Vom 12.–15. Mai 2015 fand in Wien die «European Stroke Conference» statt. Das Spektrum der präsentierten Studien und Abstracts reichte von Grundlagenforschung über klinische Studien bis zur Stroke-Rehabilitation und der Analyse von ­ethischen Fragen. Aber auch die klassischen Stroke-Risiko­faktoren kamen nicht zu kurz. 

Die Epidemiologie von Stroke-Rezidiven bei Patienten mit Diabetes mellitus, die bereits einen ischämischen Stroke erlitten haben, wurde bisher nur ungenügend untersucht. Bergström et al. erhoben die entsprechenden Daten mit Hilfe des schwedischen Stroke-Registers. Analysiert wurden alle Stroke-Patienten aus den Jahren 2001–2009 [1]: Die Forschenden suchten nach erneuten Strokes innerhalb des ersten Jahres nach der Hospitalisierung mit Hirnschlag. Von den knapp 150’000 untersuchten Patienten hatten rund 30’000 (20,5%) Diabetes. 11,8% dieser Patienten erlitten innerhalb des ersten Jahrs einen erneuten Hirnschlag, in der Population ohne Diabetes waren es 10,5%.

Die Analyse ergab, dass das Risiko für einen erneuten Stroke bei den Patienten ohne Diabetes mit der Zeit abnahm, bei den Patienten mit Diabetes aber über die Zeit unverändert hoch blieb. Eine Behandlung mit Warfarin reduzierte das Stroke-Risiko deutlich.

Ethnische Minderheiten in der Schlaganfallforschung untervertreten

Die Risiken für kardiovaskuläre Krankheiten, inklusive Stroke, sind in unterschiedlichen Ethnien auch unterschiedlich verteilt. So haben beispielsweise Personen aus Afrika oder der Karibik ein höheres Stroke-Risiko als Kaukasier, und Menschen aus Südasien erleiden häufiger Myokardinfarkte als weisse Europäer und Amerikaner. Aus diesem Grund wäre es wünschenswert, dass auch in europäischen und ­amerikanischen Studien zur Schlaganfallforschung ­Personen aus verschiedenen Weltregionen vertreten sind. Das scheint aber bei Studien, die vom britischen «National Institute of Health Research» (NIHR) durchgeführt werden, nicht der Fall zu sein.

Die Forschenden des Sheffield Teaching Hospitals verglichen die Ethnien von Patienten, die in diesem Spital von 2004–2014 in Stroke-Studien des NIHR ­eingeschlossen wurden, mit den Ethnien von Patienten, die im gleichen Zeitraum die Stroke-Dienstleistungen des Spitals in Anspruch genommen hatten und mit der Verteilung der Ethnien in der Bevölkerung der Stadt Sheffield (Tab. 1) [2]. Menschen, die ethnischen Minderheiten angehören, waren in den Studien deutlich untervertreten. In vier Studien wurden Personen, die nicht Englisch konnten, sogar ausgeschlossen.

Warum Angehörige von ethnischen Minderheiten nicht häufiger in Studien aufgenommen werden, wäre interessant zu wissen, denn es ist anzunehmen, dass diese Ungleichkeit nicht nur in Grossbritannien vorkommt.

Stroke als Komplikation von herzchirurgischen Eingriffen

Ein Hirnschlag ist eine der verheerendsten Komplikationen herzchirurgischer Eingriffe. Die entsprechende Inzidenz beträgt 1,6–4,6%. In einer portugiesischen Studie wurde untersucht, welche Risikofaktoren die Gefahr für einen Hirnschlag während der Herzchirurgie erhöhen [3]. In der retrospektiven Analyse wurden die Daten von 3719 konsekutiven Pa­tienten erhoben, die sich zwischen August 2009 und Juni 2014 im Herzzentrum Moniz in Lissabon einem herzchirurgischen Eingriff unterzogen hatten. In diesem Zeitraum wurden über 4100 Eingriffe vorgenommen.

Bei 58 Personen (1,6%) trat nach der Operation ein Schlaganfall auf, davon bei der einen Hälfte unmittelbar nach dem Eingriff (Symptome zeigten sich nach der Extubation) und bei der anderen Hälfte verzögert (Manifestation des Strokes nach einer symptomfreien Phase). Faktoren, die das Risiko für einen Hirnschlag erhöhten, waren eine extrakorporale Zirkulation über zwei Stunden Dauer, akute Niereninsuffizienz, Diabetes und Verkalkungen der Aorta. Bei den Patienten mit Stroke traten signifikant häufiger Infektionen auf als bei den Patienten ohne Stroke, und die Mortalität war in der Schlaganfallgruppe ebenfalls signifikant höher. Das häufigste Schlaganfallmuster bestand im Verschluss eines grossen Hirngefässes, und auch die Bildgebung wies bei den meisten Stroke-Patienten eher auf eine embolische Ursache des Hirnschlags hin als auf eine Hypoperfusion.

Die Autoren fordern, dass bei Hochrisiko-Patienten (Diabetes, verkalkte Aorta) besonders sorgfältig abgewogen werden muss, ob ein herzchirurgischer Eingriff indiziert ist.

Sollen Schlaganfallpatienten auf eine koronare Herzkrankheit gescreent werden?

In der AMISTAD-Studie hat sich gezeigt, dass bei 26% aller Patienten mit einem Hirnschlag und ohne vorher bekannte koronare Herzkrankheit (KHK) eine «stille» Koronarstenose ≥50% nachgewiesen werden kann [4]. Diese Stenose war in der Studie ein Risikofaktor für grosse vaskuläre Ereignisse (inkl. Stroke, Herzinfarkt und Tod). Ob eine stille KHK auch mit ­grösseren Koronarereignissen assoziiert ist, ist momentan unbekannt; falls ja, wäre das ein Argument dafür, bei Patienten mit Stroke aktiv nach einer KHK zu suchen.

Eine entsprechende retrospektive Analyse der AMISTAD-Studie wurde am EuroStroke 2015 vorgestellt [5]. 405 konsekutive Schlaganfallpatienten wurden während vier Jahren nachkontrolliert; bei denjenigen Patienten, bei denen vor dem Stroke keine KHK bekannt war (78%), führte man eine Angiografie durch. Im Zeitraum von vier Jahren traten bei 20 Patienten (5,5%) grosse Koronarereignisse auf (Herzinfarkt, akutes Koronarsyndrom gefolgt von einer PCI, Herzstillstand mit Reanimation, plötzlicher Herztod). Das Risiko betrug für Patienten ohne KHK 0,85%, für Patienten mit einer stillen Koronarstenose unter 50% 2,7%, für Patienten mit einer stillen Koronarsteonose ≥50% 6,44% und für Patienten mit einer vor dem Schlaganfall bekannten KHK 18,4%.

Das Risiko für ein grosses kardiales Ereignis war nur bei den Patienten mit einer stillen Dreigefässerkrankung ≥50% signifikant erhöht. Die Autoren schliessen daraus, dass eine systematische Suche nach einer stillen KHK bei Pa­tienten mit Schlaganfall nicht sinnvoll ist.

Quelle: European Stroke Conference, 12.–15. Mai 2015, Wien

Literatur:

  1. Bergström L, et al.: Recurrent ischemic stroke in patients with diabetes mellitus – incidence, trend over time and ­predictors. ESC 2015, 8 Epidemiology of stroke and stroke treatment, Abs p. 14.
  2. Ali AN, et al.: Ethnic minority recruitment into stroke research trials at a university teaching hospital in the UK. ESC 2015, Public communication and economics, Abs B13.
  3. Gil I, et al.: Stroke after cardiac surgery: risk factors on 3719 consecutive adult patients. ESC 2015, Heart and brain, p. 26.
  4. Amarenco P, et al.: Prevalence of Coronary Atherosclerosis in Patients With Cerebral Infarction. Stroke 2011; 41: 22–29.
  5. Amarenco P, et al.: Risk of major cardiac events in patients with cerebral infarction and silent coronary artery disease in the AMISTAD study. ESC 2015, Heart and brain, p. 23.

CARDIOVASC 2015; 14(4): 39–40

Autoren
  • Dr. med. Eva Ebnöther 
Publikation
  • CARDIOVASC 

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