Die «grossen Drei» der Inhalationsallergene in Mitteleuropa sind Gräserpollen, Baumpollen und die Hausstaubmilbe. Um ihnen Einhalt zu gebieten, ist die allergenspezifische Immuntherapie (AIT) das effektivste Werkzeug. Ein bereits bestehendes oder sich im Zuge der Allergie entwickelndes Asthma ist die zweite Fliege, die mit dieser Klappe geschlagen werden kann.

Die veränderten klimatischen Bedingungen haben dazu geführt, dass eine Allergie kein rein saisonales Thema mehr ist. «Wenn ein Patient auf Baumpollen reagiert, kann das schon im Dezember losgehen. Reagiert er auch auf Gräser, zieht sich das bin in den Herbst, und wenn dann auch noch Kräuter dazukommen, kann man tatsächlich von einer ganzjährigen Allergie sprechen», erklärte Prof. Dr. Boris Haxel, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie (HNO), Schwarzwald-Baar Klinikum in Villingen-Schwenningen (D) [1]. In solchen Fällen gelte es, das auslösende Allergen zu identifizieren und zu eruieren, wie dem Betroffenen am effektivsten geholfen werden kann. Häufig ist ein Patient nicht nur gegen ein Allergen allergisch, sondern leidet unter einer Polysensibilisierung – zwischen 60 und 80% der Erwachsenen sind hiervon betroffen. Die Folge ist eine Zunahme der Polyallergiker.

Diagnostik und Therapie

Die Anamnese ist die Basis der Diagnostik: Wann hat der Patient Beschwerden, wie äussern sich diese, welche potenziellen Differenzialdiagnosen stehen im Raum? Die Hauttestung stellt eine gute Option dar, relativ viele Allergene schnell zu testen bzgl. der Sensibilisierung, «aber man muss auch beachten, dass diese Pricktest-Lösungen Gemische sind, bei denen wir auch nicht selektiv alle Allergene abbilden können», gab Prof. Haxel zu bedenken. Deswegen ist die Serologie oftmals wichtig, um gerade bei polysensibilisierten Patienten zu differenzieren. Bei einzelnen Fällen – v.a. den ganzjährigen Allergenen – kann schliesslich eine Provokation sinnvoll sein, um die Diagnose zu sichern und vor Initiierung einer allergenspezifischen Immuntherapie festzustellen, dass tatsächlich eine Allergie vorliegt und nicht nur eine Sensibilisierung. Mit der komponentenbasierten spezifischen IgE-Bestimmung stehen gute Möglichkeiten zur Verfügung, Major- und Minor-Allergene zu trennen, was auch auf die Therapiewahl Auswirkungen hat, so der Allergologe. 

Therapeutisch steht nach wie vor die Karenz an erster Stelle – je besser der Kontakt mit Allergenen vermieden bzw. beseitigt wird, desto besser für den Patienten. Bei Lebensmitteln ist dies relativ einfach, aus emotionalen Gründen häufig schwierig wird es dagegen bei Haustieren. Auch bei Hausstaubmilben ist es eher kompliziert, diese vollends zu eliminieren.

Eine tragende Säule ist die symptomati­sche Therapie. «Das ist, was die Patienten häufig ohne uns Ärzte machen: In die Apotheke gehen und ein topisch-nasales Steroid oder ein Antihistaminikum holen.» Dabei werden jedoch ausschliesslich die Symptome gelindert, die Aller­gie selbst wird dadurch nicht beeinflusst. Biologika können bei bestimmten Patienten sinnvoll sein, aber nicht bei allen. Zudem sind sie in der Regel nicht so nachhaltig wie eine allergenspezifische Immuntherapie, auch erreichen sie nicht deren krankheitsmodifizierenden Effekt.

Applikationsroute kein Kriterium für Wirksamkeit

Bei der allergenspezifischen Immuntherapie wird die Allergendosis langsam gesteigert und somit über einen Zeitraum von drei Jahren eine zunehmende Allergentoleranz erreicht. Diese Methode ist v.a. Bei Pollen, Hausstaub- und Vorratsmilben, Tierepithelien, Schimmelpilzen und Insektengiften sinnvoll. Zur Verfügung stehen die subkutane Anwendung (SCIT) und die sublinguale Applikation (SLIT). Bei der SCIT finden heutzutage gemäss S2k-Leitlinie Semidepot-Präparate mit Adjuvanzien oder Allergoide Anwendung, bei der SLIT wässrige Extrakte und Tabletten [2] (Abb. 1).

Die 2022 unter Mitwirkung der Schweizerischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (SGAI) veröffentlichte S2k-Leitlinie zur Allergen-Immuntherapie bei IgE-vermittelten allergischen Erkrankungen hat u.a. festgehalten, dass die Applikationsroute kein Kriterium mehr für die Wirksamkeit ist (subkutan oder sublingual). Es wird vielmehr ein produktspezifischer Wirksamkeitsnachweis gefordert. Der Prozess der Therapieallergene-Verordnung (TAV) läuft mit dem Ziel, schon 2026 nur noch zugelassene Arzneimittel auf dem Markt zu haben für die Hauptallergene.

Erste Wahl sollten Präparate sein mit einer nachgewiesenen Evidenz und einer Zulassung. «Danach sollte man schon gute Gründe haben, als zweite Wahl noch ein Präparat einzusetzen, bei dem diese Kombination von Evidenz und Zulassung nicht vorliegt», so Prof. Haxel. «Produkte ohne Zulassung und Evidenz sollten die letzte bzw. gar keine Option mehr darstellen.»

Ziel dieser Kriterien sind Präparate, die für die Patienten nachweisbare Wirksamkeit zeigen, und das möglichst schon in der ersten Saison. Gerade bei der Sublingualtherapie auf Gräserpollen sei die Datenlage hierfür mittlerweile sehr positiv, erklärte der Experte. So zeigte eine Tablette in einer kontrollierten Studie vs. Placebo eine Besserung von 33% im Symptom- und Medikations-Score bereits im ersten Jahr [3]. Diese Werte hielten sich über die dreijährige Therapie und betrugen sogar in der zweiten Follow-up-Saison noch 27%. 

Bei den Hausstaubmilben-Allergikern besteht ein erhöhtes Risiko, im Verlauf ein Asthma bronchiale zu entwickeln. «Auch hier gibt es gute Studiendaten einer HSM-SLIT bei Asthma-Patienten unter ICS-Reduktion: Es wurde eine signifikante Verringerung des Risikos einer moderaten oder schweren Asthma-Exazerbation vs. Placebo erreicht bei Patien­ten, die bereits asthmatisch sind.» In dem Studiendesign [4] wurden bei HSM-Allergikern mit bestehendem Asthma zwei Konzentrationen des AIT-Präparats gegen Placebo gegeben unter langsamer Reduktion des ICS. «Dadurch wird bei manchen Patienten sicherlich eine Exazerbation provoziert, aber das hat man in Kauf genommen, um zu sehen, was die HSM-Therapie bei schon bestehendem Asthma noch bringen kann.» Hier zeigte sich, dass die Pa­tien­ten unabhängig von der Dosis deutlich weniger Exazerbationen erlitten als die Placebo-Gruppe (Abb. 2). Bei der Kohorte mit 6 SQ-HDM betrug die Reduktion der Exazerbationen –31% (p=0,03), bei jener unter 12 SQ-HDM lag sie bei –34% (p=0,02).

AIT noch nach 9 Jahren mit Effekt bei Asthma

Bei Patienten, die unter Allergie gegen Hausstaubmilben, Gräser und/oder Bäume leiden, wurde im Real-World-Setting eine deutliche Verringerung der Rhinitis- und Asthma-Medikation erreicht, wenn sie eine allergenspezifische Immuntherapie bekommen haben [5]. 46’042 Patienten einer Krankenkassen-Population mit AIT bei allergischer Rhinitis mit und ohne Asthma wurden gematcht mit 92’048 Kontrollen. Noch bis zu 9 Jahre nach Behandlungsbeginn – also sechs Jahre nach Beendigung der Therapie – hatten jene Patienten, die eine AIT gegen die genannten Allergene bekommen hatten, deutlich weniger Antisymptomatika benötigt als die Kontrollgruppe. Bei Asthmatikern hat sich zudem das Risiko einer Hospitalisierung langfristig signifikant reduziert. Die AIT sei ein entscheidender Faktor in der Therapie sowohl von Allergikern als auch von Asthmatikern, und sollte daher noch stärker als bisher in der Breite angewendet werden, schloss Prof. Haxel.

Take-Home-Messages

  • Die AIT ist die einzige krankheitsmodifizierende Therapie bei allergischer Rhinitis und allergischem Asthma.
  • Eine produktspezifische Betrachtung der AIT-Produkte ist unbedingt notwendig.
  • Bei Neueinstellungen sind Präparate mit bestehender Zulassung und wissenschaftlichem Wirksamkeitsnachweis zu bevorzugen.

Quellen:

  1. Haxel B: Neues zur Therapie von Inhalationsallergien. Streamed Up HNOLive: Allergologie im Wandel 2024, 24.01.2024.
  2. Pfaar O, Ankermann T, Augustin M, et al: Leitlinie zur Allergen-Immuntherapie bei IgE-vermittelten allergischen Erkrankungen. Allergologie 2022; 9: 643–702; AWMF-Registriernummer: 061-004.
  3. Durham SR, et al.: SQ-standardized sublingual grass immunotherapy: Confirmation of disease modification 2 years after 3 years of treatment in a randomized trial. J Allergy Clin Immunol 2012; 129: 717–725; doi: 10.1016/j.jaci.2011.12.973.
  4. Virchow JC, Backer V, Kuna P, et al.: Efficacy of a House Dust Mite Sublingual Allergen Immunotherapy Tablet in Adults With Allergic Asthma. A Randomized Clinical Trial. JAMA 2016; 315(16): 1715–1725;
    doi: 10.1001/jama.2016.3964.
  5. Fritzsching B, Contoli M, Porsbjerg C, et al.: Long-term real-world effectiveness of allergy immunotherapy in patients with allergic rhinitis and asthma: Results from the REACT study, a retrospective cohort study. The Lancet Regional Health – Europe 2022; 13: 100275; doi: 10.1016/j.lanepe.2021.100275.

InFo PNEUMOLOGIE & ALLERGOLOGIE 2024; 6(1): 28–29

Autoren
  • Jens Dehn 
Publikation

INFO PNEUMOLOGIE & ALLERGOLOGIE 

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