Ein Teenager kommt mit Urtikaria, periodischem Fieber und Verdacht auf Arthritis sowie Myositis und Myokarditis ins Krankenhaus. Auf der Suche nach der passenden Therapie verschlechtert sich sein Zustand anfangs.
Der 15 Jahre alte Jugendliche entwickelte seit Oktober 2017 eine Urtikaria und seit dem Silvesterabend des gleichen Jahres abendliches Fieber und Appetitlosigkeit. Im Verlauf kam es zu einer Gewichtsabnahme von 6 kg, der Junge bekam Gliederschmerzen und litt unter massiven Einschlafproblemen. Kurzfristig bestanden beidseitig Schwellungen der PIP- und DIP-Gelenke der 2. und 5. Finger mit jeweiliger Besserung nach einem Tag. Dann trat eine 10 Tage andauernde Schwellung des rechten Kniegelenks auf. Die Jugendärztin des Teenagers veranlasste eine Blutuntersuchung, welche eine Leukozytose von 24’900 mit Neutrophilie auswies. Das BSG mit 80 mm und CRP mit 190 mg/l waren stark erhöht, ebenso das LDH bei 675 U/l. Am 12.01.2018 erfolgte daraufhin die klinische Einweisung.
Wie Dr. Dressler und seine Kollegen erfuhren, hatte sich bei dem Jungen bereits im Winter des Vorjahres eine Urtikaria mit subfebrilen Temperaturen und kurzfristigen Gelenkschwellungen entwickelt. Eine Besserung trat damals innerhalb von zwei Wochen ein. Der junge Patient wurde in Südafrika als Kind einer HIV-positiven Mutter geboren und als Säugling nach Deutschland adoptiert. Während eines Besuchs in seinem Geburtsland 2016 war er nicht in einem Malariaendemiegebiet. Wesentliche Vorerkrankungen bestanden nicht und er war aktiver Fussballer.
Zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme war der Jugendliche in kaum reduziertem Allgemeinzustand. Er wies eine leichte Urtikaria am linken Unterarm und der Hand auf, im Verlauf dann auch an den Beinen. Der Knieumfang war rechts um 1 cm vergrössert, die Finger und alle weiteren Gelenke waren frei beweglich. Auch der übrige Befund war unauffällig. Im Röntgen in zwei Ebenen des rechten Knies wurde der Erguss deutlich, der knöcherne Befund blieb jedoch unauffällig. Sonographisch fand sich Erguss im Recessus suprapatellaris bis 12 mm mit kräftiger Synovialproliferation (Labor: CRP 127 mg/l, Procalcitonin normal bei 0,3 µg/l, GOT mit 100, GPT mit 73 und LDH mit 603 U/l erhöht, CK mit 697 U/l und Troponin mit 617 ng/l deutlich erhöht, ANA 1:1280, DNS- und ENA-Ak negativ, IgG mit 19,5 g/l erhöht).
Anakinra-Therapie verschlechterte die Situation zunächst
Die Mediziner veranlassten eine Punktion des rechten Knies zum Ausschluss einer septischen Arthritis, welche in der Synovialflüssigkeit 19’200 Leukozyten aufwies und 93% Neutrophile, die Kulturen blieben steril. Es bestand Verdacht auf Myositis mit Myokarditis, Echokardiografie und Kardio-MRT sowie Augenbefund blieben jedoch unauffällig. Eine Sonografie des Abdomens zeigte eine deutliche Hepatomegalie. Die veranlasste antibiotische Therapie blieb ohne Besserung des Fiebers, das Serum-Calprotectin war mit 78 800 ng/ml stark erhöht. Unter dem Verdacht auf eine systemische juvenile idiopathische Arthritis entschlossen sich die Ärzte daraufhin zu einer Therapie mit Anakinra (was in der Schweiz bisher nicht zugelassen ist), worunter aber das CRP auf 298 mg/l anstieg, der AZ verschlechterte sich, das Kreatinin stieg auf 251 µmol/l an, der Patient musste mit Kreislaufinstabilität auf die Intensivstation verlegt werden.
Knochenmarkpunktion und PET-CT blieben ohne wegweisende Befunde. Unter dem Verdacht auf ein inkomplettes Makrophagenaktivierungssyndrom wurde eine Therapie mit Methylprednisolonpulsen gefolgt von oralem Prednisolon eingeleitet und die Gabe von Anakinra fortgesetzt. Daraufhin setzte die Entfieberung und eine langsame Besserung des AZ und der Laborwerte ein.
Nach dem fünfwöchigen stationären Aufenthalt folgte im ambulanten Verlauf die Umstellung der Therapie von Anakinra auf Canakinumab, das Prednisolon wurde bis zum Absetzen im Mai 2018 ausgeschlichen, ohne dass es zu erneutem Fieber, Exanthem oder Arthritis kam. Bis Dezember 2018 normalisierten sich die Leberenzyme, der ANA fiel langsam ab auf zuletzt 1:160, das Serum-Calprotectin normalisierte sich ebenfalls. Pathologisch bleibt das Troponin mit zuletzt 44 ng/l bei weiter normaler Echokardiografie. Der Jugendliche kann wieder im Verein Fussball spielen. Es ist nun geplant, das Canakinumab abzusetzen.
Letztlich handelte es sich bei dem Fall um eine ungewöhnliche systemische juvenile Arthritis mit Myositis und hohen ANA, die verzögert auf eine Interleukin-1-Blockade unter Hinzunahme systemischer Steroide ansprach. Zwischenzeitlich kam es dabei zu einer Verschlechterung des Zustands mit Kreislaufschwäche, massiven Transaminasen- und deutlichen Kreatininanstiegen. Unter der Interleukin-1-Blockade konnte eine vollständige klinische Erholung erreicht werden.
Quelle: 47. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), Dresden (D)
InFo SCHMERZ & GERIATRIE 2019; 1(1): 32 (veröffentlicht am 23.11.19, ahead of print)
Autoren
- Jens Dehn
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