Patienten mit Morbus Crohn lassen sich unter der Kombination von Infliximab und Immunsuppressiva wirkungsvoll in eine klinische Remission bringen. Die Langzeitanwendung birgt jedoch einige Gefahren. Wissenschaftler aus Lüttich haben daher untersucht, wie sich das Absetzen einer der Komponenten auf die Remission auswirkt.
Sobald eine Remission unter der Kombination von Infliximab + Immunsuppressivum (Thiopurine oder Methotrexat) erreicht ist, müssen Ärzte und Patienten die Risiken und den Nutzen einer fortgesetzten Kombinationstherapie mit abwägen, schreiben Prof. Dr. Edouard Louis, Abteilung für Gastroenterologie, Universitätskrankenhaus Lüttich (D), und seine Kollegen. Das Risiko opportunistischer oder schwerwiegender Infektionen und lymphoproliferativer Erkrankungen sei besonders besorgniserregend, wobei sich abzeichnet, dass Patienten unter einer Kombinationstherapie einem grösseren Risiko ausgesetzt sind als jene, die eine Monotherapie erhalten.
Das Absetzen von Infliximab bei Patienten mit Morbus Crohn in anhaltender Remission wurde in unkontrollierten Studien mit einem erhöhten Rückfallrisiko von etwa 50% über einen Zeitraum von zwei Jahren in Verbindung gebracht, wobei die Remission bei den meisten Patienten durch Wiederaufnahme der Behandlung mit Infliximab wieder erreicht werden kann – insbesondere, wenn die immunsuppressive Therapie fortgesetzt wurde. Andere unkontrollierte Daten lassen den Schluss zu, dass das Absetzen der immunsuppressiven Therapie bei Patienten, die unter der Kombinationstherapie eine dauerhafte Remission erreicht hatten, die Rückfallquote nicht verändert. Die belgischen Wissenschaftler untersuchten nun in ihrer Studie [1] die Auswirkungen einer Therapie-Deeskalation hinsichtlich der Rückfallquote und der Dauer der Remission über einen Zeitraum von zwei Jahren.
Infliximab-Entzug führt gehäuft zu Rezidiven
Erwachsene Patienten mit Morbus Crohn (n=207), die sich seit mehr als 6 Monaten in klinischer Remission befanden und seit mindestens 8 Monaten eine Kombinationstherapie aus Infliximab und Immunsuppressiva erhielten, wurden nach dem Zufallsprinzip (1:1:1) entweder der Fortsetzung der Kombinationstherapie (n=67), dem Absetzen von Infliximab (n=71) oder dem Absetzen der Immunsuppressiva-Therapie (n=69) zugeordnet. Über einen Beobachtungszeitraum von 2 Jahren erlitten 8 Patienten der Kombinationsgruppe (12%) einen Rückfall, in der Infliximab-Entzugsgruppe waren es 25 (35%) und in der Immunsuppressiva-Entzugsgruppe 6 (9%).
Die 2-Jahres-Rückfallraten betrugen 14% (95%-KI 4–23) in der Kombinationsgruppe, 36% (95%-KI 24–47) in der Infliximab-Entzugsgruppe und 10% (95%-KI 2–18) in der Immunsuppressiva-Entzugsgruppe. Die entsprechenden HRs für das rezidivfreie Überleben betrugen 3,45 (95%-KI 1,56–7,69) für die Kombinationsgruppe gegenüber der Infliximab-Entzugsgruppe (p=0,003) und 4,76 (1,92–11,11) für die Immunsuppressiva-Entzugsgruppe gegenüber der Infliximab-Entzugsgruppe (p=0,0004)(Abb. 1).

Die häufigsten schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse waren Infektionen (vier in der Kombinationsgruppe, zwei in der Infliximab-Entzugsgruppe und eines in der Immunsuppressiva-Entzugsgruppe) und eine Exazerbation des Morbus Crohn (drei, vier bzw. eines). Es wurden weder Todesfälle noch bösartige Erkrankungen verzeichnet.
Die mittlere Dauer der Remission betrug 698 Tage (95%-KI 668–727) in der Kombinationsgruppe, in der Infliximab-Entzugsgruppe reduzierte sich diese Zeit auf 684 Tage (95%-KI 651–717) und in der Immunsuppressiva-Entzugsgruppe betrug sie 706 Tage (95%-KI 682–730). Der Unterschied in Bezug auf die eingeschränkte mittlere Überlebenszeit in Remission betrug –14 Tage (95%-KI –56–27) zwischen der Infliximab-Entzugsgruppe und der Kombinationsgruppe und –22 Tage (95%-KI –62–16) zwischen der Infliximab-Entzugsgruppe und der Immunsuppressiva-Entzugsgruppe. Die 95%-KI umfassten beide den Schwellenwert für Nichtunterlegenheit von –35 Tagen.
Die Studie zeigte bei Patienten unter Infliximab-Entzug ein erhöhtes Risiko für einen Rückfall über zwei Jahre, verglichen mit jenen Patienten, die Infliximab entweder als Monotherapie oder in Kombination mit einem Immunsuppressivum weiterbehandelten. Umgekehrt hatte das Absetzen der immunsuppressiven Therapie keinen Einfluss auf die Rückfallquote. Die erneute Behandlung mit Infliximab ermöglichte eine rasche Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der Remission bei Patienten, die einen Rückfall erlitten hatten, und die Raten des Therapieversagens waren in allen Behandlungsgruppen ähnlich. Trotz dieses Ergebnisses wurde die Hypothese der Nichtunterlegenheit in Bezug auf die Dauer der Remission über zwei Jahre nach Absetzen von Infliximab verworfen.
Die anhaltende klinische Remission ohne Steroide über zwei Jahre unterschied sich nicht signifikant zwischen den drei Gruppen. Die Hauptgründe für das Nichterreichen einer anhaltenden klinischen Remission ohne Steroide waren ein frühzeitiger Entzug und ein fluktuierender CDAI**-Wert von 150 oder höher, die nicht systematisch mit einem bestätigten Rückfall verbunden waren. Das Fehlen eines Unterschieds in der Rückfallrate zwischen Patienten, die die Immunsuppressionstherapie unter Infliximab fortsetzten, und solchen, die sie abbrachen, bestätige den fehlenden klinischen Nutzen einer fortgesetzten Immunsuppressionstherapie bei Patienten, die im Median mehr als zwei Jahre lang mit Infliximab behandelt wurden, schreiben Prof. Louis und seine Kollegen.
** CDAI=Crohn’s Disease Activity Index
Interessanterweise wurde in der Gruppe der Patienten, die Infliximab absetzten und nach einer Medikamentenpause wieder behandelt wurden, keine akute Infusionsreaktion beobachtet. Diese Beobachtung steht im Einklang mit der fehlenden Entwicklung von Anti-Infliximab-Antikörpern in dieser Gruppe und auch mit früheren Ergebnissen.
Verlust an Zeit in Remission gering
Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse der Studie, dass das Absetzen von Infliximab bei Patienten, die eine Kombinationstherapie erhalten, mit einem erhöhten Rückfallrisiko verbunden ist, verglichen mit Patienten, die die Kombitherapie fortsetzen, und auch mit jenen, die auf Infliximab mono umgestellt wurden. In der Gruppe der Patienten, die einen Rückfall erlitten, sprach die grosse Mehrheit sofort auf die erneute Behandlung mit Infliximab an, sodass der Verlust an Zeit in Remission über zwei Jahre nur 2–3 Wochen betrug.
Bei Patienten mit Morbus Crohn, die sich unter einer Kombinationstherapie mit Infliximab und Immunsuppressiva in anhaltender steroidfreier Remission befinden, sollte ein Absetzen von Infliximab nur nach sorgfältiger Abwägung der Risiken und des Nutzens für jeden einzelnen Patienten in Betracht gezogen werden. Das Absetzen der Immunsuppressiva könnte dagegen im Allgemeinen eine vorzuziehende Strategie darstellen, wenn eine Deeskalation der Behandlung erwogen wird, schliessen die Autoren.
Literatur:
- Louis E, Resche-Rigon M, Lahari D, et al.: Withdrawal of infliximab or concomitant immunosuppressant therapy in patients with Crohn’s disease on combination therapy (SPARE): a multicentre, open-label, randomised controlled trial. Lancet Gastroenterol Hepatol 2023; 8: 215–227; doi: 10.1016/S2468-1253(22)00385-5.
GASTROENTEROLOGIE PRAXIS 2023; 1(1): 32–33
Autoren
- Jens Dehn
Publikation
- GASTROENTEROLOGIE PRAXIS
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