, NMDA-Antagonisten, Inhalationsanästhetika wie Isofluran oder Desfluran, kann die enterale Applikation weiterer «klassischer», nur oral verfügbarer ASM oder individuelle Therapieversuche mit Lidocain, ketogener Diät und Epilepsiechirurgie in Erwägung gezogen werden.

Aktuelle Probleme in der Behandlung des Status epilepticus
Die schnelle und ausreichend hoch dosierte Behandlung des SE ist prognostisch von hoher Bedeutung. Gerade die initiale Therapie weicht oft noch von den Empfehlungen der Leitlinie ab. Guterman et al. 2021 konnten zeigen, dass die Behandlung des präklinischen SE selten den vorgegebenen Leitlinien entsprach. Von den 9176 prähospitalen Einweisungen wegen Status epilepticus in 743 Einrichtungen wurden 7665 Patienten (83,6%) mit Midazolam, 1264 (13,8%) mit Lorazepam und 245 (2,7%) mit Diazepam behandelt. Es gab 357 (3,9%; 95% CI: 3,5%–4,3%) Fälle, in denen die Erstbehandlung hinsichtlich der empfohlenen Dosis und Art den Expertenempfehlungen entsprach. Die Mehrheit der Patienten erhielt somit niedrigere Benzodiazepin-Dosen als empfohlen [7].
In der SENSE-Studie, einer trinationalen Kohortenstudie, berichten Kellinghaus et al., dass in 15% aller Fälle kein Benzodiazepin in der ersten Behandlungsstufe verabreicht wurde. Die Daten konnten zeigen, dass eine leitliniengerechte Verwendung von Benzodiazepinen mit dem Therapieerfolg und einer signifikant höheren Anzahl von durchbrochenen SE zusammenhing [8].
Zusammenfassend konnten alle Studien zeigen, dass die präklinische Gabe von Benzodiazepinen die Zeit bis zur Anfallskontrolle verkürzt und die Dauer des Krankenhausaufenthalts bei Patient:innen mit SE reduziert.
Zur Optimierung der Ersttherapie stellen die vereinfachte Gabe von Benzodiazepinen durch die Zulassung von Injektoren und nasal/buccal applizierbaren Anwendungen eine Vereinfachung der initialen Gabe durch Rettungskräfte und häusliche Pflegekräfte dar, so dass die Ersttherapie in Zukunft weiter optimiert werden kann [9].
Gawedzki et al. konnten 2022 in einer retrospektiven, monozentrischen Beobachtungsstudie in der Notaufnahme zeigen, dass die Anwesenheit eines begleitenden Pharmazeuten im Status epilepticus Team die mediane Zeit bis zum Verabreichen des 1. und 2. ASM deutlich reduziert. Zudem erhielt die Gruppe von Patient:innen, bei der ein:e Pharmazeut:in präsent war, eine höhere mediane Dosis von Lorazepam-Äquivalenten (2,5 mg [IQR 2–4] vs. 2 mg [IQR 2–2]; p=0,04) und mit grösserer Wahrscheinlichkeit eine ausreichend hohe initiale Dosis mit mindestens 4 mg Lorazepam-Äquivalente (38% vs. 0%; p=0,11). Es zeigten sich jedoch keine Unterschiede in der Krankenhaus-LOS oder der 30-Tage-Sterblichkeit [10]. Hieraus wurde geschlussfolgert, dass die Anwesenheit eines Pharmazeuten bzw. eines Beobachters der Therapie das Bewusstsein für eine leitliniengerechte Therapie erhöht.
Ein weiterer klinisch relevanter Faktor ist das rechtzeitige Erkennen eines nicht-konvulsive Status epilepticus (NCSE), da beim SE eine verzögerte Diagnosestellung und Behandlung zu einer erhöhten Mortalität führen. Der non-konvulsive SE gehört zu den am häufigsten übersehenen neurologischen Notfällen, auch da er oft mit internistischen schweren, Erkrankungen vergesellschaftet ist, die die Diagnosestellung erschweren [11]. Die Inzidenz-Studie von Leitinger et al. zeigte, dass der non-konvulsive SE mit einer hohen Sterblichkeit (CFR 27,65%) einhergeht. Mit einer Inzidenz von 12,1/100’000 ist er ein häufiger Notfall in der Epileptologie [2].
NCSE/NCS (nicht-konvulsiver Anfall) konnten bei 21% von 170 Probanden auf einer Intensivstation nachgewiesen werden. Klinische Anfälle gingen der EEG-Diagnose von NCSE/NCS in nur 25% der Fälle voraus. Wesentliche Risikofaktoren für NCSE/ NCS waren Vorerkrankungen des ZNS, zum Beispiel ZNS-Tumore, vorbekannte Epilepsie, eine Meningitis/Enzephalitis oder der Nachweis von Enzephalomalazie im MRT [12,13].
Ist der Status epilepticus auch nach 1 Stunde oder 24-stündiger Therapie weiter bestehend, spricht man vom refraktären oder suprarefraktären SE. Ein refraktärer und suprarefraktärer SE haben ein deutlich schlechteres Outcome als ein unkompliziert zu durchbrechender Status epilepticus. Strzelczyk et al. untersuchten retrospektiv das Outcome und die Dauer des stationären Aufenthaltes von Patient:innen mit einem refraktären und superrefraktären Status Epilepticus. Hierzu wurde die Datenbank «Gesundheitsforen Leipzig» verwendet, welche stationäre und ambulante Diagnosen, Kosten, und demografische Daten für Patient:innen mit einem SE beinhaltete. Der grösste Anteil der Patient:innen mit einem nicht refraktären SE konnten nach Hause entlassen werden (78,1%), wohingegen dies beim RSE auf 70,1% und beim SRSE auf nur 31,7% zutraf. Über ein Drittel der Patient:innen mit einem SRSE (39,9%) verstarben gegenüber 15% der RSE-Patient:innen und 9,6% der nRSE-Patient:innen [14].
Neue Behandlungsansätze zur Therapie des suprarefraktären SE
Aktuell werden neue, aber auch schon bekannte Behandlungsansätze als mögliche Therapieoptionen beim therapierefraktären Status epilepticus diskutiert. An erster Stelle sind weitere medikamentösen Therapieversuche zu erwähnen:
In einer bizentrischen Schweizer Kohortenstudie wurden 205 Patient:innen eingeschlossen, von den bei 27% eine Anästhetika-Gabe erfolgte, nachdem das first-line Medikament versagte. Die Ergebnisse zeigten, dass Anästhetika als second-line Behandlung mit einer kürzeren medianen Dauer des SE (0,5 versus 12,5 Tage, p<0,001), einer kürzeren Zeit auf der Intensivstation (2 versus 5,5 Tage, p<0,001) und einer verkürzten Krankenhausaufenthaltsdauer (8 versus 17 Tage, p<0,001) mit gleichen Raten von Komplikationen im Vergleich zur Anästhesie als third-line Behandlung verbunden ist [15].
Kürzlich wurde die Verwendung von Phenobarbital zur Therapie des SRSE diskutiert. Phenobarbital ist eines der ältesten ASM, das seit 1912 im klinischen Einsatz ist. Es liegen verschiedene Berichte über eine starke anfallssuppressive Wirkung mit geringer Sedierung vor. Zugleich wurde von möglichen Nebenwirkungen wie Hypotonie, Arrhythmien, eine erhöhte Infektrate und Hypopnoe unter der Therapie mit Phenobarbital berichtet. Phenobarbital führt zu einer Erhöhung der GABA-ergen Hemmung und zu einer Verringerung der glutamatergen Erregung, sowie einer Hemmung von AMPA-Rezeptoren. Phenobarbital scheint in Einzelfällen eine Therapieoption zur Behandlung des RSE, die nicht in Vergessenheit geraten sollte. Wie bei anderen ASM wäre ein RCT wünschenswert und notwendig, um den Stellenwert in der Therapie des SE zu beurteilen [16].
An nicht-medikamentösen Therapieoptionen werden in der aktuellen Leitlinie unter anderem folgende Optionen diskutiert: Transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS), Vagus-Nerv-Stimulator (VNS), ketogene Diät und fokale Kühlung:
TDCS ist eine nicht-invasive Neuromodulationstechnik, die eine schwache Gleichstromstimulation über die Kopfhaut anwendet, um lineare und nichtlineare polarisierte Effekte zu induzieren. Insbesondere die kathodische Stimulation induziert eine Hyperpolarisation in neuronalen Zellen und provoziert potenziell relevante akute und langfristige Auswirkungen in der Physiopathologie von SRSE. Ng et al. testeten die Machbarkeit der Verwendung von hochauflösender transkranieller Gleichstromstimulation (hd-tDCS) in der Behandlung von RSE. Bei 10 RSE-Patient:innen traten in 32 hd-tDCS-Sitzungen keine unerwünschten Ereignisse auf. TDCS könnte möglicherweise mit einer akuten Verringerung des exzitatorischen präsynaptischen Inputs oder einer Depression der synaptischen Kraft vermittelt durch N-Methyl-D-Aspartat (NMDA) Rezeptoren assoziiert sein, die langanhaltende Wirkungen einschliesslich Transmembranwirkung, Proteinmigration und/oder entzündungshemmende Wirkungen hervorrufen können [17].
Einen sehr vielversprechenden Ansatz stellt die Behandlung des suprarefraktären SE mittels ketogener Diät (KD) dar. In einer nicht-randomisierten retrospektiven Kohortenstudie untersuchten Koh et al. 140 RSE-Patient:innen. Darunter waren 32 Patient:innen, die mit einer KD behandelt wurden. Von diesen konnte der SE bei 28 (81%) durchbrochen werden. Der Einsatz der KD beeinflusste die Reduktion der modifizierten Rankingscale (mRS) bei Entlassung, bei Älteren, bei höheren seizure severity scores, unter kontinuierlicher intravenöser Anästhesietherapie (CIVAD) und bei Patient:innen mit SRSE. Zusätzlich waren Alters- und Anfallsschwere-Scores, aber nicht CIVAD oder SRSE mit einer KD-vermittelten Veränderung des mRS-Scores nach 3 Monaten assoziiert. Aufgrund dieser Daten diskutieren die Autoren eine mögliche neuroprotektive Wirkung von KD bei SRSE-Patient:innen [18].
Als hoch experimentelles Verfahren veröffentlichten Niesvizky-Kogan et al. kürzlich das Prinzip des fokalen Kühlens als Behandlungsoption bei therapierefraktären Epilepsien und SE. Während des Kühlens soll es zu einer Verringerung der Freisetzung von Neurotransmittern aus der Präsynapse und zu einem Verlust der dendritischen Spines in der Postsynapse kommen. Ferner soll die elektrischen Eigenschaften, Nukleinsäuren, Neurotransmitter, und Zellmembrankanalfunktion beeinflussen. Dies ist analog zu im Rahmen der Neuroprotektion diskutierten globalen Kühlung bei postkardiovaskulärem Stillstand und neonataler ischämischer Verletzung, wird aber als sicherere Methode diskutiert [19].
Eine Herausforderung der Therapie stellt der new onset refractory Status epilepticus (NORSE) dar. Die Mehrzahl der Patient:innen mit neu aufgetretenem refraktären Status epilepticus entwickeln im Verlauf einen SRSE mit einem klinisch ungünstigen Verlauf mit einer Letalität von 12–27% [3]. Wie Sculier et al. in einem Review beschreiben, ist die Therapie oft schwierig, so benötigen 75% der NORSE Patient:innen eine Anästhetika-Therapie. Die Autoren konnten zeigen, dass gut der Hälfte aller Fälle eine Autoimmun-Enzephalitis ursächlich ist, so dass eine frühe immunsuppressive Therapie empfohlen wird, wie Prednisolon oder im Verlauf ggf. auch intravenöse Immunglobuline und Plasmaseparation bzw. als Zweitlinientherapie immunmodulatorische Medikamente wie beispielsweise Rituximab [3]. Auch Patient:innen mit NORSE sollten initial eine leitliniengerechte Therapie des SE bekommen. Sollte sich im Verlauf, ein refraktärer Verlauf des neu aufgetretenen SE einstellen, empfehlen Sculier et al. eine Immuntherapie innerhalb der ersten 72 h.
Ein weiterer spannender therapeutischer Ansatz ist die Modulation der den Status epilepticus beeinflussender Faktoren wie Glukosestoffwechsel und Pyridoxalphosphatspiegel. In einer monozentrischen retrospektiven Kohortenstudie von Müller et al. wurde untersucht, ob die Komplikationen der intravenösen Behandlung mit Valproat, welches zur Therapie bei SE eingesetzt wird, bei Patient:innen mit oder ohne Diabetes unterschiedlich sind. Während des Studienzeitraums wurden 408 Patient:innen und 482 Episoden des SE intravenös mit VPA behandelt. Gruppenvergleiche zeigten keinen signifikanten Unterschied in den Therapieabbruchraten. Unterschiede wurde in der Rate der Thrombozytopenien gefunden (p=0,015), die häufiger bei Patient:innen mit Diabetes auftraten. Insgesamt konnten 36 hypoglykämische Episoden identifiziert werden, zwei traten spontan unter VPA auf. Die Autor:innen kamen zu dem Schluss, dass Diabetes als relevante Komorbidität ein potenziell erhöhtes Risiko für ein schlechtes Outcome nach SE birgt [20].
Eine retrospektive Kohortenstudie von Rubinos et al. mit insgesamt 293 Patient:innen untersuchte den Zusammenhang zwischen Pyridoxalphosphat-(PLP)-Spiegel und etabliertem SE (eSE). Der mediane PLP-Spiegel der eSE-Gruppe (12 nmol/l) war niedriger als der der ICU-noSE-Gruppe (22 nmol/l, p=0,003), ausserhalb der Intensivstation (16 nmol/l, p=0,05) und ambulant Gruppen (36 nmol/l, p <0,001). Patient:innen mit eSE wiesen somit eine signifikant höhere Prävalenz von marginalen und erniedrigten PLP-Spiegeln (90 bzw. 80%) im Vergleich zu anderen Patient:innen auf Intensivstationen und ausserhalb der Intensivstation auf (ICU-noSE: 70, 50%; non-ICU: 63, 54%; ambulant: 38, 21%) [21]. Therapeutische Studien zur Gabe von PLP fehlen jedoch bislang.
Fazit
Der Status Epilepticus stellt einen der häufigsten Notfälle in der Neurologie dar. Besonders die Verlaufsformen des refraktären und super-refraktären Status epilepticus stellen weiterhin eine Herausforderung für die klinische Praxis dar. Eine ausreichend hoch dosierte, möglichst schnell nach Diagnosestellung verabreichte Ersttherapie kann die Rate von refraktären Verläufen reduzieren. Ein Status epilepticus ist, insbesondere wenn das Bewusstsein nicht erhalten ist, ein potenziell letales Krankheitsbild, das initial einer intensivmedizinischen Therapie und Überwachung bedarf. Eine leitliniengerechte Therapie sollte von Anfang an erfolgen. Neue therapeutische Ansätze zur Therapie die RSE, wie die ketogene Diät oder die tDCS, die erste vielversprechende Ergebnisse zeigten, sollten erwogen werden. Hier bedarf es weiterer Studien, um die Wirksamkeit ausserhalb des Einzelfalles zu beurteilen.
Take-Home-Messages
- Der Status epilepticus ist definiert als ein epileptischer Anfall mit der Dauer von >5 min oder eine Serie von Anfällen, zwischen denen der ursprüngliche neurologische Status nicht wieder erreicht wird.
- Zur primären Behandlung des Status epilepticus stellt die rasche und ausreichende Gabe von Benzodiazepinen, die in verschiedenen Darreichungsformen (intravenös, intramuskulär, intranasal, bukkal/sublingual, rektal) verfügbar sind, eine der wichtigsten Optionen dar.
- Die Therapie eines Status epilepticus sollte auf einer Intensivstation erfolgen.
Literatur:
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HAUSARZT PRAXIS 2024; 19(9): 12–16
Autoren
- Dr. med. Leona Möller, MHBA
- Clara Jünemann
- Prof. Dr. med. Susanne Knake
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