Wird der Zielblutdruck nicht erreicht, gibt es zwei Ansätze zur Intensivierung der antihypertensiven Behandlung: Hinzufügen eines neuen Medikaments oder Maximierung der Dosis. Eine grossangelegte Kohortenstudie unter Beteiligung von Forschern des Universitätsspitals Bern widmete sich diesem Thema. Die Resultate wurden kürzlich im Annals of Internal Medicineveröffentlicht.

Bluthochdruck ist der wichtigste modifizierbare Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen, dies gilt auch für ältere Menschen. In einer bevölkerungsbasierten retrospektiven Studie wurden Daten von 178 562 über 65-jährigen Personen, welche aufgrund von unkontrolliertem Bluthochdruck eine intensivierte Hypertoniebehandlung erhielten, analysiert. Das Durchschnittsalter lag bei 75,8 Jahren, ein Einschlusskriterium war, dass mindestens eine blutdrucksenkende Medikation weniger als die maximale Dosis betrug [1]. Es zeigte sich, dass die Intensivierung nur bei 25,5% durch Hinzufügen eines neuen Medikaments erfolgte, während bei allen anderen eine Dosismaximierung der bestehenden Medikation vorgenommen wurde. Der Anteil der Patienten der Gruppe der Dosismaximierung, welche nach drei Monaten die aufdosierte Behandlung fortführte, war mit 65,0% höher als der Anteil derjenigen, welche in der Gruppe mit einem hinzugefügten Blutdrucksenker die Zusatzmedikation beibehielten (49,8%). Als Gründe hierfür werden Nebenwirkungen und Arzneimittelinteraktionen vermutet. Hinsichtlich Reduktion des mittleren systolischen Blutdruckes erwies sich die Behandlungsstrategie der Hinzunahme eines Antihypertensivums jedoch als effektiver: nach drei Monaten betrug der Unterschied zugunsten dieser Behandlungsgruppe 0,8 mm Hg und nach 12 Monaten 1,1 mm Hg im Vergleich zu der Gruppe mit der Dosismaximierung (–5,6 vs –4,5 mm Hg).

Therapieentscheidung: differenzierte Nutzen-Risiko-Abwägung erforderlich

Dass die Hinzunahme eines zusätzlichen Blutdrucksenkers einen grösseren Impact hat auf die Senkung des systolischen Blutdruckes ist nicht erstaunlich, aber gerade bei älteren Pa­tien­­ten ist dieser Nutzen im Verhältnis zu den Risiken abzuwägen. Zum einen hinsichtlich etwaiger Komorbiditäten, zumal bei älteren Patienten Multimorbidität häufig ist, und zum anderen aufgrund von altersbedingter erhöhter Vulnerabilität gegenüber unerwünschten Arzneimittel­nebenwirkungen. Ein weiterer zu berücksichtigender Faktor ist, dass die Behandlung so einfach wie möglich sein sollte, da sich dies günstig auswirkt auf die Adhärenz. Dies spricht für die Aufdosierung einer bestehenden antihypertensiven Medikation, sofern dadurch ausreichende Behandlungseffekte erzielt werden können. Muss das Behandlungsregime so verändert werden, dass ein zusätzlicher Blutdrucksenker hinzugefügt wird, ist es wichtig, den Patienten die Notwendigkeit hierfür zu erklären. Unabhängig von der gewählten Strategie zur Intensivierung der hyptertensiven Behandlung sollte ungefähr ein Monat darauf eine Verlaufskontrolle stattfinden zur Beurteilung der Wirksamkeit, Verträglichkeit und Adhärenz. Eine angemessene Blutdruckkontrolle ist bedeutsam, da arterielle Hypertonie ­einer der wichtigsten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist und dies mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko verbunden ist [2].

Altersangepasster Zielkorridor der Blutdruckwerte?

Über die konkreten Zielwerte für Patienten in höherem Lebensalter sind sich die verschiedenen Fachgeselleschaften jedoch nicht einig. Die amerikanischen Leitlinien empfehlen seit längerem auch bei älteren Patienten eine konsequente Blutdrucksenkung auf Werte unter 130 mm Hg anzustreben, während die aktuelle europäische Leitlinie der ESC/ESH in der Altersstufe der 65–80-Jährigen einen systolischen Blutdruck zwischen 130–139 mmHg als Zielkorridor definiert [3,4]. Eine Ende August im New England Journal of Medicine publizierte Studie heizt die Diskussion über die angemessenen Zielwerte in dieser Altersgruppe erneut an (Kasten) [5,6].

Literatur:

  1. Aubert CE, et al.: Ann Intern Med 2021 Oct 5. doi: 10.7326/M21-1456.
  2. Statista: Todesursachen in Deutschland. ID 687971, https://de.statista.com/themen/69/todesursachen (letzter Abruf 19.11.2021)
  3. Whelton PK, et al.: J Am Coll Cardiol 2018; 71: e127–e248.
  4. Williams B, et al.: Eur Heart J 2018; 39: 3021–3104.
  5. «Neue Studie zeigt: Auch ältere Menschen profitieren von einer strikteren Blutdrucksenkung», Deutsche Hochdruckliga, 03.09.2021
  6. Zhang W, et al.: NEJM, August 30, 2021. doi: 10.1056/NEJMoa2111437

CARDIOVASC 2021; 20(4): 22
HAUSARZT PRAXIS 2021; 16(12): 44

Autoren
  • Mirjam Peter, M.Sc. 
Publikation
  • CARDIOVASC 

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