Nierenfunktionsstörungen führen zu gravierenden Veränderungen in der Knochendichte und -mineralisation. Diese Unregelmässigkeiten werden unter dem Begriff CKD-MBD (Chronic Kidney Disease – Mineral and Bone Disorder) zusammengefasst. In einem im Clinical Kidney Journal erschienenen Überblicksartikel werden bezugnehmend auf aktuelle KDIGO-Empfehlungen Hinweise zur Behandlung der Osteoporose bei CKD-Patienten gegeben.
Die Kombination von klassischen Risikofaktoren für Knochenfrakturen – wie beispielsweise Alter, Gewicht, körperliche Inaktivität – und CKD-spezifischen Störungen des Mineral- und Knochenhaushaltes stellt eine klinische Herausforderung dar [1]. Chronische Nierenerkrankungen sind auf Dauer häufig mit Unregelmässigkeiten im Phosphat-, Kalzium-, FGF-23-, PTH- und Vitamin D-Metabolismus assoziiert. Eine eigene Leitlinie zu CKD-MBD wurde von der KDIGO (Kidney Disease: Improving Global Outcomes) 2017 überarbeitet und ist nach wie vor aktuell [2]. Da in den CKD-Stadien 3–5D ein erhöhtes Frakturrisiko vorliegt, empfiehlt die KDIGO-Leitlinie bei diesen Patienten eine Knochendichtemessung mittels DXA durchzuführen.
Zu den wichtigsten Therapiezielen bei CKD-MBD zählen [3]:
- Hyperkalzämie vermeiden
- Erhöhtes Phosphat in Richtung Normalbereich senken
- PTH im Normbereich bis leicht erhöht halten
- Vitamin-D-Mangel vermeiden bzw. beheben
Für die Frakturprävention gibt es eine Reihe von Wirkstoffen, die in den CKD-Stadien 1–3 im Allgemeinen sicher und wirksam sind [1]. Für die CKD-Stadien 4–5D liegt hingegen weniger empirische Evidenz vor und ein Einsatz ist hinsichtlich Nutzen-Risiko-Bilanz sorgfältig abzuwägen. Neben Pharmakotherapie sind auch Lebensstilfaktoren eine wichtige Säule der Behandlung (Abb. 1).

Kalzium und Vitamin D
Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung von sekundärem Hyperparathyreoidismus (SHPT) ist bei CKD-Patienten entscheidend. Erhöhte PTH (Parathormon)-Werte und abnorme Kalzium- und Phosphatwerte werden häufig ab dem CKD-Stadium 3 beobachtet und es wird geschätzt, dass 40–82% der Patienten im CKD-Stadium 3b/4 eine SHPT haben [4]. Kürzlich untersuchten Geng et al. in einer grossen Kohorte von Patienten mit CKD im Stadium 3–4 den Zusammenhang zwischen den PTH-Werten bei Baseline und langfristigen Morbiditäts- und Mortalitätsrisiken [5]. Dabei stellte sich heraus, dass ein hoher PTH-Wert ein unabhängiger Risikofaktor war zur Vorhersage von Frakturen, vaskulären Ereignissen und Tod.
Vitamin-D-Mangel ist bei CKD-Patienten – insbesondere bei Vorliegen einer Proteinurie – häufig und bekanntermassen mit einem erhöhten Frakturrisiko assoziiert. Eine Vitamin-D-Supplementierung sollte frühzeitig im Verlauf einer Nierenerkrankung verordnet werden. Um den gewünschten Zielwert für 25-OH-Vitamin D zu erreichen, wurde für CKD-Patienten eine Zufuhr von 800 IE/Tag empfohlen, wobei eventuell individuell eine Dosisanpassung sinnvoll ist [6].
Eine übermässige Kalziumzufuhr kann bei CKD-Patienten schädlich sein, insbesondere bei Hyperkalzämie, niedrigen PTH-Werten, adynamischen Knochen, gleichzeitiger Warfarin-Behandlung und/oder bestehenden kardiovaskulären Verkalkungen [7]. Die Einnahme moderater Dosen (bis zu 1000 mg/Tag) von oralem Kalzium in Kombination mit einer antiresorptiven Behandlung über einen Zeitraum von einem Jahr verbesserte die BMD, erhöhte jedoch nicht das Risiko kardiovaskulärer Verkalkungen oder arterieller Steifigkeit [8].
Antiresorptiva
Eine Reihe von Befunden deutet auf eine kontinuierliche Verringerung des Frakturrisikos durch Bisphosphonate hin, die auch mehrere Jahre nach Beendigung der Behandlung anhält. Die Frakturprävention durch Denosumab wurde bei postmenopausalen Frauen mit normaler Nierenfunktion sowie bei Patienten in den CKD-Stadien 1–3 für mindestens 10 Jahre nachgewiesen [9,10]. In den CKD-Stadien 4–5D besteht für Bisphosphonate eine relative Kontraindikation, aufgrund der eingeschränkten renalen Clearance mit dem Risiko einer systemischen Akkumulation sowie einigen Fallberichten über akutes Nierenversagen. Bei einer eGFR <30 ml/min/1,73 m2 ist die Verwendung von Bisphosphonaten daher in den meisten Ländern nicht zugelassen.
Denosumab wird weder über die Nieren ausgeschieden noch hat es negative Auswirkungen auf die Nierenfunktion, sodass es in den CKD-Stadien 4–5D nicht kontraindiziert ist [11]. Mehrere Beobachtungsstudien und einige kleine RCTs weisen auf mässige bis grosse Effekte auf die BMD hin, ohne dass sich das kardiovaskuläre Risiko erhöht, auch nicht bei Nierenerkrankungen im Endstadium. Allerdings sollte beachtet werden, dass es nach Absetzen von Denosumab zu einem Rebound-Effekt kommen kann und das Risiko für Hypokalzämie erhöht ist [13]. Atypische Femurfrakturen und Osteonekrose des Kiefers sind seltene Komplikationen von antiresorptiven Behandlungen, die bei CKD nicht häufiger auftreten als in anderen Bevölkerungsgruppen.
Osteoanabolika
Teriparatid und Abaloparatid sind osteoanabole Medikamente für die Behandlung von Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit hohem Frakturrisiko. Post-hoc-Analysen von Zulassungsstudien zeigten eine vergleichbare Wirksamkeit hinsichtlich der Verringerung des Frakturrisikos und der Erhöhung der BMD bei Patienten mit normaler Nierenfunktion im Vergleich zu Patienten mit CKD-Stadien 1–3 und normalen endogenen PTH-Spiegeln [14,15]. Betreffend Sicherheit führte Teriparatid bei CKD-Patienten häufiger zu Hyperkalzämie und Hyperurikämie, jedoch ohne eine erhöhte Inzidenz klinischer Ereignisse wie Nephrolithiasis oder Gicht zu verursachen. Daher scheint die Behandlung mit Osteoanabolika bei Patienten in den CKD-Stadien 1–3 mit hohem Frakturrisiko und ohne erhöhtes endogenes PTH, wirksam und sicher zu sein, wenn ein angemessenes Monitoring erfolgt. Für die CKD-Stadien 4–5 gibt es aus kleineren Studien Hinweise auf einen Anstieg der BMD, insgesamt ist aber die Datenlage begrenzt.
Romosozumab
Eine Beobachtungsstudie bezüglich einer einjährigen Behandlung mit Romosozumab bei Hämodialysepatienten zeigte eine positive Wirkung auf die BMD, ohne dass im Vergleich zu alters- und geschlechtsgematchten Kontrollen eine erhöhte Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse auftrat [16]. Allerdings waren 61,5% der mit Romosozumab behandelten Patienten mit Bisphosphonaten vorbehandelt (wurde bei Beginn der Romosozumab-Therapie abgesetzt). Eine kürzlich durchgeführte Post-hoc-Analyse von Daten aus zwei Zulassungsstudien zeigte, dass die Wirksamkeit und Sicherheit von Romosozumab im Vergleich zu Alendronat oder Placebo bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose bei unterschiedlichen Nierenfunktionswerten ähnlich war [17]. Diese Daten sind zwar vielversprechend, aber die zahlenmässig höhere Inzidenz unerwünschter kardiovaskulärer Ereignisse in der Romosozumab-Gruppe mahne zur Vorsicht und erfordere zusätzliche Sicherheitsdaten, zumal CKD-Patienten zu einer Hochrisikogruppe gehören, so die Autoren des Überblicksartikels [18,19]. Ausserdem gelte es zu beachten, dass bei Patienten mit CKD im Stadium 4–5D eine Romosozumab-Therapie eine tiefgreifende Hypokalzämie auslösen kann [1].
Menopausale Hormontherapie und SERMs
Die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse ist bei CKD gestört. Folglich sind eine frühe Menopause oder Hypogonadismus bei CKD-Patienten weit verbreitet. Es wird angenommen, dass die Hormonersatztherapie (HRT) eine wichtige Rolle bei der Behandlung der Osteoporose bei CKD spielen kann. Doch aufgrund der begrenzten Daten aus RCTs ist eine eindeutige Empfehlung für HRT und SERMs bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung kaum möglich [11]. Hinsichtlich Nutzen-Risiko-Profil wird ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko (einschliesslich bezüglich thromboembolischer Ereignisse) bei CKD-Patienten als kritisch bewertet.
Kalzimimetika und Parathyreoidektomie
Obwohl es an qualitativ hochwertigen Belegen für eine Wirkung von Cinacalcet auf die Verringerung des Frakturrisikos in CKD-Stadien 4–5D mangelt, deuten Post-hoc-Analysen von placebokontrollierten Studien darauf hin, dass es gewisse Effekte geben könnte [21]. Eine weitere Subgruppenanalyse der Studie Evaluation of Cinacalcet Hydrochloride Therapy to Lower Cardiovascular Events (EVOLVE) deutet darauf hin, dass es bei einer Cinacalcet-Behandlung von Patienten mit hohem Frakturrisiko ratsam ist, die Kalziumbilanz zu berücksichtigen [21].
Was die Parathyreoidektomie betrifft, so steigt die BMD sowohl bei primärem als auch bei sekundärem Hyperparathyreoidismus nach dem Eingriff an, insbesondere bei Patienten mit Osteoporose [22,23]. Darüber hinaus zeigt eine grosse Studie des US Renal Data System durchwegs, dass die Parathyreoidektomie das Frakturrisiko bei Hämodialysepatienten verringert [24]. Im Gegenzug können jedoch die Hospitalisierungsraten im ersten Jahr nach der Operation erheblich ansteigen [25].
Take-Home-Messages
- Kalzium und Vitamin D zählen auch bei CKD-Patienten zu den standardmässig eingesetzten Strategien zur Frakturprävention bei Osteoporose sowie zur Behandlung und Prävention von sekundärem Hyperparathyreoidismus (SHPT) [26]. Insbesondere bezüglich Kalzium gilt es, die Dosierung sorgfältig abzuwägen, um unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden. Und bezüglich CKD-Stadien 4–5D ist zu berücksichtigen, dass die Evidenzbasis gering ist.
- Bezüglich antiresorptiver Substanzen weist die Evidenzlage darauf hin, dass ihr Einsatz bei CKD 1–3 sicher und wirksam ist [1]. In den CKD-Stadien 4–5D kann die Verwendung von Antiresorptiva vorteilhaft sein, sollte aber auf der Grundlage einer individuellen Bewertung erfolgen, bis mehr direkte Beweise für die Frakturprävention bei diesen Patienten vorliegen.
- Osteoanabolika sind bei Patienten mit CKD im Stadium 1–3, die ein hohes Frakturrisiko aufweisen, ohne erhöhte endogene Parathormon (PTH)-Werte zu haben, wirksam und sicher [1]. Bei Patienten mit CKD im Stadium 4–5 und Anzeichen von adynamischen Knochen können PTH-Analoga zur Verringerung des Frakturrisikos auf individueller Basis in Betracht gezogen werden. Aufgrund des Mangels an Daten in dieser speziellen Population ist Vorsicht geboten, aber ein Teil der Patienten kann eventuell von einer anabolen Behandlung profitieren.
- Dass Romosozumab bei post-menopausalen Frauen in der kortikalen Knochenmasse zu einem akzentuierten BMD-Zuwachs zu führen scheint, ist für CKD-Patienten interessant [16]. Aber die Autoren der Überblicksarbeit weisen darauf hin, dass aktuell keine klinischen Studiendaten verfügbar sind, welche die Wirksamkeit von Romosozumab bei CKD eindeutig belegen [1].
- Aufgrund der begrenzten Daten aus RCTs ist eine eindeutige Empfehlung für HRT und SERMs bei CKD-Patienten zum jetzigen Zeitpunkt kaum möglich [1,11].
- Bei manchen Osteoporosepatienten mit primärem oder sekundärem Hyperparathyroidismus führt eine Parathyroidektomie zu einem Anstieg der Knochendichte (BMD). In einer Analyse im Rahmen des US Renal Data System konnte ausserdem gezeigt werden, dass Parathyroidektomie das Frakturrisiko bei Hämodialysepatienten senkt [24].
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HAUSARZT PRAXIS 2023; 18(9): 38–39
Autoren
- Mirjam Peter, M.Sc.
Publikation
- HAUSARZT PRAXIS
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