Die Asthma-Behandlung im Kindesalter basiert heute auf einer engen Patientenbegleitung inklusive Schulung zum Selbstmanagement. Doch ist es überhaupt Asthma? Eine Frage, die man sich zunächst stellen sollte. Die Raten an Überdiagnosen sind hoch.

Eine retrospektive Analyse von vier akademischen Zentren in den Niederlanden ergab, dass Asthma bei Kindern im Alter zwischen sechs und 18 Jahren in über der Hälfte der Fälle überdiagnostiziert war – mit folglich unnötigen Behandlungen und Auswirkungen auf die Lebensqualität [1]. «In der alltäglichen Praxis gibt es immer wieder Fälle, bei denen nicht ganz klar ist, ob die Symptomatik nun tatsächlich von einem Asthma herrührt oder ob andere Ursachen vorliegen. Vielleicht ist ein Kind im Schulsport schlicht wegen seines Übergewichts schnell ausser Atem oder es finden sich Atemgeräusche aufgrund einer Stimmbanddysfunktion», erklärte Prof. Dr. med. Nicolas Regamey, Pneumologie, Kinderspital Luzern. Letztere entsteht dadurch, dass die Kinder beim Atmen die Stimmbänder paradoxerweise verschliessen, also «falsch» einatmen. Das führt in der Klinik zu einem akut einsetzenden inspiratorischen Stridor mit Dyspnoe bei körperlicher Belastung, Stress, Gerüchen oder Allergenen. Nach einigen Minuten klingt die Symptomatik plötzlich ab. Betroffen sind besonders junge weibliche Adoleszente. Therapeutisch reicht meist eine Aufklärung, kombiniert mit Stimmübungen bzw. Logopädie.

Asthma-Diagnose

Zunächst sucht man bei der Asthma-Diagnose nach klinischen Zeichen (Übersicht 1), dazu kommt der Nachweis einer variablen/reversiblen Bronchoobstruktion (Klinik, Spirometrie). Allergietests oder die Messung der allergischen Atemwegsentzündung (FeNO) sind hilfreich, aber weder spezifisch noch sensitiv.

Die Methacholinprovokation ist gut für den Ausschluss eines Asthmas geeignet, weniger für die Bestätigung. Hierfür kommen Belastungstests in Frage. Diese sind entweder frei durchführbar («free running test»), d.h. der junge Patient läuft einmal ums Haus oder steigt Treppen und der Arzt sammelt subjektive Zeichen, untersucht klinisch (Atemnot, Husten, Giemen, Puls, Blutdruck), macht eine SpO2-Messung und eine Spirometrie vorher/nachher. «Im LUKS führen wir einen standardisierten Belastungstest durch, den sog. Exercise-induced Athma Test» so der Referent. Hierbei werden die Patienten in trockener Luft mit einer Luftfeuchtigkeit unter 50% sechs bis acht Minuten via Laufband belastet, gefolgt von Spirometrie nach 5, 10, 15, (30) Minuten. Ein FEV1-Abfall von 10% (15%) ist diagnostisch für ein Anstrengungsasthma. «Oft machen die Jugendlichen in der Abkühlungsphase zu», erklärte Prof. Regamey.

Die Differenzialdiagnosen bei Asthma sind vielfältig. Wie erwähnt kann schlicht eine körperliche Dekonditionierung (u.a. bei Adipositas) oder eine Stimmbanddysfunktion/Atemdyskoordination vorliegen. Des Weiteren sollte man an banale wiederholte Luftwegsinfekte denken (Krippenbesuch, Tabakrauch­exposition). Auch der «postnasal drip», das «cough hypersensitivity syndrome» (prolongierter unspezifischer Husten) und gastroösophagealer Reflux sind wichtige Differenzialdiagnosen.

Ziele der Therapie

«Nun ist das Asthma also diagnostiziert, was will und soll ich jetzt behandeln?», lautet die zweite Frage. Die Pharmakotherapie hat möglichst wirksam, sicher und einfach zu sein.
Wirksamkeit: «Wir können Asthma nicht heilen, das muss man den Eltern klar mitteilen», riet Prof. Regamey. Grundsätzlich hat die Therapie die Symptomkontrolle, das Vermeiden von Exazerbationen (da wiederholte Episoden zu einem Remodeling der Luftwege führen) und somit das Verhindern einer fixierten Obstruktion zum Ziel – dies alles bei möglichst wenig Nebenwirkungen. «Raten Sie einem Kind mit Asthma keinesfalls, auf den Schulsport zu verzichten. Es ist wichtig, dass die Aktivitäten nicht limitiert werden», erläuterte der Redner. Die Symptomkontrolle soll entsprechend so eingestellt sein, dass keine oder weniger als zweimal pro Woche Tagessymptome auftreten. In der Nacht ist eine Symptomfreiheit anzustreben, damit kein nächtliches Erwachen stattfindet. Der Gebrauch von sog. «Relievern» sollte auf höchsten zwei Einsätze pro Woche beschränkt sein.

In diesem Zusammenhang ist das SMART-Schema zu erwähnen (Symbicort® as Maintenance And Reliever Therapy) – ein Steroid (Budesonid) kombiniert mit einem LABA mit raschem Wirkungseintritt (Formoterol). Zur relativ tiefen Basisdosierung (i.d.R. 2×/d) kommen zusätzliche Dosen nach Bedarf (bis 6×/d ab 6 Jahren und 10×/d ab 12 Jahren). Möglich ist das Ganze auch mit Flutiform®.

Dies allerdings erst auf Stufe 3 nach dem Stufenschema der GINA-Guidelines (das auch für Kinder gilt). Zuvor kommen auf Stufe 1 SABA bei Bedarf, ab Stufe 2 kombiniert mit niedrig dosierten ICS als Controller in Frage. Der oral verabreichte Leukotrien-Antagonist Montelukast ist eine Alternative bei Kleinkindern und Angst vor Steroiden. Nebst dem SMART-Schema empfehlen die Guidelines ab Stufe 3 bei Kindern ICS in mittlerer Dosierung (vor allem im Alter von sechs bis elf Jahren). In den höheren Stufen (ab Stufe 4) wird dann die Dosis der ICS kombiniert mit LABA bei ungenügendem Effekt weiter gesteigert.

Schlecht kontrolliertes Asthma im Kindesalter ist ein Risikofaktor für eine schlechte Lungenfunktion im Erwachsenenalter. Diese Patienten starten also bereits mit einem Nachteil in ihr späteres Leben: Der physiologische Rückgang der Lungenfunktion mit zunehmendem Alter, aber natürlich auch schädliche Einflüsse wie Rauchen etc. wirken sich bei ihnen ungleich fataler aus als bei solchen, die ihr Erwachsenenleben mit einer normalen Lungenfunktion beginnen (Abb. 1).

Sicherheit: Gerade die Kortikosteroide geniessen in der Bevölkerung meist keinen guten Ruf. Der Nutzen der Therapie übersteigt die Nachteile/Nebenwirkungen aber in vielen Fällen. Ein häufig diskutierter möglicher Nebeneffekt im Kindesalter sind Wachstumsstörungen mit konsekutiv reduzierter Körpergrösse, wobei diese gemäss einer Studie mit Budesonid relativ gering ausfallen (ca. –1,2 cm, vor allem bei Mädchen) [2]. Die orale Steroid-freie Therapie mit Montelukast mag hier zunächst attraktiver erscheinen und tatsächlich kann die Adhärenz bei gewissen Patienten, die tiefgreifende Vorbehalte gegenüber den ICS (auch bezüglich Handhabung) haben, besser sein. Hier sind allerdings neuropsychiatrische Nebenwirkungen zu beachten [3]. Eine vorurteilslose Abwägung der verschiedenen Behandlungsvarianten mit den Eltern und Kindern ist also von grosser Bedeutung.

Einfachheit: Dosieraerosole sind bei Kindern immer mit Vorschaltkammer (bei kleineren mit einer Maske) zu applizieren. Damit wird die Koordination erleichtert. Das Aerosol wird nach Aktivierung abgebremst und bleibt bis zur Inhalation in der Kammer. Unerwünschte Ablagerungen des Wirkstoffs oropharyngeal werden vermindert, allerdings ist die Nutzung dieser Devices eher umständlich und verlangt eine regelmässige Reinigung (aufgrund einer möglichen bakteriellen Kontamination). Es gilt: Langsame und tiefe Einatmung aus der Vorschaltkammer über mehrere Atemzüge.

Bei etwas älteren Kindern, allerdings nicht im schweren Asthma-Anfall, kommen Trockenpulverinhalatoren in Frage. Beispiele sind Diskus®, Turbuhaler® oder Ellipta®. Die Koordination stellt hier kein Problem dar. Die Handhabung ist vergleichsweise einfach, allerdings ist ein höherer Inhalationsfluss notwendig und bereits eine geringe Ausatmung ins System kann zu Verklumpung führen. Grundsätzlich gilt: Kräftig und tief einatmen, dann Atem anhalten.

«Die korrekte Inhalation braucht eine gute Schulung und regelmässige Kontrolle. Ohnehin hilft es enorm, wenn die Kinder über ihr Leiden, den richtigen Umgang damit und über das Selbstmanagement aufgeklärt sind. In diesem Zusammenhang sind die aha!-Schulungen zu empfehlen» so der Redner.

Prävention und Verlaufskontrolle

Zum optimalen Asthma-Management gehört nebst der Pharmakotherapie und der Patientenedukation aber auch die Prävention, also die Allergen- und Triggervermeidung. Nicht vergessen werden sollte daher die Allergiediagnostik. Die grösste Rolle spielen Hausstaubmilben, die mit einer gezielten Sanierung besser angegangen werden können als mit einer Desensibilisierung. In anderen Fällen kann diese jedoch durchaus angezeigt sein.

Die Überprüfung der nicht-medikamentösen Strategien und Umweltfaktoren ist Teil der dreimonatlichen Asthma-Kontrolle. Hier wird der Verlauf der Therapie erfasst und beurteilt. Ist Verbesserungspotenzial da, kann man die medikamentöse/nicht-medikamentöse Therapie anpassen und dies im schriftlichen Behandlungsplan festhalten. Letztgenannter ist hilfreich, da die Kinder in der Sprechstunde meist nur «mit halbem Ohr» zuhören und vielleicht auch die Erwachsenen vom Verhalten ihres Kindes abgelenkt sind. Im Sinne einer Erinnerung hängt der schriftliche Behandlungsplan z.B. am Kühlschrank und gibt Angaben zur Basistherapie, Reserve vor körperlicher Anstrengung, Anpassungen bei Luftwegsinfekt und zur Notfalltherapie.

Quelle: 11. Frühlingszyklus, 7.–9. März 2018, Luzern

Literatur:

  1. Looijmans-van den Akker I, van Luijn K, Verheij T: Overdiagnosis of asthma in children in primary care: a retrospective analysis. Br J Gen Pract 2016 Mar; 66(644): e152–157.
  2. Kelly HW, et al.: Effect of inhaled glucocorticoids in childhood on adult height. N Engl J Med 2012 Sep 6; 367(10): 904–912.
  3. Ernst P, Ernst G: Neuropsychiatric adverse effects of montelukast in children. Eur Respir J 2017 Aug 17; 50(2). pii: 1701020.
  4. Stocks J, Hislop A, Sonnappa S: Early lung development: lifelong effect on respiratory health and disease. Lancet Respir Med 2013 Nov; 1(9): 728–742.

HAUSARZT PRAXIS 2018; 13(4): 45–47

Autoren
  • Andreas Grossmann 
Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS 

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