An der Nachmittags-Session am Donnerstag, 14. Februar 2013 standen am Cardiology Update spezielle Gebiete der Kardiologie im Vordergrund. Wie wird ein perioperativer Herzinfarkt therapiert? Und welches sind die letzten Erkenntnisse zum Verschluss eines offenen Foramen ovale zur Hirnschlagprävention? Auch das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen bei HIV-Patienten wurde diskutiert.
Viele Patienten, die einen Hirnschlag überleben, nehmen die Antikoagulation nicht zuverlässig ein: zwei Jahre nach dem Ereignis sind weniger als 50% der Patienten antikoaguliert, berichtete Prof. Dr. med. Ulf Landmesser, Universitätsspital Zürich. Bei Vorhofflimmern bilden sich 91% der Thromben im linken Vorhofohr («left atrial appendage», LAA). Dieses hat eine sehr individuelle Morphologie: In Studien wurden vier Typen unterschieden mit den bildlichen Bezeichnungen «Chicken Wing», «Cactus», «Windsack» und «Cauliflower» (Hühnerflügel, Kaktus, Windsack und Blumenkohl) – diese Morphologie beeinflusst das Stroke-Risiko. Zum Verschluss des LAA wurde zunächst das «PLAATO-Device» eingesetzt, dann Amplatzer Devices und der Watchman. Studien zeigten, dass nach LAA-Verschluss die tatsächliche Zahl der Strokes geringer war als die erwartete. In der «PROTECT AF»-Studie zeigten sich weniger Strokes (jedoch nur Reduktion von hämorrhagischen Strokes) und geringere Mortalität, aber häufiger Perikardergüsse (bei 5% der Patienten). Allerdings sinken die Nebenwirkungen mit der Lernkurve deutlich. Ein nicht vollständig dichter Watchman erhöht das Stroke-Risiko nicht, solange das Leck kleiner ist als 5 mm, bei grösseren Lecks werden die Patienten wieder antikoaguliert. Momentan läuft der «PREVAIL-Trial», dessen Resultate bald publiziert werden sollten.
Das neueste Device für den LAA-Verschluss ist der «Amplatzer Cardiac Plug» (ACP), der aus zwei Teilen besteht: Einer verschliesst den LAA, der zweite, plattenförmige, dichtet den Eingang zum LAA ab. Der ACP-Trial zeigte für den ACP eine Nicht-Unterlegenheit bezüglich Effekt und eine Überlegenheit bezüglich Sicherheit. In den ESC-Guidelines 2012 wird empfohlen, den LAA-Verschluss bei Personen mit hohem Stroke-Risiko und Kontraindikationen für eine Antikoagulation zu erwägen.
Update zum Verschluss des offenen Foramen ovale
Prof. Dr. med. Bernhard Meier, Inselspital Bern, warnte vor den Gefahren, die von einem offenen Foramen ovale (PFO) ausgehen können. Ein PFO erhöht das Risiko bei venösen Thromboembolien deutlich und ist beispielsweise bei Patienten mit Lungenembolien ein unabhängiger Faktor für die Mortalität: Diese ist dreimal so hoch wie bei Personen ohne PFO. Auch beim Tauchen ist ein PFO ein Nachteil: Taucher mit PFO erleben mehr Erkrankungen infolge von Dekompressionsunfällen als Taucher ohne PFO. Ein Zusammenhang besteht auch zwischen Migräne und PFO sowie Schlafapnoe-Syndrom und PFO. In einer Studie aus Bern litten vor dem PFO-Verschluss 25% der Patienten unter Migräne. Nach dem Eingriff besserte sich die Migräne bei 85% (bei 34% war die Migräne sogar verschwunden); bei 9% blieb die Migräne unverändert, bei 6% verschlechterte sie sich. Ein PFO wird üblicherweise mittels Echokardiogramm diagnostiziert, man kann das PFO aber auch im Katheterlabor darstellen. Prof. Meier plädierte dafür, die Ursachen von Hirnschlägen neu zu klassifizieren: arterielle Okklusion, arterielle Embolie, kardiale Embolien, paradoxe Embolien (PFO, Vorhofseptumdefekt, Pulmonalfistel), Embolien der Pulmonalvenen sowie kryptogene Hirnschläge.
Verschiedene Studien, unter anderem «CLOSURE I», «PC» und «RESPECT», zeigten eine Reduktion von Stroke und transienten ischämischen Attacken (TIA) nach PFO-Verschluss, auch wenn sie als Einzelstudien nicht signifikant waren. Der Outcome war nach PFO-Verschluss besser als nach medikamentöser Therapie. Potenzielle Indikationen für einen PFO-Verschluss sind unter anderem ein Hirnschlag («Warten Sie nicht auf den zweiten!», betonte Prof. Meier), TIA, embolischer Herzinfarkt, periphere Embolie, Dekompressionsereignis bei Tauchern oder auch Höhenkrankheit. Prof. Meier plädierte dafür, nach einem PFO-Verschluss ohne Atherosklerose die Thrombozytenaggregationshemmung nach sechs Monaten zu stoppen, auch wenn Neurologen diese Ansicht nicht teilen.
Kardiovaskuläre Erkrankungen bei HIV-Infektion
Prof. Dr. med. Heiner C. Bucher, Universitätsspital Basel, hatte Erfreuliches zu berichten: HIV-Patienten ohne Drogenabusus unter antiretroviraler Therapie (HAART) haben heute nahezu die gleiche Lebenserwartung wie Personen ohne HIV-Infektion. Bei undetektablem «Viral-load» können die Patienten in einer stabilen Partnerschaft auch ein normales Sexleben ohne Kondom führen. Alle HIV-Patienten sollen so früh wie möglich eine HAART erhalten.
Als Folge der Therapie steigen allerdings die Cholesterin- und Triglyzeridwerte; es kommt zur Lipoathrophie und zu veränderter Fettverteilung. Dies führt zu verstärkter Arteriosklerose und einem höheren Risiko für eine Koronare Herzkrankheit (KHK). Vor allem Protease-Inhibitoren der ersten Generation und Abacavir erhöhen das Herzinfarktrisiko. Je mehr antivirale Medikamente die Patienten einnehmen, umso höher ist auch das KHK-Risiko. Die HIV-Infektion kann eine KHK ausserdem durch die chronische Entzündung fördern (z.B. erhöhte Produktion von Interleukin 6, verstärkte CD8+-Zellaktivierung, mitochondriale Dysfunktion durch Medikamente etc.).
Ein weiteres Problem ist das suboptimale Management der Risikofaktoren. Viele HIV-Patienten haben eine Hypertonie, aber nur ein Drittel wird dagegen behandelt! Daher gibt es auch zunehmend HIV-Patienten mit Niereninsuffizienz. Bevor man einem HIV-Patienten ein Statin verschreibt, sollte man sich über die möglichen Interaktionen informieren. Sehr informativ ist diesbezüglich die Website www.hiv-druginterac
tions.org.
Behandlung des perioperativen Herzinfarkts
«Der Herzinfarkt ist die wichtigste perioperative vaskuläre Komplikation», leitete Prof. Dr. med. Hans Rickli, Kantonsspital St. Gallen, seinen Vortrag ein. Risikofaktoren für eine perioperative Plaque-Ruptur sind unter anderem Hypovolämie, Sauerstoffmangel und erhöhter sympathotoner Tonus. Ein wichtiger Hinweis: 65% der Patienten mit perioperativem Herzinfarkt sind asymptomatisch! Im Zweifelsfall gilt das Drei-Stunden-Protokoll: hs-Troponin-Messung zum Zeitpunkt 0 und drei Stunden später.
In den ESC-Guidelines wird das Management des perioperativen Herzinfarkts nicht beschrieben. Deshalb gilt, dass sich die Behandlung den konkreten Umständen anpassen sollte. Da das Blutungsrisiko erhöht ist, sollte zur Reperfusion keine Fibrinolyse, sondern eher eine PTCA zum Einsatz kommen. Zur Antikoagulation empfiehlt sich unfraktioniertes Heparin.
Prophylaktisch sehr wichtig ist die präoperative Evaluation von kardiovaskulären Problemen. Bei elektiven Eingriffen kann es sich lohnen, den OP-Termin zu verschieben und in der gewonnenen Zeit bestehende Risikofaktoren (Cholesterinwerte, Angina pectoris, Diabetes etc.) zu optimieren. Bei Patienten mit hohem Risiko sollten drei Wochen vor der Operation Beta-Blocker und Statine eingeführt werden. Es gilt, zwischen dem Nutzen und dem Risiko der Operation abzuwägen. Nicht bei allen Eingriffen ist das Risiko gleich hoch. Eher gering ist es beispielweise bei gynäkologischen Operationen oder Eingriffen am Auge, am höchsten ist es bei Eingriffen an den grossen und peripheren Gefässen.
Frühzeitig sollte auch das antithrombotische Management geplant werden. Normalerweise muss man die Prophylaxe mit Acetylsalicylsäure nicht stoppen, ausser bei neurochirurgischen Eingriffen. Guidelines zum perioperativen Management finden sich auf www.escardio.org.
Quelle: Cardiology Update 2013, Afternoon Session «Special Topics of Cardiovascular Care», 14. Februar 2013, Davos.
Autoren
- Dr. med. Eva Ebnöther
Publikation
- CARDIOVASC
Comments are closed.