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Diabetes mellitus (Typ 1 und Typ 2)

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Das Respiratorische Synzytialvirus (RSV) ist nicht nur für ältere Menschen, sondern auch für Patienten mittleren Alters eine ernstzunehmende Gefahr. Besonders bei bestehenden Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus kann der Verlauf einer RSV-Infektion schwerwiegender sein. Dieser Artikel basiert auf INFO DIABETOLOGIE & ENDOKRINOLOGIE und erläutert, warum Diabetes das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf erhöht und welche Faktoren zusätzlich eine Rolle spielen.

RSV-Infektion: Wer ist besonders gefährdet?

Das Respiratorische Synzytialvirus (RSV) ist ein weit verbreitetes Virus, das vor allem die unteren Atemwege befällt. Es betrifft nicht nur ältere Menschen über 65 Jahre, sondern auch Personen im mittleren Alter, also zwischen 50 und 64 Jahren. Besonders bei Erwachsenen, die wegen einer Infektion der unteren Atemwege (auch als lower respiratory tract infections, LRTIs bezeichnet) ins Krankenhaus eingeliefert werden, ist Diabetes mellitus (eine chronische Stoffwechselerkrankung mit erhöhtem Blutzucker) eine häufige Begleiterkrankung. Dennoch gibt es bislang nur wenige Informationen darüber, wie Diabetes den Schweregrad einer RSV-Erkrankung beeinflusst und welche Mechanismen dabei eine Rolle spielen.

Infektionen der unteren Atemwege verursachen weltweit eine erhebliche Krankheitslast. Im Jahr 2019 wurden mehr als 500 Millionen LRTI-Fälle registriert, und 2016 starben über 2 Millionen Menschen an den Folgen solcher Infektionen. Besonders betroffen sind Kinder unter fünf Jahren (über 650.000 Todesfälle) und Senioren über 70 Jahre (über eine Million Todesfälle). Die Ursachen für LRTIs können bakteriell, viral oder durch Pilze bedingt sein. Zu den häufigsten viralen Auslösern zählen neben dem Coronavirus die Influenza (Grippeviren vom Typ A oder B) und RSV. Während die Influenza jährlich etwa eine Milliarde Infektionen verursacht, sind es beim RSV weltweit Hunderte Millionen akute Atemwegsinfektionen. RSV kann zu schweren Verläufen führen, die eine Behandlung auf der Intensivstation oder sogar zum Tod notwendig machen – ähnlich wie bei der Influenza. Das Risiko für einen schweren Verlauf steigt mit dem Alter und mit dem Vorliegen von Begleiterkrankungen wie Diabetes.

Studienergebnisse: Wie beeinflusst Diabetes den Verlauf einer RSV-Infektion?

Eine wichtige Studie aus der Türkei, durchgeführt von Dr. Hakan Sivgin und seinem Team an der Medizinischen Fakultät der Universität Tokat, untersuchte 46 Patienten, die mit RSV infiziert waren. Ziel war es, den Einfluss von Diabetes und anderen Begleiterkrankungen auf den Schweregrad der Erkrankung zu analysieren. Die Patienten wurden nach dem Ausmaß der Lungenbeteiligung (Infiltration des Lungenparenchyms) und dem Sauerstoffgehalt im Blut in vier Schweregrade eingeteilt: leicht-a, leicht-b, mittelschwer und schwer. Zusätzlich wurde geprüft, ob eine Koinfektion (gleichzeitige Infektion mit weiteren Erregern) vorlag und welche Symptome auftraten.

Alle Patienten wurden bei Aufnahme negativ auf SARS-CoV-2 getestet, um eine Verwechslung mit COVID-19 auszuschließen. Innerhalb von 48 Stunden nach der Einlieferung ins Krankenhaus wurden bei allen Patienten Nasenabstriche entnommen. Die Diagnose einer RSV-Infektion erfolgte mittels reverse Transkriptions-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR), einer sehr empfindlichen Methode zum Nachweis von Viren. Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmer lag bei 53 Jahren. Zu den häufigsten Symptomen zählten Husten (bei 89 % der Patienten), gefolgt von Fieber (26 %), Muskelschmerzen (Myalgie), Atemnot (Dyspnoe) und allgemeiner Schwäche (jeweils etwa 20 %).

Die Forscher führten zwei statistische Analysen durch, um herauszufinden, welche Faktoren den Schweregrad der Erkrankung beeinflussen. Bei der linearen Regression wurde jedem Schweregrad ein Zahlenwert zugeordnet. Die logistische Regression teilte die Patienten in zwei Gruppen: leicht (leicht-a und leicht-b) und schwer (mittelschwer und schwer). Aufgrund der geringen Anzahl schwerer Fälle (nur 5 Patienten) konnten jedoch nicht alle Ergebnisse statistisch abgesichert werden.

Welche Rolle spielen Begleiterkrankungen und Koinfektionen?

Die Analyse zeigte, dass bestimmte Vorerkrankungen mit einem schwereren Verlauf der RSV-Infektion verbunden waren. Dazu gehörten Hypertension (Bluthochdruck), Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz (eine chronische Schwäche des Herzens, bei der das Organ nicht mehr ausreichend Blut durch den Körper pumpt). Andere Erkrankungen wie Asthma, chronische Nierenerkrankungen und Herzerkrankungen ohne Herzinsuffizienz zeigten keinen klaren Zusammenhang mit dem Schweregrad der RSV-Infektion.

Ein auffälliges Ergebnis war, dass alle Patienten mit schwerem Verlauf (n=5) unter Muskelschmerzen litten, während dieses Symptom bei mittelschweren Verläufen nicht auftrat. Koinfektionen, also das gleichzeitige Vorliegen weiterer Infektionen, waren bei allen Patienten mit schwerer, mittelschwerer und leichter-b-Infektion vorhanden. Bei leichter-a-Infektion lag der Anteil der Koinfektionen bei 39 %. Bakterielle Infektionen waren bei Patienten mit schwerem oder mittelschwerem Verlauf deutlich häufiger (67 %) als bei leichten Verläufen (12 %). Diese Zahlen zeigen, dass eine zusätzliche bakterielle Infektion das Risiko für einen schweren Verlauf deutlich erhöht.

Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass insbesondere die Kombination aus Diabetes und einer weiteren Infektion – vor allem mit Bakterien – das Risiko für einen schweren Verlauf der RSV-Infektion deutlich erhöht. Die Autoren betonen, dass diese Erkenntnisse für die Behandlung und das Management von RSV-Patienten von großer Bedeutung sind. Insbesondere bei Patienten mit bekannten Vorerkrankungen sollte frühzeitig auf mögliche Koinfektionen geachtet werden.

Diabetes und weitere Erkrankungen: Gemeinsamer Einfluss auf den Schweregrad

Um zu verstehen, wie verschiedene Risikofaktoren zusammenwirken, untersuchten die Forscher verschiedene Kombinationen von Erkrankungen. Besonders interessant waren die Paare Diabetes und Herzinsuffizienz, Diabetes und Herzerkrankungen sowie Diabetes und bakterielle Infektion. Bei Patienten mit Diabetes und Herzerkrankung trat kein schwerer Verlauf auf (0 von 4 Patienten). Anders war es bei der Kombination aus Diabetes und Herzinsuffizienz: Alle drei Patienten mit beiden Erkrankungen entwickelten einen schweren Verlauf. Auch bei Patienten mit Diabetes und bakterieller Infektion zeigte sich ein eindeutiges Bild: Alle fünf Patienten mit dieser Kombination (im Alter zwischen 50 und 73 Jahren) hatten einen schweren Verlauf. Patienten, die nur an Diabetes oder nur an einer bakteriellen Infektion litten, entwickelten keinen schweren Verlauf.

Diese Ergebnisse legen nahe, dass das gleichzeitige Vorliegen von Diabetes und einer bakteriellen Infektion das Risiko für einen schweren Verlauf der RSV-Infektion besonders stark erhöht. Die Autoren vermuten, dass Diabetiker nach einer Infektion mit RSV und Bakterien eine dreifache Verschlimmerung des Krankheitsverlaufs erleben können. Auch wenn die Zahl der untersuchten Patienten begrenzt war, ist die Übereinstimmung in den Ergebnissen auffällig. Die gleichzeitige Bedeutung von Diabetes und bakterieller Infektion blieb auch dann bestehen, wenn weitere Faktoren wie Geschlecht und Alter in die Analyse einbezogen wurden.

Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass neben Herzinsuffizienz und kardiovaskulären Erkrankungen auch Diabetes und Bluthochdruck schwerwiegende Risikofaktoren für einen schweren Verlauf bei RSV-Infektionen sind. Während der COVID-19-Pandemie wurde diskutiert, ob ein chronisch erhöhter Blutzucker (wie bei Diabetes mellitus) oder eine akute Hyperglykämie (plötzlicher Anstieg des Blutzuckers) das Risiko stärker beeinflusst. Die vorliegende Studie konnte diese Frage jedoch nicht abschließend klären, da keine Daten zu akut erhöhten Glukosewerten (z.B. Blutzucker oder HbA1c) vorlagen.

Was bedeuten die Ergebnisse für Patienten mit Diabetes?

Die Erkenntnisse aus der Studie sind besonders für Menschen mit Diabetes mellitus von großer Bedeutung. Diabetes ist ein hochsignifikanter Risikofaktor für einen schweren Verlauf der RSV-Infektion. Das gilt nicht nur für ältere Menschen, sondern auch für Patienten mittleren Alters. Besonders kritisch wird die Situation, wenn zusätzlich eine bakterielle Infektion vorliegt. In diesen Fällen ist das Risiko für eine schwere Erkrankung deutlich erhöht. Das bedeutet für Patienten mit Diabetes, dass sie bei Symptomen einer Atemwegsinfektion – wie Husten, Fieber, Muskelschmerzen oder Atemnot – frühzeitig ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen sollten.

Für Ärzte und medizinisches Personal ist es wichtig, bei Patienten mit Diabetes und Verdacht auf RSV-Infektion besonders aufmerksam zu sein. Eine frühzeitige Diagnose und das rasche Erkennen von Koinfektionen können dazu beitragen, schwere Verläufe zu verhindern. Die Studie zeigt auch, dass die Kombination aus Diabetes und bakterieller Infektion ein Warnsignal für einen möglichen schweren Verlauf ist. Daher sollten Patienten mit Diabetes in der RSV-Saison besonders auf ihre Gesundheit achten und sich bei ersten Anzeichen einer Infektion untersuchen lassen.

Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass weitere Untersuchungen mit größeren Patientengruppen notwendig sind, um die Ergebnisse zu bestätigen. Dennoch liefert die Analyse wichtige Hinweise darauf, wo Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden können, um Leben zu retten. Für Patienten mit Diabetes bedeutet das, dass sie sich ihrer erhöhten Risiken bewusst sein sollten und bei Atemwegsinfektionen nicht zögern sollten, medizinische Hilfe zu suchen.

Fazit: Was sollten Patienten mit Diabetes beachten?

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Respiratorische Synzytialvirus (RSV) nicht nur für ältere Menschen, sondern auch für Patienten mittleren Alters mit Diabetes mellitus eine ernstzunehmende Gefahr darstellt. Die Kombination aus Diabetes und einer bakteriellen Koinfektion erhöht das Risiko für einen schweren Verlauf der RSV-Infektion deutlich. Symptome wie Husten, Fieber, Muskelschmerzen und Atemnot sollten bei Diabetikern besonders ernst genommen werden. Eine frühzeitige ärztliche Abklärung und Behandlung sind entscheidend, um Komplikationen zu vermeiden.

Für Patienten mit Diabetes ist es ratsam, während der RSV-Saison auf eine gute Blutzuckereinstellung zu achten und sich vor Infektionen zu schützen. Dazu gehören regelmäßiges Händewaschen, der Kontakt mit erkrankten Personen sollte möglichst vermieden werden und bei ersten Anzeichen einer Infektion sollte zeitnah ein Arzt aufgesucht werden. Die Ergebnisse der Studie liefern wichtige Hinweise für das Management von RSV-Infektionen bei Diabetikern und zeigen, wie wichtig die frühzeitige Erkennung und Behandlung von Koinfektionen ist.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass Diabetes ein hochsignifikanter Risikofaktor für den Schweregrad der RSV-Erkrankung ist. Besonders die Kombination mit einer bakteriellen Infektion stellt eine gefährliche Konstellation dar. Patienten mit Diabetes sollten sich dieser Risiken bewusst sein und bei Symptomen einer Atemwegsinfektion schnell handeln. Die Forschungsergebnisse bieten wertvolle Anhaltspunkte für Patienten und Ärzte, um schwere Verläufe zu verhindern und die richtige Behandlung einzuleiten.

Jens Dehn

Quellen

  1. Sivgin H, Cetin S, Ulgen A, Li W: Diabetes and bacterial co-infection are two independent risk factors for respiratory syncytial virus disease severity. Front Med (Lausanne) 2023; 10: 1231641; doi: 10.3389/fmed.2023.1231641.