Die Belastungshypertonie, also ein übermäßiger Blutdruckanstieg während körperlicher Aktivität, ist ein häufiges Thema in der kardiologischen Praxis. Viele Patientinnen und Patienten fragen sich, wie sie mit auffälligen Blutdruckwerten bei Belastung umgehen sollen und welche gesundheitlichen Folgen dies haben kann. Dieser Artikel basiert auf HAUSARZT PRAXIS und erklärt Ihnen verständlich, was eine Belastungshypertonie bedeutet, wie sie erkannt wird und welche Behandlungsmöglichkeiten bestehen.
Wie reagiert der Kreislauf normalerweise auf körperliche Belastung?
Bei einer Ergometrie (Belastungsuntersuchung auf dem Fahrrad oder Laufband) wird der Blutdruck (BD) unter körperlicher Aktivität gemessen. Dies ist wichtig, um die Funktion des Herz-Kreislauf-Systems zu beurteilen. Während der Belastung steigt der Bedarf der Muskeln an Sauerstoff und Nährstoffen. Das Herz muss mehr Blut in den Kreislauf pumpen, was als Steigerung des Herzzeitvolumens (HZV, das ist die Menge Blut, die das Herz pro Minute auswirft) bezeichnet wird. Gleichzeitig weiten sich die kleinen Blutgefäße (Arteriolen) in den arbeitenden Muskeln durch Vasodilatation (Gefäßerweiterung), wodurch der totale periphere Widerstand (TPR, der Widerstand im gesamten Gefäßsystem) abnimmt. Da das HZV stärker steigt als der TPR sinkt, erhöht sich der arterielle Mitteldruck (mittlerer Blutdruck im Kreislauf). Der systolische Blutdruck (oberer Wert) steigt während der Belastung kontinuierlich an, während der diastolische Blutdruck (unterer Wert) meist konstant bleibt oder leicht abnimmt. Diese Veränderungen sind normale Anpassungen des Körpers an körperliche Aktivität und hängen vom Alter, Geschlecht und weiteren Faktoren ab.
Bei gesunden Menschen ist dieser Blutdruckanstieg unter Belastung ein Zeichen für eine gute Anpassungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems. Ein Abfall des Blutdrucks während Belastung, insbesondere bei einer Ischämie (Minderdurchblutung des Herzens), gilt hingegen als ungünstiges Zeichen und kann auf eine koronare Herzkrankheit (Erkrankung der Herzkranzgefäße) hinweisen. Die genaue Beurteilung der Blutdruckwerte während der Belastung ist daher ein wichtiger Bestandteil der kardiologischen Diagnostik.
Die Ergometrie wird sowohl bei Menschen mit bekannter arterieller Hypertonie (Bluthochdruck) als auch bei Sportlern oder Personen mit Verdacht auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt. Besonders bei sportlichen Aktivitäten mit hoher statischer oder isometrischer Belastung (z. B. Gewichtheben) muss der Nutzen des Sports gegen mögliche Risiken abgewogen werden. Auch Athleten können von einer Hypertonie betroffen sein, was besondere Anforderungen an Diagnostik und Therapie stellt.
Was versteht man unter Belastungshypertonie?
Die Belastungshypertonie (BelHT) bezeichnet einen übermäßigen Anstieg des Blutdrucks während körperlicher Belastung. Es gibt jedoch keinen einheitlichen Grenzwert, ab wann von einer Belastungshypertonie gesprochen wird. Viele Studien orientieren sich an den Blutdruckverteilungen der untersuchten Gruppen. Als praxisnaher Richtwert gelten systolische Werte über 210 mmHg bei Männern und über 190 mmHg bei Frauen unter maximaler Belastung als Hinweis auf eine BelHT. Diese Grenzwerte werden durch zahlreiche wissenschaftliche Daten gestützt.
Die Entstehung der Belastungshypertonie ist komplex. Normalerweise sinkt der totale periphere Widerstand (TPR) unter Belastung, weil sich die Gefäße in den Muskeln erweitern. Bei einer BelHT nimmt der TPR jedoch nicht ausreichend ab, sodass der Blutdruck trotz angemessen steigendem Herzzeitvolumen übermäßig ansteigt. Eine gestörte endotheliale Vasodilatation (die Fähigkeit der Gefäßinnenwand, sich zu erweitern) spielt dabei eine wichtige Rolle. Besonders bei älteren Menschen trägt eine erhöhte Gefäßsteifigkeit zur Entstehung der BelHT bei. Zusätzlich wird bei Personen mit BelHT während der Belastung mehr Angiotensin II (ein blutdrucksteigerndes Hormon) ausgeschüttet als bei Menschen ohne BelHT.
Wichtig zu wissen ist, dass eine scheinbar normale Blutdruckantwort auf Belastung nicht immer physiologisch ist. Wenn sowohl TPR als auch HZV nur wenig ansteigen, kann der Blutdruck zwar im Normbereich bleiben, ohne dass dies eine gesunde Reaktion widerspiegelt. Die genaue Interpretation der Blutdruckwerte während Belastung erfordert daher immer eine individuelle Betrachtung.
Welche Bedeutung hat die Belastungshypertonie für die Gesundheit?
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Menschen mit normalem Blutdruck in Ruhe, aber einer Belastungshypertonie, ein erhöhtes Risiko haben, später eine arterielle Hypertonie zu entwickeln. Besonders bei Personen mit einem Ruhe-Blutdruck im prähypertensiven Bereich (also leicht erhöht, aber noch nicht krankhaft) ist diese Assoziation deutlich. Ein erhöhter Blutdruck bei moderater oder maximaler Belastung kann ein Frühzeichen für eine spätere Hypertonie sein.
Auch für das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist die Belastungshypertonie relevant. Bei Menschen mit normalem Blutdruck in Ruhe ist vor allem eine BelHT bei mittlerer Belastung mit einer erhöhten Rate an kardiovaskulären Ereignissen (wie Herzinfarkt oder Schlaganfall) verbunden. Die Blutdruckwerte bei maximaler Belastung sind hingegen weniger aussagekräftig. Da die Belastungsintensitäten im Alltag meist moderat sind, spiegeln hohe Blutdruckwerte bei submaximaler Belastung oft die Werte im täglichen Leben wider. In bis zu 56 % der Fälle ist eine BelHT mit erhöhten Blutdruckwerten im Alltag assoziiert, was als maskierte Hypertonie bezeichnet wird (eine Hypertonie, die in der Arztpraxis nicht auffällt, aber im Alltag besteht).
Bei Menschen mit bereits bekannter Hypertonie ist die prognostische Bedeutung der BelHT weniger eindeutig. Hier ist vor allem ein erhöhter TPR unter Belastung ein wichtiger Risikofaktor. Bei manchen Patienten mit Hypertonie und normaler Blutdruckantwort auf Belastung kann eine linksventrikuläre Hypertrophie (Verdickung des Herzmuskels der linken Herzkammer) dazu führen, dass das HZV nicht ausreichend ansteigt und die BelHT trotz erhöhtem TPR ausbleibt. Dies kann die Prognose dieser Patientengruppe verschlechtern.
Bei Patientinnen und Patienten mit koronarer Herzkrankheit (Verengung der Herzkranzgefäße) kann eine Belastung zu einer myokardialen Ischämie (Minderdurchblutung des Herzmuskels) führen. Dies äußert sich in einer eingeschränkten Pumpfunktion der linken Herzkammer und einer Reduktion des HZV. Dadurch bleibt der Blutdruckanstieg unter Belastung aus oder es kommt sogar zu einem Blutdruckabfall (Belastungshypotonie). Interessanterweise zeigen Patienten mit BelHT seltener Ischämien und haben eine bessere Prognose als Patienten ohne BelHT. Allerdings sind diese Daten älter, und die Bedeutung der BelHT bei koronarer Herzkrankheit im Zeitalter moderner Behandlungsmethoden ist noch nicht abschließend geklärt.
Wie wird die Belastungshypertonie erkannt und behandelt?
Wenn bei einer Belastungsuntersuchung eine BelHT festgestellt wird, sollte bei normalem Blutdruck in Ruhe immer an eine maskierte Hypertonie gedacht werden. In solchen Fällen empfiehlt sich eine 24-Stunden-Blutdruckmessung, um den Blutdruck im Alltag zu erfassen. So können versteckte Blutdruckerhöhungen erkannt werden, die in der Praxis nicht auffallen.
Die wichtigste Maßnahme bei isolierter BelHT (also ohne erhöhte Ruhe-Blutdruckwerte) sind konsequente Lifestyle-Änderungen. Dazu gehören regelmäßige körperliche Aktivität, gesunde Ernährung, Gewichtsreduktion bei Übergewicht, Verzicht auf Nikotin und moderater Alkoholkonsum. Regelmäßige Bewegung senkt nicht nur den Blutdruck, sondern verbessert auch das metabolische Profil (Blutfettwerte, Blutzucker) und steigert die körperliche Fitness, was sich positiv auf die Prognose auswirkt.
Ob eine medikamentöse Therapie der BelHT bei normalem Ruhe-Blutdruck sinnvoll ist, ist umstritten. Es gibt bisher keine Studien, die einen klaren Nutzen belegen. Bei Patientinnen und Patienten mit koronarer Herzkrankheit scheint die BelHT sogar mit einer besseren Prognose verbunden zu sein. Daher wird eine medikamentöse Behandlung der isolierten BelHT nur in seltenen Einzelfällen empfohlen, zum Beispiel bei Sportlern mit einer dilatierten Aorta (Erweiterung der Hauptschlagader).
In Studien wurde gezeigt, dass bei Patienten mit diastolischer Dysfunktion (Störung der Entspannungsphase des Herzens) und BelHT die Gabe von Losartan (ein Angiotensin-II-Rezeptorblocker) den Belastungs-Blutdruck senkt und die Leistungsfähigkeit leicht verbessert. Hydrochlorothiazid (ein Diuretikum) senkt zwar ebenfalls den Belastungs-Blutdruck, verbessert aber die Leistungsfähigkeit nicht. Betablocker senken den Blutdruck während körperlicher Belastung, indem sie das HZV reduzieren. Allerdings steigt der TPR im Verlauf der Behandlung an, und Betablocker können die Leistungsfähigkeit einschränken. Da eine ausreichende TPR-Reduktion unter Belastung prognostisch wichtig ist und Betablocker den zentralen Blutdruck weniger günstig beeinflussen, sollten sie nicht als Mittel der ersten Wahl zur Behandlung der BelHT eingesetzt werden.
Sport und körperliche Aktivität bei Hypertonie und Belastungshypertonie
Viele Menschen mit Hypertonie oder BelHT fragen sich, ob sie weiterhin Sport treiben dürfen. Die Angst vor einem plötzlichen Herztod oder einem Herzinfarkt während starker körperlicher Anstrengung ist verständlich, insbesondere da solche Ereignisse mit der Ruptur (dem Aufreißen) einer instabilen Plaque in den Herzkranzgefäßen in Verbindung gebracht werden. Dies kann auch jüngere Sportler ab 25 Jahren betreffen. Ob ein ungünstiges Blutdruckverhalten bei der Entstehung solcher Ereignisse eine Rolle spielt, ist jedoch nicht abschließend geklärt.
Eine leichte Hypertonie oder BelHT ist jedoch kein Grund, auf regelmäßige, aerobe körperliche Aktivität zu verzichten. Im Gegenteil: Ausdauersportarten wie zügiges Gehen, Radfahren oder Schwimmen haben nachweislich einen blutdrucksenkenden Effekt, der besonders bei Menschen mit erhöhtem Blutdruck ausgeprägt ist (etwa 5 mmHg Senkung). Bei Patienten mit Hypertonie Grad 2 (deutlich erhöhter Blutdruck) sollten jedoch keine Sportarten mit hohem statischen Anteil (wie Gewichtheben) ausgeübt werden, bis der Blutdruck gut kontrolliert ist. Dies gilt besonders, wenn bereits Endorganschäden durch die Hypertonie vorliegen, wie eine hypertensive Herzkrankheit mit Dilatation der Aorta (Erweiterung der Hauptschlagader).
Bei Sportlern, insbesondere älteren sogenannten Master-Athleten oder bei Verdacht auf Hypertonie, empfiehlt sich eine echokardiografische Untersuchung (Ultraschall des Herzens), um eine mögliche Dilatation der Aorta ascendens (aufsteigender Teil der Hauptschlagader) zu erkennen. Eine Erweiterung der Aortensinusportion (erster Abschnitt der Aorta) ist bei Sportlern ungewöhnlich und sollte nicht als normale Anpassung an das Training („Sportherz“) angesehen werden. Ohne Behandlung oder Anpassung des Trainings kann sich die Dilatation verschlimmern und das Risiko einer lebensbedrohlichen Dissektion (Einriss der Gefäßwand) erhöhen.
Hypertonie bei Sportlern: Besonderheiten und Empfehlungen
Die arterielle Hypertonie ist die häufigste kardiovaskuläre Auffälligkeit bei Screening-Untersuchungen, insbesondere bei älteren Athleten. Auch bei Sportlern findet sich nicht selten eine maskierte Hypertonie, das heißt, der Blutdruck ist in der Praxis normal, aber im Alltag erhöht. Besonders bei Sportlern mit erhöhtem Blutdruck sollte gezielt nach der Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika (Schmerzmittel wie Ibuprofen), Energy Drinks oder anderen stimulierenden Substanzen gefragt werden, da diese den Blutdruck zusätzlich erhöhen können und möglichst gemieden werden sollten.
Hypertensive Athleten sollten eine Echokardiografie erhalten, um mögliche Veränderungen am Herzen frühzeitig zu erkennen. Die Empfehlungen zur Sporttauglichkeit bei Athleten mit Hypertonie sind in Tabelle 2 zusammengefasst (siehe Originalartikel). Die Indikation zur Therapie einer Hypertonie unterscheidet sich bei Sportlern grundsätzlich nicht von der bei Nicht-Athleten. Allerdings sollten Diuretika und Betablocker bei Sportlern nicht als Mittel der ersten Wahl eingesetzt werden, da sie die Leistungsfähigkeit reduzieren und zu Elektrolyt- und Flüssigkeitsverschiebungen führen können. Zudem stehen diese Substanzen auf der Dopingliste und sind bei Wettkämpfen verboten. Für Sportler eignen sich daher vor allem ACE-Hemmer, ATII-Antagonisten (Angiotensin-II-Rezeptorblocker) und Kalziumkanalblocker.
Regelmäßige Blutdruckkontrollen und eine individuelle Anpassung der Therapie sind bei Sportlern besonders wichtig, um sowohl die Leistungsfähigkeit als auch die Gesundheit zu erhalten. Bei Verdacht auf eine maskierte Hypertonie sollte immer eine 24-Stunden-Blutdruckmessung durchgeführt werden. Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung kann helfen, Folgeschäden an Herz und Gefäßen zu vermeiden.
Wichtige Erkenntnisse zur Belastungshypertonie
- Die Belastungshypertonie ist nicht einheitlich definiert. Als Richtwert gelten systolische Werte über 210 mmHg bei Männern und über 190 mmHg bei Frauen unter maximaler Belastung, insbesondere wenn auch der diastolische Blutdruck ansteigt.
- Eine Belastungshypertonie bei Menschen mit normalem oder leicht erhöhtem Blutdruck in Ruhe ist ein klarer Risikofaktor für die spätere Entwicklung einer arteriellen Hypertonie.
- Bei Patienten mit BelHT und normalen Ruhe-Blutdruckwerten sollte eine maskierte Hypertonie durch eine 24-Stunden-Blutdruckmessung ausgeschlossen werden.
- Eine leichte Hypertonie oder BelHT ist kein Grund, auf aerobe körperliche Aktivität zu verzichten. Bei mittlerer bis schwerer Hypertonie sollten Sportarten mit hohem statischen Anteil vermieden werden, bis der Blutdruck gut eingestellt ist.
- Auch bei Sportlern kommt eine arterielle Hypertonie, häufig maskiert, vor. Sie sollte gezielt gesucht und entsprechend behandelt werden.
Prof. Dr. med. Michael Kühne, MD
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