Metaboliten in Serum-, Urin- und Stuhlproben können unter Patienten mit akut dekompensierter Leberzirrhose diejenigen mit einem «acute-on-chronic liver failure» identifizieren als Grundlage für frühzeitige diagnostische und therapeutische Massnahmen. So das Fazit eines aktuellen Studienprojektes. In einem Projekt eines anderen Forschungsteams ermöglichte das Reportersystem «EXSISERS» interessante Erkenntnisse über die Relevanz des p53-Status bei der spontanen bakteriellen Peritonitis, einer mit Leberzirrhose assoziierten infektiösen Komplikation.
Fortgeschrittene Leberfibrose bzw. -zirrhose werden als «advanced chronic liver disease» (ACLD) zusammengefasst. Die fortgeschrittene chronische Lebererkrankung zeichnet sich durch eine anhaltende Schädigung und zunehmende Narbenbildung der Leber aus. Das Endstadium der Leberfibrose ist die Leberzirrhose. Patienten mit Leberzirrhose mit akuter Dekompensation (AD) haben ein erhöhtes Risiko, ein «acute-on-chronic liver failure» (ACLF) zu entwickeln. ACLF ist durch extrahepatisches Organversagen sowie systemische Entzündung gekennzeichnet ist. ACLF ist mit einem gravierenden Risiko infektiöser Komplikationen sowie hoher kurzfristiger Letalität assoziiert. Um die Prognose betroffener Patienten zu verbessern, sind bei einem ACLF frühzeitige diagnostische und therapeutische Massnahmen erforderlich [1]. Dechaumet et al. haben anlässlich des diesjährigen EASL-Kongresses ein Forschungsprojekt vorgestellt, in welchem metabolomische Signaturen identifiziert wurden, um zwischen AD-Patienten mit oder ohne ACLF unterscheiden. Im Folgenden eine Zusammenfassung von diesem und einem weiteren Forschungsprojekt aus dem Themenkomplex fortgeschrittener Lebererkrankungen [2,3].
Analyse von Daten der MUCOSA-PREDICT-Kohorte
Die Gesamtheit der niedermolekularen Stoffe (Metaboliten) wird Metabolom genannt. Die Messung des Metaboloms kann z.B. chromatografisch, massenspektrometrisch oder Kernspinresonanz-spektroskopisch erfolgen. Die Leber ist ein metabolisch stark aktives Organ und Lebererkrankungen werden zunehmend auch unter Anwendung von Multiomics-Methoden (Abb. 1) erforscht [10]. Bereits Moreau et al. berichteten 2020 im Journal of Hepatology, dass sie mittels eines Multiomics-Ansatzes in Gewebeproben einen ACLF-spezifischen Fingerabdruck aus 38 Metaboliten im Blut identifizieren konnten, welcher mit der systemischen Entzündung korreliert und der als Indikator für eine mitochondriale Dysfunktion in peripheren Organen fungiert [4].

Studienziele und Methodik: Das Projekt von Dechaumet et al. zielte darauf ab, (i) zu untersuchen, ob die Untersuchung von Metaboliten in Urin- und Stuhlproben für die Charakterisierung des Metaboloms bei dekompensierten Zirrhosepatienten einen Mehrwert aufweist und (ii) zu bewerten wie eine Multimatrix-Metabolomik zur Verbesserung der Stratifizierung von Patienten mit dekompensierter Zirrhose beiträgt [2]. Dazu haben die Forscher Serum-, Urin- und Stuhlproben der MUCOSA-PREDICT-Kohorte, in welcher 93 Zirrhosepatienten mit akuter Dekompensation nachbeobachtet werden, anhand von Flüssigchromatographie gekoppelt mit hochauflösender Massenspektrometrie analysiert. Insgesamt wurden 402 Metaboliten in den drei biologischen Matrizes nachgewiesen und identifiziert.
Ergebnisse: Die grösste Anzahl von Metaboliten, deren Konzentrationen durch ACLF beeinflusst werden, wurde in Serumproben beobachtet [2]. Interessanterweise zeigte sich, dass die Konzentrationen einiger Metaboliten im Urin und im Stuhl, die nicht im Serum nachgewiesen wurden, ebenfalls durch ACLF beeinflusst wurden. ROC-Kurven-Analysen, die für die Metabolomics-Signaturen in einzelnen oder kombinierten Matrizen durchgeführt wurden, zeigten jedoch, dass die Serum-Signatur die beste Leistung bei der Unterscheidung zwischen AD und ACLF erbringt. Dies ist ein klinisch relevanter Befund, da beide Krankheitsbilder sich im Einzelfall überschneiden, aber es unterschiedliche Entitäten sind hinsichtlich Pathophysiologie und Therapie.
Implementierung des Reportersystems «EXSISERS»
Die Darm-Leber-Achse beschreibt die vielfältigen Wechselwirkungen von Darm und Leber, einschliesslich des Austauschs von zellulären und molekularen Komponenten und ist für die Regulierung wesentlicher (patho)physiologischer Prozesse von zentraler Bedeutung. Patienten mit Leberzirrhose weisen eine verringerte Schleimhautdicke auf, was den direkten Kontakt von Bakterien mit Epithelzellen und den Abbau von Zellverbindungen erleichtert [5]. Bakterielle Translokation wird als entscheidender Schritt in der Pathogenese von bakteriellen Infektionen betrachtet [6]. So ist die Translokation von Darmbakterien in mesenteriale Lymphknoten beispielsweise ein zentrales Ereignis bei der spontanen bakteriellen Peritonitis. Bei der spontanen bakteriellen Peritonitis** handelt es sich um eine Entzündung der Aszitesflüssigkeit, die besonders häufig bei Leberzirrhose auftritt und folgenschwer verlaufen kann.
** Die häufigsten Bakterien, die eine spontane bakterielle Peritonitis verursachen, sind gramnegative Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae sowie grampositive Streptococcus pneumoniae [11].
Studienziele und Methodik: Gemäss Ernst et al. betrifft der durch den direkten Kontakt mit den Bakterien ausgelöste zelluläre Stress die p53-Familie von Transkriptionsfaktoren, die als entscheidende Regulatoren des Zellzyklus, der Reparaturmechanismen und des Zelltods (Apoptose) fungiert [3]. In seiner Wildtypform agiert p53 (wtp53) als zentraler Tumorsuppressor [7]. Zur p53-Familie von Transkriptionsfaktoren subsummiert werden die strukturell und funktionell homologen Proteine p63 und p73. In einer Vielzahl von Tumoren kommt es zu einer Veränderung der Funktion von p53 (TP53-Mutationen). In ihrer Studie untersuchten Ernst et al. die Auswirkungen von Aszites-Bakterien auf die Expression von p53-Isoformen$ in Bezug auf die Induktion des Zelltods in Epithelzellen. Dabei wandten sie ein neuartiges biotechnologisches Reportersystems an [3]. Das Reportersystem namens EXSISERS kann die Expression von Isoformen über längere Zeit hinweg in lebenden Zellen verfolgen [8].
$ Isoforme sind Varianten von Proteinen, die aus einem einzelnen Gen entstehen.
Drei exonspezifische Intein-Luciferase-Reportersysteme (EXSISERS) wurden Exon 2, 4 und 7 des TP53-Gens integriert. Gespaltene Inteine ermöglichen die Abspaltung des Enzyms Luziferase vom p53-Polypeptid, wobei die strukturelle Integrität der p53-Isoformen erhalten bleibt [9]. Mit dieser Methode lassen sich die Verhältnisse der p53-Protein-Isoformen auf zellulärer Ebene genau quantifizieren. HCT116-EXISERS-Zellen wurden mit von Patienten stammenden Escherichia coli co-kultiviert, und die drei Hauptgruppen von p53-Isoformen – Zellzyklus-Stillstand-induzierendes p53 in voller Länge, Zelltod-induzierendes Δ40p53, pro-proliferatives Δ133p53/Δ160p53 – wurden gemessen. Gleichzeitig wurde der bakteriell induzierte Zelltod in HCT116 p53-Wildtyp- und p53-Knockout-Zellen quantifiziert. Zur Bestimmung der Art des Zelltods wurde die Elektronenmikroskopie eingesetzt.
Ergebnisse: Die Co-Kultivierung von aus Patienten stammenden Bakterien mit HCT116-EXISERS-Zellen führte zunächst innert 15 Minuten zu einer erhöhten Produktion der den Zelltod auslösenden p53-Isoform Δ40p53 [3]. Danach kam es zu einem Rückgang der pro-proliferativen p53-Isoformen Δ133p53/Δ160p53. Gleichzeitig wurde als Reaktion auf den Bakterienkontakt Apoptose festgestellt, welche morphologische Merkmale der Paraptose aufwies, einschliesslich mitochondrialer Schwellung und zytoplasmatischer Vakuolisierung. Parallel zu den beobachteten morphologischen Veränderungen wurden mittels Durchflusszytometrie Schäden an den Mitochondrien und der Plasmamembran bestätigt. Der bekannte Paraptose-Inhibitor Acinomycin D blockierte den bakterieninduzierten Zelltod effizient. In Übereinstimmung mit der gemessenen Induktion der Δ40p53-Isoform wurde die Induktion des Zelltods durch einen CRISPR/Cas9-vermittelten p53-Knockout deutlich verzögert.
Zusammenfassung |
Bei Leberzirrhose mit akuter Dekompensation (AD) ist das Risiko erhöht, ein «acute-on-chronic liver failure» (ACLF) zu entwickeln. In der Studie von Dechaumet et al. konnte der Nachweis erbracht werden, dass metabolische Signaturen aus dem Blut, aber auch aus Urin und Fäkalien zwischen AD-Patienten mit und ohne ACLF differenzieren. Wobei die aus dem Blutkompartiment gewonnenen Daten die besten Stratifizierungsleistungen zu liefern scheinen. |
Bei Patienten mit Leberzirrhose kommt es aufgrund einer gestörten epithelialen Integrität zu einer bakteriellen Translokation. Die zellulären Reaktionen auf bakteriell verursachten Stress werden durch spezifische p53-Isoformen reguliert. Aus der Studie von Ernst et al. geht hervor, dass der p53-Status einen entscheidenden Einfluss auf die Anfälligkeit für Paraptose ausübt. Gezielte Induktion oder Stabilisierung bestimmter p53-Isoformen könnte daher eine therapeutische Option für die Behandlung der spontanen bakteriellen Peritonitis darstellen. |
nach [2,3] |
Kongress: EASL Congress 2024
Literatur:
- Hübener P, Braun G, Fuhrmann V: Med Klin Intensivmed Notfmed 2018; 113(8): 649–657.
- Dechaumet S, et al.: Multi-compartment metabolomics for stratifying cirrhotic patients with acute decompensation, WED-083, EASL Congress, Milan, 5–8 June 2024.
- Ernst M, et al.: Liver cirrhosis and epithelial damage – The gut-liver axis in spontaneous bacterial peritonitis and its modulation by p53, WED-106, EASL Congress, Milan, 5–8 June 2024.
- Moreau R, et al.: J Hepatol 2020; 72: 688–701.
- Haderer, M. et al.: Gut 2022; 71: 580–592.
- Rayes N: Experimentelle und klinische Untersuchung des Einflusses von Prä- und Probiotika auf bakterielle Translokation und postoperative Infektionen nach abdominalchirurgischen Eingriffen, Habilitationsschrift, 2004, https://core.ac.uk, (letzter Abruf 27.08.2024)
- Weilbacher A: Die Rolle des p53-Status für die Sensitivität von Tumoren gegenüber unterschiedlichen p53 Aktivatoren, Dissertation, 2017, https://elib.uni-stuttgart.de, (letzter Abruf 27.08.2024).
- «Neue Designer-Proteine machen Isoforme nichtinvasiv sichtbar», Helmholtz Munich, 04.06.2021.
- Truong, D-JJ, et al.: Non-Invasive and High Throughput Interrogation of Exon-Specific Isoform Expression. Nature Cell Biology 2021, doi:10.1038/s41556-021-00678-x
- Raja G, et al.: Recent Advances of Microbiome-Associated Metabolomics Profiling in Liver Disease: Principles, Mechanisms, and Applications. International Journal of Molecular Sciences 2021; 22(3): 1160. www.mdpi.com/1422-0067/22/3/1160#, (letzter Abruf 27.08.2024)
- «Spontane bakterielle Peritonitis (SBP)», Danielle Tholey, MD, www.msdmanuals.com/de, (letzter Abruf 27.08.2024).
HAUSARZT PRAXIS 2024; 19(9): 38–39 (veröffentlicht am 18.9.24, ahead of print)
GASTROENTEROLOGIE PRAXIS 2024; 2(2): 40–41
Autoren
- Mirjam Peter, M.Sc.
Publikation
- HAUSARZT PRAXIS
- GASTROENTEROLOGIE PRAXIS
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