Hepatitis D ist eine seltene, aber schwerwiegende Erkrankung, die vor allem bei Menschen mit einer bestehenden Hepatitis B auftritt. Das Risiko für eine Leberzirrhose steigt bei einer gleichzeitigen Infektion deutlich an. In diesem Artikel, der auf HAUSARZT PRAXIS basiert, erfahren Sie, warum die Überwachung der Leberwerte so wichtig ist, welche modernen Therapien zur Verfügung stehen und wie Sie sich schützen können.
Was ist Hepatitis D und wie entsteht sie?
Hepatitis D, auch als Delta-Hepatitis bezeichnet, ist eine Virusinfektion, die nur bei Menschen auftreten kann, die bereits mit Hepatitis B infiziert sind. Das Hepatitis-D-Virus (HDV) ist ein sogenanntes Virusoid (ein unvollständiges Virus), das für seine Vermehrung zwingend das Hüllantigen (Oberflächenprotein) des Hepatitis-B-Virus (HBV) benötigt. Ohne eine bestehende Hepatitis-B-Infektion kann das HDV nicht überleben oder sich vermehren. Die gleichzeitige Infektion mit beiden Viren wird als Koinfektion bezeichnet, während eine spätere Infektion mit HDV bei bereits chronisch HBV-Infizierten als Superinfektion bezeichnet wird (Superinfektion bedeutet, dass eine zusätzliche Infektion zu einer bereits bestehenden Infektion hinzukommt).
Das Hepatitis-D-Virus enthält RNA (Ribonukleinsäure, das Erbmaterial vieler Viren) und das HDV-Antigen (ein spezifisches Eiweiß des Virus). Für die Vermehrung benötigt das Virus das Hüllantigen von HBV. Die Interaktion beider Viren beeinflusst die Viruslast (Menge der Viren im Körper) und den Krankheitsverlauf. Besonders bei intravenösem Drogenkonsum (20–53 % der Betroffenen) und bei Hämophilie-Patienten (Bluterkrankheit, 48–80 %) kommt es häufiger zu einer HDV-Infektion. Eine sexuelle Übertragung ist möglich, aber seltener als bei HBV, und eine Übertragung von der Mutter auf das Kind (perinatal) ist äußerst selten. In der Schweiz und in Deutschland ist Hepatitis D selten, häufiger kommt sie in Mittelmeerländern, Osteuropa, Teilen Südamerikas und auf den Pazifischen Inseln vor.
Risiken und Verlauf: Warum ist Hepatitis D so gefährlich?
Eine Infektion mit Hepatitis D erschwert die Behandlung der Hepatitis B erheblich. Das Risiko für eine Leberzirrhose (Verhärtung und Vernarbung der Leber) ist bei gleichzeitiger HDV-Infektion deutlich erhöht. Besonders problematisch ist, dass die üblichen Medikamente gegen Hepatitis B, sogenannte Nukleosid- und Nukleotidanaloga, gegen Hepatitis D nicht wirksam sind. Das bedeutet, dass eine spezielle Therapie notwendig ist.
Bei einer Koinfektion (gleichzeitige Infektion mit HBV und HDV) verläuft die Erkrankung meist ähnlich wie eine akute Hepatitis B, mit einem typischen zweiphasigen Anstieg der Transaminasen (Leberwerte, die auf eine Schädigung der Leberzellen hinweisen). Bei etwa einem Drittel aller fulminanten (besonders schweren und schnell verlaufenden) Hepatitis-B-Infektionen findet sich eine gleichzeitige Delta-Infektion. Bei Patienten mit bereits bestehender, chronischer Hepatitis B und einem deutlichen Anstieg der Transaminasen sollte immer an eine mögliche HDV-Superinfektion gedacht werden. Fulminante und chronisch-progrediente Verläufe (langsam fortschreitende Krankheitsverläufe) mit beschleunigter Entwicklung zur Zirrhose sind bei HDV häufig.
Der Nachweis von anti-HDV-IgM (Antikörper gegen das Hepatitis-D-Virus, die in den ersten Wochen nach einer Infektion gebildet werden) und einem hohen Titer von anti-HBc-IgM (Antikörper gegen das Hepatitis-B-Core-Antigen) spricht für eine Koinfektion. Bei einer Superinfektion findet man anti-HDV-IgM ohne oder nur mit niedrigen anti-HBc-IgM-Titern. Für die Diagnose ist die Bestimmung der HDV-RNA (Nachweis des Virus-Erbguts) im Blut und Lebergewebe entscheidend, da sie die aktive Virusvermehrung anzeigt.
Diagnose: Wie wird Hepatitis D erkannt?
Die Diagnose einer Hepatitis D erfolgt durch verschiedene Labortests. Bei einem chronischen Verlauf sind sowohl anti-HDV-IgM als auch anti-HDV-IgG (Antikörper, die später im Verlauf gebildet werden und auf eine länger bestehende Infektion hinweisen) nachweisbar. Besonders hohe anti-HDV-IgG-Titer (über 1:1000) deuten auf eine fortgesetzte Virusvermehrung hin. Das HDV-Antigen ist meist nur kurzzeitig während der Inkubationszeit (Zeit zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit) im Blut nachweisbar. Die HDV-RNA kann bei anti-HDV-IgM-positiven Patienten mit akuter oder chronischer Infektion sowohl im Blut als auch im Lebergewebe gefunden werden.
Es wird empfohlen, bei allen Patienten mit einer chronischen Hepatitis B mindestens einmal eine HDV-Diagnostik durchzuführen, um eine mögliche Koinfektion oder Superinfektion nicht zu übersehen. Wichtig zu wissen: Die Impfung gegen Hepatitis B schützt auch vor einer Infektion mit Hepatitis D, da das HDV ohne HBV nicht überleben kann. Daher ist die Hepatitis-B-Impfung ein wichtiger Schutz vor beiden Erkrankungen.
Therapiemöglichkeiten: Pegyliertes Interferon-alpha und Bulevirtid
Für die Behandlung der Hepatitis D stehen heute zwei wichtige Medikamente zur Verfügung: pegyliertes Interferon-alpha (PegIFNα) und Bulevirtid. Pegyliertes Interferon-alpha ist ein Wirkstoff, der das Immunsystem stimuliert und die Virusvermehrung hemmt. Bulevirtid ist ein sogenannter Entry-Inhibitor, der seit 2020 in Europa für erwachsene Patienten mit chronischer Hepatitis D und kompensierter Lebererkrankung (Leberfunktion ist noch erhalten) zugelassen ist. Bulevirtid blockiert den Eintritt der Viruspartikel in die Leberzellen (Hepatozyten), wodurch die Vermehrung des Virus verhindert wird.
Beide Medikamente können entweder einzeln (Monotherapie) oder in Kombination eingesetzt werden. Studien zeigen, dass die virologischen Ansprechraten (Rückgang der Virusmenge) bei PegIFNα zwischen 17 und 47 % liegen. Allerdings kommt es bei mehr als der Hälfte der Patienten nach Therapieende zu sogenannten Spätrezidiven (erneutes Auftreten der Infektion). Bulevirtid zeigte in klinischen Studien und im Praxisalltag eine gute Wirksamkeit: Die virologische Ansprechrate lag bei etwa 50 %, auch bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose und portaler Hypertension (erhöhter Druck in der Pfortader, einer wichtigen Vene der Leber).
Aktuelle Studiendaten: Wie wirksam ist Bulevirtid?
In mehreren klinischen Studien der Phase II (MYR-202, MYR-203, MYR-204) wurde Bulevirtid sowohl als Monotherapie als auch in Kombination mit PegIFNα untersucht. Dabei wurden verschiedene Dosierungen (2 mg, 5 mg, 10 mg) und Behandlungszeiträume (24, 48 und 96 Wochen) getestet. Die Ergebnisse zeigen, dass Bulevirtid sowohl alleine als auch in Kombination mit PegIFNα zu einem deutlichen Rückgang der HDV-RNA führt. Besonders bei der Kombinationstherapie war die antivirale Wirkung synergistisch, das heißt, beide Medikamente verstärken sich gegenseitig und führen zu einem stärkeren Rückgang der Virusmenge.
Die Phase-III-Studie MYR-301 untersuchte die Sicherheit und Wirksamkeit der Bulevirtid-Monotherapie bei 150 Patienten mit chronischer Hepatitis D. Es wurden verschiedene Dosierungen (2 mg und 10 mg) über unterschiedliche Zeiträume (144 Wochen bzw. 96 Wochen mit einem verzögerten Behandlungsarm) getestet. Nach 48 Wochen erreichten 45 % (2-mg-Arm) bzw. 48 % (10-mg-Arm) der Patienten eine kombinierte Response, das heißt, sowohl ein virologisches Ansprechen (nicht nachweisbare HDV-RNA oder ein Rückgang um mindestens 2 log-Stufen) als auch eine Normalisierung der ALT (ein wichtiger Leberwert). Die virologischen Ansprechraten lagen bei 71 % bzw. 76 %, während eine Normalisierung der ALT bei 51 % bzw. 56 % der Patienten auftrat. Besonders bemerkenswert ist, dass 43 % der Studienteilnehmer bereits eine kompensierte Zirrhose hatten, also eine fortgeschrittene Lebererkrankung, bei der die Leberfunktion noch erhalten ist.
Diese Ergebnisse zeigen, dass Bulevirtid eine vielversprechende neue Therapieoption für Patienten mit chronischer Hepatitis D darstellt, insbesondere für diejenigen, bei denen andere Therapien nicht ausreichend wirken oder die bereits eine fortgeschrittene Lebererkrankung haben.
Wichtige Hinweise für Patienten: Prävention und regelmäßige Kontrolle
Für Patienten mit chronischer Hepatitis B ist es besonders wichtig, regelmäßig die Leberwerte und die Lebersyntheseleistung (Fähigkeit der Leber, wichtige Eiweiße zu produzieren) kontrollieren zu lassen. Bei Verdacht auf eine zusätzliche Hepatitis-D-Infektion sollte eine gezielte Diagnostik erfolgen. Die Impfung gegen Hepatitis B schützt zuverlässig auch vor einer Hepatitis-D-Infektion, da das HDV ohne HBV nicht existieren kann. Daher ist die Impfung ein zentraler Bestandteil der Prävention.
Wenn bei Ihnen eine chronische Hepatitis B besteht, sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin über die Möglichkeit einer HDV-Testung. Bei nachgewiesener Hepatitis D stehen heute moderne Therapien wie Bulevirtid und pegyliertes Interferon-alpha zur Verfügung, die die Prognose deutlich verbessern können. Die Therapie sollte immer individuell und unter engmaschiger ärztlicher Kontrolle erfolgen, insbesondere bei fortgeschrittener Lebererkrankung. Die regelmäßige Überwachung der Transaminasen und der Lebersyntheseleistung ist entscheidend, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Mirjam Peter, M.Sc.
Quellen
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- «Leber», Praktische Gastroenterologie 2011: 281–366.
- «Hepatitis D», https://flexikon.doccheck.com/de/Hepatitis_D, (letzter Abruf 08.01.2024)
- «Hepatitis Delta», https://www.hepatitisandmore.de/hepatitis_delta, (letzter Abruf 08.01.2024)
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