Hypertonie, Diabetes und Adipositas – mit zunehmendem Alter der Erstgebärenden nehmen auch die Risiken und die Prävalenz dieser Erkrankungen zu. Während der Schwangerschaft sind sie eine besondere Herausforderung. Andere Vorgehensweisen als gewöhnlich sind angezeigt.
Arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus und Adipositas – internistische Erkrankungen im Fokus der Schwangerenvorsorge. Mit zunehmendem Alter der Erstgebärenden nehmen auch die Risiken und die Prävalenz dieser Erkrankungen zu. Auch wenn sie zum Alltag eines Internisten oder Allgemeinmediziners gehören, sind sie während der Schwangerschaft eine besondere Herausforderung und benötigen andere Therapien oder Vorgehensweisen als gewöhnlich.
Adipositas – ein unabhängiger Risikofaktor (Fall 1)
Innerhalb der letzten 40 Jahre hat der Anteil adipöser Frauen weltweit stark zugenommen. In der Schweiz hat er sich von 1992 bis 2012 verdoppelt (von 5% auf 9%), insgesamt lag der Anteil adipöser und übergewichtiger Frauen 2012 bei 32% (www.admin.ch).
Adipositas ist ein wichtiger Risikofaktor in der Schwangerschaft, und es gilt die spezifischen Probleme zu (er)kennen und zu therapieren. Der interdisziplinäre Ansatz ist hier von grosser Bedeutung und Grundkenntnisse über z.B. bariatrische Operationen sind von Vorteil.

Adipositas (BMI >30 kg/m2) ist mit einer Reihe von Risiken vergesellschaftet. Dies beginnt bereits in der Früh-Schwangerschaft mit häufigerem Abortgeschehen. Es zeigen sich mehr kongenitale Anomalien und während der Schwangerschaft mehr Komplikationen wie schwangerschaftsassoziierte Hypertonie, höheres Präeklampsie-Risiko und Entwicklung eines Gestationsdiabetes [1]. Unter der Geburt ist das Risiko für eine Schulterdystokie als mögliche Konsequenz einer Makrosomie höher, es kommen mehr Sectios und Einleitungen vor der 37. SSW (aufgrund Schwangerschaftskomplikationen) vor und auch das IUFT-Risiko ist erhöht. Postpartal sind Wundheilungsstörungen, postpartale Depressionen und Thrombosen häufiger zu beobachten [2].
Beratung adipöser Frauen – worauf ist während der Schwangerschaftsvorsorge zu achten?
Sicherlich ist eine Gewichtsreduktion vor der Planung einer Schwangerschaft sinnvoll. Eine bariatrische Operation sollte als mögliche Therapie besprochen werden, ist aber nicht aufgrund einer geplanten Schwangerschaft durchzuführen, sondern gemäss den gängigen Indikationen. Laut Empfehlungen sollte nach einer bariatrischen Operation zwei bis drei Jahre bis zur Planung einer Schwangerschaft gewartet werden, um das optimalste neonatale Outcome zu erzielen [3]. In den meisten Fällen wird heutzutage eine laparoskopische Magenbypass-Operation durchgeführt, also eine malabsorptive Variante. Diese Schwangeren haben ein erhöhtes Risiko für Mangelentwicklungen im Sinne von «small for gestational age»-Feten (SGA) und müssen regelmässig sowohl sonografisch verlaufskontrolliert als auch auf allfällige Mangelernährung seitens der Mutter überprüft werden (routinemässig in jedem Trimester kleines Blutbild, Ferritin, Vitamin B12, Kalzium und Vitamin D3; bei Mangel bzw. notwendiger Substitution sind monatliche Kontrollen angezeigt) [4]. Bei Durchführung des oralen Glukosetoleranztests (oGTT) ist bei diesen Frauen Vorsicht geboten, in 50% kommt es zu einem Dumping-Syndrom und es muss auf ein alternatives Screening ausgewichen werden (Nüchtern-Blutzucker und postprandialer BZ während einer Woche oder HbA1c). Bei Frauen mit restriktiven bariatrischen Operationen (z.B. Magenband oder Magenschlauch) kann ein normaler oGTT durchgeführt werden. Bei Auftreten von abdominalen Schmerzen bei Frauen nach Magenbypass-Operation soll die Indikation zur diagnostischen Laparoskopie, wegen möglicher innerer Hernie, grosszügig gestellt werden (Fall 1).
Die empfohlene Gewichtszunahme während der Schwangerschaft ist abhängig vom Ausgangs-BMI. Bei Übergewicht (BMI 25–29,9 kg/m2) ist eine Zunahme von 7–11,5 kg, bei Adipositas (BMI >29,9 kg/m2) von 7–9 kg adäquat.

Hypertensive Erkrankungen – Risiko für Präeklampsie (Fall 2)
Hypertensive Erkrankungen in der Schwangerschaft kommen in 4–7% der Fälle vor und sind ein Hauptgrund für maternale und fetale Morbidität und Mortalität. Zu einer normalen Schwangerschaftskontrolle gehört deshalb immer die Messung des Blutdrucks (BD). Normalerweise sind Schwangere eher hypoton, und es gibt Frauen mit einer vorbestehenden arteriellen Hypertonie, die in der Schwangerschaft normotone BD-Werte haben. Wir unterscheiden eine schwangerschaftsinduzierte Hypertonie (Hypertonie ohne Proteinurie nach der 20. SSW) von einer chronischen, also vorbestehenden Hypertonie. In beiden Fällen ist das Risiko für eine Präeklampsie sehr hoch (bis 40% resp. vierfach erhöht). Wichtig ist, eine antihypertensive Therapie erst ab BD-Werten von systolisch 150–160 mmHg und diastolisch 100–110 mmHg zu beginnen (Tab. 1). Da es sich um eine Bedarfshypertonie handelt, sollte eine zu rasche oder starke Senkung des Blutdrucks möglichst vermieden werden, da sonst die Versorgung des Kindes gefährdet wird. Eine BD-Senkung hat keinen Einfluss auf die Entwicklung einer Präeklampsie, d.h. wir schützen zwar die Frau, das Risiko für eine Präeklampsie bleibt jedoch bestehen. Engmaschige Kontrollen sind in solchen Fällen angezeigt, manchmal ist auch eine stationäre Aufnahme nötig mit ggf. Geburtseinleitung. Bei manifester schwerer Präeklampsie ist diese unter einer Krampfprophylaxe mit Magnesium i.v. durchzuführen [5,6]. In der MAGPIE-Studie konnte gezeigt werden, dass die Prophylaxe das Krampfrisiko um 50% senkt [7]. In Folgeschwangerschaften senkt eine Therapie mit Aspirin Cardio®100 mg (12.–35. SSW) das Wiederholungsrisiko für eine Präeklampsie (ca. 8%) um die Hälfte [8]. Frauen mit einer Präeklampsie haben ein erhöhtes Risiko, im späteren Leben eine kardiovaskuläre Erkrankung zu entwickeln. Ein jährlicher Check von Blutdruck, Lipiden, Blutzucker und BMI ist ratsam (Tab. 2) [9].


Diabetes mellitus – danach suchen, erkennen, therapieren (Fall 3)
Bereits in den 50er Jahren hat der dänische Epidemiologe Pedersen den Zusammenhang zwischen mütterlicher Hyperglykämie und fetaler Hyperinsulinämie postuliert. Das maternale Überangebot an Zucker wird auf den Fetus übertragen, der als Reaktion grosse Mengen an Insulin produziert und als Folge makrosom wird. Postpartal fällt dann das mütterliche Zuckerangebot weg und das Neugeborene entwickelt eine Hypoglykämie.
In der gross angelegten HAPO-Studie von 2008 wurde diese Hypothese bestätigt: Eine erhöhte Glukosekonzentration hat einen engen Zusammenhang mit dem fetalen Geburtsgewicht [10]. Aus diesen Erkenntnissen hat die International Association of Diabetes and Pregnancy Study Group (IADPSG) Grenzwerte festgelegt und ein weltweites Screening bei allen Schwangeren empfohlen [11,12].

In der Schweiz haben ca. 11% der Schwangeren einen Gestationsdiabetes (GDM). Zu unterscheiden ist zwischen einem Diabetes, der in der Schwangerschaft auftritt (transienter Diabetes in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft mit spontaner Normalisierung postpartum), einem Diabetes mellitus Typ 2, der in der Schwangerschaft erstmals entdeckt wird, und einem präexistenten Diabetes mellitus Typ 1 oder 2.
Schwangerschaften mit Diabetes mellitus Typ 1 oder 2 sind Risiko-Schwangerschaften und erfordern eine enge und interdisziplinäre Führung durch Spezialisten (Wachstumskontrollen mit Dopplersonografie). Bei einem gut eingestellten Gestationsdiabetes hingegen können reguläre Schwangerschaftskontrollen stattfinden (Tab. 3).

Jede Schwangere wird zwischen der 24. und 28. SSW mithilfe eines oralen Glukosetoleranztests (oGTT) gescreent (Tab. 4) [13,14].

Die Therapie des GDM besteht aus einer Ernährungsberatung und Anleitung zur Blutzucker-Selbstkontrolle. Sollte die diätetische Therapie keine Besserung der Blutzuckerwerte innerhalb von vier bis sieben Tagen bringen oder sollten die Glukose-Zielwerte in mehr als 10% aller Messungen überschritten werden, steht die Indikation zur Insulintherapie. Dies ist bei ca. 25% der Schwangeren notwendig. Auch wenn die Insulintherapie nach wie vor der Goldstandard ist, gibt es neuere Daten, die auch die Möglichkeit des Einsatzes von Metformin (Start 2× 500 mg/d, Steigerung auf 2× 1000 mg/d möglich) beschreiben. Es handelt sich hierbei aber um eine «off-label»-Anwendung, bei der noch keine Langzeitdaten vorhanden sind [15,16].
Physiologische Insulinresistenz
In der Schwangerschaft ist die maternale Insulinresistenz ein normales Phänomen, das im zweiten Trimenon beginnt und seinen Höhepunkt im dritten Trimester hat. Sie ist Resultat einer vermehrten plazentaren Sekretion von diabetogenen Hormonen. Ein Gestationsdiabetes entsteht dann, wenn die pankreatische Funktion insuffizient ist, d.h. nicht in der Lage, die Insulinresistenz zu überwinden.
Dies erklärt auch, warum Frauen mit Gestationsdiabetes ein erhöhtes Risiko haben, im späteren Leben einen Diabetes mellitus zu entwickeln (50–70%): Die pankreatische Funktion hat quasi den «Stresstest» während der Schwangerschaft nicht bestanden. Zudem wird auch deutlich, dass bei abnehmendem Insulinbedarf in der Schwangerschaft eine Plazentainsuffizienz ausgeschlossen werden muss: Die Plazenta ist generell insuffizient und sezerniert dabei auch weniger diabetogene Hormone.
Wichtig ist, nach dem Diabetes zu suchen, ihn zu erkennen und richtig zu therapieren, denn die Auswirkungen des Diabetes während der Schwangerschaft sind mannigfaltig und betreffen sowohl Mutter als auch Kind. Bei der Schwangeren beobachtet man ein erhöhtes Risiko für eine Präeklampsie oder für einen Infekt, zudem steigt die Sectiorate an. Fetal werden häufiger intrauterine Fruchttode, Fehlbildungen (bei schlecht eingestelltem DM Typ 1 oder 2), Wachstumsretardierungen oder Makrosomie und Frühgeburten beobachtet. Postnatal kann es zu einer neonatalen Hypoglykämie oder Hyperbilirubinämie kommen.
Das Rezidivrisiko für einen erneuten GDM in der nächsten Schwangerschaft liegt bei 50–60%.
Take-Home-Messages
- Adipositas ist ein wichtiger Risikofaktor in der Schwangerschaft.
- Für ein optimales neonatales Outcome sollte nach bariatrischer Chirurgie zwei bis drei Jahre bis zur Planung einer Schwangerschaft gewartet werden. Schwangere nach laparoskopischer Magenbypass-Operation haben ein erhöhtes Risiko für Mangelentwicklungen («small for gestational age»-Feten, SGA) und müssen verlaufskontrolliert werden. Eine interdisziplinäre und engmaschige Betreuung ist wichtig.
- Eine vorbestehende Hypertonie stellt ein Risiko für Präeklampsie dar. Ein korrigierter BD verändert das Krankheitsbild der Präeklampsie allerdings nicht.
- Die Grenzwerte für Therapiestart liegen bei 150–160/100–110 mmHg.
- Bedarfshypertonie: zu rasche oder starke BD-Senkung vermeiden!
- Es gibt einen Zusammenhang zwischen mütterlichem Blutzucker und fetalem Outcome. Diabetes sollte man daher suchen, erkennen und therapieren. Die Insulintherapie ist nach wie vor Goldstandard.
Literatur:
- Farren M, et al.: The interplay between maternal obesity and gestational diabetes mellitus. J Perinat Med 2015; 43(3): 311–317.
- Weiss JL, et al.: Obesity, obstetric complications and cesarean delivery rate – a population-based screening study. Am J Obstet Gynaecol 2004; 190: 1091–1097.
- Parent B, et al.: Bariatric Surgery in Women of Childbearing Age, Timing Between an Operation and Birth, and Associated Perinatal Complications. JAMA Surg 2017; 152(2): 1–8.
- Jans G, et al.: Maternal micronutrient deficiencies and related adverse neonatal outcomes after bariatric surgery: a systematic review. Adv Nutr 2015 Jul 15; 6(4): 420–429.
- Salinger DH, et al.: Magnesium sulphate for prevention of eclampsia: are intramuscular and intravenous regimens equivalent? A population pharmacokinetic study. BJOG 2013 Jun; 120(7): 894–900.
- Keepanasseril A, et al.: Prophylactic magnesium sulphate in prevention of eclampsia in women with severe preeclampsia: randomised controlled trial (PIPES trial). J Obstet Gynaecol 2018 Apr; 38(3): 305–309.
- Simon J, et al.: Cost-effectiveness of prophylactic magnesium sulphate for 9996 women with pre-eclampsia from 33 countries: economic evaluation of the Magpie Trial. BJOG 2006 Feb; 113(2): 144–151.
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- International Association of Diabetes and Pregnancy Study Groups Consensus Panel: International association of diabetes and pregnancy study groups recommendations on the diagnosis and classification of hyperglycemia in pregnancy. Diabetes Care 2010; 33: 676–682.
- Legardeur H, et al.: Dépistage du diabète gestationnel: vers un nouveau consensus? Gynécologie Obstétrique & Fertilité 2011; 39: 174–179.
- SGGG-Expertenbrief 2011; Nr. 37.
- Surbeck D: Gestationsdiabetes: endlich eine einheitliche Screening-Strategie! Schweiz Med Forum 2011; 11(51–52): 965–966.
- Balsells M, et al.: Glibenclamide, Metformin an Insulin for the treatment of gestational diabetes: a systematic review and meta-analysis. BMJ 2015; 350: h102.
- Gross J, et al.: Gestationsdiabetes: Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen. Schweiz Med Forum 2017; 17(46): 1009–1014.
HAUSARZT PRAXIS 2018; 13(7): 20–24
Autoren
- Dr. med. Natalia Conde
Publikation
- HAUSARZT PRAXIS
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