Die metabole Chirurgie stellt für die Behandlung der morbiden Adipositas eine vielversprechende Therapieoption dar. Denn es gibt eine hohe Evidenz dafür, dass sie bei schlecht einstellbarem Typ 2-Diabetes mellitus und BMI auch unter 35 kg/m2 wirksamer als eine konservative Therapie ist.
Als vor über sechzig Jahren erste Operationen am Magen-Darm-Trakt entwickelt wurden mit dem Ziel, die morbide Adipositas zu behandeln, ging es primär darum, das Gewicht zu reduzieren. Relativ schnell wurde aber klar, dass mit diesen Operationen auch die mit der Adipositas vergesellschafteten Komorbiditäten, die Lebenserwartung und die Lebensqualität verbessert werden konnten, was sich langfristig auch auf die Gesundheitskosten auswirkte. Bereits vor über zwanzig Jahren gab es mehrere Berichte über hohe Raten an Remissionen des Typ 2-Diabetes mellitus (T2DM) nach Magenbypass. Es folgten tierexperimentelle, aber auch humane Daten zu den Mechanismen, die dem gewichtsunabhängigen Effekt bariatrisch-chirurgischer Methoden auf die glykämische Kontrolle und den Lipidstoffwechsel zugrunde liegen [1]. Daraus entstand der Begriff der «metabolen Chirurgie». Im Jahr 2015 trafen sich internationale Experten für Endokrinologie, Chirurgie, Gastroenterologie und Mitglieder der Forschung zum zweiten Diabetes Surgery Summit (DSS II) in London, um die bis zu diesem Zeitpunkt vorhandene Evidenz über den Erfolg der metabolen Chirurgie im Vergleich zur konventionellen medizinischen Therapie bei der Behandlung des T2DM auszuwerten. Sie formulierten einerseits Empfehlungen zur chirurgischen Therapie des T2DM bei morbider Adipositas, gaben andererseits jedoch auch eine Beurteilung der Therapiemöglichkeiten für diabetische Patienten mit einem BMI <35 kg/m2 ab (Tab. 1). Diesen DSS II-Guidelines wurde eine ganze Ausgabe eines bis dato sehr Chirurgie-kritischen Journals gewidmet [2]. Seither wurden die Empfehlungen von über fünfundfünfzig internationalen Fachgesellschaften ratifiziert.

Welche Operation für welchen Patienten?
Konservative Therapiemassnahmen zur Behandlung der morbiden Adipositas sind sehr selten langfristig erfolgreich (<4%) [3]. Demgegenüber ist die Chirurgie mit dauerhaftem Effekt zu 90% erfolgreich [4,5]. Präoperativ abzuschätzen, welcher Patient welchen Operationstypus braucht, ist kein einfaches Unterfangen. Rein restriktive Operationsverfahren, wie bspw. die Magenbandoperation, führen langfristig nur bei ca. 10% zu suffizienter Gewichtsabnahme und Reduktion der Komorbiditäten, da sie kaum von der Gewichtsabnahme unabhängige metabole Effekte aufweisen [6]. Der proximale Roux-Y-Magenbypass ist nach wie vor der Goldstandard (Abb. 1). Dieser Eingriff hat nebst der restriktiven auch eine starke metabole Wirkungsweise. Malabsorptiv wirkt er lediglich als unerwünschter Nebeneffekt auf Mikronährstoffe (Vitamine und Spurenelemente), nicht aber auf Makronährstoffe, d.h. Kalorien. Da kein Gewebe entfernt wird, ist die Operation potenziell reversibel. Heute wird sie fast ausschliesslich auf laparoskopischem Wege durchgeführt. Relevante Komplikationen treten in erfahrenen Zentren in <1% der Fälle auf. Vorübergehend führte die laparoskopische Technik zu einem Anstieg einer klassischen Spätkomplikation, der inneren Hernien, einer Dislokation von Dünndarmabschnitten zwischen die mesenterialen Lücken hindurch. Seit diese Lücken beim Ersteingriff verschlossen werden, hat sich die Rate von inneren Hernien deutlich reduziert. Klinisch manifestieren sie sich in Form von postprandialen Abdominalschmerzen, eher selten als akutes Abdomen mit Ileus. Weitere Spätkomplikationen sind Dumping-Beschwerden. Gelegentlich können therapierefraktäre Spätdumpings auftreten, die im (seltenen) Extremfall dazu führen, den Eingriff rückgängig machen zu müssen. Auch bei konsequenter lebenslanger Vitamin- und Spurenelementsubstitution können bei allen gewichtsreduzierenden Eingriffen Mangelerscheinungen auftreten. Daher werden die Patienten angehalten, regelmässige Kontrollen durchzuführen und ggf. zusätzlich Supplemente zuzuführen. Die morbide Adipositas ist eine chronische Krankheit, die rezidivieren kann in Form von sekundärer Gewichtszunahme und erneutem Auftreten der Komorbiditäten. Bei ca. 5% der Patienten kommt es dann, nach erneuter interdisziplinärer Evaluation, zu einem Folgeeingriff.

Die biliopankreatische Diversionsoperation (BPD) (Abb. 2) wirkt restriktiv, malabsorptiv und metabol und stellt heute die wohl effektivste Behandlungsmethode dar, was die Gewichtsabnahme und T2DM-Remissionsrate (ca. 95%) betrifft. Der Preis dafür ist aber mit einer deutlich erhöhten Stuhlfrequenz, übelriechender Flatulenz und sowohl Mikro- als auch Makronährstoffmangel recht hoch. Deshalb steht diese Operation nur dann zur Diskussion, wenn ein sehr hohes Körpergewicht und/oder schwere Sekundärmorbiditäten auf die einfacheren Primäroperationen nicht ansprechen. Bei Patienten mit extrem hohem BMI ist diese Operation laparoskopisch nur schwer in einem Schritt durchführbar. Aus diesem Grund wurde ein Zweistufenkonzept entwickelt, das aus primärer Schlauchgastrektomie (Abb. 3) und Magenbypass oder BPD 1–2 Jahre später besteht. Nachdem aber Patienten allein mit der Schlauchgastrektomie erfolgreich abnehmen konnten, indem diese Methode ähnliche metabole Wirkungen zeigte wie der Magenbypass [7–9], hat das Verfahren als alleiniger Primäreingriff zunehmend an Popularität gewonnen. In Frankreich, Deutschland, im Nahen Osten und in den Vereinigten Staaten wird er bereits häufiger als der Magenbypass durchgeführt.

In einer randomisierten Schweizer Multizenter-Studie konnten wir fünf Jahresresultate dieser beiden Operationsmethoden (Schlauchgastrektomie und Magenbypass) vergleichen. Dabei war die Gewichtsabnahme nicht signifikant unterschiedlich mit 61,5% Übergewichtsabnahme durch Schlauchgastrektomie und 68% durch Magenbypass. Die T2DM-Remissions-Raten waren bei beiden >60%, die Dyslipidämie und die gastroösophageale Refluxkrankheit wurden beim Bypass hingegen erfolgreicher behandelt. Die Lebensqualität verbesserte sich bei beiden Operationen identisch, auch die Rate an Re-Operationen war nicht signifikant unterschiedlich [10].
Weitere Verfahren (Omega Loop-Magenbypass, endoskopische transgastrische Verfahren etc.) müssen den wissenschaftlichen Nachweis ihrer Effektivität und Sicherheit erst noch erbringen, sodass sie ausserhalb von Studien im Moment in der Schweiz keine Anwendung finden sollten.

Verschiedene Faktoren beeinflussen die Wahl des richtigen Eingriffs für den einzelnen Patienten. So sind Ausmass des Übergewichts, Fettverteilung, Alter, Geschlecht, Art und Schweregrad der Komorbiditäten, Essverhalten, Stuhlgewohnheiten, Stoffwechsel (Grundumsatz, Kohlehydrat- und Fettverbrennung), möglicherweise genetische Faktoren, Verständnis für Nahrungsumstellungen und die zu erwartende Zuverlässigkeit, was den Besuch von Nachkontrolluntersuchungen betrifft, sowie Patientenwunsch im Auswahlprozess wichtig. Nach interdisziplinärer Evaluation muss mit dem Patienten gemeinsam der für ihn optimale Eingriff ausgewählt werden, im Wissen, dass eine exakte Prognose für den Einzelfall nicht möglich ist. Ein Magenbypass ist insbesondere bei Patienten mit einer grossen Hiatushernie, schwerem Reflux, T2DM und Dyslipidämie indiziert. Gute Kandidaten für eine Schlauchgastrektomie sind hochmotivierte Patienten mit extrem hohem BMI im Rahmen eines Zweistufenkonzepts, Patienten mit multiplen Adhäsionen nach Voroperationen oder grossen Narbenhernien und möglicherweise Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.
Entwicklungen in der Schweiz
Bevor die bariatrische Chirurgie eine anerkannte Pflichtleistung in der Schweiz wurde, beauftragte der Bundesrat via Bundesamt für Gesundheit die interdisziplinäre Fachgesellschaft der Schweiz (Swiss Society for the Study of Morbid Obesity and Metabolic Disorders, SMOB), Richtlinien zur Behandlung der morbiden Adipositas zu formulieren. Mit Inkrafttreten der Richtlinien per Februar 2011 wurde die bariatrische Chirurgie bei Patienten mit BMI >35 kg/m2 nach erfolgloser konservativer Therapie von insgesamt zwei Jahren (bei BMI >50 kg/m2 von einem Jahr) als Pflichtleistung anerkannt. Des Weiteren wurden Qualitätskriterien betreffend Selektion, Vorbereitung, Behandlung und Nachsorge definiert und Kriterien entwickelt, wer welche Operationen durchführen darf. Es wurden Primärzentren für die einfacheren Eingriffe und Sekundärzentren für komplexere Eingriffe definiert (www.smob.ch). Die Richtlinien wurden mehrfach überarbeitet. Anfang dieses Jahres wurde auch die Behandlung der Adoleszenten in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Pädiatrie implementiert. Gerade dieses Patientenkollektiv muss mit grösster Sorgfalt ausgewählt und betreut werden.
Nach Einführung der bariatrischen Chirurgie in der Schweiz wurde durch das Swiss Medical Board ein «Health Technology Assessment» durchgeführt und Ende 2016 publiziert. Das Ziel dieses HTA-Berichts war die Bewertung der Wirksamkeit, Sicherheit, Kosteneffektivität und der Auswirkung auf den Etat sowie der rechtlichen und ethischen Effekte der bariatrischen Chirurgie im Vergleich zu konservativen Behandlungsmethoden. Dabei zeigte sich ein statistisch signifikanter Vorteil der Chirurgie gegenüber der konservativen Behandlung, was die Gewichtsabnahme, Körperfunktion, Reduktion des HbA1c und T2DM-Remission sowie die Verbesserung von Hypertonie und Dyslipidämie betrifft. Ausserdem wurde die Chirurgie im Vergleich zur konventionellen Behandlung als kosteneffizienter beurteilt. Es wurde zudem festgehalten, dass das Krankenversicherungsgesetz die Tendenz aufweist, konservative Behandlungen zu bevorzugen, was laut Bericht des Swiss Medical Boards nicht gerechtfertigt ist [11].
Nach einer anfänglichen Zunahme der Eingriffszahlen haben sich diese schweizweit bei ca. 5000 Operationen jährlich eingependelt (75% Magenbypässe, 20% Schlauchmagen- und wenige Magenband- und BPD-Operationen). Diese Zahl entspricht weniger als 4% der 140 000 Patienten, die gemäss den Kriterien für einen bariatrischen Eingriff qualifiziert wären.
Gemeinsam mit der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie ist die SMOB aktuell dabei, die metabole Chirurgie für Patienten mit schlecht einstellbarem T2DM und BMI 30–35 kg/m2 zugänglich zu machen, so wie dies in England, Indien, Israel und Spanien bereits möglich ist. Denn der BMI ist als Kriterium weniger entscheidend als die Stoffwechsellage. Auch strebt die Gesundheitsdirektoren-Konferenz im Rahmen der hochspezialisierten Medizin an, die komplexe bariatrische Chirurgie zu reglementieren. Die bariatrische Chirurgie in der Schweiz zeichnet sich durch eine sehr hohe Qualität aus. Die Frühmorbidität beträgt wenige Prozent, die Mortalität weniger als 1‰. Die Nachkontrollrate in unserem Land ist im internationalen Vergleich erfreulicherweise sehr hoch. Dies ist nicht nur für den einzelnen Patienten hinsichtlich einer erfolgreichen Behandlung der chronischen Krankheit Adipositas wichtig, sondern auch für das behandelnde Zentrum, das durch Analyse der eigenen Resultate seine Behandlungsstrategie laufend optimieren kann.
Take-Home-Messages
- Bariatrische Operationen haben viele gewichtsunabhängige, metabole Effekte, weshalb sie als «metabole Chirurgie» bezeichnet werden.
- Das Ziel der metabolen Chirurgie ist nebst der Gewichtsabnahme eine Verbesserung bis hin zur Remission der Komorbiditäten, die Verlängerung der Lebenserwartung und die Steigerung der Lebensqualität, was zur Kosteneffizienz beiträgt.
- Es gibt eine hohe Evidenz dafür, dass die metabole Chirurgie bei schlecht einstellbarem Typ 2-Diabetes mellitus und BMI auch <35 kg/m2 wirksamer als eine konservative Therapie ist.
- In der Schweiz ist die metabole Chirurgie durch Richtlinien der SMOB geregelt. Die Behandlung der Patienten sollte immer interdisziplinär erfolgen.
- Schweizweit werden ca. 5000 Operationen jährlich durchgeführt – mit einer im internationalen Vergleich geringen Morbidität und sehr hohen Nachkontrollrate.
Literatur:
- Batterham RL, Cummings DE: Mechanisms of diabetes improvement following bariatric/metabolic surgery. Diabetes Care 2016; 39: 893–901.
- Rubino F, et al.: Metabolic surgery in the treatment algorithm for type 2 diabetes: a joint statement by international diabetes organizations. Diabetes Care 2016; 39: 861–877.
- Sjöström L, et al.: Lifestyle, diabetes, and cardiovascular risk factors 10 years after bariatric surgery. N Engl J Med 2004; 351: 2683–2693.
- Adams TD, et al.: Weight and metabolic outcomes 12 years after gastric bypass. N Engl J Med 2017; 377: 1143–1155.
- Sjöström L, et al.: Bariatric surgery and long-term cardiovascular events. JAMA 2012; 307: 56–65.
- Vinzens F, et al.: Long-term outcome of laparoscopic adjustable gastric banding (LAGB): results of a Swiss single-center study of 405 patients with up to 18 years’ follow-up. Surg Obes Relat Dis 2017; 13: 1313–1319.
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- Peterli R, et al.: Metabolic and hormonal changes after laparoscopic Roux-en-Y gastric bypass and sleeve gastrectomy: a randomized, prospective trial. Obes Surg 2012; 22: 740–748.
- Wölnerhanssen B, et al.: Effects of postbariatric surgery weight loss on adipokines and metabolic parameters: comparison of laparoscopic Roux-en-Y gastric bypass and laparoscopic sleeve gastrectomy. A prospective randomized trial. Surg Obes Relat Dis 2011; 7: 561–568.
- Peterli R, et al.: Effect of laparoscopic sleeve gastrectomy vs laparoscopic Roux-en-Y gastric bypass on weight loss in patients with morbid obesity: the SM-BOSS randomized clinical trial. JAMA 2018; 319: 255–265.
- Swiss Medical Board: Bariatric surgery vs. conservative treatment for obesity and overweight. Assessment. Final report 16 june 2016.
HAUSARZT PRAXIS 2018; 13(10): 26–29
Autoren
- Prof. Dr. med. Ralph Peterli
Publikation
- HAUSARZT PRAXIS
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