Patienten mit Colitis ulcerosa und Morbus Crohn, die sich Koloskopien zur Überwachung unterziehen, senken das Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu versterben, signifikant. Als Standard gilt noch immer die Weisslicht-Videoendoskopie (WLE), doch auch andere Verfahren haben sich etabliert. Ein Experte vom Kantonsspital St. Gallen informierte über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Methoden.
Die Chromoendoskopie (CE), bei der (in der Regel blaue) Farbe aufgesprüht wird, kann auf diese Weise den Kontrast zwischen normaler und pathologisch auffälliger Mukosa verstärken, erklärte Prof. Dr. Jan Borovicka, Leiter Fachbereich Endoskopie, Klinik für Gastroenterologie/Hepatologie, Kantonsspital St. Gallen. Jedoch: Eine Studie, die die Swiss IBD Cohort Study Group unter Führung von Giulia Santi von der Universität Lausanne im Oktober 2020 veröffentlicht hat [1], arbeitete heraus, dass von 309 vorgenommenen Koloskopien lediglich 23 (7,4%) per Chromoendoskopie durchgeführt wurden. Selbst die virtuelle Chromoendoskopie werde mit 15,5% weitaus seltener von Gastroenterologen angewandt als man denkt. Trotz aktueller internationaler Empfehlungen erhält also eine signifikante Anzahl von Patienten keine angemessene endoskopische Überwachung, gibt Prof. Borovicka zu bedenken. Ein verstärkter Einsatz der Chromoendoskopie, ein Monitoring der Entzugszeit und eine angemessene Darmvorbereitung würde ihm zufolge die Qualität des CRC-Screenings verbessern. Die Einhaltung von Screening-Leitlinien und die endoskopische Qualität sollten entsprechend gefördert und standardisiert werden.
Biopsie: zufällig oder gezielt?
Eine zentrale Frage: Sind Zufallsbiopsien für den Nachweis von Neoplasien bei Patienten mit CED, die sich einer Überwachungskoloskopie mit Chromoendoskopie unterziehen, überhaupt noch sinnvoll? In einer grossen Untersuchung [2] von 1000 Patienten mit CED (495 mit Colitis ulcerosa, 505 mit Morbus Crohn) mit Neoplasie-Risiko erkannte die Chromoendoskopie mit gezielten Biopsien und endoskopischer Entfernung resezierbarer Läsionen die meisten Patienten mit Neoplasie. Der zusätzliche Prozentsatz an Patienten mit Neoplasien, die nur durch zufällige Biopsien entdeckt wurden, betrug etwa 15%. Der Nachweis von Neoplasien durch Zufallsbiopsien war dabei mit einer persönlichen Histologie von Neoplasien, begleitender primär sklerosierender Cholangitis (PSC) und einem tubulären Kolon verbunden. Die Wahrscheinlichkeit, Neoplasien durch zufällige Biopsien zu finden, ist bei Patienten, bei denen diese drei Risikofaktoren fehlen, nahezu null – was die Mehrheit der Patienten ausmacht, so der Experte.
Die Mehrheit der Schweizer Gastroenterologen greift nicht zu Methylenblau oder Indigokarmin – der (wahrscheinliche) Grund für die Skepsis: Es beansprucht Zeit und ist schwierig zu interpretieren. Die SURFACE-Guidelines für die Anwendung der Chromoendoskopie bei Colitis ulcerosa (CU), welche noch immer Gültigkeit besitzen (Tab. 1), stammen allerdings aus dem Jahr 2004 und haben schon damals zur Detektion mit Farbstoffen geraten.
CE versus WLE
Trotz fortschrittlicher Bildgebungsverfahren wie Autofluorescence Imaging (AFI), Narrow Band Imaging (NBI), High-Definition-WLE oder CE können spezialisierte Endoskopiker dysplastische Läsionen nicht zuverlässig identifizieren.
Die hochauflösende Chromoendoskopie mag der hochauflösenden Weisslicht-Endoskopie bei der Überwachung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen überlegen sein, aber die hochauflösende Weisslicht-Endoskopie ist immer noch der Standard. Dies zeigte auch eine schwedische Studie [4] in der 305 Patienten mit CU oder M. Crohn einer Koloskopie unterzogen wurden. Dysplastische Läsionen wurden dabei bei 17 Patienten mit HD-CE und 7 Patienten mit HD-WLE festgestellt (p=0,032). 20% dieser Patienten mit Dysplasie wurden nur durch Analyse zufälliger Biopsien identifiziert. 3 Patienten (33%) hatten PSC.
Die Schlussfolgerung der Forscher lautete daher: Die HD-Chromoendoskopie war der HD-Weisslicht-Endoskopie überlegen, wenn beide mit Entnahme zufälliger Biopsien zum Nachweis von Dysplasien per Koloskopie durchgeführt wurden. Doch auch HD-WLE ist immer noch eine gute Option, so Prof. Borovicka. Er wies aber auch darauf hin, dass aufgrund des seltenen Auftretens von Dysplasien Untersuchungen mit grösseren Patientenpopulationen nötig seien, um validere Aussagen treffen zu können.
Fachgesellschaft empfiehlt routinemässigen Einsatz
Der Experte verwies abschliessend auf die Empfehlungen der European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) zur Erkennung und Differenzierung kolorektaler Neoplasien bei entzündlichen Darmerkrankungen, deren jüngste Fassung 2019 herausgegeben wurde.
Die ESGE empfiehlt darin den routinemässigen Einsatz einer farbstoffbasierten Pankolon-Chromoendoskopie oder einer virtuellen Chromoendoskopie mit gezielten Biopsien zur Neoplasie-Überwachung bei Patienten mit langjähriger Colitis, wenn diese sich in einer ruhigen Krankheitsphase befinden (starke Empfehlung, moderate Evidenz). Auf eine zufällige Vier-Quadranten-Biopsie kann bei ruhiger Krankheitsaktivität dagegen verzichtet werden (starke Empfehlung, starke Evidenz).
Die Fachgesellschaft schlägt zudem vor, dass bei Hochrisikopatienten mit persönlicher Vorgeschichte (Dickdarmneoplasie, tubulärer Dickdarm, Strikturen, PSC) chromoendoskopisch gezielte Biopsien mit zufälligen Vier-Quadranten-Biopsien alle 10 cm im Dickdarm kombiniert werden können, allerdings gibt es hierfür nur eine schwache Empfehlung und niedrige Evidenz.
Take-Home-Messages
- Colitis-assoziierte Krebsarten haben eine andere Pathogenese als sporadischer Darmkrebs.
- Gezielte Biopsien nur mit hochauflösender Koloskopie sind derzeit die Technik der Wahl.
- Bei Patienten mit PSC, Histologie einer Kolon-Neoplasie oder tubulärem Kolon sollten zufällige Biopsien hinzugefügt werden.
- Die virtuelle Chromoendoskopie hat keinen Mehrwert zur Überwachungskoloskopie (kein Zusatznutzen gegenüber hochauflösendem Weisslicht allein oder hochauflösender Chromoendoskopie).
Kongress: IBDnetTalk, 17.03.2022
Literatur:
- Santi G, Michetti P, Froehlich F, et al.: Adherence to Recommendations and Quality of Endoscopic Colorectal Cancer Surveillance in Long-Standing Ulcerative Colitis. Inflamm Intest Dis 2021; 6: 25–31; doi: 10.1159/000511010.
- Moussata D, Allez M, Cazals-Hatem D, et al.: Are random biopsies still useful for the detection of neoplasia in patients with IBD undergoing surveillance colonoscopy with chromoendoscopy? Gut 2018; 67(4): 616–624; doi: 10.1136/gutjnl-2016-311892.
- Rutter M, Bernstein C, Matsumoto T, et al.: Endoscopic Appearance of Dysplasia in Ulcerative Colitis and the Role of Staining. Endoscopy 2004; 36(12): 1109–1114; doi: 10.1055/s-2004-826049.
- Alexandersson B, Hamad Y, Andreasson A, et al.: High-Definition Chromoendoscopy Superior to High-Definition White-Light Endoscopy in Surveillance of Inflammatory Bowel Diseases in a Randomized Trial. Clin Gastroenterol Hepatol 2020; 18(9): 2101–2107; doi: 10.1016/j.cgh.2020.04.049.
HAUSARZT PRAXIS 2022; 17(5): 28–29
Autoren
- Jens Dehn
Publikation
- HAUSARZT PRAXIS
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