Das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, ist für Diabetiker massiv höher als in der Allgemeinbevölkerung. Neue Daten weisen darauf hin, dass Dulaglutid bei einer Behandlung über einen längeren Zeitraum das Risiko für einen ischämischen Schlaganfall bei Diabetespatienten reduziert. Dies zeigt eine 2020 veröffentlichte post-hoc Analyse der REWIND-Studie.

GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) und ­SGLT-2-Hemmer zählen zu den Vertretern der neusten Generation der Antidiabetika, welche unter anderem erwiesenermassen zu einer Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse und der Mortalität beitragen [1]. Die Wirkmechanismen dieser beiden Substanzklassen sind unterschiedlich und bislang noch nicht vollständig geklärt. GLP-1-RA sind Wirksubstanzen, welche eine analoge Struktur zum menschlichen glucagon-like peptide 1 (GLP-1) aufweisen und glukoseabhängig zur Stimulation der Insulinsekretion und zu einer Hemmung der Glukagon-Sekretion führen. Sowohl für Liraglutid (Victoza®), Semaglutid (Ozempic®) und Dulaglutid (Trulicity®) wurde in den grossen Endpunktstudien (CVOTs*) ein kardiovaskulärer Benefit bewiesen, indem sich hinsichtlich 3-Punkte-MACE eine signifikante Risikoreduktion zeigte [2,3].

* CVOT = CardioVascularOutcomeTrial 

Senkung der Schlaganfallinzidenz

Herzinfarkt und ischämische Insulte zählen zu den häufigsten und gefährlichsten Spätfolgen einer Diabeteserkrankung [5]. In der Studie REWIND (REsearching cardiovascular events with a Weekly IncretiN in Diabetes) führte Dulaglutid im Vergleich zu Placebo zu einer Verringerung des Auftretens von Schlaganfällen um 16% (HR: 0,84) [6]. Keinen Aufschluss gaben diese Daten darüber, ob Dulaglutid nur vor einer bestimmten Art des Schlaganfalles schützt und ob auch eine Verringerung des Schweregrades manifester Schlaganfall­ereignisse bewirkt wird, sowie welche Patientengruppen am meisten von den protektiven Effekten profitieren können. Dies war der Ausgangspunkt für eine neue 2020 veröffentlichte post-hoc Analyse der REWIND Studie eines Forschungsteams um Dr. Gerstein von der McMaster University in Hamilton, Kanada [4]. Es konnte gezeigt werden, dass nach einer mittleren Behandlungsdauer von 5,4 Jahren die Schlaganfallrate in der Dulaglutid-Bedingung 3,2% betrug im Vergleich zu 4,1% in der Placebo-Bedingung [4]. Bezüglich der hämorrhagischen Variante des Schlaganfalls war keine Risikoreduktion zwischen beiden Gruppen messbar. In die Studie inkludiert waren rund 9900 Männer und Frauen mit Typ-2-Diabetes und kardiovaskulären Risikofaktoren an insgesamt 400 Standorten in 24 Ländern. Je die Hälfte der Probanden erhielt zusätzlich zur Standarddiabetestherapie einmal pro Woche subkutan Dulaglutid 1,5 mg oder Placebo. Hinsichtlich Patientenmerkmalen lag das Alter der Studienteilnehmer über 50 Jahren, der BMI war >23, HbA1c <9,5%. Die Standard­dia­betesbehandlung beinhaltete bis zu zwei orale glukosesenkende Medikamente mit oder ohne basale ­Insulintherapie.

Individuelles Nutzen-Risiko-Profil

Makro­angiopathische Schäden sind häufige Komplikationen von Diabetes und bei 20–40% aller ischämischen Schlaganfälle krankheitsverursachend. In etwa 85% aller Schlaganfallereignisse handelt es sich um ischämische Insulte, also um eine arterielle Verschlusskrankheit im Gehirn aufgrund einer zerebralen Durchblutungsstörung. Hämorrhagische Insulte machen etwa 15% aller Schlaganfälle aus und sind eine Folge einer intrazerebralen Blutung. Ischämische Schlaganfälle können durch verschiedene Faktoren getriggert werden. Neben Hypertonie und Rauchen zählen Adipositas und Diabetes zu den wichtigsten Einflussfaktoren. Eine manifeste Diabeteserkrankung führt zu einem doppelt bis dreifach erhöhten Risiko für einen Schlaganfall [5].  Zu den unbeeinflussbaren Risikofaktoren zählen Alter, Geschlecht und genetische Determinanten.
Eine auf die individuellen Voraussetzungen abgestimmte Diabetesbehandlung ist essenziell.  Die Entscheidung, welches die adäquate Therapieoption ist, sollte sorgfältig geprüft werden. Eine optimale Einstellung des HbA1c kann zu einer Risikosenkung beitragen [5], weitere Schutzmechanismen sind noch nicht abschliessend erforscht. GLP-1-RA lassen sich sowohl mit oralen Antidiabetika als auch mit Insulin kombinieren. Im Gegensatz zu SGLT-2-Hemmern, welche oral verabreicht werden, erfolgt die Applikation von GLP-1-RA subkutan.

Literatur:

  1. Lehmann R, et al.: Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie (SGED/SSED) für die Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2, 2020, www.sgedssed.ch
  2. Compendium
  3. Lehmann R: Moderne Diabetestherapie: Ein Update 2020. Prof. Dr. med. Roger Lehmann, VZI Symposium 2020 Universität, Zürich, 31.01.2020
  4. Gerstein HC, et al.: The effect of dulaglutide on stroke: an exploratory analysis of the REWIND trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2020; 8(2): 106-114.
  5. Stiefelhagen P: Individuelle Prävention: Schlaganfall bei Diabetes verhindern. Diabetes Update 2019, https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s11298-019-7318-0.pdf  
  6. Gerstein HC, et al.: Dulaglutide and cardiovascular outcomes in type 2 diabetes (REWIND): a double-blind, randomised placebo-controlled trial. The Lancet 2019; 394(10193): 121–130.

HAUSARZT PRAXIS 2020; 15(6): 48

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