Der Einsatz von Allergen-spezifischer Immuntherapie – auch unter dem Begriff Hyposensibilisierung bekannt – dient der kausalen Behandlung von IgE-vermittelten Allergien. Studien weisen darauf hin, dass sich bei Kindern mit allergischer Rhinitis durch sublinguale Immuntherapie (SLIT) auch der Etagenwechsel im Sinne eines sekundärpräventiven Therapieeffektes verhindern lässt. Aus aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen geht hervor, dass man möglichst in frühem Lebensalter damit beginnen sollte, um der Entwicklung eines allergischen Asthmas entgegenzuwirken.
Bei einer Gräserpollenallergie gelangen Inhalationsallergene nicht nur in die Nase, sondern auch in die Bronchien. Wenn die Entzündung der oberen Atemwege zu den tiefergelegenen Atemwegen übertritt, spricht man auch von «Etagenwechsel». Patienten mit allergischer Rhinitis haben ein 3,5-fach höheres relatives Risiko, innerhalb von weniger als 10 Jahren Asthma bronchiale zu entwickeln [1]. Bei einer Grosszahl an Kindern mit unbehandeltem Heuschnupfen entwickelt sich noch vor dem Erwachsenenalter ein Asthma. Die Wirksamkeit von sublingualer Immuntherapie (SLIT) bei durch Gräserpollen verursachter allergischer Rhinokonjunktivitis ist bei Erwachsenen und Kindern umfassend dokumentiert [2]. Aspekte der Sekundärprävention, insbesondere die Verringerung neuer Sensibilisierungen und die Verringerung des Asthmarisikos, sind wichtige Gründe für die Entscheidung, die Behandlung bereits in Kindheit und Jugend einzuleiten. In der randomisiert-kontrollierten doppelverblindeten «Grazax Asthma Prevention» (GAP)-Studie konnte bei 5–12-jährigen Kindern mit allergischer Rhinokonjunktivitis (n=812) ein präventiver Effekt einer sublingualen Immuntherapie hinsichtlich Asthmaentwicklung belegt werden (Abb. 1) [3]. Der Untersuchungszeitraum umfasste 3 Jahre SLIT-Therapie und 2‑Jahre-Follow-up.
Auch die Ergebnisse einer aktuellen «Real World»-Studie, welche anlässlich des diesjährigen EEACI Annual Meeting präsentiert worden waren, deuten darauf hin, dass diese Altersgruppe am meisten von präventiven Effekten einer Allergen-spezifischen Immuntherapie/SLIT profitiert [4].

Sekundärpräventiver Nutzen der SLIT bei 5–12-Jährigen am grössten
In der retrospektiven Kohortenanalyse einer deutschen Längsschnitt-Verschreibungsdatenbank wurden die altersspezifischen Auswirkungen von ≥2 Jahren Allergenimmuntherapie (AIT) auf die Entwicklung eines Asthma bronchiale bei Patienten mit allergischer Rhinitis untersucht [4]. Dabei wurde eine AIT-Gruppe, die mit Gräser-/Getreidepollen-AIT (einschliesslich 7 verschiedener SLIT/SCIT-Produkte) behandelt wurde, verglichen mit einer Kontrollgruppe, welche nur eine symptomatische Behandlung erhalten hatte (Nicht-AIT-Gruppe). In logistischen Regressionsanalysen wurden die Verschreibungen neuer Asthmamedikamente in beiden Gruppen als Indikator für das Auftreten der Krankheit verglichen.
10 033 und 29 774 Patienten mit allergischer Rhinitis ohne Asthma wurden in der AIT- bzw. Nicht-AIT-Gruppe analysiert hinsichtlich altersspezifischer Effekte. Die Altersverteilung war wiefolgt: 5–12 Jahre (33%), 13–17 Jahre (11%), 18–35 Jahre (30%), 36–50 Jahre (26%). Über alle Altersgruppen hinweg entwickelten während oder nach Beendigung der Behandlung in der AIT-Gruppe 13,4% Asthma und in der Nicht-AIT-Gruppe 14,6%. Insgesamt hatte die mit AIT behandelte Gruppe zwar kein geringeres Risiko für die Verschreibungen neuer Asthmamedikamente (Odds Ratio [OR]: 1,001, p=0,989), aber die altersspezifischen Analysen weisen darauf hin, dass der präventive Nutzen der AIT altersabhängig ist. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit asthmafrei zu bleiben in der AIT-Gruppe bei den unter 35-Jährigen höher als bei der Kontrollgruppe, was in der Altersgruppe der 35-50-Jährigen nicht der Fall war. Am meisten profitierten die 5–12-Jährigen von präventiven Effekten, hier erwies sich das Risiko einer neuen Verschreibung von Asthmamedikamenten in der AIT-Gruppe als signifikant verringert im Vergleich zur Kontrollgruppe (Abb. 2) [4].
Weitere Analysen ergaben, dass die AIT-Anwendungsform und der Allergiestatus eine Relevanz haben. So wurde nur bei den mit SLIT behandelten Patienten (n=1833) über alle Altersgruppen hinweg ein signifikant verringertes Risiko für die Verschreibung eines neuen Asthmamedikamentes festgestellt, am stärksten ausgeprägt war dieser Effekt bei den 5-12-Jährigen (OR: 0,690, p=0,006). Eine weitere Erkenntnis war, dass monoallergische Patienten stärker profitierten als Patienten mit mehrfachen Allergien.
Prinzip der allergenspezifischen Immuntherapie: Immunsystem wird trainiert
Zusammenfassend zeigen die vorliegenden Studiendaten bei Gräserpollenallergikern einen Trend zu altersspezifischen Effekten in Bezug auf die Verringerung des Risikos, dass während und nach SLIT-Therapie eine Indikation für ein Asthmamedikament gegeben ist. Kinder und monoallergische Jugendliche scheinen am meisten von diesem sekundärpräventiven Effekt zu profitieren. Es könnte daher ratsam sein, mit der SLIT bereits in einem frühen Lebensalter zu beginnen. Das Prinzip der AIT besteht darin, dass durch die Gabe von Allergenextrakten spezifische blockierende Antikörper, toleranzinduzierende Zellen und Botenstoffe aktiviert werden, die eine weitere Verstärkung der durch Allergene ausgelösten Immunantwort verhindern, die spezifische Immunantwort blockieren und die Entzündungsreaktion im Gewebe dämpfen [2]. Bei der sublingualen Immuntherapie (SLIT) erfolgt die Hyposensibilisierung in Form von Tabletten, die der Allergiker in der Regel täglich einnimmt. Bei der subkutanen Immuntherapie (SCIT) wird das Allergen von einem Allergologen unter die Haut gespritzt. Zunächst erhalten die Patienten nur eine sehr geringe Menge des Allergens, wodurch bestimmte Bestandteile des Immunsystems aktiviert werden, die in die überschiessende Immunantwort involviert sind [5]. Im Verlauf der weiteren AIT-Therapie wird die Allergenmenge allmählich gesteigert, bis schliesslich die höchste Dosis erreicht wird. Dadurch kann langfristig eine Toleranz gegen das betreffende Allergen erreicht werden, sodass die allergische Reaktion bei erneutem Kontakt sehr viel schwächer verläuft. Insgesamt sollte die AIT über mindestens drei Jahre durchgeführt werden. Wird die Allergie durch Pollen hervorgerufen, erfolgt die Hyposensibilisierung normalerweise bereits mehrere Monate vor Beginn der Pollensaison.
Kongress: EEACI Annual Meeting
Literatur:
- Shaaban R, et al.: Rhinitis and onset of asthma: a longitudinal population-based study. Lancet 2008; 372: 1049–1057.
- Pfaar O, et al.: Guideline on allergen-specific immunotherapy in IgE-mediated allergic diseases: S2k guideline of the German society for allergology and clinical immunology (DGAKI), GPA, AeDA, ÖGAI, SGAI, DDG, DGHNO-KHC, DGKJ, GPP, DGP, BV-HNO, BVKJ, BDP, BVDD. Allergo J Int 2014; 23: 282–319.
- Valovirta E, et al.: GAP investigators. Results from the 5-year SQ grass sublingual immunotherapy tablet asthma prevention (GAP) trial in children with grass pollen allergy. J Allergy Clin Immunol 2018; 141(2): 529–538.e13.
- Zieglmayer P: 100048 – Age-specific effects of grass pollen allergen immunotherapy in reducing the risk for new onset asthma: a real world dataset analysis, 01.–03.07.2022
- Lungeninformationsdienst: Hyposensibilisierung, www.lungeninformationsdienst.de, (letzter Abruf 17.08.2022)
HAUSARZT PRAXIS 2022; 17(9): 28–30
Autoren
- Mirjam Peter, M.Sc.
Publikation
- HAUSARZT PRAXIS
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