Im Phase-III-Studienprogramm SURPASS schnitt der duale Rezeptoragonist Tirzepatid überzeugend ab. Inzwischen liegen auch die Resultate mehrerer post-hoc-Analysen vor. Anlässlich der Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD) wurden unter anderem eine exploratorische Analyse basierend auf SURPASS 1–5 sowie MRI-Daten aus SURPASS 3 präsentiert. Dabei stand zum einen ein möglicher nierenschützender Effekt
von Tirzepatid im Fokus und zum anderen wurde untersucht, ob und wie sich die Muskelzusammensetzung im Verlaufe der Behandlung verändert.
Im Unterschied zu den nun bereits seit einiger Zeit etablierten GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA) bindet Tirzepatid zusätzlich an die GIP-Rezeptoren. Das SURPASS-Programm beinhaltet Studien, die Tirzepatid in den Dosierungen 5 mg, 10 mg und 15 mg als Monotherapie, sowie als add-on zu anderen Behandlungen und im Vergleich mit etablierten blutzuckersenkenden Präparaten bei Patienten mit Typ-2-Diabetes untersucht. In den SURPASS 1–5-Studien (Tab. 1) wurden in allen Dosierungen von Tirzepatid sowohl bei alleiniger Anwendung als auch bei Kombinationsbehandlung klinisch relevante HbA1c-Senkungen erzielt in Woche 40 oder 52. Auch bezüglich Gewichtsreduktion erwies sich Tirzepatid gegenüber aktiven Vergleichspräparaten und Placebo als überlegen [1–5]. Verschiedene post-hoc Analysen gingen der Frage nach, inwieweit der duale GIP-/GLP-1-RA weitere klinisch relevante Parameter bei Typ-2-Diabetikern beeinflusst.

Albuminurie wird nachweislich reduziert
Auswertungen der Studie SURPASS 4 deuten darauf hin, dass Tirzepatid bei Typ-2-Diabetikern mit hohem kardiovaskulärem Risiko nephroprotektive Effekte hat [5]. Um Näheres herauszufinden über die konkreten Auswirkungen von Tirzepatid auf die Albumin-Kreatinin-Ratio (UACR, urine albumin-creatinine ratio) wurde eine post-hoc-Analyse der Studien SURPASS 1–5 durchgeführt [6]. Dabei stellte sich heraus, dass die Tirzepatid-Behandlung mit einer klinisch relevanten Reduktion der UACR einherging, was auf einen nierenschützenden Effekt hinweist. Dies traf auf alle untersuchten Typ-2-Diabetiker zu, einschliesslich auf diejenigen mit einer reduzierten Nierenfunktion. Konkret beurteilten die Forscher die prozentuale Differenz der UACR für Tirzepatid (5, 10, 15 mg) im Vergleich zu den aktiven Vergleichspräparaten. Die Analysen wurden in der gepoolten Gesamtpopulation von SURPASS 1–5 und in den nach Vergleichspräparaten gepoolten Populationen durchgeführt: Placebo (SURPASS 1 & 5); Semaglutid 1 mg (SURPASS 2); Insulin (SURPASS 3–4). Die Daten wurden jeweils gesamthaft sowie für Subgruppen mit einem UACR-Wert von ≥3,39 mg/mmol oder einer eGFR <60 ml/
min/1,73 m2 ausgewertet. Insgesamt lagen von 6263 Patienten UACR-Daten vor, von denen 1846 einen UACR-Wert von ≥3,39 mg/mmol und 537 eine eGFR <60 mL/min/1,73 m2 aufwiesen. In allen gepoolten SURPASS-Populationen sank die UACR unter Tirzepatid (in allen Dosierungen) stärker als in den Vergleichsgruppen. In Subgruppen mit einem Ausgangswert von ≥3,39 mg/mmol oder einer eGFR <60 mL/min/1,73 m2 war die UACR-Senkung am stärksten ausgeprägt.
In der Schweiz ist Tirzepatid (Mounjaro®) seit 2022 zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit unzureichend kontrolliertem Diabetes mellitus Typ 2 und kann entweder als Monotherapie (bei Kontraindikation oder Unverträglichkeit für Metformin) oder in Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Arzneimitteln eingesetzt werden. Tirzepatid erhöht die Insulinausschüttung, senkt die Glucagon- und Glucosespiegel, verzögert die Magenentleerung und reduziert das Körpergewicht. |
nach [9] |
Keine negativen Effekte auf die Muskulatur
SURPASS 3 verglich die Wirksamkeit und Sicherheit von Tirzepatid im Vergleich zu titriertem Insulin degludec bei über 1400 insulinnaiven erwachsenen Typ-2-Diabetikern, deren Blutzuckereinstellung unter Metformin +/– SGLT-2-Inhibitor für ≥3 Monate unzureichend kontrolliert war [4]. Die mittlere Diabetesdauer der Studienteilnehmer betrug 8,4 Jahre. In einer Teilstudie von SURPASS 3 wurden MRI-Daten erfasst, um den Leberfettanteil, sowie den Anteil an viszeralem und subkutanem adipösem Gewebe zu bestimmen. Überdies setzte sich eine exploratorische post-hoc Analyse anhand der erhobenen MRI-Daten mit der Frage auseinander, wie sich der unter Tirzepatid erzielte Gewichtsverlust auf die Muskulatur auswirkte [7,8]. Die Forscher berechneten basierend auf Daten der Längsschnittstudie UK Biobank** (n=2942) eine Vorhersage der Veränderungen des Muskelfettgehaltes und des Muskelvolumens. Dabei zeigte sich, dass in der SURPASS 3-MRI-Teilstudie (n=296) Tirzepatid den Muskelfettgehalt im Vergleich zu Insulin degludec signifikant reduzierte. Dieser Effekt war stärker ausgeprägt als anhand der Alterung und des Gewichtsverlusts im Studienzeitraum zu erwarten gewesen wäre. Dies galt jedoch nicht in gleichem Umfang für das Muskelvolumen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die bei gewichtsreduzierenden Medikamenten unvermeidliche Abnahme der Muskelmasse unter Behandlung mit Tirzepatid zumindest teilweise durch eine bessere Zusammensetzung des Muskelgewebes, d.h. einen geringeren Fettanteil, kompensiert wurde.
** Die Teilnehmer der UK Biobank-Studie (n=2942) wurden im Abstand von ~2,2 Jahren gescannt, wobei unter anderem MFI, FFMV oder FFMV z-score erfasst worden waren.
In einer Subgruppenanalyse stellte sich ausserdem heraus, dass bei denjenigen mit niedrigem Muskelvolumen bei Baseline im Vergleich zu den anderen Studienteilnehmern unter Tirzepatid vergleichbare Effekte hinsichtlich Gewichtsreduktion und Muskulatur erzielt wurden [7].
Kongress: EASD Annual Meeting
Literatur:
- Rosenstock J, et al.: Efficacy and safety of a novel dual GIP and GLP-1 receptor agonist tirzepatide in patients with type 2 diabetes (SURPASS-1): a double-blind, randomised, phase 3 trial. Lancet 2021; 398: 143–155.
- Dahl D, et al.: Effect of subcutaneous tirzepatide vs placebo added to titrated insulin glargine on glycemic control in patients with type 2 diabetes: The SURPASS-5 Randomized Clinical Trial. JAMA 2022; 327: 534–545.
- Frias JP, et al.: Tirzepatide versus semaglutide once weekly in patients with type 2 diabetes. N Engl J Med 2021; 385: 503–515.
- Ludvik B, et al.: Once-weekly tirzepatide versus oncedaily insulin degludec as add-on to metformin with or without SGLT2 inhibitors in patients with type 2 diabetes (SURPASS-3): a randomised, open-label, parallel-group, phase 3 trial. Lancet 2021; 398: 583–598.
- Del Prato S, et al.: Tirzepatide versus insulin glargine in type 2 diabetes and increased cardiovascular risk (SURPASS-4): a randomised, open-label, parallel-group, multicentre, phase 3 trial. Lancet 2021; 398: 1811–1824.
- Wiese RJ, et al.: Tirzepatide reduces albuminuria in patients with type 2 diabetes: post-hoc pooled analysis of SURPASS 1-5. OP 01 Tirzepatide: all things must SURPASS. Diabetologia (2023) 66 (Suppl 1): S1–S536.
- Linge J: Tirzepatide achieves significant weight loss without adverse effects on muscle composition (SURPASS-3 MRI), OP 01 Tirzepatide: All Things Must Surpass. EASD Annual Meeting, 03.10.2023.
- Linge J, et al.: Tirzepatide achieves significant weight loss without adverse effects on muscle composition (SURPASS-3 MRI). OP 01 Tirzepatide: all things must SURPASS. Diabetologia 2023; 66 (Suppl 1): S1–S536.
- Swissmedic: Arzneimittelinformation,
www.swissmedicinfo.ch, (letzter Abruf 25.10.2023) - Várkonyi TT, et al.: Perspectives on weight control in diabetes – Tirzepatide. Diabetes Res Clin Pract 2023 Aug; 202: 110770.
HAUSARZT PRAXIS 2023; 18(11): 22–23