Während sich aufgrund der Corona-Pandemie neue Vortragsformate etablieren mussten, blieben die substanziellen Fortschritte in der Forschung rund um Krebstherapien konstant, wie die auf dem EHA vorgestellten Studienergebnisse belegen. Vor allem im Bereich Brustkrebs gab es spannende neue Entwicklungen, die die Prognose der Betroffenen verbessern könnten und zum Nachdenken anregen.

Bei etwa 15 bis 20 Prozent aller Patientinnen mit Brustkrebs liegt eine Überexpression des HER2-Proteins (Human Epidermal Growth Factor Receptor 2) vor, was mit einem aggressiven Krankheitsverlauf und einer schlechten Prognose assoziiert ist. Allerdings haben Forscher inzwischen herausgefunden, dass 55–60% der HER2-negativen Patienten durchaus auch geringe Mengen von HER2 exprimieren. Trastuzumab ist ein rekombinanter, humanisierter monoklonaler Antikörper, der gegen die extrazelluläre Domäne von HER2/neu auf Mammakarzinomzellen gerichtet ist. Aufgrund seiner guten Wirksamkeit ist der IgG1-Antikörper in allen Stadien des HER2-positiven Mammakarzinoms indiziert. Das progressionsfreie Überleben (PFS) und das Gesamtüberleben können klinisch relevant verlängert werden.

Nun wurden aktuelle Studienergebnisse von unterschiedlichen Kombinationen mit Trastuzumab vorgestellt. So konnte beispielsweise das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC) Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) seine Wirksamkeit gegenüber einer Standard-Chemotherapie bei vorbehandelten Patienten mit inoperablem und/oder metastasiertem Mammakarzinom mit niedriger HER2-Expression (HER2-low) und Hormonrezeptor-positiver oder -negativer Erkrankung (HR+/–) unter Beweis stellen. In einer Phase-III-Studie erhielte 557 Betroffene im Verhältnis 2:1 randomisiert entweder T-DXd oder eine Chemotherapie nach Wahl des Prüfarztes. Primärer Endpunkt war das PFS bei HR+ HER2-low-Tumoren, sekundäre Endpunkte das PFS in der Gesamtkohorte sowie das Gesamtüberleben (OS). Nach einem medianen Follow-up von 18,4 Monaten lag das mediane PFS bei den Erkrankten mit HR+ HER2-low- Brustkrebs unter dem Einfluss von T-DXd versus Chemotherapie bei 10,1 Monate vs. 5,4 Monate. Entsprechend verringerte sich das Risiko für ein Fortschreiten der Erkrankung oder für Versterben im Vergleich zur Chemotherapie um 49%. Ähnlich sah es in der Gesamtpopulation aus. Beim OS waren die Studienergebnisse für die Gesamtkohorte (23,4 vs. 6,8 Monate) und HR-negative Population (18,2 vs. 8,3 Monate) ähnlich. Erstmals konnte mit einer gegen HER2 gerichteten Therapie ein Überlebensvorteil bei Betroffenen mit niedriger HER2-Expression gezeigt werden. Das deutet darauf hin, dass die Art und Weise, wie Patienten mit metastasiertem Mammakarzinom kategorisiert werden, überdacht werden sollte.

Endokrin vorbehandelte HR+/HER2– Tumoren

Das ADC Sacituzumab Govitecan (SG), das das überexprimierte Oberflächenantigen Tro-2 adressiert, wird in aktuellen Behandlungsleitlinien als bevorzugte Therapieoption beim fortgeschrittenen oder metastasierten triple-negativen Mammakarzinom (mTNBC) ab der zweiten Therapielinie empfohlen. Nun wurde es bei endokrin vorbehandelten Patientinnen mit HR+/HER2-negativen Tumoren, dem häufigsten Subtyp beim metastasierten Mammakarzinom, mit konventioneller Chemotherapie verglichen. Alle Patientinnen hatten vorher bereits auch eine Taxan- und CDK4/6-Inhibitor-Therapie. Das mediane PFS war nach einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von 10,2 Monaten im SG-Arm mit 5,5 Monate versus 4,0 Monate im Kontrollarm signifikant verlängert. Das entspricht einer 34%tigen Risikoverringerung für Krankheitsprogression oder Tod. Darüber hinaus war die Ansprechrate im ADC-Arm mit 52,6% deutlich höher als im Vergleichsarm (16,3%) bei bekanntem Toxizitätsprofil. Nur 6% der Betroffenen im experimentellen Arm gegenüber 4% der Kontrollgruppe brachen die Behandlung aufgrund therapieassoziierter Nebenwirkungen ab Grad 3 ab. Unter dem Einfluss von SG verschlechterte sich die Lebensqualität zudem deutlich langsamer (4,0 Monate vs. 2,9 Monate).

Therapie beim oligometastasierten Mammakarzinom

Beim oligometastatischen Mammakarzinom wurde untersucht, ob eine gezielte Behandlung der Metastasen mit stereotaktischer Bestrahlung und/oder chirurgischer Resektion einen zusätzlichen Benefit für die Betroffenen bringen könnte. Patienten mit bis zu vier Metastasen (ausser Hirnmetastasen) und stabiler Erkrankung unter eine laufenden Systemtherapie wurden unabhängig vom Mammakarzinom-Subtyp eingeschlossen. Durch die ergänzende, qualitätsgesicherte Behandlung konnte jedoch keine Verbesserung des klinischen Verlaufs hinsichtlich des PFS und OS erreicht werden.

Kongress: EHA 2022

InFo ONKOLOGIE & HÄMATOLOGIE 2022; 10(4): 32

Autoren
  • Leoni Burggraf 
Publikation
  • INFO ONKOLOGIE & HÄMATOLOGIE 

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