Die Behandlungsmöglichkeiten der rheumatoiden Arthritis (RA) haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Dennoch bleibt für viele Betroffene die Erkrankung schwierig zu kontrollieren. In diesem Artikel, der auf HAUSARZT PRAXIS basiert, erfahren Sie, wie neue Forschungsergebnisse helfen, Prädiktoren für den Therapieerfolg zu erkennen und die Behandlung gezielter zu steuern. Wir erklären, welche Faktoren das Risiko für eine schwierig zu behandelnde RA erhöhen und wie Patienten davon profitieren können.
Was bedeutet „schwierig zu behandelnde“ rheumatoide Arthritis?
Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Gelenke, die unbehandelt zu Schmerzen, Schwellungen und Bewegungseinschränkungen führen kann. In den letzten Jahren haben sich die therapeutischen Möglichkeiten für RA-Patienten deutlich erweitert. Viele Patienten erreichen heute eine klinische Remission (das bedeutet, dass die Krankheitssymptome weitgehend verschwinden) oder zumindest eine deutliche Besserung. Dennoch gibt es einen Anteil von etwa 5–20% der Patienten, bei denen die RA trotz moderner Therapien schwer kontrollierbar bleibt. Diese Form wird als „difficult-to-treat RA“ (D2T-RA, schwierig zu behandelnde RA) bezeichnet.
Die European Alliance of Associations for Rheumatology (EULAR) hat eine Definition für D2T-RA festgelegt: Patienten, deren Krankheitsaktivität trotz Behandlung mit mindestens zwei verschiedenen biologischen DMARDs (bDMARDs) oder zielgerichteten synthetischen DMARDs (tsDMARDs) mit unterschiedlichen Wirkmechanismen (Mechanisms of Action, MOA) nicht ausreichend kontrolliert werden kann, gelten als D2T-RA. DMARDs (Disease Modifying Anti-Rheumatic Drugs) sind Medikamente, die das Fortschreiten der RA verlangsamen oder stoppen. D2T-RA ist ein komplexes, multifaktorielles Krankheitsbild, das sowohl für Ärzte als auch für Patienten eine große Herausforderung darstellt.
Die Ursachen für das wiederholte Versagen verschiedener Therapien sind noch nicht vollständig geklärt. Deshalb versuchen aktuelle Forschungsprojekte, patientenbezogene (z. B. Alter, Geschlecht, Lebensstil) und krankheitsspezifische Merkmale (z. B. Laborwerte, Krankheitsaktivität) zu analysieren, um modifizierbare Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen. Ziel ist es, präventive Maßnahmen zu ermöglichen und die Therapie individuell besser anzupassen.
Das Prinzip „Treat-to-target“ und aktuelle Therapieempfehlungen
Ein zentrales Prinzip in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis ist das sogenannte „Treat-to-target“-Konzept. Das bedeutet, dass die Therapie so gesteuert wird, dass ein vorher definiertes Therapieziel – meist die Remission oder zumindest eine niedrige Krankheitsaktivität – erreicht wird. Die EULAR Task Force empfiehlt, dieses Prinzip auch bei Patienten mit schwierig zu behandelnder RA anzuwenden, selbst wenn individuelle Prädiktoren für das Therapieansprechen bislang kaum bekannt sind.
Laut der 2022 aktualisierten EULAR-Leitlinie bleibt Methotrexat (MTX) das Mittel der ersten Wahl bei der Behandlung der RA. Methotrexat ist ein sogenanntes konventionelles synthetisches DMARD (csDMARD) und zeichnet sich durch eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit aus. Sollte das Therapieziel mit MTX oder einem anderen csDMARD nicht erreicht werden und liegen ungünstige prognostische Faktoren vor, empfiehlt die Leitlinie die Hinzunahme eines Biologikums (bDMARD). Alternativ können auch JAK-Inhibitoren (JAK-i), die zu den tsDMARDs zählen, eingesetzt werden. Hierbei müssen jedoch bestimmte Risikofaktoren berücksichtigt werden, wie zum Beispiel ein Alter über 65 Jahre, Rauchen, kardiovaskuläre Risiken, Krebserkrankungen oder thromboembolische Ereignisse (Blutgerinnsel).
Die Kombinationstherapie ist besonders wichtig: Sowohl bDMARDs als auch tsDMARDs sollten möglichst mit einem csDMARD kombiniert werden, idealerweise mit MTX$. Bei Patienten, bei denen eine Kombination mit csDMARDs nicht möglich ist, zeigen sich laut EULAR-Empfehlungen einige Vorteile für IL-6-(Rezeptor)-Inhibitoren (IL-6-(R)-i) und tsDMARDs gegenüber anderen DMARDs.
Falls ein bDMARD oder tsDMARD nicht ausreichend wirkt, sollte eine Umstellung auf ein anderes bDMARD oder tsDMARD mit einem anderen Wirkmechanismus erwogen werden. Wenn eine Therapie mit einem TNF-α-Inhibitor (Tumornekrosefaktor-Alpha-Blocker) oder einem IL-6-(Rezeptor)-Inhibitor nicht erfolgreich war, können Patienten einen weiteren Wirkstoff aus einer anderen Wirkstoffklasse oder einen zweiten TNF-α- bzw. IL-6-(Rezeptor)-Inhibitor erhalten&. Für den Fall, dass ein JAK-Inhibitor versagt, gibt es derzeit noch keine verlässlichen Daten darüber, ob ein weiterer JAK-Inhibitor wirksam und sicher ist.
Patienten, bei denen im Verlauf mehrere bDMARDs oder tsDMARDs erfolglos eingesetzt wurden, werden nach aktueller EULAR-Definition als D2T-RA eingestuft. Die Forschung konzentriert sich inzwischen verstärkt darauf, Faktoren zu identifizieren, die das wiederholte Therapieversagen erklären können.
Forschungsergebnisse: Welche Faktoren erhöhen das Risiko für D2T-RA?
Um die Ursachen für eine schwierig zu behandelnde RA besser zu verstehen, wurden in den letzten Jahren mehrere große Studien durchgeführt. Zwei aktuelle Studien, die auf dem EULAR Annual Meeting vorgestellt wurden, liefern wichtige Erkenntnisse zu Risikofaktoren und möglichen Schutzfaktoren.
Die „Early Arthritis UCLouvain Brussels Cohort“-Studie aus Belgien untersuchte Patienten mit früher RA (early RA, ERA) über einen Zeitraum von fünf Jahren. Ziel war es, Merkmale zu identifizieren, die mit dem D2T-RA-Phänotyp assoziiert sind. Insgesamt wurden 391 ERA-Patienten mit einem mittleren Alter von 48,2 Jahren (Interquartilsabstand 21,26) in die Analyse eingeschlossen, davon waren 109 weiblich und 282 männlich. Nach fünf Jahren erfüllten 42 Patienten die Kriterien für D2T-RA.
Die Auswertung zeigte, dass Patienten mit D2T-RA signifikant häufiger einen seropositiven Rheumafaktor (RF, ein Antikörper, der bei RA oft nachweisbar ist) und höhere CCP-Antikörperwerte (ACPA, Antikörper gegen citrullinierte Peptide, die auf eine Autoimmunreaktion hinweisen) aufwiesen. Auch die Krankheitsaktivität, gemessen mit dem Simple Disease Activity Index (SDAI) und dem Clinical Disease Activity Index (CDAI), war bei D2T-RA-Patienten deutlich höher. Ein weiteres wichtiges Merkmal waren Erosionen (Knochenschäden) an den Gelenken zu Beginn der Erkrankung. Diese Erosionen erwiesen sich in einer multivariablen Analyse als unabhängige Prädiktoren für die Entwicklung einer D2T-RA (Odds Ratio 2,2; Konfidenzintervall 1,04–5,2; p=0,04).
Im Verlauf der fünfjährigen Nachbeobachtung blieb die Krankheitsaktivität (DAS28, CDAI, SDAI) in der D2T-RA-Gruppe durchweg höher als bei Patienten ohne D2T-RA. Zudem litten D2T-RA-Patienten nach fünf Jahren signifikant häufiger an Osteoporose (Knochenschwund, p=0,005) und waren einer höheren kumulativen Dosis an Glukokortikoiden (Kortisonpräparate) von über 1 g ausgesetzt (p=0,03). Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer frühzeitigen und gezielten Behandlung, um das Risiko für schwer kontrollierbare Verläufe zu minimieren.
Weitere Erkenntnisse aus der „Early Undifferentiated PolyArthritis“-Registerstudie
Eine weitere wichtige Studie ist die „Early Undifferentiated PolyArthritis“ (EUPA)-Registerstudie aus Kanada. Hier wurden Patienten am Centre Hospitalier Universitaire de Sherbrooke prospektiv beobachtet. In die Analyse wurden Patienten aufgenommen, die die Kriterien für RA erfüllten und bei denen mindestens eine neuartige Therapie begonnen wurde. Die Patienten wurden in drei Gruppen eingeteilt: D2T-RA, E2T-RA (easy to treat, also leicht zu behandelnde RA) und Prä-D2T-RA (Patienten, bei denen mindestens ein b/tsDMARD versagt hatte, die aber noch nicht alle D2T-Kriterien erfüllten).
Die Einteilung erfolgte nach folgenden Kriterien: Patienten, die ein drittes b/tsDMARD benötigten oder bei denen nach einem Jahr Behandlung mit einem zweiten Wirkstoff weiterhin mindestens drei geschwollene Gelenke (swollen joint count, SJC) bestanden oder die täglich mindestens 7,5 mg Prednison einnahmen, wurden als D2T-RA eingestuft. E2T-RA war definiert durch eine Behandlung mit nur einem DMARD, einem SJC von höchstens 1 und Verzicht auf Kortikosteroide nach einem Jahr. Die mittlere Nachbeobachtungszeit lag in allen Gruppen bei etwa 9,5 Jahren.
Von den 126 analysierten RA-Patienten erfüllten 27% die Kriterien für D2T-RA, 35,7% wurden als E2T-RA eingestuft und 21,4% als Prä-D2T-RA. Ein kleiner Anteil (15,9%) wurde zwar mit einem einzigen b/tsDMARD behandelt, erfüllte aber nach einem Jahr nicht die Kriterien für eine E2T-RA. Die Studie zeigte, dass das weibliche Geschlecht, eine höhere Zahl betroffener Gelenke und das Vorliegen von Erosionen das Risiko für eine Progression zu D2T-RA erhöhten. Auch das Vorliegen von pulmonalen Komorbiditäten (Begleiterkrankungen der Lunge), depressive Symptome (gemessen mit der CES-D-Skala) und Fatigue (anhaltende Erschöpfung) waren mit einem höheren Risiko verbunden.
Interessanterweise wurde die Behandlung mit Methotrexat nach Beginn einer DMARD-Therapie als protektiver Faktor identifiziert. Das bedeutet, dass Patienten, die Methotrexat einnahmen, seltener eine D2T-RA entwickelten. Dies unterstreicht die Bedeutung einer frühzeitigen und konsequenten Therapie mit Methotrexat, um das Risiko für schwer kontrollierbare Verläufe zu senken.
Schlussfolgerungen für Patienten: Was bedeuten die Studienergebnisse?
Die aktuellen Studien zeigen, dass bestimmte Ausgangsmerkmale das Risiko für eine schwierig zu behandelnde RA erhöhen. Dazu zählen insbesondere eine Seropositivität (Vorhandensein von Rheumafaktor und/oder ACPA), das Vorliegen von Erosionen an den Gelenken sowie eine hohe Krankheitsaktivität zu Beginn der Erkrankung. Auch Begleiterkrankungen wie Osteoporose, Infektionen, Lungenbeteiligung, depressive Symptome und Fatigue spielen eine Rolle.
Für Patienten bedeutet das: Eine frühzeitige und konsequente Behandlung, insbesondere mit Methotrexat, kann das Risiko für eine D2T-RA senken. Es ist wichtig, regelmäßig ärztliche Kontrollen wahrzunehmen und auf Symptome wie Müdigkeit, depressive Verstimmungen oder neue Beschwerden zu achten. Die enge Zusammenarbeit mit dem behandelnden Rheumatologen ist entscheidend, um die Therapie bei Bedarf rechtzeitig anzupassen und Komplikationen zu vermeiden.
Die Forschung arbeitet intensiv daran, weitere Prädiktoren zu identifizieren und die Therapieoptionen für schwierig zu behandelnde RA-Patienten zu verbessern. Ziel ist es, die Lebensqualität der Betroffenen zu erhöhen und das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern.
Mirjam Peter, M.Sc.
Quellen
- Nagy G, et al.: EULAR points to consider for the management of difficult-to-treat rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis 2022; 81: 20–33.
- Smolen JS, et al.: EULAR recommendations for the management of rheumatoid arthritis with synthetic and biological disease-modifying antirheumatic drugs: 2022 update. Ann Rheum Dis 2023; 82(1): 3–18.
- Nagy G, et al.: EULAR definition of difficult-to-treat rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis. (2021) 80: 31–35.
- Durez P, et al.: Difficult To Treat Rheumatoid Arthritis Incidence And Risk Factors In The Early Arthritis Uclouvain Brussels Cohort, OP0165, EULAR Annual Meeting, Vienna, 12–15 june, 2024.
- Lessard F, et al.: baseline and pre-biologic predictors of difficult-to-treat rheumatoid arthritis with recent onset disease, OP0118, EULAR Annual Meeting, Vienna, 12–15 june, 2024.