Mehrere innovative Therapieoptionen erweitern die Möglichkeiten zur Behandlung von Patienten mit einer chronischen Nierenfunktionseinschränkung (Chronic kidney disease, CKD). SGLT-2-Inhibitoren (SGLT-2-i) können inzwischen als etablierte Behandlungsoption betrachtet werden – auch für Nicht-Diabetiker mit CKD. Zum anderen hält der Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonist Finerenon die Progredienz der diabetischen Nephropathie erwiesenermassen auf. Die kombinierte Anwendung beider Therapiestränge wird derzeit in Studien untersucht.
Während die Stadieneinteilung der chronischen Nierenerkrankung aufgrund der glomerulären Filtrationsrate (GFR) erfolgt, wird als Vorhersage für den weiteren Verlauf häufig die sogenannte Mitch-Kurve verwendet. Hierbei wird der reziproke Wert des Kreatinins über die Zeit dargestellt [1]. Durch eine Intervention, welche die Mitch-Kurve verflachen kann, lässt sich die Zeit bis zur Dialysepflichtigkeit verlängern. «Wir haben mehrere Möglichkeiten diese Progression zu verlangsamen – das verstehen wir unter Nephroprotektion», erklärte Prof. Dr. med. Thomas Fehr, Chefarzt Innere Medizin, Kantonsspital Graubünden [2].
Wie SGLT-2-i die Therapielandschaft revolutionierten
«SGLT-2-Hemmer sind der neue Standard der Nephroprotektion ‚on-top‘ von ACE-Hemmern und auch bei Nicht-Diabetikern», so Prof. Fehr [2]. Wirft man einen kurzen Blick auf Meilensteine in der Behandlung der Nephropathie, sticht in den 1990-er Jahren die Einführung der RAS-Blockade (ACE-Hemmer, AT1-Rezeptorblocker) heraus und in den 2000-er Jahren erkannte man, dass eine Verlangsamung der CKD-Progression auch über eine Azidose-Korrektur erreicht werden kann. Ein weiterer grosser Durchbruch gelang in jüngerer Vergangenheit mit dem Nachweis des nephroprotektiven Potenzials der SGLT-2-Hemmer. Als erster Wirkstoff der ursprünglich ausschlieslich als Antidiabetika verwendeten Substanzklasse wurde 2012 in der EU Dapagliflozin zugelassen [3]. Hinsichtlich nephroprotektiver Effekte beschränkten sich erste Studien zunächst auf die diabetische Nephropathie. In der Zwischenzeit wurden Resultate publik der Studien DAPA-CKD und EMPA-KIDNEY, in welchen die beiden SGLT-2-i Dapagliflozin und Empagliflozin gezielt bei Patienten untersucht wurden, die CKD hatten, aber keinen Diabetes.
Die EMPA-KIDNEY-Studie zeigt eindrücklich die Therapieeffekte von Empagliflozin on-top auf die durch ACE-i bewirkten Effekte auf: «Diabetiker und Nicht-Diabetiker haben beide signifikant profitiert», fasste Prof. Fehr. zusammen [2]. In allen Stadien der Niereninsuffizienz zeigte sich ein Benefit, auch bei einer GFR unter 45 mL/min, wobei diejenigen mit einer höheren Proteinurie einen grösseren Nutzen hatten im Verlgleich zu den anderen.
Auch Nicht-Diabetiker mit CKD können profitieren
Die Teilnehmer – insgesamt 6600 CKD-Patienten (46% Diabetiker und 54% Nicht-Diabetiker) – erhielten als add-on zu einer ausdosierten Renin-Angiotensin-System (RAS)-Blockade entweder 10 mg Empagliflozin oder Placebo [4]. Eingeschlossen wurden Patienten mit CKD im Stadium 3b/4 oder in einem anderen Stadium, aber mit Makroalbuminurie. Zu den Ausschlusskriterien zählten polyzistische Nieren sowie Nierentransplantation [5–7]. Der zusammengesetzte primäre Endpunkt umfasste eine anhaltende Verschlechterung der GFR (um mindestens 40% oder auf einen Wert <10 ml/min), Nierenversagen oder Tod aufgrund renaler oder kardiovaskulärer Ursache. Im Ergebnis zeigte sich bezüglich des primären Endpunktes eine relative Risikoreduktion von 28% (Hazard ratio [HR], 0,72) (Tab. 1) und eine Number needed to treat (NNT) von 26. Auch alle sekundären nierenbezogenen Endpunkte fielen positiv aus. Bei den kardiovaskulären Endpunkten (z.B. Hospitalisation aufgrund von Herzinsuffizienz) wurde im Unterschied zu anderen SGLT-2-i-Studien das Signifikanzniveau nicht erreicht, aber es zeichnete sich ein Trend ab.

Die GFR-Kurve weise einen für SGLT-2-i-Behandlung typischen Verlauf auf, erläuterte Prof. Fehr. Zu Therapiebeginn zeigt sich ein Abfall der GFR, danach flacht die Kurve ab und erst nach etwa 12–18 Monaten manifestiert sich eine Verbesserung im Placebovergleich. Dieser Verlauf sei aus früheren Therapiestudien mit SGLT-2-i bekannt. Die Erklärung hierfür: SGLT-2-i bewirken eine Vasokonstriktion in afferenten Gefässen der Glomeruli, was zu einem anfänglichen Abfall der GFR führt.
Das nach und nach entdeckte Wirkspektrum der SGLT-2-Hemmer ist beeindruckend. In der Euphorie darüber seien die Befunde zum Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten Finerenon fast ein wenig untergegangen, so der Referent.
Finerenon – «New kid on the block» zur Behandlung der diabetischen CKD
Finerenon ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Aldosteron-Antagonisten. Es handelt sich um einen Wirkstoff aus der Gruppe der Aldosteron-Antagonisten. Dass Finerenon im Placebovergleich die Progression der diabetischen Nierenkrankheit verlangsamen kann, zeigen zwei grosse Parallelstudien auf: FIDELIO-DKD (Finerenone in Reducing Kidney Failure and Disease Progression in Diabetic Kidney Disease) hatte einen renalen Endpunkt und FIGARO-DKD (Finerenone in Reducing Cardiovascular Mortality and Morbidity in Diabetic Kidney Disease) einen kardiovaskulären Endpunkt [8,9]. FIDELITY stellt eine auf diesen beiden Studien basierende gepoolte Analyse dar mit Daten von insgesamt rund 13’000 Patienten mit CKD und T2D [10]. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es bei den mit Finerenon behandelten Patienten seltener zu einer terminalen Niereninsuffizienz (Dialyse oder Nierentransplantation) und einer Abnahme der GFR um mehr als 57% kam und CKD-bedingte Todesfälle weniger häufig waren. Das mittlere Alter der Patienten betrug 65 Jahre; ein Ausschlusskriterium war Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF), da dies als Indikation für Spironolacton betrachtet wurde. Die Studienpopulation umfasste Patienten, welche SGLT-2-i nebenwirkungsbedingt nicht vertragen haben und solche, die trotz SGLT-2-i und ACE-i eine rasche progrediente Niereninsuffizienz aufwiesen. Wie eine Subgruppenanalyse der FIDELIO-Studie zeigt, hat die kombinierte Anwendung von Finerenon mit einem SGLT-2-i den günstigen Nebeneffekt, dass die Hyperkaliämie – die wichtigste Nebenwirkung von Finerenon – reduziert werden kann. Um Näheres darüber herauszufinden, wird in der aktuell laufenden Studie CONFIDENCE die Kombination von Finerenon plus SGLT-2-i in einer grösseren Studienpopulation untersucht.
Take-Home-Messages [2]
- SGLT-2-i sind bezüglich Nephroprotektion die erste Wahl nach ACE-i/ARB bei CKD-Patienten mit und ohne Diabetes.
- Für Patienten mit diabetischer Nephropathie, welche trotz RAS-Inhibition und SGLT-2-i progredient sind oder welche die SGLT-2-i nicht vertragen, steht mit Finerenon eine neue Therapieoption zur Verfügung.
- Die bisherigen Erkenntnisse und Befunde weisen darauf hin, dass die Kombination von SGLT-2-i und Finerenon sinnvoll sein kann und synergistische Effekte aufweist.
Kongress: SGAIM Frühjahrskongress
Literatur:
- Mitch WE, et al.: A simple method of estimating progression of chronic renal fail ure. Lancet 1976; 2: 13.
- «Therapy of chronic renal failure», Prof. Dr. med. Thomas Fehr, SGAIM Frühjahrstagung, 10.–12.05.2023.
- «Neues Antidiabetikum Dapagliflozin», 04.12.2012, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel, (letzter Abruf 20.06.2023)
- Herrington WG, et al.: The EMPA-KIDNEY Collaborative Group: Empagliflozin in Patients with Chronic Kidney Disease. NEJM 2023; 388(2): 117–127.
- Bakris G, et al.: Effects of Canagliflozin in Patients with Baseline eGFR <30 ml/min per 1.73 m2: Subgroup Analysis of the Randomized CREDENCE Trial. Clin J Am Soc Nephrol 2020; 15(12): 1705–1714.
- Chertow GM, et al.: DAPA-CKD Trial Committees and Investigators. Effects of Dapagliflozin in Stage 4 Chronic Kidney Disease. J Am Soc Nephrol 2021; 32(9): 2352–2361.
- EMPA-KIDNEY Collaborative Group. Design, recruitment, and baseline characteristics of the EMPA-KIDNEY trial. Nephrol Dial Transplant 2022; 37(7): 1317–1329.
- Bakris GL, et al.: FIDELIO-DKD Investigators. Effect of Finerenone on Chronic Kidney Disease Outcomes in Type 2 Diabetes. NEJM 2020; 383(23): 2219–2229.
- Pitt B, et al.: FIGARO-DKD Investigators. Cardiovascular Events with Finerenone in Kidney Disease and Type 2 Diabetes. NEJM 2021; 385(24): 2252–2263.
- Rossing P, et al.: FIDELIO-DKD and FIGARO-DKD Investigators. Finerenone in Patients With Chronic Kidney Disease and Type 2 Diabetes by Sodium-Glucose Cotransporter 2 Inhibitor Treatment: The FIDELITY Analysis. Diabetes Care 2022; 45(12): 2991–2998.
- Green JB, et al.: Design of the COmbinatioN effect of FInerenone anD EmpaglifloziN in participants with chronic kidney disease and type 2 diabetes using a UACR Endpoint study (CONFIDENCE). Nephrol Dial Transplant 2023; 38(4): 894–903.
HAUSARZT PRAXIS 2023; 18(7): 39–40 (veröffentlicht am 14.7.23, ahead of print)
Autoren
- Mirjam Peter, M.Sc.
Publikation
- HAUSARZT PRAXIS