Adipositas betrifft immer mehr Menschen in Europa und ist mit zahlreichen gesundheitlichen Risiken verbunden. In diesem Artikel, der auf INFO NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE basiert, erfahren Sie, wie eine individuell angepasste Ernährungstherapie helfen kann, das Risiko für Folgeerkrankungen zu senken und die Lebensqualität zu steigern. Sie erhalten einen Überblick über aktuelle Empfehlungen, Herausforderungen und neue Ansätze in der Behandlung von Adipositas.
Adipositas in Europa: Zahlen, Risiken und Definitionen
Die Zahl der Menschen mit Übergewicht und Adipositas (Fettleibigkeit) steigt in Europa stetig an. Laut aktuellen Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind fast 60% der Erwachsenen im europäischen Raum von Übergewicht oder Adipositas betroffen. Besonders alarmierend ist, dass Adipositas für etwa 1,2 Millionen Todesfälle pro Jahr in Europa mitverantwortlich gemacht wird. Diese Zahlen verdeutlichen, wie wichtig es ist, das Thema ernst zu nehmen und effektive Therapieansätze zu entwickeln. Die WHO definiert Adipositas anhand des Body-Mass-Index (BMI), einem Maß, das das Körpergewicht in Relation zur Körpergröße setzt. Ein BMI über 30 kg/m2 gilt als adipös (starkes Übergewicht). Allerdings ist der BMI nur ein grobes Hilfsmittel und berücksichtigt weder die individuelle Körperzusammensetzung noch die Fettverteilung. Deshalb wird zusätzlich empfohlen, den Taillenumfang oder das Verhältnis zwischen Taille und Hüfte zu messen, um das Risiko für Folgeerkrankungen besser einschätzen zu können.
Die aktuellen deutschen S3-Leitlinien zur Prävention und Therapie der Adipositas stammen aus dem Jahr 2014 und werden derzeit überarbeitet. Deshalb orientieren sich viele Empfehlungen an den neueren kanadischen Leitlinien „Obesity in adults: a clinical practice guideline“ von 2020. Beide Leitlinien betonen, dass der BMI allein nicht ausreicht, um das Risiko für Adipositas-assoziierte Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bestimmte Krebsarten oder Diabetes Mellitus Typ 2 zu beurteilen. Vielmehr spielen auch die Verteilung des Körperfetts, der sozioökonomische Status und genetische Faktoren eine wichtige Rolle. Das sogenannte „Edmonton Obesity System“ kann helfen, den Schweregrad der Adipositas genauer zu bestimmen, indem es nicht nur das Gewicht, sondern auch Begleiterkrankungen und die Lebensqualität berücksichtigt.
Adipositas ist nicht nur ein ästhetisches Problem, sondern erhöht das Risiko für zahlreiche Erkrankungen. Dazu zählen Herzinfarkt, Schlaganfall, verschiedene Krebsarten, Bluthochdruck und vor allem Diabetes Mellitus Typ 2. Das Risiko steigt dabei nicht nur mit dem BMI, sondern insbesondere mit einer ungünstigen Fettverteilung, wie sie zum Beispiel bei einem erhöhten Taillenumfang vorliegt. Auch psychosoziale Faktoren, wie Stress, Depressionen oder ein niedriger sozioökonomischer Status, können die Entwicklung von Adipositas begünstigen. Genetische Veranlagungen spielen ebenfalls eine Rolle, sodass nicht jeder Mensch mit Übergewicht die gleichen Risiken oder Herausforderungen hat.
Ernährungstherapie: Individuelle Betreuung durch Fachkräfte
Die Ernährungstherapie ist ein zentraler Baustein im Management der Adipositas. Sie sollte immer individuell auf die Bedürfnisse und Lebensumstände der betroffenen Person abgestimmt werden. In den Leitlinien wird empfohlen, dass die Ernährungstherapie von einer qualifizierten Ernährungsfachkraft durchgeführt wird. Dazu zählen Diätassistentinnen und Diätassistenten in Deutschland, Diätologinnen und Diätologen in Österreich sowie Ernährungsberaterinnen und Ernährungsberater in der Schweiz. Diese Fachkräfte verfügen über eine mehrjährige Ausbildung oder ein Studium im Bereich Ernährung und Diätetik und sind speziell geschult, Menschen mit Adipositas zu begleiten.
Die European Association for the Study of Obesity (EASO) fordert, dass jeder Mensch mit Adipositas Zugang zu einer qualifizierten ernährungstherapeutischen Betreuung haben sollte. In Österreich ist die Ernährungstherapie für Menschen mit Erkrankungen rechtlich geregelt: Nur Diätologinnen und Diätologen dürfen Ernährungsempfehlungen an Patientinnen und Patienten mit Erkrankungen aussprechen. In Deutschland kann grundsätzlich jede Person beraten, allerdings übernehmen die Krankenkassen die Kosten für eine ambulante Ernährungstherapie nur dann (ganz oder teilweise), wenn die Fachkraft entsprechend ausgebildet ist und eine ärztliche Notwendigkeitsbescheinigung vorliegt.
Ein großes Problem in der Praxis ist die Flut an widersprüchlichen und oft unseriösen Ernährungstipps, die über das Internet, Bücher, soziale Medien, aber auch durch Freunde, Familie oder sogar medizinisches Personal verbreitet werden. Studien zeigen, dass nur etwa 3% der Bücher zum Thema Ernährung und Diäten von qualifizierten Ernährungsfachkräften verfasst wurden. Die restlichen 97% enthalten häufig widersprüchliche oder nicht wissenschaftlich belegte Aussagen. Viele dieser Ratgeber versprechen schnelle Erfolge, fördern jedoch ein ungesundes, rigides Essverhalten und schließen oft ganze Lebensmittelgruppen aus. Solche Ansätze sind nicht auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten und lassen sich im Alltag schwer umsetzen. Hinzu kommt, dass auch im Gesundheitswesen tätige Personen manchmal gut gemeinte, aber nicht immer fachlich fundierte Ernährungstipps geben, die nicht auf die jeweilige Lebenssituation der Patientinnen und Patienten abgestimmt sind.
Um die Qualität und Sicherheit in der Ernährungstherapie zu gewährleisten, gibt es in Österreich klare gesetzliche Regelungen. In Deutschland ist die Situation weniger streng geregelt, aber auch hier wird Wert auf eine qualifizierte Ausbildung gelegt. Die Kostenübernahme durch die Krankenkassen ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Eine individuelle und professionelle Ernährungstherapie ist deshalb besonders wichtig, um Fehlinformationen und gesundheitliche Risiken zu vermeiden.
Herausforderung Jo-Jo-Effekt: Warum Gewicht halten so schwer ist
Viele Menschen mit Adipositas haben bereits zahlreiche Diäten ausprobiert, bevor sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Oft werden dabei sehr strenge und einseitige Ernährungsformen gewählt, die zwar kurzfristig zu einer Gewichtsabnahme führen, aber langfristig nicht durchgehalten werden können. Nach dem Ende der Diät kommt es häufig zu einer erneuten Gewichtszunahme – manchmal sogar über das Ausgangsgewicht hinaus. Dieses Phänomen wird als „Jo-Jo-Effekt“ bezeichnet. Der Jo-Jo-Effekt ist ein komplexes Zusammenspiel aus hormonellen, biologischen und metabolischen Vorgängen (also Stoffwechselprozessen), die nicht allein durch Willenskraft, Motivation oder Disziplin überwunden werden können.
Der Jo-Jo-Effekt ist für viele Betroffene frustrierend und kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes Mellitus Typ 2 zusätzlich erhöhen. Wiederholte Gewichtsschwankungen belasten den Körper und können langfristig die Gesundheit beeinträchtigen. Eine qualifizierte Ernährungsfachkraft kann helfen, das Gewicht zu stabilisieren und gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten eine nachhaltige Ernährungsumstellung zu erarbeiten. Studien zeigen, dass individuell angepasste Ernährungskonzepte, die auf die persönlichen Bedürfnisse und Lebensumstände Rücksicht nehmen, langfristig erfolgreicher sind als starre Diäten.
Zu den untersuchten Ernährungsformen bei Adipositas zählen unter anderem die mediterrane Ernährung (reich an Gemüse, Obst, Olivenöl und Fisch), die „DASH-Diet“ (Dietary Approaches to Stop Hypertension, eine Ernährungsform zur Blutdrucksenkung), die nordische Ernährungsweise oder auch kurzfristig eingesetzte Mahlzeitenersatzprodukte. Entscheidend ist, dass die gewählte Ernährungsform in den Alltag integrierbar ist und individuelle Barrieren wie berufliche Belastung, familiäre Verpflichtungen, finanzielle Möglichkeiten oder die psychische Verfassung berücksichtigt werden. Die Ernährungstherapie verfolgt nicht das Ziel einer reinen Kalorienreduktion, sondern möchte das Wohlbefinden und die Gesundheit durch eine Veränderung der Ernährungs- und Verhaltensmuster fördern.
Ein Beispiel für eine nachhaltige Ernährungsumstellung ist die Förderung von ballaststoffreichen Lebensmitteln, die für ein langanhaltendes Sättigungsgefühl sorgen und so helfen, die Gesamtenergieaufnahme zu reduzieren. Auch das bewusste Essen – zum Beispiel regelmäßige Mahlzeiten in Ruhe und ohne Ablenkung – kann dazu beitragen, Heißhungerattacken zu vermeiden und das Körpergefühl zu stärken. Essen wird so zu einem Akt der Selbstfürsorge und nicht mehr zu einer reinen Reaktion auf Stress oder negative Gefühle.
Eine reine Kalorienreduktion hat laut Studien meist nur einen kurzfristigen Effekt. Langfristig kommt es häufig wieder zur Gewichtszunahme. Auch wenn Medikamente zur Gewichtsreduktion eingesetzt werden, empfehlen die Leitlinien immer eine begleitende Ernährungs- und Verhaltensumstellung. Nach dem Absetzen der Medikamente ist die Gefahr groß, dass das Gewicht wieder ansteigt, wenn keine nachhaltigen Veränderungen im Essverhalten stattgefunden haben. Zudem besteht das Risiko einer Mangelernährung, wenn während der medikamentösen Behandlung nicht auf eine ausreichende Zufuhr von Proteinen und wichtigen Nährstoffen geachtet wird.
Um die Qualität der Ernährungstherapie zu sichern, wurden in Deutschland der „German-Nutrition-Care-Process“ und in Österreich der diätologische Prozess entwickelt. Diese Prozessmodelle helfen der Ernährungsfachkraft, gemeinsam mit den Betroffenen einen individuellen Weg zu finden, um die Ernährungssituation nachhaltig zu verbessern. Dabei werden alle relevanten Faktoren – von der medizinischen Vorgeschichte über die Lebensumstände bis hin zu persönlichen Vorlieben – berücksichtigt.
Psychische Gesundheit und Stigmatisierung: Die unsichtbaren Hürden
Ein wichtiger, aber oft unterschätzter Aspekt der Adipositas ist die psychische Gesundheit. Menschen mit Adipositas leiden häufiger unter psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Essstörungen. Die mentale Gesundheit beeinflusst das Essverhalten maßgeblich: Essen kann als Bewältigungsstrategie für Stress, Traurigkeit oder Frust dienen, während restriktives Essverhalten oder das bewusste Nicht-Essen als Versuch der Emotionskontrolle eingesetzt werden kann. Besonders problematisch ist, dass viele Betroffene zusätzlich unter Gewichtsstigmatisierung und Diskriminierung leiden.
Gewichtsstigmatisierung bezeichnet die Vorurteile und negativen Einstellungen, denen Menschen mit Übergewicht oder Adipositas ausgesetzt sind. Im Englischen spricht man von „weight bias“. Beispiele sind die Annahme, dass Menschen mit Adipositas faul, undiszipliniert oder nachlässig in der Körperpflege seien. Solche Vorurteile können zu verbalen Angriffen, Diskriminierung im Alltag und sogar zu Mikroaggressionen führen. Die Folge ist, dass viele Betroffene aus Angst oder Scham medizinische Einrichtungen meiden und gesundheitliche Probleme nicht rechtzeitig behandeln lassen. Gewichtsdiskriminierung kann so zu einer schlechteren Gesundheitsversorgung und einer verminderten Lebensqualität führen. Sie fördert zudem gestörtes Essverhalten und kann das Risiko für Essstörungen erhöhen.
In der Praxis ist es wichtig, auffälliges Verhalten wie stark eingeschränktes Essverhalten, Bewegungszwang, Missbrauch von Abführmitteln (Laxanzienabusus), gestörte Körperwahrnehmung oder das Ausbleiben der Menstruation (Amenorrhö) ernst zu nehmen. Besonders nach erfolgreicher Gewichtsabnahme können solche Symptome auf eine Essstörung hinweisen. Hier ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Ernährungsfachkräften, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Ärztinnen und Ärzten notwendig, um die Betroffenen bestmöglich zu unterstützen.
Ein sensibler Umgang mit dem Thema Gewicht ist in der Behandlung von Adipositas unerlässlich. Die kanadischen Leitlinien empfehlen, das Gespräch über das Gewicht behutsam zu beginnen und die Patientinnen und Patienten zu fragen, ob sie sich wohlfühlen, über dieses Thema zu sprechen. Erst wenn ein Vertrauensverhältnis besteht, kann gemeinsam eine individuelle und leitliniengerechte Therapiestrategie entwickelt werden. Auch die Gestaltung der Praxisräume – zum Beispiel durch stabile und bequeme Stühle für Menschen mit höherem Körpergewicht – kann dazu beitragen, eine angenehme und wertschätzende Atmosphäre zu schaffen.
Gewichtsneutrale Interventionen und neue Ansätze in der Ernährungstherapie
In den letzten Jahren gewinnen gewichtsneutrale Interventionen in der Ernährungstherapie zunehmend an Bedeutung. Das bedeutet, dass der Fokus nicht ausschließlich auf der Gewichtsreduktion liegt, sondern auf der Verbesserung der allgemeinen Gesundheit und Lebensqualität. Die European Association for the Study of Obesity (EASO) und die kanadischen Leitlinien sind sich einig, dass das Management der Adipositas vor allem darauf abzielen sollte, die Gesundheit zu fördern – unabhängig davon, ob eine Gewichtsabnahme erreicht wird.
Ein Beispiel für einen gewichtsneutralen Ansatz ist die „Intuitive Ernährung“. Dabei lernen die Betroffenen, wieder auf die natürlichen Hunger- und Sättigungssignale ihres Körpers zu achten und Essen nicht mehr mit Verboten oder Schuldgefühlen zu verbinden. Auch das Konzept „Health at every Size“ (Gesundheit in jedem Körpergewicht) verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz: Neben Ernährungswissen werden Kompetenzen wie Emotionsregulation, Körperwahrnehmung und Selbstfürsorge vermittelt. Ziel ist es, das gestörte Essverhalten zu verringern und das Körperbild zu verbessern. Diese Interventionen können sowohl in Gruppen als auch im Einzelsetting von interdisziplinären Teams durchgeführt werden.
Obwohl gewichtsneutrale Interventionen vielversprechend sind, gibt es bisher noch zu wenige wissenschaftliche Studien, um sie fest in die Leitlinien zu integrieren. Dennoch zeigen erste Ergebnisse, dass sie dazu beitragen können, die Lebensqualität zu steigern und das Risiko für Essstörungen zu senken. Wichtig ist, dass die Ernährungstherapie immer individuell auf die Bedürfnisse und Ressourcen der Betroffenen abgestimmt wird. Je besser die Therapie zur jeweiligen Lebenssituation passt, desto größer sind die Chancen auf einen langfristigen Erfolg.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es nicht die eine „richtige“ Ernährungsform oder ein Patentrezept für alle Menschen mit Adipositas gibt. Vielmehr ist eine individuelle, bedarfs- und bedürfnisorientierte Ernährungstherapie empfehlenswert. In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, nicht auf eine Gewichtsabnahme, sondern auf eine Gewichtsstabilisierung hinzuarbeiten, um die negativen Folgen des Jo-Jo-Effekts zu vermeiden und die Gesundheit zu fördern. Die enge Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Gesundheitsberufen – von der Ernährungsfachkraft über die Psychotherapie bis zur ärztlichen Betreuung – ist dabei entscheidend.
Praktische Empfehlungen und Take-Home-Messages
Für Patientinnen und Patienten mit Adipositas ist es wichtig zu wissen, dass der BMI allein nicht ausreicht, um das individuelle Risiko für Folgeerkrankungen zu bestimmen. Eine ausführliche Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte) und die Bestimmung der Fettverteilung – zum Beispiel durch Messung des Taillenumfangs – sind für eine genaue Risikoeinschätzung unerlässlich. Die Ernährungstherapie sollte immer von einer qualifizierten Ernährungsfachkraft durchgeführt werden, um die Qualität und Sicherheit der Behandlung zu gewährleisten. In Österreich ist dies sogar gesetzlich geregelt, in Deutschland übernehmen die Krankenkassen die Kosten nur bei entsprechender Qualifikation der Fachkraft.
Der Jo-Jo-Effekt ist ein komplexes biologisches Phänomen, das nicht allein durch Disziplin oder Willenskraft überwunden werden kann. Wiederholte Gewichtsschwankungen erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes Mellitus Typ 2. Deshalb ist es wichtig, gemeinsam mit einer Ernährungsfachkraft eine nachhaltige und alltagstaugliche Ernährungsumstellung zu erarbeiten. Auch wenn Medikamente zur Gewichtsreduktion eingesetzt werden, bleibt die begleitende Ernährungs- und Verhaltensänderung der wichtigste Baustein für einen langfristigen Erfolg.
Die Ernährungstherapie bei Adipositas sollte nicht nur auf die Gewichtsreduktion abzielen, sondern vor allem die Gesundheit und Lebensqualität verbessern. Neue gewichtsneutrale Ansätze wie die Intuitive Ernährung oder „Health at every Size“ können helfen, das gestörte Essverhalten zu verringern und das Körperbild zu stärken. Wichtig ist, dass sich die Therapie an den individuellen Bedürfnissen orientiert und alle relevanten Lebensumstände berücksichtigt.
Ein respektvoller und wertschätzender Umgang mit Menschen mit Adipositas ist für eine erfolgreiche Therapie unerlässlich. Gewichtsstigmatisierung und Diskriminierung können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und sollten aktiv vermieden werden. Die Zusammenarbeit aller Gesundheitsberufe ist entscheidend, um die bestmögliche Versorgung sicherzustellen.
Take-Home-Messages
- Der BMI allein ist zur Bewertung des Risikos für Adipositas-assoziierte Erkrankungen nicht aussagekräftig. Für eine adäquate Beurteilung wird zusätzlich eine ausführliche Anamnese und das Fettverteilungsmuster, welches mithilfe von Taillenumfang bzw. am Verhältnis zwischen Taillen- und Hüftumfang bestimmt wird, empfohlen.
- Um die Qualität und Sicherheit in der Ernährungstherapie zu gewährleisten, ist die Ernährungstherapie von Menschen mit Erkrankungen in Österreich rechtlich geregelt: nur Diätologen dürfen Ernährungsempfehlungen an Menschen mit Erkrankungen aussprechen.
- Der „Jo-Jo-Effekt“ zeigt sich als ein hochkomplexes Zusammenspiel von hormonellen, biologischen und metabolischen Vorgängen, welche nicht durch Motivation, Compliance, Adhärenz oder Willenskraft durchbrochen werden können.
- Auch bei Pharmakotherapie zur Gewichtsreduktion ist eine begleitende Ernährungs- und Verhaltensumstellung empfohlen. Studien zeigten, dass nach Absetzen der Medikamente meist eine Gewichtszunahme stattfindet, wenn keine Ernährungs- bzw. Verhaltensänderung stattgefunden hat.
- Ernährungstherapie bei Adipositas sollte nicht nur zum Zwecke der Gewichtsreduktion durchgeführt werden, sondern vor allem, um die Gesundheit und Lebensqualität zu verbessern.
Julia Brandacher, BSc.
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