Eine Hepatitis D erschwert die Therapie der Hepatitis B. Das Risiko einer Leberzirrhose ist bei gleichzeitiger HDV-Infektion stark erhöht. Aufgrund des Risikos eines fulminanten Verlaufs ist die Überwachung der Transaminasen und der Lebersyntheseleistung bei akuter HDV-Infektion von besonderer Bedeutung. Zur Behandlung steht neben pegyliertem Interferon-alpha auch Bulevirtid zur Verfügung. Im New England Journal of Medicine 2023 wurden Phase-III-Daten zu diesem Entry-Inhibitor veröffentlicht. 

Liegt neben der Hepatitis-B-Infektion eine begleitende Hepatitis-D-Infektion vor, muss diese gesondert behandelt werden, da die Nukleosid- und Nukleotidanaloga gegen Hepatitis D nicht wirksam sind. Zudem dominiert bei einer sogenannten Koinfektion zumeist das Hepatitis-D-Virus («Delta») mit einer deutlich höheren Viruslast [1]. In diesen Fällen wird bei Erwachsenen die Gabe von pegyliertem Interferon-alpha (PegIFNα) oder des Entry-Inhibitors Bulevirtid empfohlen. Bulevirtid hemmt die Aufnahme der Viruspartikel in die Leberzellen [2]. 

Fulminante und chronisch-progrediente Verläufe möglich

Eine Koinfektion mit HDV (Kasten) verläuft meist analog zur akuten Hepatitis B, mit typischerweise biphasischem Transaminasenanstieg. Bei etwa einem Drittel aller fulminanten Hepatitis-B-Infektionen findet sich eine gleichzeitige Delta-Infektion [3–5]. Bei Patienten mit vorbestehender, chronischer Hepatitis B und ausgeprägten Transaminasenanstieg sollte das mögliche Vorliegen einer HDV-Superinfektion abgeklärt werden [3–5]. Fulminante und chronisch-progrediente Verläufe mit beschleunigter Entwicklung zur Zirrhose sind häufig. Beim gleichzeitigen Nachweis von anti-HDV-IgM (über 5–6 bzw. bis 12 Wochen, danach anti-HDV-IgG) und einem hohen Titer von anti-HBc-IgM ist von einer Koinfektion auszugehen. Bei einer Superinfektion findet man anti-HDV-IgM ohne Nachweis von anti-HBc-IgM (bzw. nur niedrige anti-HBc-IgM-Titer). Eine Bestimmung der HDV-RNA zum Nachweis der HDV-Replikation ist notwendig.

Koinfektion oder Superinfektion 
Beim Hepatitis-D-Virus (HDV; Delta-Virus) handelt es sich um ein Virusoid, das RNA und das HDV-Antigen(Ag) enthält. Für die HDV-Replikation benötigt das inkomplette Virus das Hüllantigen des HBV. Die Interaktionen beider Viren beeinflusst auch das Ausmass der Virusreplikation. Die Infektion mit HDV kann gleichzeitig mit der HBV-Infektion (Koinfektion) oder bei chronischen HBs-Ag-Carriern (Superinfektion) erfolgen. 
Risikogruppen für eine HDV-Infektion entsprechen weitestgehend denjenigen der HBV-Infektion. Eine Häufung findet sich bei intravenösem Drogenabusus (20–53%) und Hämophilie-Patienten (48–80%). Eine sexuelle Übertragung ist möglich, aber weniger häufig als bei HBV, perinatale Übertragungen sind äusserst selten. In der Schweiz kommt die Infektion mit Hepatitis D nur selten vor, am häufigsten sind Infektionen in Mittelmeerländern, Osteuropa, einigen Teilen Südamerikas und den Pazifischen Inseln. In den 1980er-Jahren waren In den Mittelmeerländern rund 8–20% der HBs-Ag-Träger HDV-positiv, in den letzten Jahren ist die Infektionshäufigkeit jedoch deutlich zurückgegangen.
nach [3] 

Bei einem chronischen Verlauf sind gleichzeitig anti-HDV-IgM und -IgG nachweisbar [3–5]. Dauerhaft hohe anti-HDV-IgG Titer (>1:1000) korrelieren mit fortgesetzter Virusreplikation. HDV-Ag sind oft nur kurzfristig während der Inkubationszeit im Serum nachweisbar. HDV-RNA lässt sich bei anti-HDV-IgM-positiven Patienten mit akutem oder chronischem Infekt in Serum und Lebergewebe nachweisen. Es wird empfohlen, bei Patienten mit chronischer HBV-Infektion mindestens einmal eine HDV-Diagnostik durchzuführen. Die Impfung gegen Hepatitis B schützt auch vor einer Delta-Infektion

Therapie mit pegyliertem Interferon-alpha und/oder Bulevirtid 

Bulevirtid und PegIFNα können entweder als Monotherapie oder kombiniert eingesetzt werden [4]. Klinische Studien, in denen PegIFNα eingesetzt wurde, zeigten virologische Ansprechraten von etwa 17–47%. HDV-Spätrezidive nach Therapieende traten bei mehr als 50% der Responder-Patienten auf [4]. Bulevirtid (s.c.) ist in Europa für erwachsene Patienten mit chronischer Hepatitis D und kompensierter Lebererkrankung seit 2020 zugelassen [4]. Der Wirkstoff blockiert den Viruseintritt in Hepatozyten [4]. Bulevirtid zeigte sowohl in klinischen Studien als auch in der Praxis eine gute Wirksamkeit in Bezug auf die virologische Response (virologische Ansprechrate von etwa 50%) und das klinische Ansprechen, auch bei Patienten mit fortgeschrittener Zirrhose und portaler Hypertension [6]. 

Aktuelle Studiendaten zu Bulevirtid 

In klinischen Phase-II-Studien wurde Bulevirtid sowohl als Monotherapie (MYR-202, MYR-203, MYR 204) als auch in Kombination mit PegIFNα (MYR-203, MYR-204) für unterschiedliche Dosierungen (2 mg vs. 5 mg vs. 10 mg) und Behandlungszeiträume (24 Wochen, 48 Wochen, 96 Wochen) untersucht [6–9]. Insgesamt führte Bulevirtid sowohl als Monotherapie als auch in Kombination mit PegIFNα zu einem Rückgang der HDV-RNA; bei der Kombinationsbehandlung war die antivirale Wirkung synergistisch und führte zu einem ausgeprägteren Rückgang der HDV-RNA [10]. 

Die Phase-III-Studie MYR-301 untersuchte die Sicherheit und Wirksamkeit der Bulevirtid-Monotherapie: 2 mg vs. 10 mg für 144 Wochen vs. 10 mg für 96 Wochen (48-wöchiger verzögerter Behandlungsarm) bei insgesamt 150 Patienten**. Eine kombiniertes Response, definiert als virologisches Ansprechen (nicht nachweisbare HDV-RNA oder ≥2 log Rückgang gegenüber dem Ausgangswert) plus biochemisches Ansprechen (ALT-Normalisierung) in Woche 48, wurde von 45% (2-mg-Arm) bzw. 48% (10-mg-Arm) der mit Bulevirtid behandelten Patienten erreicht. Die virologischen Ansprechraten betrugen 71% bzw. 76%, während eine ALT-Normalisierung bei 51% bzw. 56% der Patienten auftrat [11]. 

** 43% mit kompensierter Zirrhose

Literatur:

  1. «Hepatitis B», www.ukw.de/behandlungszentren/leberzentrum/schwerpunkte/chronische-lebererkrankungen/hepatitis-b, (letzter Abruf 08.01.2024)
  2. Sandmann L, et al.: Addendum «Antivirale Therapie der chronischen Hepatitis-D-Virusinfektion» zur S3-Leitlinie «Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B Virusinfektion» der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Mai 2023 – AWMF-Registernummer: 021-11, Konsultationsfassung.
  3. «Leber», Praktische Gastroenterologie 2011: 281–366.
  4.  «Hepatitis D», https://flexikon.doccheck.com/de/Hepatitis_D, (letzter Abruf 08.01.2024)
  5.  «Hepatitis Delta», https://www.hepatitisandmore.de/hepatitis_delta, (letzter Abruf 08.01.2024)
  6. Lampertico P, et al; Delta Cure 2022 Working Group. Hepatitis D virus infection: Pathophysiology, epidemiology and treatment. Report from the first international delta cure meeting 2022 JHEP Rep 2023 Jun 28; 5(9): 100818.
  7. Wedemeyer H, et al.: Safety and efficacy of bulevirtide in combination with tenofovir disoproxil fumarate in patients with hepatitis B virus and hepatitis D virus coinfection (MYR202): a multicentre, randomised, parallel-group, open-label, phase 2 trial. Lancet Infect Dis 2023; 23: 117–129.
  8. Wedemeyer H, et al.: 48 weeks of high dose (10 mg) bulevirtide as monotherapy or with peginterferon alfa-2a in patients with chronic HBV/HDV coinfection. J Hepatol 2020; 73: S52.
  9. Asselah A, et al.: Safety and efficacy of bulevirtide monotherapy and in combination with Peginterferon alfa-2a in patients with chronic hepatitis delta: 24-week interim data of MYR204 Phase 2b study. J Hepatol 2021; 75 (OS-2717): S291.
  10. Lampertico P, Roulot D, Wedemeyer H: Bulevirtide with or without pegIFNα for patients with compensated chronic hepatitis delta: from clinical trials to real-world studies.J Hepatol. 2022; 77: 1422–1430.
  11. Wedemeyer H, et al.; MYR 301 Study Group. A Phase 3, Randomized Trial of Bulevirtide in Chronic Hepatitis D. N Engl J Med 2023 Jul 6; 389(1): 22–32.

HAUSARZT PRAXIS 2024; 19(1): 26

Autoren
  • Mirjam Peter, M.Sc. 
Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS 

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