Chronisch entzündliche Darmkrankheiten stellen hohe Anforderungen an die behandelnden Ärzte. Einer Vielzahl von Faktoren muss Beachtung geschenkt werden. Zudem steht der Patient im Zentrum – sein individuelles Risiko, seine Wünsche und Erwartungen an die Therapie.
Die Behandlung von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmkrankheiten («inflammatory bowel disease», IBD) ist komplex und facettenreich, da einer Vielzahl von Faktoren Beachtung geschenkt werden muss. Zu diesen Faktoren gehören z.B. das Befallsmuster der Erkrankung (Lokalisation, Aktivität), extraintestinale Manifestationen (wie z.B. kutane oder artikuläre Symptomatik), der klinische Verlauf und die medikamentös-therapeutische Vorgeschichte. Weiterhin spielen Patienten-bedingte Risiken wie z.B. Schwangerschaft, hohes Alter, St. n. oder aktuelle Tumorerkrankung sowie Präferenzen des Patienten bezüglich einer bestimmten Therapie (z.B. wegen möglicher Nebenwirkungen oder Applikationsart) und die Kosten der Behandlung eine wesentliche Rolle.
Colitis ulcerosa
Bei der Colitis ulcerosa besteht eine Entzündung vom Rektum her aufsteigend in variabler Intensität und Ausdehnung. Bei einer leichteren bis mässiggradigen Entzündung wird zunächst eine Therapie mit 5-ASA-Präparaten (Mesalazin/Mesalamin/5-Aminosalicylsäure) begonnen. Diese Medikamente werden sowohl zur Remissionsinduktion (Entzündungseliminierung) wie auch zur Remissionserhaltung (Prävention eines erneuten Schubs) der Colitis ulcerosa eingesetzt. Je nach Ausdehnung der Erkrankung werden initial verschiedene lokale 5-ASA-Therapeutika eingesetzt (Suppositorien, Einläufe und Schäume), die je nach Ansprechen mit oralen 5-ASA-Präparaten ergänzt werden.
Im Falle eines isolierten, leichten bis moderaten entzündlichen Rektumbefalls (Proktitis) wird zunächst mit einer lokalen Therapie mit 1 g 5-ASA (als Suppositorium)/Tag begonnen (z.B. täglich Salofalk® Supp 1 g, Pentasa® Supp 1 g, Asazine® Supp 3× 500 mg). Falls diese Behandlung zu wenig effektiv ist, werden zusätzlich oral 3 bis max. 4 g 5-ASA hinzugegeben (z.B. täglich Asacol® 3× 800 mg, Salofalk® Gran 3 g, Pentasa® Depotgran 2× 2 g, Asazine® 3× 800 mg). Bei Ausdehnung der Erkrankung bis zur linken Flexur (Colon descendens, Sigma und Rektum) wird initial bei leichter bis moderater Entzündung mit einem Einlauf abends mit mindestens 1 g und maximal bis 4 g 5-ASA begonnen (z.B. täglich Salofalk®Klysmen 2 g oder 4 g, Asacol® Rektalschaum Klysmen 2 g oder 4 g, Pentasa® Klysma 1 g/Tag). Auch hier würde bei unzureichender Wirksamkeit mit oral 3–4 g 5-ASA zusätzlich behandelt werden. Bei einer Pankolitis (das ganze Kolon betreffende Entzündung) wird direkt mit einem oralen 5-ASA-Präparat begonnen.
Bei Erfolg ist eine langfristige Therapie zur (steroidfreien) Remissionserhaltung mit 5-ASA-Therapeutika zu empfehlen. Die europäischen ECCO-Leitlinien [1] empfehlen eine orale 5-ASA-Dosis von 2 g/Tag. Das Arzneimittel-Kompendium der Schweiz gibt die 5-ASA-Remissionsdosis bis max. 1,2 g/Tag an, was unserer Ansicht nach nicht nachvollziehbar ist. Eine lokale Therapie wird (zusätzlich zur oder anstatt der oralen Behandlung) mit 2× 500 mg 5-ASA Supp oder 5-ASA Klysmen mit 2000 mg durchgeführt.
Generell wird meist (zu Unrecht!) die lokale 5-ASA-Therapie sowohl durch den Arzt wie auch Patienten vernachlässigt. Beispielsweise im Rektum erreicht die topische 5-ASA-Therapie höhere mukosale Konzentrationen als die orale Behandlung [2].
Zur Remissionserhaltung kann auch das Probiotikum E. coli Nissle verwendet werden (z.B. Mutaflor® in der Dosis von 1–2 Kaps./Tag). E. coli Nissle (Bakterien vom Stamm Nissle 1917) zeigte in mehreren randomisiert kontrollierten Studien eine vergleichbare Effizienz wie 5-ASA bezüglich der Remissionserhaltung bei Colitis ulcerosa [3].
Falls 5-ASA-Präparate aufgrund zu hoher Entzündungsaktivität der Colitis zu wenig effektiv sind, muss eine Therapieeskalation mit oralen Kortikosteroiden initiiert werden. Hier wird mit ca. 1 mg/kg Körpergewicht Kortison/Tag begonnen, wobei meistens 60 mg/Tag ausreichen und (bei entsprechendem Ansprechen) im wöchentlichen Abstand um ca. 10 mg/Woche reduziert wird. Sollten sich trotz ausgebauter remissionserhaltender 5-ASA-Therapie pro Jahr mehr als zwei Schübe zeigen, müsste eine Behandlung mit Immunsuppressiva eingeleitet werden.
Abschätzung der Entzündungsaktivität
Zur Einschätzung der Effektivität der Therapie kann einerseits die Klinik helfen, hierbei manifestiert sich eine erfolgreiche Therapie in der Regredienz der Anzahl Stuhlgänge mit zudem auch besserer Konsistenz sowie auch mit weniger (oder dem kompletten Verschwinden von) Blutbeimengungen und weniger Bauchschmerzen. Andererseits hilft uns die Bestimmung des Calprotectins im Stuhl zur Abschätzung der Entzündungsaktivität der Colitis, des Verlaufs der Erkrankung und des Therapieerfolgs.
Falls die Entzündungsaktivität der IBD auch mit oralen Steroiden nicht kontrolliert werden kann (persistierende oder progrediente Beschwerden des Patienten) oder falls sich Hinweise auf eine schwere Entzündung (Erfüllen der Truelove/Witts-Kriterien [4], Kasten) zeigen sollten, ist sehr zu empfehlen, direkt mit einem Gastroenterologen Kontakt aufzunehmen. Dabei muss evaluiert werden, ob ggf. eine Hospitalisation des Patienten notwendig ist, dies zur weiterführenden Diagnostik (Endoskopie, abdominelle Bildgebung, Stuhluntersuchungen etc.) und Therapie (mit z.B. Kortikosteroiden i.v., TNF-α-Blockern, Ciclosporin oder Tacrolimus). Weiterhin muss in schweren Fällen eine interdisziplinäre engmaschige Betreuung des Patienten gewährleistet sein (Notfallteam, Internist, Gastroenterologe und Viszeralchirurg).

Morbus Crohn
Der Morbus Crohn kann prinzipiell an jeder Stelle im gastrointestinalen Trakt entzündlich aktiv werden. Weiterhin kann sich die Erkrankung mit Fistulierungen, Stenosen oder luminalen Entzündungen oder Mischformen präsentieren und zudem auch extraintestinale Manifestationen zeigen. Ein akuter Schub des Morbus Crohn kann mit 1 mg Prednison/kg Körpergewicht mit im Anschluss wöchentlicher Dosisreduktion behandelt werden (wie schon bei der Colitis ulcerosa beschrieben). Im Falle eines ileozökalen Befalls kann mit Budesonid 9 mg/Tag behandelt werden (Dosisreduktion im Verlauf). Bei kolonischer, Dünndarm- oder oberen gastrointestinalen Aktivität werden Immunsuppressiva eingesetzt. Eine 5-ASA-Therapie stellt bei M. Crohn keine Standardoption mehr dar.
Immunsuppressiva
Patienten, die an mehr als zwei Schüben pro Jahr leiden oder kontinuierlich eine erhöhte Krankheitsaktivität haben, sollten mit Immunsuppressiva eingestellt werden. Zu diesen gehören Azathioprin, 6-Mercaptopurin oder auch Methotrexat. Aufgrund einer Reihe von möglichen Nebenwirkungen ist ein enges ärztliches Monitoring beim Einsatz von Thiopurinen notwendig. Methotrexat ist eine gute Alternative bei Patienten mit Morbus Crohn, insbesondere bei solchen Patienten, die zusätzlich noch an einer Gelenkssymptomatik leiden [5,6].
Biologika
Neben Steroiden, 5-ASA und Immunsuppressiva gibt es heute eine Reihe monoklonaler Antikörper, die unter dem Überbegriff «Biologika» einen wesentlichen Stellenwert in der Therapie der chronisch entzündlichen Darmerkrankung haben. Erfreulicherweise sind inzwischen neben den seit 20 Jahren im Handel befindlichen TNF-Blockern Homingrezeptoren-Blocker und Interleukin-12/23-Blocker erhältlich. Die grosse Frage für den behandelnden Arzt ist, welches dieser Medikamente bei welchem Patienten einzusetzen ist. Diese Entscheidung ist nicht immer einfach und macht z.T. auch versierten Spezialisten Kopfzerbrechen. Leider gibt es nicht viele prädiktive Faktoren, die einen klaren Algorithmus sinnvoll machen würden. Das Ausmass der entzündlichen Aktivität, das Vorhandensein von extraintestinalen Manifestationen oder auch Begleiterkrankungen wie Herzinsuffizienz, Psoriasis und Multiple Sklerose beeinflussen die Medikamentenwahl.
TNF-Blocker sollten insbesondere dann verwendet werden, wenn es darum geht, neben der intestinalen Entzündung auch extraintestinale Manifestationen zu behandeln oder rasch eine Remission zu induzieren. Insbesondere bei Patienten mit einer ausgeprägten Entzündung sind diese Medikamente einzusetzen und über die Bestimmung von Talspiegeln im Serum in ihrer Dosierung entsprechend einzustellen. Die Langzeittherapie mit TNF-Blockern ist durchaus möglich, allerdings muss bei diesen Medikamenten mit einem Wirkungsverlust von ca. 10% pro Jahr gerechnet werden. Wird Infliximab als Therapeutikum gewählt, ist eine Kombination mit einem Immunsuppressivum hilfreich, da dies die Wirksamkeit erhöht und die Antikörperentwicklung gegen den TNF-Blocker reduziert. In der Schweiz sind für Colitis ulcerosa und Morbus Crohn Infliximab und Adalimumab verfügbar, während Certolizumab nur für den Morbus Crohn und Golimumab nur für die Colitis ulcerosa zugelassen wurden.
Homingrezeptoren-Blocker: Aktuell ist in der Schweiz Vedolizumab als α-4-β-7-Antikörper zugelassen. Weitere Antikörper mit ähnlichem Wirkmechanismus werden bald folgen. Bei Vedolizumab wird hochselektiv das α-4-β-7-Indikrin auf den Lymphozyten blockiert. α-4-β-7 bindet das überwiegend im Darm vorkommende MADCAM. Dieses ist einer von mehreren Schritten, wie Lymphozyten in den Gefässen abgebremst werden und anschliessend durch das Endothel hindurch zu ihrem Zielort z.B. der Mukosa gelangen. Nach Blockade von α-4-β-7 können dann die Entzündungszellen nicht mehr an den Ort der Entzündung im Darm wandern. Vedolizumab ist durch ein äusserst gutes Nebenwirkungsprofil charakterisiert und scheint auch eine sehr gute Langzeitwirkung zu haben. Dieses Medikament braucht allerdings einige Wochen, um die volle Wirksamkeit zu entfalten und ist daher für fulminante Schübe weniger geeignet. Extraintestinale Manifestationen scheinen weniger effizient mit diesem Medikament therapiert werden zu können als mit TNF-Blockern. Unter Vedolizumab kann es zu einer kompletten Mukosa-Abheilung kommen [7].
Ustekinumab: Dieser Interleukin-12/23-Antikörper ist für den Morbus Crohn in der Schweiz zugelassen. Er bindet an die P40-Untereinheit der IL-12- und IL-23-Zytokine und verhindert das Signaling und die Interaktion mit dem IL-12-Rezeptor. Dies führt zu einer verminderten zellulären Aktivität und Zytokinproduktion. Die Ersttherapie erfolgt als Infusion, die Erhaltungstherapie dann als Subkutan-Injektionen. Dieses Medikament ist hervorragend bei Patienten geeignet, die neben Morbus Crohn auch an einer Psoriasis erkrankt sind. Daneben ist es bei Patienten mit therapierefraktärer Erkrankung ein potentes Medikament. In der klinischen Praxis kommt es häufig dann zum Einsatz, wenn Patienten auf TNF-Blocker nicht mehr ansprechen. Auch Ustekinumab ist durch ein hervorragendes Nebenwirkungsprofil gekennzeichnet, bekannte Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen und nasopharyngeale Infekte. Ustekinumab ist auch als Langzeittherapie einsetzbar [8].
Alle oben genannten Medikamente wirken jeweils bei maximal zwei Dritteln der Patienten, d.h. solange es keine prädiktiven Faktoren gibt, muss ggf. ein Präparatwechsel bei fehlendem Ansprechen stattfinden. Leider bedeutet dies auch, dass es immer noch einige wenige Patienten gibt, die durch keines der genannten Medikamente in Remission kommen.
Take-Home-Messages
- 5-Aminosalizylate sind nach wie vor ein wichtiges Standbein der Akuttherapie und Remissionserhaltung bei Colitis ulcerosa.
- Die rektale Therapie mit 5-ASA in Form von Suppositorien, Klysmen oder Schaumprodukten sollte bei distaler Colitis bevorzugt werden.
- Bei mehr als zwei Krankheitsschüben/Jahr sollte eine immunsuppressive Therapie begonnen werden.
- Das Calprotectin ist wertvoll zur Abschätzung der Krankheitsaktivität und des Verlaufs.
- Bei Hinweisen auf eine schwere Entzündung der Colitis sollte mit einem Spezialisten Kontakt aufgenommen werden.
- Biologika können auch schwere Verlaufsformen einer IBD in eine Remission bringen.
Literatur:
- Harbord M, et al.: Third European Evidence-based Consensus on Diagnosis and Management of Ulcerative Colitis. Part 2: Current Management. JCC 2017; 11: 769–784.
- Pimpo MT, et al.: Mesalazine vanishing time from rectal mucosa following its topical administration. JCC 2010; 4: 102–105.
- Kruis W, et al.: Maintaining remission of ulcerative colitis with the probiotic Escherichia coli Nissle 1917 is as effective as with standard mesalazine. Gut 2004; 53: 1617–1623.
- Truelove SC, Witts LJ: Cortisone in ulcerative colitis; final report on a therapeutic trial. British Medical Journal 1955; 2: 1041–1048.
- Dignass A, et al.: Second European evidence-based consensus on the diagnosis and management of ulcerative colitis part 2: current management. JCC 2012; 6: 991–1030.
- Dignass A, et al.: The second European evidence-based Consensus on the diagnosis and management of Crohn’s disease: Current management. JCC 2010; 4: 28–62.
- Noman M, et al.: Vedolizumab Induces Long-term Mucosal Healing in Patients With Crohn’s Disease and Ulcerative Colitis. JCC 2017; 11: 1085–1089.
- Sandborn WJ, et al.: Long-term efficacy and safety of ustekinumab for Crohn’s disease through the second year of therapy. APT 2018; 48: 65–77.
HAUSARZT PRAXIS 2019; 14(1): 7–10
Autoren
- Dr. med. Christoph Matter
- Prof. Dr. med. Frank Seibold
Publikation
- HAUSARZT PRAXIS
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