Aus Pflanzen gewonnenes, hochgereinigtes Cannabidiol reduziert die Häufigkeit von Anfällen im Zusammenhang mit dem Lennox-Gastaut-Syndrom und dem Dravet-Syndrom und verbessert den Gesamtzustand der Patienten in placebokontrollierten Phase-III-Studien der. Berichte deuten darüber hinaus auch auf eine positive Wirkung auf anfallsfreie Ergebnisse hin. Was ist dran an der verbesserten Lebensqualität?
Das Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS) und das Dravet-Syndrom (DS) sind seltene und schwere entwicklungsbedingte und epileptische Enzephalopathien mit Beginn im Säuglings- oder frühen Kindesalter. Das LGS tritt meist zwischen dem 2. und 5. Lebensjahr auf und die Ursachen sind vielfältig. Es kann unter anderem infolge einer Gehirnschädigung vor, während oder nach der Geburt, oder einer Entwicklungsstörung entstehen. Das DS beginnt typischerweise im ersten Lebensjahr mit Fieberkrämpfen. Die häufigste Ursache sind Veränderungen im SCN1A-Gen, die bei bis zu 80% der Patienten mit dieser Erkrankung gefunden wurde.
Die Patienten können von mehreren Anfallstypen betroffen sein, von denen einige länger andauern oder zu einem plötzlichen Tod führen können. Besonders beeinträchtigend sind tonische und atonische Sturzanfälle sowie nonkonvulsive Status epileptici. Die täglichen Aktivitäten der Patienten sind zudem häufig durch Komorbiditäten belastet. Dazu zählen u.a. kognitive und kommunikative Beeinträchtigungen, erhebliche Verhaltensprobleme, Autismus-Spektrum-Störungen und anderen psychiatrischen Komorbiditäten. Die meisten Betroffenen mit LGS und DS sind aufgrund funktioneller Beeinträchtigungen auf die Hilfe von Pflegekräften angewiesen. Alles in allem handelt es sich hierbei um zwei Erkrankungen, die sowohl für die Patienten als auch für ihre Angehörigen und Betreuer eine erhebliche physische, finanzielle, soziale und psychische Belastung darstellen.
Krampfanfälle vermeiden
Oberstes Ziel im Therapiemanagement von LGS und DS ist die Vermeidung von Krampfanfällen. Mittels Pharmakotherapie lässt sich eine Anfallsfreiheit jedoch in der Regel nicht erzwingen. Daher ist eine gute Balance zwischen verbesserter Anfallssituation und potenziellen Störwirkungen indiziert. Eine gut untersuchte Option ist die zusätzliche Gabe von hoch gereinigtem Cannabidiol (CBD). In vier randomisierten, placebokontrollierten Phase-III-Studien und deren langfristigen offenen Verlängerungen wurde die Wirksamkeit und Sicherheit bei Patienten mit LGS und DS analysiert. Es zeigte sich, dass so die Häufigkeit von Anfällen im Vergleich zu Placebo signifikant reduziert werden konnte.
Lebensqualität verbessern
Im Laufe der Anwendung konnte beobachtet werden, dass sich nicht nur die Anfallssituation verbesserte, sondern auch die Lebensqualität. Einige Patienten und ihre Betreuer berichteten sogar über Verbesserungen bei Kognition und Verhalten. Um diese Beobachtungen genauer zu verifizieren, wurde eine Querschnittsbefragung von Betreuern von Patienten mit LGS und DS zu den globalen Ergebnissen durchgeführt. Es sollten die Eindrücke der Betreuer zu den Veränderungen bei Nicht-Anfällen und Anfällen nach Beginn der CBD-Behandlung bewerten werden. Der BEhavior, COgnition, and More with Epidiolex® (BECOME) war eine 20-minütige Online-Querschnittsbefragung, die mit umfangreichem Input von Pflegekräften, medizinischen Fachkräften und Epilepsieforschern entwickelt wurde und auf Fragen aus validierten Messungen und zuvor veröffentlichten Berichten von Pflegekräften basierte. Die Umfrage bestand aus Multiple-Choice- und Rangordnungsfragen unter Verwendung symmetrischer Likert-Skalen.
Insgesamt nahmen 498 Betreuer (97% Eltern) von Patienten mit LGS (80%) oder DS (20%) an der Umfrage teil. Die Patienten nahmen im Median eine CBD-Dosis von 14 mg/kg/d sowie durchschnittlich vier gleichzeitige Medikamente gegen Anfälle ein. Ein Grossteil der Befragten berichtete über Verbesserungen bei mindestens einer Frage in allen anfallsfreien Bereichen: Wachsamkeit, Kognition und Exekutivfunktion (85%); emotionale Funktion (82%); Sprache und Kommunikation (79% bei nonverbalen und 74% bei verbalen Patienten); Aktivitäten des täglichen Lebens (51%); Schlaf (51%); und körperliche Funktion (46%). Die Befragten berichteten über Verbesserungen in anfallsbezogenen Bereichen, einschliesslich der allgemeinen Anfallshäufigkeit (85%), der allgemeinen Anfallsschwere (76%), der anfallsfreien Tage pro Woche für ≥1 Anfallstyp (67%) und der Anfallsfreiheit im letzten Monat (16%). Die Mehrheit der Befragten, die über eine Verringerung der Anfallshäufigkeit berichteten, gaben ebenfalls Verbesserungen in anfallsfreien Bereichen an. Verbesserungen in anfallsfreien Bereichen wurden allerdings auch von Patienten berichtet, bei denen sich die Anfallshäufigkeit entweder nicht verändert oder verschlechtert hatte. Insgesamt gaben 93% der Befragten an, die CBD-Behandlung fortsetzen zu wollen – in erster Linie wegen der geringeren Anfallsbelastung, aber auch wegen der Verbesserungen bei anfallsfreien Ergebnissen.
Weiterführende Literatur:
- Bast T: Lennox-Gastaut-Syndrom: Wie behandeln? Zeitschrift für Epileptologie 2021; 2: 23–25.
- www.neurologienetz.de/fachliches/erkrankungen/epilepsien/lennox-gastaut-syndrom (letzter Zugriff am 16.03.2024)
- Staudt F: Lennox-Gastaut-Syndrom. Kinder-EEG 2014; DOI: 10.1055/b-0034-93686
- www.medicover-diagnostics.de/lvz/panels/dravet-syndromfruehkindliche-grand-mal-epilepsie–620 (letzter Zugriff am 16.03.2024)
- www.mgz-muenchen.de/erkrankungen/diagnose/dravet-syndrom.html (letzter Zugriff am 16.03.2024)
- Berg AT, Dixon-Salazar T, Meskis MA, et al.: Caregiver-reported outcomes with real-world use of cannabidiol in Lennox-Gastaut syndrome and Dravet syndrome from the BECOME survey. Epilepsy Research 2024; 200: 107280.
InFo NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE 2024; 22(2): 26
Autoren
- Leoni Burggraf
Publikation
- INFO NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE
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