Kopfschmerzarten gibt es viele. Die Migräne ist sicherlich eine der häufigsten. Noch dazu eine Form, die eine hohe Belastung und weitreichende Auswirkungen auf die Lebensqualität mit sich bringt. Daher stuft die WHO die Erkrankung auch als zweitwichtigste Ursache für Lebensjahre mit Behinderung ein. Viel wurde in den letzten Jahren und Jahrzehnten geforscht, um effektive Therapiestrategien zu entwickeln. Ein aktueller Überblick.
Kopfschmerzen gehören – gleich nach Karies – zu den häufigsten Erkrankungen des Menschen. Dabei liegt der Kopfschmerz vom Spannungstyp auf Platz zwei, Migräne auf Platz drei mit einer Einjahresprävalenz für alle Kopfschmerzen von 86% bei Frauen und 71,1% bei Männern. Nicht verwunderlich demnach, dass Kopfschmerzerkrankungen für mehr als 75% aller durch neurologische Erkrankungen bedingten Jahre mit Behinderung verantwortlich sind [1]. Inzwischen werden nach den internationalen IHS-Kriterien 367 unterschiedliche Kopfschmerzformen klassifiziert [2]. Die Migräne wird zur Gruppe der primären Kopfschmerzen gezählt, die als eigenständige Erkrankung fungiert und nicht auf anderen Auslöser zurückzuführen ist. In der Schweiz leiden mehr als eine Mio. Einwohner unter dieser Form des primären Kopfschmerzes [3].
Hoher Leidensdruck bedarf effektiver Therapie
Der Leidensdruck von Migräne-Patienten ist hoch. In einer weltweiten Befragung unter 11’000 Betroffenen wurde die durchschnittliche Schmerzintensität während eines Migräneanfalls mit 7,4 von 10 Punkten angegeben [4]. Die Behandlung einer Migräne sollte daher umfassend und effektiv sein und ist auf drei Säulen aufgebaut:
- Verhalten
- Prophylaxe
- Akuttherapie
Zur Verhaltensmodifikation gehören neben einem umfangreichen Wissen über die Erkrankung vor allem eine Verlaufs- und Erfolgskontrolle, Tagesplanung, Stressreduktion, Ernährung und Sport. So hat sich beispielsweise ein aerobes Ausdauertraining, dreimal wöchentlich 45 Minuten mit einem Pulsziel von 120–140/min bewährt. Auch Verhaltens- und psychotherapeutische Massnahmen und Entspannungstherapien können helfen, mit der Erkrankung besser umzugehen. Auch sollten Noxen wie Alkohol, Koffein oder Nikotin kontrolliert und Medikamente abgesetzt werden, die nichts nützen oder sogar schaden.
Schnell und gezielt die akuten Schmerzen lindern
Ziel einer Akuttherapie ist es, eine rasche Schmerzfreiheit bei guter Verträglichkeit zu erreichen. Dafür stehen unspezifisch wirkende und spezifisch wirkende Medikamente zur Verfügung. Bei geringer Schmerzintensität kann auf NSAR und andere Analgetika zurückgegriffen werden. Migräneattacken mit mittlerer bis hoher Schmerzintensität werden vorwiegend mit Triptanen behandelt. Diese wurden speziell für die Migränetherapie entwickelt und sollten möglichst frühzeitig eingenommen werden. Je nach Präparat unterscheiden sie sich nicht nur in ihrer Darreichungsform, sondern auch im Wirkeintritt und der Wirkdauer. Daher kann sehr differenziert und individuell auf die Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten ausgewählt werden.
Vorbeugen ist besser als Medikamenten-induzierten Kopfschmerz heilen
Da sich die Akuttherapie allerdings nicht für eine Langzeiteinnahme eignet und das Risiko eines Medikamentenübergebrauchs-Kopfschmerzes hoch ist, sollte bei Migräne-Patienten, die unter häufigen, schweren und/oder lang andauernden Migräneattacken leiden, auf eine Migräne-Prophylaxe zurückgegriffen werden. Die Indikation zur medikamentösen Prophylaxe ergibt sich demnach aus dem besonderen Leidensdruck, Einschränkungen der Lebensqualität sowie dem Risiko eines Medikamentenübergebrauchs. Es stehen einige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Unspezifisch wirken Antidepressiva, Antikonvulsiva, Betablocker oder Kalziumantagonisten.
Antikörper hemmen Schlüsselfunktion
Gezielt auf das Calcitonin gene-related Peptide (CGRP) im trigeminalen System wirken hingegen CGRP-Antikörper. CGRP spielt eine Schlüsselfunktion in der Entstehung des Migräneschmerzes. Durch Blockade der CGRP-Rezeptoren kann daher die Gefässerweiterung und der Gefässtonus reduziert und die Schmerz-weiterleitung gehemmt werden, ebenso wie die Sensitivierung und Schmerzempfindlichkeit der Blutgefässe und die neurogene Entzündung. So lassen sich die monatlichen Migränetage bei einem Grossteil der Betroffenen wirksam reduzieren.
Literatur:
- Global Burden of Disease Study 2016. Lancet 390 (10100): 1211–1259.
- Internationale Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen, 3. Auflage, ICHD-3. Abrufbar unter: https://ichd-3.org/de/
- Merikangas KR, Cui L, Richardson AK, et al.: Magnitude, impact, and stability of primary headache subtypes: 30 year prospective Swiss cohort study. BMJ 2011; 343: d5076.
- Martelletti P, et al.: My Migraine Voice survey: a global study of disease burden among individuals with migraine for whom preventive treatments have failed. J Headache Pain 2018; 19(1): 115.
InFo NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE 2021; 19(3): 30
Autoren
- Leoni Burggraf
Publikation
- INFO NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE
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