Durchfall, Bauchschmerzen, Fieber und Gewichtsverlust sind Beschwerden, die viele Patientinnen und Patienten mit Morbus Crohn kennen. Doch Vorsicht: Hinter diesen Symptomen kann sich auch eine Darmtuberkulose verbergen. Die richtige Diagnose ist entscheidend, denn eine falsche Therapie kann schwerwiegende Folgen haben. Dieser Artikel basiert auf GASTROENTEROLOGIE PRAXIS und erklärt, worauf Sie achten sollten.
Wenn Symptome täuschen: Morbus Crohn oder Darmtuberkulose?
Viele Menschen denken bei anhaltendem Durchfall, Bauchschmerzen, Fieber und ungewolltem Gewichtsverlust zunächst an Morbus Crohn, eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED). Doch diese Beschwerden sind nicht eindeutig und können auch auf eine Darmtuberkulose (kurz: Darm-Tbc) hinweisen. In der Schweiz erkranken jährlich etwa 550 Menschen an Tuberkulose (Tbc), das entspricht einer Inzidenz von 6,5 Fällen pro 100.000 Einwohner. Die meisten Betroffenen stammen aus dem Ausland, und in rund 70% der Fälle ist die Lunge befallen. Allerdings kann Tuberkulose grundsätzlich jedes Organ betreffen, auch den Darm. Besonders schwierig ist die Unterscheidung zur CED wie Morbus Crohn, da die Symptome oft nahezu identisch sind. Eine genaue Abklärung ist deshalb unerlässlich, um die richtige Behandlung einzuleiten und Komplikationen zu vermeiden.
Ein Fallbeispiel: Verwechslung mit Morbus Crohn
Zur Veranschaulichung schilderten Thomas Calixte und Kolleginnen einen Fall aus der Inneren Medizin am CHUV in Lausanne: Ein 48-jähriger Patient türkischer Herkunft erhielt nach zwei Monaten Beschwerden die Diagnose Morbus Crohn. Bereits ein Jahr zuvor litt er unter Durchfall, Asthenie (körperliche Schwäche), einem Gewichtsverlust von 15 kg und Nachtschweiß. Bei einer Ileokoloskopie (Spiegelung des letzten Dünndarmabschnitts und des Dickdarms) zeigten sich zwei Ulzera (Geschwüre) mit rotem Rand im terminalen Ileum (letzter Abschnitt des Dünndarms) und ein Ulkus im Caecum (Blinddarm) mit leicht geröteter Schleimhaut. Aufgrund dieser Befunde wurde eine Kortikosteroidtherapie begonnen, gefolgt von Azathioprin (ein Immunsuppressivum), nachdem ein γ-Interferon-Test negativ ausgefallen war. Als sich jedoch Husten und sogenannte B-Symptome (wie Nachtschweiß und Gewichtsverlust) verschlechterten, wurde eine Thorax-CT (Computertomographie des Brustkorbs) durchgeführt. Diese zeigte mehrere Kavernen (Hohlräume) im linken oberen Lungenlappen. Ein PCR-Test (Polymerase-Kettenreaktion, ein empfindliches Nachweisverfahren für Erreger-DNA) auf Mycobacterium tuberculosis im Sputum (Auswurf) war positiv und bestätigte die Diagnose einer Lungentuberkulose. Da die Verdauungsbeschwerden weiterhin bestanden, wurde auch eine Darmtuberkulose in Betracht gezogen und durch einen PCR-Test auf M. tuberculosis in zuvor entnommenen Biopsien aus dem Ileozäkalbereich (Übergang zwischen Dünn- und Dickdarm) bestätigt.
Wie entsteht Darmtuberkulose und welche Regionen sind betroffen?
Die intestinale Tuberkulose (Befall des Darms durch Tuberkulosebakterien) entsteht meist durch das Verschlucken von mit M. tuberculosis kontaminiertem Sputum, wenn gleichzeitig eine Lungentuberkulose vorliegt. Seltener erfolgt die Ausbreitung über das Blut (hämatogen), das Lymphsystem oder durch direkten Kontakt. Besonders häufig ist die Ileozäkalregion betroffen – in etwa 65% der Fälle. Das liegt daran, dass dieser Abschnitt des Darms eine langsame Passagezeit und viele Lymphfollikel (Abwehrzellen) besitzt, was die Ansiedlung der Bakterien begünstigt. Neben Verdauungsbeschwerden können bei fortgeschrittener Erkrankung auch Atemwegssymptome wie Husten, blutiges Sputum oder Atemnot (Dyspnoe) auftreten, wenn die Lunge mitbeteiligt ist.
Diagnose: So wird Darmtuberkulose festgestellt
Die Diagnose einer Darmtuberkulose ist anspruchsvoll, weil die Symptome so unspezifisch sind. Laut der World Gastroenterology Organisation (WGO) kann die Diagnose gestellt werden, wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist: Erstens, der Nachweis von M. tuberculosis in Gewebekulturen (z.B. aus Kolonbiopsien oder Lymphknoten). Zweitens, ein positiver PCR-Test auf M. tuberculosis. Drittens, der histologische Nachweis (mikroskopische Untersuchung von Gewebe) typischer säure- und alkoholfester Stäbchen (Bakterien, die nach spezieller Färbung sichtbar werden; diese Färbung nennt man Ziehl-Neelsen-Färbung), wobei der Befund durch einen PCR-Test bestätigt werden sollte. Viertens, der Nachweis von käsigen Granulomen (spezielle Entzündungsherde im Gewebe, typisch für Tuberkulose), ebenfalls mit PCR-Bestätigung. Routinemäßige Laboruntersuchungen sind meist wenig aussagekräftig. Der γ-Interferon-Test wird vor allem als Screening vor einer Immunsuppression eingesetzt, kann aber allein keine aktive Tuberkulose beweisen. Radiologische Hinweise wie eine Beteiligung der Ileozäkalregion, eine kurze betroffene Darmstrecke (1 cm) können die Diagnose unterstützen.
Die Endoskopie (Spiegelung des Darms) liefert oft keine eindeutigen Hinweise, ermöglicht aber die Entnahme von Biopsien für die feingewebliche Untersuchung. Der Nachweis säure- und alkoholfester Stäbchen oder käsiger Granulome im Biopsat, insbesondere aus der Ileozäkalregion, ist laut WGO ein wichtiger Hinweis. Allerdings ist die Sensitivität (Trefferquote) dieser Methode mit etwa 68% begrenzt, es besteht also ein Risiko für falsch-negative Ergebnisse. Daher wird empfohlen, mindestens 8–10 Biopsien zu entnehmen, um die Wahrscheinlichkeit eines Nachweises zu erhöhen. Auch die Kultur der Bakterien aus Gewebeproben ist wenig sensitiv (10–35%). Ein PCR-Test auf den M.-tuberculosis-Komplex ist bei Verdacht auf Tuberkulose besonders hilfreich: Die Sensitivität auf Ileumbiopsaten liegt bei bis zu 65%, die Spezifität (Treffsicherheit) ist mit 93–100% sehr hoch. Ein negativer PCR-Test schließt eine Darmtuberkulose jedoch nicht sicher aus. Der mikroskopische Nachweis säure- und alkoholfester Stäbchen ist sehr spezifisch (100%), aber wenig sensitiv (17,3–31%). Die WHO empfiehlt deshalb bei Verdacht auf Tuberkulose einen PCR-Test auf den M.-tuberculosis-Komplex.
Behandlung und Prognose: Gute Aussichten bei richtiger Therapie
Wird eine Darmtuberkulose nicht erkannt oder unzureichend behandelt, können schwerwiegende Komplikationen wie Darmobstruktion (Verschluss des Darms, bei etwa 24% der Fälle), Perforationen (Durchbrüche), Stenosen (Verengungen), Fisteln (unnatürliche Verbindungen zwischen Darmabschnitten) und Blutungen auftreten. Das erhöht die Morbidität (Krankheitslast) und Mortalität (Sterblichkeit). Die Standardtherapie besteht aus einer initialen Vierfachtherapie über zwei Monate mit Rifampicin, Isoniazid, Ethambutol und Pyrazinamid (alle vier Medikamente wirken gegen M. tuberculosis), gefolgt von einer Zweifachtherapie mit Rifampicin und Isoniazid über weitere vier Monate. Die Heilungschancen sind bei frühzeitiger und korrekter Behandlung sehr gut. Eine genaue Diagnostik ist wichtig, um unnötige Operationen zu vermeiden. Da die Aufnahme der Medikamente im entzündeten Darm gestört sein kann (Malabsorption), empfiehlt sich die Überwachung der Wirkstoffkonzentrationen im Blut, um eine Über- oder Unterdosierung zu vermeiden.
Jens Dehn
Quellen
- Calixte T, Konascha A, von Garnier C, et al.: Darmtuberkulose: Die grosse Imitatorin. Swiss Medical Forum 2023; 23(44): 1404–1407; doi: 10.4414/smf.2023.1265460377.
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