Epileptische Anfälle sind die klinische Manifestation von exzessiven hyper­synchronen Entladungen von Nervenzellen des zerebralen Kortex. Obwohl die pharmakologischen Möglichkeiten in den letzten Jahrzehnten deutlich vielfältiger geworden sind, ist ein effektives Behandlungsmanagement dennoch mit grossen Herausforderungen verbunden. Ziel ist eine individuell gestaltete Präzisionsmedizin, bei der der Krankheitsverlauf optimiert wird.

In der Schweiz leben rund 80’000 Menschen mit einer Epilepsie [1]. Bis zu 5% der Bevölkerung erleiden im Laufe ihres Lebens einen epileptischen Anfall [2]. Eine Epilepsie ist definiert als Funktionsstörung des Gehirns, die aufgrund einer pathologischen Erregungsbildung bei gleichzeitig fehlender Erregungsbegrenzung in den Nervenzellverbänden des ZNS entsteht [3]. Dabei müssen mindestens zwei nicht provozierte epileptische Anfälle im Abstand von mehr als 24 Stunden, oder ein nicht provozierter epileptischer Anfall auftreten, der mit einer hohen Wahrscheinlichkeit verbunden ist, dass innerhalb der nächsten 10 Jahre weitere Anfälle auftreten. Die Ursachen und Risikofaktoren sind vielschichtig (Tab. 1) [2]. Insgesamt gibt es über 30 unterschiedliche Arten von Epilepsie [1].

Es werden mehrere Anfallsformen unterschieden:

  • Absence: Kurze Bewusstseinstrübung, die meist im Kindesalter auftritt
  • Myoklonischer Anfall: Mit Zuckungen einzelner Muskelgruppen verbundener Anfall
  • Fokaler Anfall: Häufig im Vorfeld veränderte Wahrnehmung (Aura), dann durch auf einen Hirnbereich beschränkter Anfall mit u.a. Missempfindungen, automatischen Bewegungen, Sprachstörungen etc.
  • Generalisierter Anfall: Anfall in beiden Hirnhälften mit Bewusstlosigkeit und Zuckungen bzw. Verkrampfungen der Extremitäten.

Ferner kann sich ein zunächst fokal beginnender Anfall weiter ausbreiten und so zu einem «sekundär generalisierten Anfall» werden. Ob sich ein Anfall überhaupt wiederholt, wenn ja, wie häufig und wie stark die Erkrankung ausgeprägt ist, ist individuell sehr unterschiedlich. Das diagnostische Vorgehen ist daher sehr umfassend. Neben einer sequentiellen Beschreibung der Anfälle durch den Patienten werden Veränderungen im Elektroenzephalogramm (EEG) detektiert. Neben einem Oberflächen-EEG kann ein intrakranielles EEG erforderlich werden. Insbesondere, wenn eine genaue Diagnosestellung die Voraussetzung für einen erfolgreichen chirurgischen Eingriff darstellt. Hierfür kommt dann auch die multimodale Bildgebung mit Hochfeld-MRT oder molekularer Bildgebung zum Einsatz [4].

 

 

Individuell auf die Bedürfnisse zugeschnittene Behandlungs­möglichkeiten

In erster Linie wird die Epilepsie mit Antiepileptika behandelt. Bei zwei Drittel der Betroffenen kann so eine langfristige Anfallsfreiheit erzielt werden. Zur Verfügung stehen über 20 unterschiedliche Wirkstoffe, wie u.a. Carbamazepin, Gabapentin, Lamotrigin, Levetiracetam, Oxcarbazepin, Topiramat, Valproinsäure oder Zonisamid. Zu den Neuentwicklungen der letzten Jahre für die Behandlung fokaler Epilepsien zählen Eslicarbazepinacetat, Perampanel, Lacosamid und Brivaracetam. Eslicarbazepinazetat gehört zu den Dritt-Generations-Antiepileptika. Als Weiterentwicklung von Carbamazepin und Oxcarbazepin weist es einen selektiveren Einsatz des Enantiomers und eine deutlich verbesserte Pharmakokinetik auf. So kann auch eine Einmalgabe bei gleichmässigeren Serumspiegeln erfolgen. Erst, wenn die Anfälle trotz Medikamenteneinnahme weiter andauern, greifen Massnahmen, wie z.B. eine Operation, Vagusnervstimulation oder tiefe Hirnstimulation.

Grundsätzlich sollte die Medikamentenwahl individuell getroffen werden. Neben der Anfallssituation sollten daher auch das Alter, Geschlecht und die Compliance berücksichtigt werden. Auch sind bei schwer behandelbaren Epilepsien häufiger Kombinationsbehandlungen notwendig, als bei vaskulär bedingten Epilepsien. Bei letzteren sind in der Regel Monotherapien mit beispielsweise Eslicarbazepinacetat, Lamotrigin oder Pregabalin zielführend.

Literatur:

  1. www.epi.ch/ueber-epilepsie (letzter Zugriff am 07.03.2022)
  2. www.usz.ch/krankheit/epilepsie (letzter Zu­griff am 07.03.2022)
  3. https://flexikon.doccheck.com/de/Epilepsie (letzter Zu­griff am 07.03.2022)
  4. Baud MO, Schindler K, Flügel D, Bassetti C: Personalisierte Chronotherapie bei Epilepsie. Swiss Med Forum. 2020; 20(3940): 532–537.

InFo NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE 2022; 20(2): 32

Autoren
  • Leoni Burggraf 
Publikation
  • INFO NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE 

Comments are closed.