Colitis ulcerosa ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, die für Betroffene mit erheblichen Beschwerden und einem erhöhten Darmkrebsrisiko verbunden sein kann. Immer mehr Patienten interessieren sich für pflanzliche Arzneimittel als Ergänzung oder Alternative zur Standardtherapie. Dieser Artikel basiert auf der systematischen Übersichtsarbeit von Iyengar P et al. (2024) und erklärt, welche pflanzlichen Präparate bei aktiver Colitis ulcerosa untersucht wurden, wie sie wirken und worauf Patienten achten sollten.
Colitis ulcerosa: Symptome, Ursachen und aktuelle Therapie
Die Colitis ulcerosa (CU) ist eine Form der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), die durch wiederkehrende Entzündungen der Schleimhaut im Dickdarm (Kolon) gekennzeichnet ist. Zu den typischen Symptomen zählen anhaltender Durchfall, Bauchschmerzen, rektale Blutungen (Blut im Stuhl), Gewichtsverlust und Müdigkeit. Zusätzlich können sogenannte extraintestinale Manifestationen auftreten, das heißt Beschwerden außerhalb des Darms wie Gelenkschmerzen, Hautveränderungen oder Augenentzündungen. Ein weiteres Risiko ist die erhöhte Wahrscheinlichkeit, im Verlauf der Erkrankung an Darmkrebs zu erkranken.
Die Ursachen der Colitis ulcerosa sind komplex und noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass eine Kombination aus genetischer Veranlagung und Umweltfaktoren zu einer Fehlregulation des Immunsystems führt. Dabei kommt es zu einer übermäßigen Aktivierung von Entzündungszytokinen (Botenstoffe, die Entzündungen fördern), einem Ungleichgewicht zwischen regulatorischen und Effektor-T-Zellen (verschiedene Arten von Immunzellen) sowie einer Dysbiose der Darmmikrobiota (Störung des natürlichen Gleichgewichts der Darmbakterien).
Die Standardtherapie der CU zielt darauf ab, die Entzündungsreaktionen zu unterdrücken, die Symptome zu lindern und eine Remission (Beschwerdefreiheit) zu erreichen. Zu den häufig eingesetzten Medikamenten gehören Aminosalicylate (z. B. Mesalazin), Immunsuppressiva (z. B. Azathioprin) und Biologika (biotechnologisch hergestellte Antikörper). Trotz dieser modernen Therapien leiden viele Patienten weiterhin unter Krankheitsschüben, und etwa 15% müssen sich im Verlauf einer teilweisen oder vollständigen Kolektomie (Entfernung des Dickdarms) unterziehen. Immunsuppressive Medikamente erhöhen zudem das Risiko für Infektionen und bestimmte Krebsarten.
Pflanzliche Arzneimittel: Motivation, Anwendung und Herausforderungen
Viele Patienten mit Colitis ulcerosa sind mit der Wirkung oder den Nebenwirkungen der Standardtherapie unzufrieden und suchen nach alternativen oder ergänzenden Behandlungsmöglichkeiten. Pflanzliche Arzneimittel sind dabei eine der am häufigsten genutzten Formen der komplementären Medizin. Studien zeigen, dass zwischen 19% und 54% der CU-Patienten pflanzliche Präparate verwenden. Häufig werden diese Mittel jedoch nicht mit dem behandelnden Arzt besprochen, was die Beratung und die Einschätzung möglicher Wechselwirkungen erschwert.
Ein Problem bei pflanzlichen Arzneimitteln ist, dass die wissenschaftliche Evidenz für ihre Wirksamkeit und Sicherheit oft begrenzt ist. Viele Ärzte verfügen nicht über ausreichende Informationen oder klinische Daten, um eine fundierte Empfehlung geben zu können. Die bisherige Forschung konzentrierte sich häufig auf die am weitesten verbreiteten Präparate, schloss aber oft auch Patienten in Remission (ohne akute Beschwerden) oder Beobachtungsstudien ohne Kontrollgruppe ein. Das erschwert die Bewertung der tatsächlichen Wirksamkeit bei aktiver Erkrankung.
Die hier vorgestellte systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse hat sich daher gezielt auf randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) konzentriert, die die Wirksamkeit pflanzlicher Arzneimittel bei aktiver Colitis ulcerosa untersuchen. Ziel war es, eine möglichst verlässliche Einschätzung zu ermöglichen, welche pflanzlichen Präparate tatsächlich einen Nutzen bringen könnten.
Studienübersicht: Welche pflanzlichen Arzneimittel wurden untersucht?
Für die systematische Übersichtsarbeit wurden verschiedene medizinische Datenbanken (Medline, EMBASE, Cochrane Library, Web of Science) bis September 2022 durchsucht. Die Suchstrategie umfasste Begriffe wie „Colitis ulcerosa“, „pflanzliche Arzneimittel“, „Pflanzenextrakte“ und „randomisierte kontrollierte Studien“. Eingeschlossen wurden Studien, die folgende Kriterien erfüllten: (1) Untersuchung von Patienten mit aktiver Colitis ulcerosa (leicht, mittelschwer oder schwer), (2) prospektive kontrollierte Studien mit Placebo- oder Standardtherapie-Vergleich, (3) Intervention mit einem pflanzlichen Arzneimittel.
Ausgeschlossen wurden Studien an Tieren, Untersuchungen bei Patienten in Remission, Fallberichte, Fallserien, narrative Übersichten oder biochemische Modellstudien. Die wichtigsten Endpunkte waren die klinische Remission (Beschwerdefreiheit) und das klinische Ansprechen (Verbesserung der Symptome). Sekundäre Endpunkte umfassten die endoskopische Ansprechrate (Verbesserung bei Darmspiegelung), endoskopische Remission und die Sicherheit der Anwendung. Die Studienauswahl erfolgte durch zwei unabhängige Gutachter, bei Unstimmigkeiten entschied ein dritter Experte.
Insgesamt wurden 1227 potenzielle Studien identifiziert, von denen 28 RCTs mit insgesamt 18 verschiedenen pflanzlichen Arzneimitteln die Einschlusskriterien erfüllten. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Meta-Analyse werden im Folgenden vorgestellt.
Curcuma longa (Kurkuma): Wirkung, Studienlage und Sicherheit
Curcuma longa, besser bekannt als Kurkuma, ist ein aus der Wurzel der Kurkumapflanze gewonnenes pflanzliches Arzneimittel, das seit Jahrhunderten in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und der ayurvedischen Medizin verwendet wird. Kurkuma ist für seine entzündungshemmenden, antioxidativen und antikarzinogenen (krebshemmenden) Eigenschaften bekannt. In der Meta-Analyse wurden acht randomisierte kontrollierte Studien identifiziert, die die Wirkung von Kurkuma bei aktiver Colitis ulcerosa untersuchten.
In vier dieser Studien wurde Kurkuma als Zusatztherapie zu Mesalazin eingesetzt. Die Ergebnisse zeigten signifikante Vorteile bei der klinischen Remission und beim endoskopischen Ansprechen im Vergleich zu Placebo. So berichtete beispielsweise die Studie von Banerjee et al. (2021), dass 44% der Patienten, die Kurkuma zusätzlich zu Mesalazin erhielten, nach sechs Wochen in klinischer Remission waren, während in der Placebo-Gruppe kein Patient diesen Zustand erreichte (p<0,01). Auch die endoskopische Remission (Heilung der Darmschleimhaut bei der Darmspiegelung) wurde in der Kurkuma-Gruppe deutlich häufiger beobachtet (35,3% vs. 0%; p<0,001).
Eine Meta-Analyse von sechs Kurkuma-Studien bestätigte diese Ergebnisse: Die Rate klinischer Remissionen war mit Kurkuma signifikant höher (RR 2,58; 95%-Konfidenzintervall 1,18–5,63), ebenso das endoskopische Ansprechen (RR 1,56; 95%-Konfidenzintervall 1,08–2,26). Die Nebenwirkungen waren insgesamt gering und beschränkten sich meist auf leichte Magen-Darm-Beschwerden wie Blähungen oder Übelkeit. Schwere unerwünschte Ereignisse wurden in keiner der Studien berichtet, was auf eine gute Verträglichkeit von Kurkuma hindeutet.
Die antioxidativen und entzündungshemmenden Eigenschaften von Kurkuma könnten eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Darmschleimhaut und der Reduktion von Entzündungen spielen. Die Ergebnisse legen nahe, dass Kurkuma in Kombination mit Mesalazin als wirksame Zusatztherapie bei aktiver Colitis ulcerosa eingesetzt werden könnte. Dennoch sollten Patienten die Einnahme immer mit ihrem behandelnden Arzt besprechen, um mögliche Wechselwirkungen oder individuelle Risiken zu berücksichtigen.
Indigo naturalis und Andrographis paniculata: Chancen und Risiken
Indigo naturalis ist ein traditionelles Heilmittel der chinesischen Medizin, das aus verschiedenen Pflanzenarten gewonnen wird. In der Meta-Analyse wurden zwei randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 87 Patienten ausgewertet. Die Ergebnisse zeigten eine signifikant höhere klinische Ansprechrate in der Indigo-naturalis-Gruppe im Vergleich zu Placebo (RR 3,70; 95%-Konfidenzintervall 1,97–6,95). Auch kleinere Beobachtungsstudien unterstützen diese Ergebnisse und deuten darauf hin, dass Indigo naturalis bei aktiver Colitis ulcerosa wirksam sein könnte.
Allerdings gibt es Berichte über schwerwiegende Nebenwirkungen wie pulmonale Hypertonie (erhöhter Blutdruck in den Lungengefäßen) und Leberschäden. In einer japanischen Studie entwickelten elf Patienten eine pulmonale Hypertonie, die sich nach Absetzen des Präparats jedoch wieder zurückbildete. Aufgrund dieser Risiken sollte Indigo naturalis nur unter ärztlicher Aufsicht und mit regelmäßiger Kontrolle angewendet werden, bis weitere Sicherheitsdaten vorliegen.
Andrographis paniculata ist ein in der ayurvedischen Medizin häufig verwendetes Kraut, das ebenfalls auf seine Wirkung bei Colitis ulcerosa untersucht wurde. Zwei randomisierte kontrollierte Studien fanden jedoch keine signifikanten Unterschiede im klinischen Ansprechen (RR 0,95; 95%-Konfidenzintervall 0,71–1,26) oder in der klinischen Remission (RR 1,31; 95%-Konfidenzintervall 0,86–2,01) im Vergleich zu Placebo. Das deutet darauf hin, dass die derzeit verwendeten Dosierungen möglicherweise nicht ausreichend sind, um eine therapeutische Wirkung zu erzielen. Immerhin wurden keine schwerwiegenden Nebenwirkungen berichtet, was für eine gute Verträglichkeit spricht.
Insgesamt zeigt die systematische Übersichtsarbeit, dass Curcuma longa das größte Potenzial als ergänzende Therapie zur Standardbehandlung bei aktiver Colitis ulcerosa hat. Für Indigo naturalis und Andrographis paniculata sind weitere Studien notwendig, um Wirksamkeit und Sicherheit besser beurteilen zu können.
Was bedeuten die Ergebnisse für Patienten?
Die Ergebnisse der systematischen Übersichtsarbeit und Meta-Analyse zeigen, dass pflanzliche Arzneimittel eine vielversprechende Ergänzung zur Standardtherapie bei aktiver Colitis ulcerosa sein können, insbesondere Curcuma longa. Die Studienlage spricht dafür, dass Kurkuma in Kombination mit Mesalazin die Chancen auf eine klinische Remission und eine Heilung der Darmschleimhaut erhöhen kann. Die Verträglichkeit ist insgesamt gut, schwere Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet.
Bei Indigo naturalis gibt es Hinweise auf eine Wirksamkeit, jedoch auch auf potenziell schwerwiegende Nebenwirkungen. Patienten, die Indigo naturalis einnehmen möchten, sollten dies nur unter ärztlicher Kontrolle tun und auf mögliche Symptome wie Atemnot oder Leberbeschwerden achten. Für Andrographis paniculata konnte bislang kein klarer Nutzen nachgewiesen werden, die Verträglichkeit scheint aber gut zu sein.
Wichtig ist, dass Patienten die Einnahme pflanzlicher Arzneimittel immer mit ihrem behandelnden Arzt besprechen. Nur so können mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, individuelle Risiken und die richtige Dosierung berücksichtigt werden. Die wachsende Beliebtheit pflanzlicher Präparate macht es notwendig, dass Ärzte und Patienten gemeinsam fundierte Entscheidungen treffen.
Die Autoren der Übersichtsarbeit betonen, dass weitere groß angelegte, gut konzipierte klinische Studien notwendig sind, um die Wirksamkeit und Sicherheit pflanzlicher Arzneimittel bei Colitis ulcerosa noch besser zu verstehen. Nur so können diese Präparate in Zukunft gezielt und sicher in die klinische Praxis integriert werden.
Fazit: Pflanzliche Arzneimittel als Ergänzung bei Colitis ulcerosa
Pflanzliche Arzneimittel gewinnen bei der Behandlung der aktiven Colitis ulcerosa zunehmend an Bedeutung. Besonders Curcuma longa (Kurkuma) hat sich in mehreren hochwertigen Studien als wirksame und gut verträgliche Zusatztherapie zur Standardbehandlung erwiesen. Die antioxidativen und entzündungshemmenden Eigenschaften von Kurkuma könnten dabei helfen, die Darmschleimhaut zu schützen und Entzündungen zu reduzieren.
Indigo naturalis zeigt ebenfalls vielversprechende Ergebnisse, allerdings sind die potenziellen Nebenwirkungen wie pulmonale Hypertonie und Leberschäden ernst zu nehmen. Hier ist eine sorgfältige ärztliche Überwachung unerlässlich. Für Andrographis paniculata gibt es bislang keine überzeugenden Belege für eine Wirksamkeit bei Colitis ulcerosa, die Verträglichkeit scheint aber gut zu sein.
Patienten sollten sich bewusst sein, dass pflanzliche Arzneimittel nicht automatisch sicher oder frei von Nebenwirkungen sind. Eine offene Kommunikation mit dem behandelnden Arzt ist entscheidend, um die bestmögliche Behandlung zu gewährleisten. Die aktuelle Studienlage ist vielversprechend, aber es besteht weiterhin Forschungsbedarf. In Zukunft könnten pflanzliche Arzneimittel eine noch größere Rolle in der Therapie der Colitis ulcerosa spielen – vorausgesetzt, ihre Wirksamkeit und Sicherheit werden durch weitere Studien bestätigt.
Quellen
- Iyengar P, Godoy-Brewer G, Maniyar I, et al.: Herbal Medicines for the Treatment of Active Ulcerative Colitis: A Systematic Review and Meta-Analysis. Nutrients. 2024 Mar 23;16(7): 934. doi: 10.3390/nu16070934. PMID: 38612967; PMCID: PMC11013716.
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