Die rechtzeitige Erkennung und regelmäßige Kontrolle rheumatischer Beschwerden ist entscheidend, um eine wirksame Therapie frühzeitig einzuleiten und das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern. Dieser Artikel basiert auf HAUSARZT PRAXIS 2020 und erklärt, warum die Anwendung der ACR-/EULAR-Kriterien und die Unterscheidung zwischen verschiedenen Gelenkerkrankungen für die Prognose so wichtig sind.

Warum ist die Früherkennung bei rheumatischen Beschwerden so wichtig?

Rheumatische Beschwerden, insbesondere bei Verdacht auf eine Arthritis, sollten frühzeitig und regelmäßig anhand der sogenannten ACR-/EULAR-Kriterien beurteilt werden. Diese Kriterien sind von internationalen Fachgesellschaften entwickelt worden, um die Krankheitsaktivität objektiv zu bewerten und den optimalen Zeitpunkt für den Beginn einer krankheitsmodifizierenden Therapie nicht zu verpassen. Die Kontrolle der Krankheitsaktivität bereits im frühen Stadium einer rheumatischen Erkrankung kann die Prognose deutlich verbessern, da so das Risiko für bleibende Gelenkschäden und Funktionseinschränkungen reduziert wird. Besonders bei unspezifischen Beschwerden, die noch nicht eindeutig einer bestimmten rheumatischen Erkrankung zugeordnet werden können, ist eine engmaschige Beobachtung wichtig, um Veränderungen rechtzeitig zu erkennen.

Undifferenzierte rheumatische Erkrankungen: Was bedeutet das?

Der Begriff “undifferenzierte rheumatische Erkrankungen” beschreibt einen Zustand, bei dem zwar Symptome aus dem rheumatischen Formenkreis vorliegen, aber die offiziellen Klassifikationskriterien für eine bestimmte Erkrankung noch nicht vollständig erfüllt sind. Das bedeutet, dass die Beschwerden zwar auf eine rheumatische Erkrankung hindeuten, aber noch keine eindeutige Diagnose gestellt werden kann. Laut Prof. Dr. med. Pius Brühlmann von der Rheumaklinik Bethanien in Zürich ist es bei diesen Patienten besonders wichtig, die Symptome regelmäßig neu zu bewerten, sobald sich neue Krankheitszeichen zeigen. Meistens wenden sich Patienten mit neu auftretenden muskuloskelettalen Beschwerden (Beschwerden des Bewegungsapparates) zunächst an ihren Hausarzt. Der Hausarzt spielt eine zentrale Rolle im Management der frühen rheumatischen Erkrankungen, da er die ersten Hinweise erkennen und gegebenenfalls eine Überweisung zum Rheumatologen veranlassen kann.

Frühstadium der rheumatoiden Arthritis: Woran erkennt man die Erkrankung?

Im fortgeschrittenen Stadium ist die Diagnose einer rheumatoiden Arthritis meist eindeutig. Im Frühstadium kann sich die Erkrankung jedoch sehr unterschiedlich äußern: Die Symptome können diskret, untypisch oder sogar nur vorübergehend auftreten. Studien haben gezeigt, dass bestimmte Faktoren Hinweise darauf geben, ob aus einer frühen, undifferenzierten Arthritis eine chronische oder zerstörerische Gelenkerkrankung wird. Dazu gehören anamnestische Faktoren (wie Dauer und Ort der Beschwerden), klinische Befunde (zum Beispiel das Vorliegen und die Verteilung von Synovitiden – das sind Entzündungen der Gelenkschleimhaut) und serologische Befunde (Laborwerte wie Rheumafaktoren und Antikörper gegen cyclische citrullinierte Peptide). Die ACR-/EULAR-Klassifikationskriterien basieren auf diesen Risikofaktoren und ermöglichen eine frühzeitige Diagnose der rheumatoiden Arthritis. Ein Score von mindestens 6 Punkten gilt als Nachweis für eine rheumatoide Arthritis. Bei einem Score von 5 ist das Risiko erhöht, dass sich später eine rheumatoide Arthritis entwickelt, aber eine eindeutige Klassifikation ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich.

Arthritis oder Arthrose? Die richtige Unterscheidung ist entscheidend

Ein wichtiger Schritt in der Diagnostik ist die Unterscheidung zwischen Arthritis (Gelenkentzündung) und Arthralgie (Gelenkschmerzen ohne Entzündung). Ein typisches Zeichen für eine Arthritis ist eine tastbare, weiche und elastische Schwellung des Gelenks, die durch einen Erguss (Flüssigkeitsansammlung) oder eine entzündliche Verdickung der Gelenkschleimhaut (Synovitis oder Synovialitis) entsteht. Diese Schwellung geht meist mit Schmerzen und einer Morgensteifigkeit der Gelenke einher. Die S3-Leitlinie zum Management der frühen rheumatoiden Arthritis betont, dass die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer rheumatoiden Arthritis mit der Anzahl der betroffenen Gelenke, deren Verteilung auf die vier Extremitäten und einer Morgensteifigkeit von mehr als 30 Minuten steigt. Im Gegensatz dazu sind bei der Arthrose die Beschwerden meist belastungs- und bewegungsabhängig und treten nach Ruhephasen als sogenannte Anlaufschmerzen auf. Arthritis kann auch in Ruhe Beschwerden verursachen. Veränderungen an den Fingerendgelenken, Daumensattelgelenken und Großzehengrundgelenken sind meist durch Arthrose bedingt und werden bei der Beurteilung nach den neuen Klassifikationskriterien für die rheumatoide Arthritis nicht berücksichtigt.

Krankheitsmodifizierende Basistherapie: Wie schützt sie die Gelenke?

Die Entzündung der Gelenke bei rheumatoider Arthritis führt nicht nur zu Schmerzen, Schwellungen und Bewegungseinschränkungen, sondern kann unbehandelt zu einer fortschreitenden Zerstörung der Gelenke führen. Die Basistherapie besteht aus langfristig wirkenden Antirheumatika, deren Wirkung erst nach mehreren Wochen bis Monaten eintritt. Diese Medikamente werden als “disease-modifying-anti-rheumatic drugs” (DMARDs) bezeichnet. Sie beeinflussen das Immunsystem und die Entzündungsprozesse, verlangsamen oder stoppen im besten Fall die Krankheitsaktivität und lindern so die Symptome. Es gibt verschiedene Arten von DMARDs: konventionelle krankheitsmodifizierende Substanzen (csDMARDs), Biologika und Biosimilars (bDMARDs) sowie teilsynthetische DMARDs (tsDMARDs). Studien zeigen, dass eine rasche Kontrolle der Krankheitsaktivität durch einen frühzeitigen Therapiebeginn mit DMARDs die Prognose deutlich verbessert. Das bedeutet, dass eine enge Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen notwendig ist, um Krankheitssignale frühzeitig zu erkennen und die Indikation für eine krankheitsmodifizierende Therapie rechtzeitig zu stellen.

Mirjam Peter, M.Sc.

Quellen

  1. Brühlmann P: Undifferenzierte Erkrankungen in der Rheumatologie. Dr. med. Pius Brühlmann, FOMF Update Refresher (Livestream), 26.06.2020.
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