Eine Untersuchung legt nahe, dass Patientinnen mit gering HR-positiven/HER2-negativen Tumoren ähnlich betrachtet und behandelt werden könnten wie Patientinnen mit triple-negativen Tumoren. Sollte die derzeitigen Definitio­nen für HR-Positivität und ihre klinische Relevanz daher überdacht werden?

Die Behandlung von Mammakarzinomen mit niedriger HR-Positivität ist in der Leitlinie nicht eindeutig festgelegt. Verschiedene Studien hätten gezeigt, dass sie ER-/PgR-negativen oder triple-negativen Mammakarzinomen (ER-, PgR und HER2-negativ) tumorbiologisch und prognostisch näher stehen als ER-positiven (> 10 % positive Tumorzellen). Daher wurden auf Grundlage einer bevölkerungsbasierten 15-Jahres-Kohorte Patientencharakteristika und das Ergebnis von niedrig positiven HR-Tumoren mit HR-negativen bzw. stark positiven HR-Tumoren verglichen. Eingeschlossen wurden insgesamt 38’560 Frauen, bei denen zwischen 2004 und 2018 im Rahmen des Münchner Krebsregisters (MCR) mit 4,9 Millionen Einwohnern ein frühes invasives Mammakarzinom diagnostiziert wurde. Es wurden deskriptive Analysen zu prognostischen Faktoren, Behandlung und Outcome-Analysen nach der Kaplan-Meier-Methode, kumulative Inzidenz unter Berücksichtigung konkurrierender Risiken sowie multivariate Analysen (Cox-Regression und Fine-Gray-Modell) durchgeführt. 

861 Patientinnen (2%) hatten einen schwach positiven, 4862 (13%) einen negativen und 32’837 (85%) einen stark positiven HER2-Tumor. Innerhalb der HER2-negativen Kohorte war das Überleben von HR-schwach-positiven Tumoren signifikant schlechter als das von HR-stark-positiven Tumoren, während zwischen HR-schwach-positiven und HR-negativen Tumoren kein signifikanter Überlebensunterschied festgestellt werden konnte. Die Analysen für die Zeit bis zum Lokalrezidiv, die Zeit bis zum Lymphknotenrezidiv und die Zeit bis zur Metastasierung zeigten ähnliche Ergebnisse. Im Gegensatz dazu konnten in der HER2-positiven Kohorte in den multivariaten Analysen keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den drei HR-Gruppen festgestellt werden. Unabhängig vom HER2-Status scheinen Patientinnen mit niedrig HR-positiven Tumoren nicht signifikant von einer endokrinen Therapie zu profitieren. Die Autoren schlussfolgern, dass die geltenden Definitionen für HR-Positivität und ihre klinische Relevanz überdacht werden sollten und dass Patientinnen mit niedrig positivem HR-Status bei HER2-Negativität ähnlich eingestuft und therapiert werden sollten wie Patientinnen mit triple-negativen Tumoren.

Aktuelles Therapiemanagement im Überblick

Lange basierte die Therapie des frühen Mammakarzinoms auf einer histopathologischen Klassifikation von Subtypen. Inzwischen wurde deutlich, dass das Mammakarzinom bei BRCA-Keimbahnmutationsträgern eine biologisch distinkte Entität ist. Histologisch werden über 80% der Mammakarzinome bei diesen Patientinnen als invasiv duktal klassifiziert. Die Biologie der BRCA-mutierten Tumorzelle bietet einen Ansatz für gezielte Therapien, denn BRCA1- und -2-Mutationen erhöhen die Effektivität von PARP-Inhibitoren. PARP(Poly-[ADP-Ribose-]Polymerase)-Inhibitoren stören Reparaturmechanismen der DNA, beispielsweise nach einer Chemotherapie. 

Grundsätzlich richten sich Behandlungsmanagements mit molekularbiologischem Ansatz gegen Liganden, blockieren Bindestellen deren Rezeptoren oder Hemmen Signalwege innerhalb der Zellen. Die Entwicklung zielgerichteter Wirkstoffe ist in den letzten Jahren sehr dynamisch. Aktuell stehen mehrere zielgerichtete Wirkstoffe zur Verfügung:

  • HER2-Antikörper
  • Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, gekoppelt an HER2-Antikörper oder TROP2-Antikörper
  • Tyrosinkinase-Hemmer
  • mTOR-Hemmer
  • CDK4/6-Inhibitoren
  • VEGF-Antikörper
  • PI3-Kinase
  • PARP-Hemmer
  • Immuncheckpoint-Inhibitoren

Literatur:

  1. Schrodi S, Harbeck N, Mahner S, et al.: Outcome of breast cancer patients with low hormone receptor positivity: Analysis of a 15-year population-based cohort. DKK Abstract #114, Oncol Res Treat 2022; 45 (suppl 1): 5. DOI: 10.1159/000521004
  2. Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebs­gesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Früherkennung, Diagnose, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms, Version 4.4, 2021, AWMF
    Registernummer: 032–045OL, www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/mammakarzinom (letzter Zugriff am 06.12.2023)
  3. www.onkopedia.com/de/drug-assessment/guidelines/olaparib-lynparzatm-mammakarzinom-der-frau-mammakarzinom-des-mannes-brca-mutiert-adjuvant/@@raw/addendums/nutzenbewertung.pdf (letzter Zugriff am 06.12.2023)
  4. www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/brustkrebs/therapie/molekularbiologische-therapie.html (letzter Zugriff am 06.12.2023).

InFo ONKOLOGIE & HÄMATOLOGIE 2023: 11(6): 34

Autoren
  • Leoni Burggraf 
Publikation
  • INFO ONKOLOGIE & HÄMATOLOGIE

Comments are closed.