Die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) kann bei Kindern mit Typ-1-Diabetes die Blutzuckerkontrolle verbessern, doch nicht alle profitieren gleichermaßen davon. Besonders der Wohnort, der sozioökonomische Status und die ethnische Zugehörigkeit beeinflussen den Zugang zu dieser wichtigen Technologie. Dieser Artikel basiert auf aktuellen Forschungsergebnissen aus den USA und beleuchtet die Herausforderungen für Kinder mit Typ-1-Diabetes, die in verschiedenen Regionen leben.

Kontinuierliche Glukosemessung: Vorteile für Kinder mit Typ-1-Diabetes

Die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) ist eine moderne Methode, um den Blutzuckerspiegel bei Menschen mit Typ-1-Diabetes kontinuierlich zu überwachen. Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, bei der die Insulinproduktion in der Bauchspeicheldrüse ausfällt. CGM-Geräte messen den Glukosewert im Unterhautfettgewebe und liefern nahezu in Echtzeit Daten, die es ermöglichen, die Insulintherapie besser anzupassen. Besonders für Kinder und Jugendliche ist dies hilfreich, da sie und ihre Eltern so schneller auf Veränderungen reagieren können. Studien zeigen, dass die Nutzung von CGM zu niedrigeren HbA1c-Werten (Langzeitblutzuckerwert, der die durchschnittliche Blutzuckerkonzentration der letzten 2-3 Monate widerspiegelt) führt, was das Risiko für Folgeerkrankungen senkt. Cloud-basierte Portale ermöglichen zudem eine langfristige Auswertung der Blutzuckertrends, was die Zusammenarbeit zwischen Patienten, Angehörigen und dem Behandlungsteam verbessert.

Ungleichheiten beim Zugang zu CGM: Sozioökonomischer Status und Ethnie

Obwohl die Vorteile der kontinuierlichen Glukosemessung wissenschaftlich belegt sind, gibt es deutliche Unterschiede bei der Nutzung dieser Technologie. Besonders Kinder aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status (also geringem Einkommen, niedriger Bildung oder unsicherer beruflicher Situation) und bestimmte ethnische Gruppen erhalten seltener ein CGM-Gerät verschrieben. Gründe dafür sind unter anderem finanzielle Hürden, fehlende Informationen oder Sprachbarrieren. Auch die Art der Krankenversicherung spielt eine Rolle: Kinder mit privater Versicherung erhalten häufiger ein CGM als solche mit staatlicher oder gar keiner Versicherung. Diese Ungleichheiten führen dazu, dass nicht alle Kinder mit Typ-1-Diabetes die gleichen Chancen auf eine optimale Behandlung haben.

Stadt-Land-Gefälle: Wie der Wohnort die Versorgung beeinflusst

Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Wohnort. Während in städtischen Gebieten die medizinische Versorgung meist gut ausgebaut ist, stehen Familien in ländlichen Regionen oft vor zusätzlichen Herausforderungen. Dazu gehören größere Entfernungen zu spezialisierten Diabeteszentren, schlechtere Anbindung an das Internet (was für die Nutzung von Cloud-basierten CGM-Portalen wichtig ist) und weniger spezialisierte Fachärzte vor Ort. In einer großen US-amerikanischen Studie wurden 13.645 Arztbesuche von 2.008 Kindern mit Typ-1-Diabetes ausgewertet. Die Forscher unterschieden dabei zwischen urbanen (städtischen), large rural (größeren ländlichen), small rural (kleineren ländlichen) und isolated rural (abgelegenen ländlichen) Regionen anhand des RUCA-Codes (Rural-Urban Commuting Area, ein Klassifizierungssystem für Wohnorte). Das Ergebnis: Kinder aus kleinen ländlichen Orten hatten eine um 31 % geringere Wahrscheinlichkeit, einen mit CGM abgerechneten Arztbesuch zu absolvieren als Kinder aus Städten. In abgelegenen ländlichen Regionen war die Wahrscheinlichkeit sogar um 49 % geringer.

Weitere Einflussfaktoren: Nachbarschaftsbenachteiligung und Versicherungsstatus

Neben dem Wohnort spielen auch die Nachbarschaftsbenachteiligung (neighbourhood deprivation, ein Maß für soziale und wirtschaftliche Benachteiligung in einem Wohngebiet) und der Versicherungsstatus eine große Rolle. Kinder, die in sozial benachteiligten Gegenden leben, erhalten seltener CGM-Geräte. Auch die ethnische Zugehörigkeit beeinflusst die Versorgung: Kinder aus Minderheitengruppen sind häufiger von Versorgungslücken betroffen. Die Studie zeigte, dass diese Faktoren unabhängig voneinander das Risiko erhöhen, keinen Zugang zu CGM zu erhalten. Nach statistischer Bereinigung um Geschlecht, Ethnie, HbA1c-Wert, Jahr des Arztbesuchs und Versicherungsart blieb der Unterschied zwischen Stadt und Land bestehen. Die Verwendung von CGM-Abrechnungscodes in der Studie spiegelt die tatsächliche Nutzung der Geräte wider und zeigt, wie groß die Hürden für viele Familien sind.

Was können Ärzte und Familien tun?

Die Ergebnisse der Studie machen deutlich, dass es nicht nur auf die medizinische Indikation ankommt, sondern auch auf die Lebensumstände der betroffenen Familien. Pädiatrische Diabetologen (Kinderärzte mit Spezialisierung auf Diabetes) sollten sich der besonderen Herausforderungen für Kinder in ländlichen Regionen bewusst sein. Es ist wichtig, gemeinsam mit den Familien nach Lösungen zu suchen, um Barrieren abzubauen. Dazu gehören zum Beispiel die Unterstützung bei der Beantragung von Hilfsmitteln, die Vermittlung von Informationen in verständlicher Sprache und der Einsatz von Telemedizin, um lange Anfahrtswege zu vermeiden. Auch politische Maßnahmen wie der Ausbau der digitalen Infrastruktur und die Verbesserung der Erstattungsbedingungen für CGM-Geräte können helfen, die Versorgung gerechter zu gestalten.

Ausblick: Forschung und Versorgung weiter verbessern

Um die Versorgung von Kindern mit Typ-1-Diabetes weiter zu verbessern, sind weitere Studien nötig, die die spezifischen Hindernisse in ländlichen Regionen genauer untersuchen. Ziel muss es sein, die bestehenden Ungleichheiten bei der Nutzung von Diabetestechnologien wie CGM abzubauen und allen Kindern unabhängig von Wohnort, Herkunft und sozialem Status die bestmögliche Behandlung zu ermöglichen. Die aktuellen Daten unterstreichen, wie wichtig es ist, geografische und soziale Barrieren zu erkennen und gezielt anzugehen, damit die Fortschritte in der Diabetestechnologie auch wirklich bei allen ankommen.

Jens Dehn

Quellen

  1. Tilden DR, et al: Disparities in Continuous Glucose Monitor Use Between Children With Type 1 Diabetes Living in Urban and Rural Areas. Diabetes Care 2024; 47(3): 346–352; doi: 10.2337/dc23-1564.

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