Gemäss der neu herausgegebenen ESPEN-Leitlinien sollten Massnahmen der enteralen Ernährung einer parenteralen Nährstoffzufuhr im Allgemeinen vorgezogen werden. Es gibt allerdings einige Ausnahmen, dazu zählen Kontraindikationen wie Darmverschluss, schwerer Schock, intestinale Ischämie, High-Output-Fisteln oder intestinale Blutungen.
In diesen Fällen kann parenterale Ernährung für einen Zeitraum von Tagen oder Wochen benötigt werden, bis die Funktion des Magen-Darm-Traktes wiederhergestellt ist, so das diesbezügliche Fazit der im März dieses Jahres in der Fachzeitschrift Clinical Nutrition neu erschienenen Leitlinien der European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN) [1,2] (Übersicht 1). Bei Vorliegen von akutem Darmversagen/enterokutanen Fisteln ist eine parenterale Nährstoffzufuhr aufgrund der Beeinträchtigung des Gastrointestinaltraktes oft erforderlich, eventuell ergänzend zu enteraler Ernährung [3]. Eine Kombination von enteraler und parenteraler Ernährung sollte bei Patienten in Betracht gezogen werden, bei welchen über 60% der erforderlichen Energieaufnahme durch enterale Massnahmen nicht gewährleistet ist (Empfehlung 25A) [2]. Bei fortbestehenden High-Output-Stomata kann eine parenterale Infusion aus Flüssigkeit und Elektrolyten erforderlich sein (Empfehlung 9B). In der perioperativen Phase bei CED-Patienten ist meistens eine parenterale Nährstoffzufuhr ergänzend zu enteraler Ernährung indiziert (Empfehlung 25B) [1]. Bei Morbus Crohn-Patienten mit anhaltendem gastrointestinalem Versagen (wie beispielsweise bei einem Kurzdarmsyndrom infolge Resektion) ist die Nährstoffinfusion eine erforderliche und lebensrettende Massnahme, jedenfalls in den frühen Phasen des Darmversagens (Empfehlung 26B) [1]. Zeitnah im Anschluss an eine Proktokolektomie oder Kolektomie ist eine Zufuhr von Wasser und Elektrolyten erforderlich, um die hämodynamische Stabilität zu gewährleisten (Empfehlung 27B) [1].

Stoma-Patienten profitieren von parenteraler Ernährung
Anhaltende und schwerwiegende Diarrhoe oder ein High-Output-Stoma kann zu einer intestinalen Insuffizienz führen gekennzeichnet durch Malabsorption, unbeabsichtigtem Gewichtsverlust, Malnutrition und/oder Dehydratation. Malabsorbtion ist ein wichtiger Faktor für Malnutrition bei CED [4,5]. In einer retrospektiven Studie [6] mit 687 Stoma-Patienten konnte gezeigt werden, dass ein frühzeitiger, innerhalb von drei Wochen erfolgender High-Output einer Ileostomie häufig ist und obschon 49% spontan remittieren, bei 51% eine weiterführende medizinische Behandlung erforderlich ist, meistens bedingt durch ein vorangegangenes Kurzdarmsyndrom. 71% der Patienten wurden mit oraler hypotoner Flüssigkeitsrestriktion, Glukose-Salz-Lösung und Anti-Diarrhoe-Medikation behandelt, um die parenteralen Infusionen absetzen zu können. In 8% der Fälle musste die parenterale oder subkutane Salzinfusion zu Hause fortgeführt werden. Dass im häuslichen Setting Behandlung mit oraler Flüssigkeitszufuhr und das Monitoring von Natrium im Urin gut durchführbar ist, konnte bereits vor etlichen Jahren gezeigt werden [7].
In einer Studie bei 13 Erwachsenen mit High-Output-Stomata führten orale Rehydrationslösungen, welche Reismaltodextrinsupplemente enthielten zu einer Verbesserung des Natrium- und Kalium-Gleichgewichtes. Eine Assoziation von erhöhtem Körpergewicht mit erniedrigten Serum-Renin-Konzentrationen lässt vermuten, dass auch ein ausgeglichener Wasserhaushalt erzielt werden konnte [11]. Bei einer anderen Studie wurden drei unterschiedliche Salzlösungen und/oder Glukoselösungen bei sechs Patienten mit Jejunostomien getestet. Basierend auf den Resultaten bei diesem relativ kleinen Sample scheint eine oral aufgenommene Glukose-Elektrolytlösung ein adäquater Ersatz für Natrium zu sein bei Patienten mit High-Output-Stoma [8].
In Fallstudien zeigte bei Morbus-Crohn-Patienten mit High-Output-Stoma eine Behandlung mit hypotoner Flüssigkeitsrestriktion, Natrium angereicherter Ernährung, ausschliesslich enteraler Nahrungszufuhr und/oder parenteraler Natrium enthaltenden Infusionen positive Effekte.
Im Anschluss an einen operativen Eingriff hat es sich gezeigt, dass frühe postoperative Ernährung mit einer signifikanten Reduktion an Komplikationen assoziiert war im Vergleich zu traditionellen postoperativen Ernährungsmethoden. Ein negativer Einfluss auf Mortalität, Dehiszenz der Anastomose, Wiederaufnahme der Darmfunktion oder Hospitalisationsdauer konnte nicht festgestellt werden [9]. In einem Cochrane Systematic Review [10] führte eine frühzeitige orale oder enterale Nahrungsaufnahme, einschliesslich klarer Flüssigkeiten am ersten oder zweiten Tag nach der OP, nicht zu einer Verschlechterung der Heilung der Anastomosen im Colon oder Rektum führte und mit einer signifikant geringeren Hospitalisationsdauer korreliert war.
Allgemeine ernährungsbezogene Massnahmen bei CED
In den ESPEN-Leitlinien wird empfohlen, Patienten mit Chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, welche ein erhöhtes Risiko für Mangelernährung aufweisen diesbezüglich zu screenen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung und im weiteren Verlauf. Wird eine Mangelernährung festgestellt, sollte eine adäquate Behandlung erfolgen, da Lebensqualität, Komplikationen, Prognose und Mortalität davon beeinflusst werden können. Bei aktiver CED sollte eine gesteigerte Eiweisszufuhr erfolgen (bis zu 1,2–1,5 g/kg/d). In der Remissionsphase ist der Proteinbedarf normalerweise nicht erhöht, hier ist eine Zufuhr von 1 g/kg/d analog zu gesunden Erwachsenen ausreichend. Alle Patienten mit CED sollten regelmässig untersucht werden hinsichtlich Mangelerscheinungen im Bereich von Mikronährstoffen, spezifische Defizite an Vitaminen oder Spurenelementen sollten ausgeglichen werden.
Wichtig ist auch die Testung auf Anämie. Wird eine Eisenmangelanämie festgestellt, wird eine Behandlung mit Eisensupplementation empfohlen, um die Hämoglobin(Hb)-Level und die Eisenspeicher wieder aufzufüllen. Bei leichter Anämie und klinisch inaktiver CED wird orales Eisen als Firstline-Behandlung empfohlen, falls keine Kontraindikation/Unverträglichkeit vorliegt. Intravenöse Eisensubstitutionstherapie wird empfohlen bei Patienten mit einer klinisch aktiven CED oder einer Unverträglichkeit gegenüber oralem Eisen, sowie bei Hb-Werten unter 100 g/L und bei Patienten, welche Erythropoietin-stimulierende Substanzen benötigen.
Es gibt keine spezifische CED-Diät, welche erwiesenermassen die Remission fördert. Bei Patienten im Erwachsenen- und Kindesalter mit aktiver CED-Erkrankung und denjenigen, welche mit Steroiden behandelt werden, sollten Calciumwerte und 25(OH) Vitamin-Spiegel kontrolliert und gegebenenfalls supplementiert werden, um einer geringen Knochendichte vorzubeugen. Falls eine Osteopenie oder Osteoporose vorliegt, wird empfohlen, dies gemäss der entsprechenden Guidelines zu behandeln. Von Ausschlussdiäten wird abgeraten, es gibt keine Hinweise, dass dadurch die Remission einer aktiven CED gefördert wird, auch dann nicht, wenn ein Patient unter individuellen Intoleranzen leidet. Wann sollten Probiotika eingesetzt werden? Bei Patienten mit einer milden bis moderaten Colitis ulcerosa kann zur Induktion der Remission Lactobacillus reuteri oder «VSL#3» erwogen werden, aber keine anderen Probiotika. Bei aktiver Colitis ulcerosa sollten keine Probiotika eingesetzt werden.
Literatur:
- Bischoff SC, et al.: ESPEN practical guideline: Clinical Nutrition in inflammatory bowel disease. ESPEN. Clin Nutr 2020; 39(3): 632–653.
- Weimann A, et al.: ESPEN guideline: clinical nutrition in surgery. Clin Nutr 2017; 36: 623–650
- Slonim AE, et al.: Effect of exclusion diet with nutraceutical therapy in juvenile Crohn’s disease. J Am Coll Nutr. 2009; 28: 277–285.
- Pironi L, et al.: Home artificial nutrition & chronic intestinal failure; acute intestinal failure special interest groups of ESPEN. ESPEN endorsed recommendations. Definition and classification of intestinal failure in adults. Clin Nutr 2015; 34: 171–180.
- Hart JW, et al.: Measured versus predicted energy expenditure in children with inactive Crohn’s disease. Clin Nutr 2005; 24: 1047–1055.
- Baker ML, et al.: Causes and management of a high-output stoma. Colorectal Dis. 2011; 13: 191-197
- Grischkan D, et al.: Maintenance of home hyperalimentation in patients with high-output jejunostomies. Arch Surg 1979; 114: 838–841.
- Nightingale JM, et al.: Oral salt supplements to compensate for jejunostomy losses: comparison of sodium chloride capsules, glucose electrolyte solution, and glucose polymer electrolyte solution. Gut 1992; 33: 759–761.
- Osland E, et al.: Early versus traditional postoperative feeding in patients undergoing resectional gastrointestinal surgery: a meta-analysis. J Parenter Enter Nutr 2011; 35: 473–448.
- Shukla HS, et al.: Enteral hyperalimentation in malnourished surgical patients. Indian J Med Res 1984; 80: 339–346.
- Pironi L, et al.: Oral rehydration solution containing rice maltodextrins in patients with total colectomy and high intestinal output. Int J Clin Pharmacol Res 2000; 20: 55–60.
HAUSARZT PRAXIS 2020; 15(11): 40–41
Autoren
- Mirjam Peter, M.Sc.
Publikation
- HAUSARZT PRAXIS
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