Die hepatische Enzephalopathie umfasst ein breites Spektrum unspezifischer Symptome. Am häufigsten sind Infektionskrankheiten für eine Episode verantwortlich. Zur Behandlung wird Lactulose oder Lactitol verwendet. In schweren Fällen wird die Therapie durch Rifaximin ergänzt.
Die hepatische Enzephalopathie (HE) tritt häufig als Komplikation einer fortgeschrittenen chronischen Lebererkrankung auf, seltener im Rahmen eines akuten Leberversagens. Sie markiert wie das erstmalige Auftreten von Aszites oder eine erste Varizenblutung den Übergang in die Phase der dekompensierten Leberzirrhose. Bei der HE führen die verminderte Leberfunktion und/oder portosystemische Shunts zu einer Einschränkung der Hirnfunktion, indem neurotoxische Abbauprodukte, unter anderem Ammoniak, aus dem Darm direkt ins Hirn gelangen können. Portosystemische Shunts sind Umgehungskreisläufe (z.B. Ösophagusvarizen, splenorenale Shunts etc.) zwischen dem Pfortader-Einstromgebiet und der systemisch venösen Zirkulation als Folge einer Leberzirrhose mit portaler Hypertonie oder einer extrahepatischen Pfortaderthrombose bei sonst gesunder Leber. Selten treten sie bereits kongenital auf.
Klinische Präsentation und Diagnose der hepatischen Enzephalopathie
Klinisch präsentiert sich die HE mit einem breiten Spektrum unspezifischer neurologischer und psychiatrischer Symptome, die von diskreten Verhaltensauffälligkeiten bis hin zum Koma reichen können. Der Schweregrad der HE wird nach den West-Haven-Kriterien eingeteilt (Tab. 1). Im Gegensatz zu frühen subtilen neuropsychologischen Veränderungen werden die typische Asterixis («flapping tremor»), ein grobschlägiges Zittern der Hände oder eine Episode mit Desorientierung im klinischen Alltag einfach und zuverlässig als Symptome der HE erkannt und als erste Zeichen einer klinisch manifesten HE gewertet [1].

10–14% der Patienten mit (kompensierter) Leberzirrhose entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung eine klinisch manifeste HE, was für den Patienten – und vor allem auch seine Angehörigen – oft sehr beeinträchtigend ist. Zur Früherkennung ist es sinnvoll, in der Sprechstunde regelmässig im Gespräch mit dem Patienten (Schlaf-, Konzentrations- oder Orientierungsstörungen, Gefühlsschwankungen), seinen Angehörigen (Persönlichkeitsveränderungen, Verhaltensauffälligkeiten oder Orientierungsstörung) und in der klinischen Untersuchung (Asterixis) nach Hinweisen für eine HE zu suchen. Die Asterixis kann am besten geprüft werden, indem man den Patienten die Arme ausstrecken und die Hände mit gespreizten Fingern nach dorsal flektieren lässt. Zur Diagnosestellung einer minimalen oder okkulten HE können erfahrene Untersucher eine Reihe neuropsychologischer oder psychometrischer Tests (z.B. Portosystemic Encephalopathy Syndrome Test, Critical Flicker Frequency Test, Inhibitory Control Test, Stroop Test) durchführen [2]. Diese Untersuchungen können in ausgewählten Situationen sinnvoll sein – z.B. bei Patienten mit starker Müdigkeit ohne klinische Zeichen für eine HE oder bei Patienten, bei denen eine minimale HE bereits relevante Auswirkungen auf die Arbeitstätigkeit oder die öffentliche Sicherheit hätte.
Umgekehrt muss bei jedem Patienten mit bekannter Lebererkrankung und neu auftretenden neurologischen oder psychiatrischen Veränderungen an eine HE gedacht werden. Die Diagnose einer HE wird klinisch gestellt, da es keine beweisenden Zusatzuntersuchungen gibt. Entsprechend der klinischen Präsentation müssen die möglichen Differenzialdiagnosen (intrakranielle Blutung, zerebrovaskulärer Insult, zerebraler Infekt, metabolische Störung oder medikamentös-toxische Ursachen) sorgfältig ausgeschlossen werden. Die Höhe des Ammoniak-Spiegels im Blut korreliert ungenügend mit dem Schweregrad der Klinik und bringt keinen diagnostischen oder prognostischen Nutzen. Hingegen muss bei normalem Ammoniak-Spiegel die Diagnose einer HE angezweifelt werden und umso intensiver nach einer Differenzialdiagnose gesucht werden.
Management der hepatischen Enzephalopathie
Häufig sind auslösende Faktoren, an erster Stelle Infektionen, für eine Verschlechterung der Leberfunktion und Entwicklung einer hepatischen Enzephalopathie verantwortlich (Tab. 2). Deshalb gehören zur Abklärung einer Episode mit klinisch manifester HE eine ausführliche Anamnese, eine klinische Untersuchung und Laboruntersuchungen. Der häufigste Infektfokus ist die spontan bakterielle Peritonitis, deshalb stellt die diagnostische Parazentese beim Patienten mit Aszites ein wichtiger Bestandteil der Abklärungsuntersuchungen dar. Für den Hausarzt ist es wahrscheinlich praktikabler, den Patienten mit einer klinisch manifesten HE für das aufwendige Work-up auf die nächste Notfallstation oder an einen Spezialisten zuzuweisen. Spätestens bei quantitativer Bewusstseinsstörung (Somnolenz, Stupor, Koma) oder Desorientierung muss der Patient hospitalisiert werden. Während der Erstbeurteilung ist es entscheidend, rasch einen möglichen Auslöser zu identifizieren und gezielt zu behandeln (z.B. Ceftriaxon bei spontan bakterieller Peritonitis, endoskopische Blutstillung etc.). Die alleinige Behandlung eines auslösenden Faktors bringt meist bereits eine Verbesserung der HE.
Zur medikamentösen Therapie einer ersten Episode mit HE werden in erster Linie Disaccharide (z.B. Lactulose, Lactitol) verwendet [3]. Nebst der abführenden Wirkung begünstigen Disaccharide durch das Ansäuern des Kolonmilieus Bakterienstämme, die weniger Ammoniak produzieren, und vermindern die intestinale Resorption von Ammoniak. Die initiale Tagesdosis von drei- bis viermal 20 g Lactulose (z.B. 30 ml Duphalac®) oder drei- bis viermal 10 g Lactitol (z.B. 10 ml Importal®) wird kontinuierlich angepasst mit dem Ziel, dass der Patient zwei bis drei weiche Stühle täglich absetzt [4]. Zu beachten ist, dass nebst der fehlenden Therapieadhärenz auch eine Überdosierung mit Lactulose ein häufiger Grund für eine wiederkehrende Episode mit HE ist [5]. Nach einer durchgemachten Episode wird zur Prophylaxe eine dauerhafte Therapie mit Lactulose weitergeführt.
Zur Behandlung schwerer Episoden oder zur Prophylaxe nach Episoden einer HE, die unter Therapie mit Lactulose aufgetreten ist, kann die Lactulose-Therapie erfolgreich mit Rifaximin (z.B. Xifaxan®550 mg 2×/d), einem nicht-absorbierbaren Antibiotikum, kombiniert werden [6]. In ausgewählten Fällen kann die beschriebene Standardtherapie (Lactulose und Rifaximin) durch verzweigtkettige Aminosäuren (z.B. Hepa-Merz® Granulat) ergänzt werden [7].
Entscheidend für ein gutes Ergebnis nach einer Episode mit HE ist – entgegen der althergebrachten Meinung – eine ausreichend kalorien- und proteinreiche Ernährung mit 35–40 kcal resp. 1,2–1,5 g Protein pro kg Körpergewicht täglich [8]. Für Patienten mit wiederkehrenden Episoden sollte die Möglichkeit einer Lebertransplantation durch die entsprechenden Spezialisten am Transplantationszentrum beurteilt werden.
Take-Home-Messages
- Die hepatische Enzephalopathie ist eine häufige Komplikation der Leberzirrhose.
- Die klinische Präsentation der hepatischen Enzephalopathie umfasst ein breites Spektrum unspezifischer neurologischer und psychiatrischer Symptome.
- Meist sind auslösende Faktoren (am häufigsten eine spontan bakterielle Peritonitis oder andere Infektionskrankheiten) für eine Episode mit hepatischer Enzephalopathie verantwortlich. Sie gilt es gezielt zu behandeln.
- Zur Behandlung einer ersten Episode mit hepatischer Enzephalopathie und auch einer wiederkehrenden Episode wird Lactulose oder Lactitol verwendet. In schweren Fällen oder bei Episoden, die trotz Therapie mit Lactulose aufgetreten sind, wird die Therapie mit Lactulose durch Rifaximin ergänzt.
Literatur:
- Vilstrup H, et al.: Hepatic encephalopathy in chronic liver disease: 2014 Practice Guideline by the American Association for the Study Of Liver Diseases and the European Association for the Study of the Liver. Hepatology 2014; 60(2): 715–735.
- Rahimi RS, et al.: Hepatic encephalopathy: how to test and treat. Curr Opin Gastroenterol 2014; 30(3): 265–271.
- Als-Nielsen B, et al.: Non-absorbable disaccharides for hepatic encephalopathy: systematic review of randomised trials. BMJ 2004; 328(7447): 1046.
- Schumann C: Medical, nutritional and technological properties of lactulose. An update. Eur J Nutr 2002; 41(Suppl 1): 17–25.
- Bajaj JS, et al.: Predictors of the recurrence of hepatic encephalopathy in lactulose-treated patients. Aliment Pharmacol Ther 2010; 31(9): 1012–1017.
- Patidar KR, et al.: Antibiotics for the treatment of hepatic encephalopathy. Metab Brain Dis 2013; 28(2): 307–312.
- Gluud LL, et al.: Branched-chain amino acids for people with hepatic encephalopathy. Cochrane Database Syst Rev 2015; (9): CD001939.
- Amodio P, et al.: The nutritional management of hepatic encephalopathy in patients with cirrhosis: International society for hepatic encephalopathy and nitrogen metabolism consensus. Hepatology 2013; 58(1): 325–336.
- Brunner F, Dufour J, De Gottardi A: Therapie und Prävention der hepatischen Enzephalopathie. Schweiz Med Forum 2014; 14(27–28): 523–525.
HAUSARZT PRAXIS 2017; 12(12): 27–30
Autoren
- Dr. med. Felix Brunner
Publikation
- HAUSARZT PRAXIS
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