Bei einem 48-jährigen, stark adipösen Patient wird im Rahmen einer Operabilitätsabklärung von Arthrose im oberen Sprunggelenk ein voll ausgeprägtes metabolisches Syndrom diagnostiziert. Es müssen nun seine arterielle Hypertonie, Dyslipidämie, Hyperurikämie, Adipositas Grad III und sein Typ-2 Diabetes mellitus mit einem multifaktoriellen Therapiekonzept behandelt werden.

Hintergrund

Ein 48-jähriger Mann wurde im Rahmen einer Operabilitätsabklärung von Arthrose im oberen rechten Sprunggelenk vorstellig. Er hatte sich nach einem Berufsunfall in den 90er Jahren von einem handwerklichen Beruf auf einen Aussendienstjob umgeschult, weshalb er nun viel Autofahren muss und entsprechend durch seine Arthrose beeinträchtigt wird. Der Patient litt unter einer arteriellen Hypertonie, Dyslipidämie, Adipositas Grad III (BMI 43 kg/m2) und einer Hyperurikämie, welche bereits zu einem Gichtanfall geführt hatte. Zudem hatte er ein obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom, weshalb vorgängig eine Tonsillektomie durchgeführt worden war und der Patient eine Beatmung mittels CPAP-Therapie erhielt. Im Rahmen der Operabilitätsabklärung wurde zusätzlich ein voll ausgeprägtes metabolisches Syndrom gemäss Definition der Internationalen Diabetes Foundation von 2005 diagnostiziert. Das bedeutet zentrale Adipositas plus arterielle Hypertonie, Typ-2 Diabetes mellitus und erniedrigtes HDL-Cholesterin.

Anamnese und Diagnostik

Die körperliche Untersuchung ergab ein Gewicht von 120 kg bei einer Körpergrösse von 167 cm, was einem BMI von 43 kg/m2 und damit einer Adipositas vom Grad III gemäss WHO-Klassifikation entspricht. Zudem waren der Blutdruck mit 134/84 mmHg und der Puls mit 96/min erhöht. Der Nüchtern-Blutzucker lag bei 7.4 mmol/l und der HbA1c Wert bei 6.7%. Die glomeruläre Filtrationsrate war mit 88 ml/min/1.73 m2 gemäss CKD-EPI-Formel leicht vermindert, was auf eine beginnende Nierenschädigung hindeutet. Diese eher ungünstigen Werte werden durch den aktuellen beruflichen und privaten Lebensstil verstärkt, da der Patient kaum körperlich aktiv ist.

Therapie

Die bisherige Behandlung fokussierte auf die Hypertonie, die Dyslipidämie und die Hyperurikämie. Zur Behandlung der Hypertonie wurde Perindopril/Indapamid (10 mg/2.5 mg, 1-0-0) und Bisoprolol (5 mg, ½-0-0) gegeben. Des Weiteren kamen Atorvastatin (40 mg, 1-0-0) gegen die Dyslipidämie und Allopurinol (300 mg, 1-0-0) gegen die Hyperurikämie zum Einsatz. Unter Atorvastatin wies die Dyslipidämie mit einem typischerweise tiefen HDL-Cholesterin ein normales Gesamtcholesterin auf. Allerdings war der LDL-Cholesterin-Zielwert, welcher bei Diabetikern < 1.8 mmol/l beträgt, noch nicht ganz erreicht. Die Hyperurikämie war unter Allopurinol gut kontrolliert.

Angesicht der massiven Adipositas und des neu entdeckten Typ-2 Diabetes mellitus wurden folgende Veränderungen in der Therapie vorgenommen: Neu wurden der SGLT-2 Hemmer Canagliflozin in Kombination mit Metformin (Vokanamet®, 50 mg/850 mg, 1-0-1) sowie der GLP-1 Rezeptoragonist Dulaglutid (Trulicity® Fertigpen, 0.75 mg s.c., 1 x wöchentlich) zur Diabetesbehandlung verschrieben. Zudem wurde die Bisoprolol-Dosis erhöht (5 mg, 0-0-1) und zusätzlich noch Perindopril (10 mg, 1-0-0) gegen die Hypertonie gegeben. Die Atorvastatin- und Allopurinol-Behandlung wurden beibehalten. Neu wurden Pantoprazol (40 mg, 1-0-0) gegen Sodbrennen, Vitamin D3 (12’000 Einheiten, 1 x wöchentlich) zur Unterstützung bei Hypertonie und Acemetacin in Reserve bei Gichtschmerzen verschrieben.

Die Behandlung mit Dulaglutid musste nach der ersten Dosis wegen starker Unverträglichkeit, vor allem Nausea und urtikariellem Ödem, gestoppt werden. In der Folge wurde die Dosis von Canagliflozin/Metformin erhöht (150 mg/850 mg, 1-0-1), was aber wegen neu aufgetretener Nausea und Durchfall gestoppt werden musste. Diese Nebenwirkungen waren jedoch nach Reduktion der Metformin-Dosis auf 2 x 500 mg regredient, sodass eine Umstellung auf Canagliflozin (Invokana®, 300 mg, 1-0-0) und Metformin (500 mg, 1-0-1) erfolgte.

Zusätzlich zur medikamentösen Behandlung wurde eine Umstellung des Lebensstils empfohlen – vor allem eine Reduktion der Kohlehydrate (Pasta, Reis und Brot) und mehr Bewegung, sofern dies mit dem Fussleiden möglich ist.

Gegenwärtige Situation

Bei der Kontrolle nach sechs Monaten zeichnete sich eine Verbesserung sämtlicher gemessenen Werte ab. So lagen der systolische und diastolische Blutdruck mit 122/80 mmHg (-11/-4 mmHg) sowie der Puls mit 64/min (-32/min) deutlich tiefer. Auch beim Nüchtern-Blutzucker mit 5.3 mmol/l (-2.1 mmol/l), dem HbA1c mit 5.6% (-1.1%) und der eGFR mit 93 ml/min/1.73m2 (+5 ml/min/1.73m2) traten Verbesserungen im Vergleich zu vor sechs Monaten ein. Der Patient hatte zusätzlich zur medikamentösen Therapie seine Lebensgewohnheiten umgestellt, fährt nun ein bis zwei Mal pro Woche für 1h Velo und reduziert beim Essen bewusst Kohlenhydrate. Mit diesen Massnahmen verlor der Patient insgesamt 8.5 kg und wiegt nun 111.5 kg.

Kommentar von PD Dr. med. Bernhard HessDas massive Übergewicht würde bei diesem Patienten mit Typ-2 Diabetes mellitus – nach Einholen einer Kostengutsprache – am besten mit der Kombination SGLT-2-Hemmer und GLP-1 Rezeptoragonist behandelt werden. Leider wurde jedoch der GLP-1 Rezeptoragonist nicht vertragen. So blieb nebst der Reduktion der Kohlehydratzufuhr und dem Rat, sich mehr zu bewegen, auf medikamentöser Seite die Kombination SGLT-2 Hemmer/Metformin. Man könnte zusätzlich auch einen DPP4-Hemmer diskutieren, was aber keinen grossen Zusatznutzen brächte. Falls die Gewichtsabnahme stagniert, wäre ein alternativer GLP-1 Rezeptoragonist in langsam aufsteigender Dosis zu versuchen. Leider wurde Metformin in höheren Dosen ebenfalls nicht gut vertragen, sodass die hohe Dosis von Canagliflozin nicht in Fixkombination mit Metformin, sondern isoliert mit reduzierten Einzeldosen von Metformin verabreicht werden musste. Dennoch erreichten wir innerhalb von 6 Monaten eine Gewichtsreduktion von 8.5 kg und eine Senkung des HbA1c-Werts um 1.1%. In früheren Studien hatte 300 mg Canagliflozin von allen SGLT-2 Hemmern die stärkste Reduktion von HbA1c und Gewicht gezeigt. Unser Fall beweist, dass dies auch im klinischen Alltag Realität sein kann.

Autor: PD Dr. Bernhard Hess, Facharzt Nephrologie/Innere Medizin, Bellariastrasse 38, 8038 Zürich mit redaktioneller Unterstützung von Dr. rer. nat. Christin Döring, IACULIS GmbH. Das Copyright und die Verantwortung für den Inhalt des Patientenfalls liegen ausschliesslich beim Verfasser.

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