Die meisten Schwangerschaften bei Epilepsie verlaufen problemlos, gleichwohl gilt es epilepsiespezifische Probleme zu antizipieren und im Rahmen eines gezielten Schwangerschafts-«Managements» gemeinsam zwischen Arzt und Patientin zu bearbeiten. Die vorliegende Übersicht thematisiert diese Probleme vor und während der Schwangerschaft bei Geburt und postpartal.
Das Vorliegen einer Epilepsie sollte nicht zum Anlass genommen werden, trotz Kinderwunsches auf eigene Kinder zu verzichten. Die meisten Schwangerschaften bei Epilepsie verlaufen problemlos, und die meisten Kinder epilepsiekranker Mütter (und Väter) werden gesund geboren und entwickeln sich gemäss den Erwartungen. Allerdings sind bei Kinderwunsch und Schwangerschaft sehr wohl epilepsiespezifische Probleme zu antizipieren, die im Rahmen eines gezielten Schwangerschafts-«Managements» gemeinsam von Arzt und Patientin bearbeitet werden können. Die vorliegende orientierende Übersicht thematisiert diese Probleme gewissermassen chronologisch: Welche Gesichtspunkte sind vor einer Schwangerschaft, während der Schwangerschaft und bei Geburt und postpartal jeweils zu bedenken? Dabei liegt der Schwerpunkt der Betrachtung bei der Konstellation von epilepsiekranker (potenzieller) Mutter und Kind, nicht bei epilepsiebezogenen Aspekten des männlichen Kinderwunsches, nicht also beim (potenziellen) Vater. Zwar kann auch beim Mann die Fertilität durch Epilepsie und Medikamente beeinträchtigt sein [1], und auch die väterliche Epilepsie kann das Epilepsierisiko des Kindes leicht erhöhen [2]. Aber das Kind ist in der Schwangerschaft ausschliesslich den mütterlichen Medikamenten und den mütterlichen Anfällen ausgesetzt, und die Mutter, nicht aber der Kindsvater muss die Wechselbeziehungen von Epilepsie und Schwangerschaft am eigenen Leibe erfahren.

Fertilität
Die Epilepsie und zusätzlich die antikonvulsive Medikation können die weibliche Fertilität über unterschiedliche Mechanismen um 15–30% reduzieren [1]. Epilepsiekranke Frauen mit manifestem Kinderwunsch, bei denen nicht bereits im Vorfeld eine Fertilitätsstörung bekannt ist, werden aber im Vergleich zu gesunden Frauen nicht verzögert schwanger [3]. In den meisten Fällen kann eine Schwangerschaft bei Epilepsie wunschgemäss erreicht werden.
Mütterliche Gesundheitsrisiken
Frauen mit Epilepsie weisen im Vergleich zu Frauen ohne Epilepsie leicht erhöhte Risiken für Spontanaborte, vor- und nachgeburtliche Blutungen, arterielle Hypertension und Entbindung vor der 37. Schwangerschaftswoche auf [4]. Medikamentös behandelte epilepsiekranke Frauen zeigten ein etwas erhöhtes Risiko für nachgeburtliche Blutungen im Vergleich zu Frauen mit unbehandelter Epilepsie [4]. In einer älteren Übersichtsstudie war hingegen noch kein eindeutig epilepsiebezogenes erhöhtes Risiko für Schwangerschaftshypertonie, Präeklampsie, Spontanaborte, perinatalen Tod des Kinds oder Status epilepticus der Mutter aus den verfügbaren Daten ersichtlich geworden [5], zumindest in einer anderen Einzelstudie [6] aber ein vermehrtes Auftreten von Gestationsdiabetes.
Vererbungsrisiko
Vor einer Schwangerschaft würde man gern das Risiko für das Auftreten einer kindlichen Epilepsie abschätzen. Bei den seltenen monogenen Erkrankungen mit Epilepsie sollte angesichts des teils recht hohen Vererbungsrisikos eine spezielle humangenetische Beratung erfolgen [7]. Bei den sonstigen Epilepsien ist das Vererbungsrisiko vergleichsweise gering. Insgesamt kommt es bei etwa 4–5% der Kinder epilepsiekranker Frauen ebenfalls zur Entstehung einer Epilepsie [8]. Bei erworbenen Epilepsien mit symptomatischer Ätiologie liegt das Risiko erwartungsgemäss noch niedriger, bei den idiopathischen Epilepsien erhöht es sich maximal bis in den untersten zweistelligen Prozentbereich um 10%.
Anfallsrisiko in der Schwangerschaft
Die Anfallssituation bleibt in der Schwangerschaft bei ca. 54–80% der Frauen unverändert; spontane Verbesserungen werden je nach Studie bei 3–24%, Verschlechterungen bei 14–32% berichtet [5]. Häufig gehen die Verschlechterungen auf selbstständige Dosisreduktionen oder Absetzen der Antikonvulsiva zurück. Auch in der Schwangerschaft ist die Anfallssituation bei unbehandelten Epilepsien ungünstiger als bei behandelten Epilepsien. Bei einer bezüglich Teratogenität wenig riskanten medikamentösen Behandlung kann ein relevant erhöhtes Fehlbildungsrisiko im Vergleich zu unbehandelten Epilepsien vermieden werden [9]. Da ohnehin auch in der Schwangerschaft die Anfallsfreiheit der Mutter als erstrangiges Therapieziel anzusehen ist, wird man den meisten Patientinnen raten, die antikonvulsive Therapie in der Schwangerschaft fortzuführen. Bei anfallsfreien behandelten Patientinnen kann vor einer geplanten Schwangerschaft eine Dosisreduktion oder ein gänzliches Absetzen nach individueller Einschätzung des Anfallsrezidivrisikos diskutiert werden. Eine Dosisreduktion kann v.a. bei Monotherapien mit Valproat, Lamotrigin oder Carbamazein von Interesse sein, da für diese Wirkstoffe ein Anstieg der Malformationsraten in Abhängigkeit von der Höhe der Dosis recht gut nachgewiesen ist [10,11]. Besonders drastisch ist dieser Effekt beim Valproat mit Raten von deutlich unter 10% bei Dosen von nicht mehr als 600 mg bis hin zu Raten von über 20% unter hohen Dosen von 1500 mg und mehr [11]. Vor Eintreten der Schwangerschaft sollte die Anfallsfreiheit oder bestmögliche Anfallskontrolle in der erreichten Therapiesituation (Beibehalten der vorherigen Medikation, Umstellung auf unproblematischen Wirkstoff, Dosisreduktion, Absetzen des AED) für mindestens sechs Monate dokumentiert werden. Bei Antikonvulsiva mit dosisabhängiger Teratogenität (z.B. Valproat, Carbamazepin, Lamotrigin) kann vor der Schwangerschaft die geringstnötige Dosis angestrebt werden, ebenfalls mit mindestens halbjähriger stabiler Medikation vor der Konzeption. Wenn vor Eintreten der Schwangerschaft Anfallsfreiheit über 9–12 Monate erreicht wurde, ist die Chance auf Anfallsfreiheit durch die Schwangerschaft hindurch ebenfalls sehr hoch (84–92%) [5].
Medikamentöse Behandlung bei Schwangerschaftswunsch
Die Wahl des Antikonvulsivums oder der Antikonvulsiva wird neben der individuellen und syndrombezogenen Wirksamkeit vor allem vom teratogenen Risiko der Wirkstoffe bestimmt. Bei behandelten Epilepsiepatientinnen sind die kindlichen Malformationsraten im Vergleich zu gesunden unbehandelten Frauen bis auf das Dreifache erhöht [12]. Vergleichsweise hohe Malformationsraten unter Monotherapie finden sich für Valproat (je nach Studie und Dosis bis weit über 10%), Primidon und in geringerem Masse für Phenobarbital und – inkonsistent – Phenytoin [13,14]. Bei neueren Antikonvulsiva wie Lamotrigin, Levetiracetam und Oxcarbazepin liegen die Malformationsraten erfreulich niedrig mit 2–4% [15,16], können aber bei Hochdosistherapien in den höheren einstelligen Prozentbereich hinein ansteigen. Andere neuere Antikonvulsiva können für den Einsatz in der Schwangerschaft (noch) nicht empfohlen werden: entweder wegen fehlender Daten (z.B. Perampanel, Brivaracetam) oder aufgrund von kritischen Hinweisen und/oder widersprüchlichen Befunden zu Fehlbildungen und Geburtsgewicht (z.B. Topiramat, Zonisamid, Pregabalin) bei noch unzureichender Datenlage, insbesondere für Monotherapien.

Bei Patientinnen, die unter einer antikonvulsiven Kombinationstherapie gut eingestellt sind, ergibt sich die Frage, ob zur Schwangerschaft dennoch auf eine Monotherapie gewechselt werden sollte. In älteren Studien [17] stieg die Malformationsrate mit der Anzahl der verabreichten Wirkstoffe deutlich an. Aktuellere Studien mit Kombinationstherapien, die auch neuere Antikonvulsiva enthalten, deuten aber darauf hin, dass unter den heutigen therapeutischen Bedingungen (mit nur noch sehr seltenem Einsatz von z.B. Phenobarbital und Primidon) erhöhte Malformationsraten speziell bei solchen Polytherapien erkennbar werden, die auch Valproat enthalten. Kombinationen ohne Valproat (z.B. mit Carbamazepin oder Lamotrigin) zeigen oft im Vergleich zu Monotherapien keine signifikant erhöhten Raten [18]. Insofern muss die frühere Faustregel, in der Schwangerschaft Polytherapien möglichst zu vermeiden, relativiert werden. Allerdings stehen weiterhin Befunde im Raum, denen zufolge Polytherapien auch die kognitive Entwicklung der Kinder negativ beeinflussen können. Da solche negativen kognitiven Effekte in Monotherapien ebenfalls in erster Linie für Valproat nachgewiesen worden sind [19–21], müssten zukünftig noch einmal spezifisch die Polytherapien ohne Valproat in Bezug auf die kindliche Kognition genauer untersucht werden.
Manche Ärzte empfehlen, bei hohen Antikonvulsivadosen eine Aufteilung auf drei Tagesteildosen vorzunehmen, um potenziell teratogene Serumkonzentrationsspitzen abzufangen [22]. Ein klinisch relevanter Effekt solcher Massnahmen ist schwer nachzuweisen. Zudem besteht bei Einführung einer zusätzlichen Mittags-Teildosis ein erhöhtes Risiko von Fehleinnahmen (Vergessen der Mittagsdosis, z.B. bei voll berufstätigen Frauen).
Valproat in der Schwangerschaft?
Die Evidenz für eine (in gewissem Masse auch dosisabhängige) [21,23] negative Wirkung einer intrauterinen Valproatexposition auf die kindliche kognitive Entwicklung ist mittlerweile klar belegt, auch im Vergleich mit anderen und kognitiv wahrscheinlich weitgehend unbedenklichen Wirkstoffen wie Levetiracetam [24], Lamotrigin und Carbamazepin [21,25,26]. Auch kann die intrauterine Valproatexposition zur Entwicklung autistischer Züge [27] disponieren. Wenn man diese Befunde mit der hohen Fehlbildungsrate unter Therapien mit Valproat zusammen liest, stellt sich die Frage, ob nicht generell von Valproatbehandlungen während der Schwangerschaft abgesehen werden soll. Tatsächlich wird heute von den Epilepsiegesellschaften dazu geraten, Valproat bei gebärfähigen Frauen nur noch in Ausnahmefällen einzusetzen. Eine solche Ausnahme wäre z.B. gegeben, wenn – wie nicht selten bei Vorliegen einer idiopathischen generalisierten Epilepsie – Anfallsfreiheit ausschliesslich durch Valproat, nicht aber durch andere Medikamente der ersten Wahl erreicht werden kann. Auch würde man wahrscheinlich keinen Medikamentenwechsel mehr vornehmen, wenn bei ansonsten mit Valproat gut behandelter Epilepsie eine Schwangerschaft bereits eingetreten ist: Sowohl der Wechsel auf einen anderen Wirkstoff als auch (erst recht) das ersatzlose Ausschleichen des Valproat in der Schwangerschaft geht mit einer Zunahme von generalisierten tonisch-klonischen Anfällen einher [28]. Zudem sind auch häufige generalisierte tonisch-klonische Anfälle während der Schwangerschaft ein negativer Prädiktor der späteren schulischen Leistungen [19]. Aufgrund der Komplexität der Situation wird heute angeraten, für Entscheidungen über Valproattherapien bei der betroffenen weiblichen Zielgruppe standardisierte Aufklärungsformulare und Informationsbroschüren einzusetzen (für die Schweiz z.B. als Download unter www.swissmedic.ch verfügbar).
Sonstige kindliche Gesundheitsrisiken
Ein Gesundheitsrisiko des ungeborenen Kindes durch mütterliche Anfälle ist wahrscheinlich überwiegend durch das anfallsbedingte Unfallrisiko der Mütter bedingt. Einzelne Anfälle – einschliesslich generalisierter tonisch-klonischer Ereignisse – schaden dem Kind wahrscheinlich nicht punktuell, hier kann sich die höhere Sauerstoffaffinität des fetalen Hämoglobins protektiv auswirken. Wohl aber wurde über vermehrte frühzeitige Geburten und ein erniedrigtes Geburtsgewicht spezifisch bei Kindern von Müttern berichtet, die in der Schwangerschaft generalisierte tonisch-klonische Anfälle erlitten [29]. Über das Risiko hypoxiebedingter Schäden durch Status epileptici generalisierter Anfälle oder prolongierter oder serieller Grand Maux liegen keine eindeutigen Daten vor.
Kinder epilepsiekranker Frauen zeigen generell ein erhöhtes Risiko für einen erniedrigten Apgar Score [30] und ein niedriges Geburtsgewicht [4,31]. Das Risiko für intrauterinen Tod (Spontanabort oder Totgeburt) kann unter Polytherapie erhöht sein [32], während dies für Monotherapien nicht klar nachgewiesen ist. Das Risiko fetaler Wachstumsstörungen ist bei Frauen mit Epilepsie etwas höher als bei Frauen ohne Epilepsie, und ebenfalls bei medikamentös behandelter im Vergleich zu unbehandelter Epilepsie [4].

Dass die «grossen» Malformationen, also die aus gesundheitlichen oder kosmetischen Gründen korrekturbedürftigen Fehlbildungen an Herz, Urogenitalsystem, Nervensystem, Gesicht und Gliedmassen, durch bestimmte medikamentöse Behandlungskonstellationen begünstigt werden, gilt als gesichert [11]. Manche Malformationen finden sich überzufällig häufig bei bestimmten Antikonvulsiva, z.B. kardiale Fehlbildungen unter Phenobarbital oder Spaltbildungen unter Valproat [30]. Umstritten ist, ob und in welchem Masse auch die Epilepsie selbst mit einem erhöhten Malformationsrisiko einhergeht. Im positiven Fall würde man eine erhöhte Malformationsrate auch bei nicht behandelten Epilepsien erwarten; dies liess sich in einer grösseren Metaanalyse jedoch nicht nachweisen [33]. Andererseits wurde vor allem in älteren Studien argumentiert, dass (1) Malformationen bei Kindern epilepsiekranker Mütter auch schon vor der Ära der medikamentösen Therapie bekannt waren, und (2) auch väterliche Epilepsien bei gesunden und antikonvulsiv unbehandelten Müttern mit erhöhten Malformationsraten der gemeinsamen Kinder einhergehen [34]. Möglicherweise sind die sog. kleinen Malformationen, also die im allgemeinen nicht korrekturbedürftigen geringeren Abweichungen wie diskrete Dysmorphien, Mikrozephalie etc., auch unabhängig von der Medikation bei Kindern von Eltern mit Epilepsie etwas häufiger anzutreffen, während die grossen Malformationen doch eher durch die Antikonvulsiva begünstigt werden.
Folsäuresupplementation während der Schwangerschaft
Es gibt zumindest schwache Evidenz für eine Reduktion der Fehlbildungsrate durch Folsäuresupplementation von 0,4–5 mg pro Tag durch das erste Trimenon hindurch (die Supplementation sollte also schon vor der Konzeption begonnen werden) [35]. In diesem Dosisbereich sollten noch keine unerwünschten Folsäurewirkungen auftreten [36]. In der Epileptologie hat sich eine Supplementation mit 5 mg pro Tag eingebürgert, obgleich der spezifische Effekt dieser relativ hohen Dosis schwer nachweisbar ist [37]. Neuerdings finden sich auch Hinweise für ein durch Folsäuresupplementation reduziertes Risiko für die Entwicklung autistischer Züge [38], und für einen möglichen positiven Effekt auf die spätere Intelligenzentwicklung [21].
Dosisanpassungen der Antikonvulsiva
Während einer Schwangerschaft müssen die Serumkonzentrationen mancher Antikonvulsiva regelmässig überprüft werden, da u.a. aufgrund hormoneller Interaktionen und Änderungen der Pharmakokinetik relevante Minderungen der Serumkonzentrationen auftreten und somit Anfallsrezidive entstehen können. Dies gilt u.a. für Lamotrigin, Levetiracetam, Oxcarbazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Topiramat und Zonisamid [39,40]. Bei Lamotrigin kann der Effekt einer verstärkten Clearance durch aktivierte Glucuronidierung (Östrogen) hinzukommen, so dass für diesen Wirkstoff zum Erhalt der benötigten Serumkonzentration oft schrittweise Dosiserhöhungen bis ca. zur doppelten Ausgangsdosis vorgenommen werden. Da die Hochdosistherapie meist erst im zweiten oder dritten Trimenon erreicht wird, erscheinen solche Dosiserhöhungen vertretbar. Schwierig kann die Beantwortung der Frage sein, welche Serumkonzentration individuell anzustreben ist. Speziell für Lamotrigin, evtl. auch für Oxcarbamazepin und für Levetiracetam, lässt sich häufig aus der individuellen Krankengeschichte (Serumkonzentrationen postiktal bei früheren Anfällen? Serumkonzentration in Phase von Anfallsfreiheit?) ein solcher «Richtwert» extrahieren, der dann für die Therapieführung in der Schwangerschaft zugrundegelegt werden kann.
Generell sollte eine Schwangerschaft bei Epilepsie von gynäkologischer bzw. geburtshilflicher Seite als eine Risikoschwangerschaft behandelt werden mit den entsprechenden Monitoringmassnahmen inkl. Feinultraschalluntersuchungen zu den vorgesehenen Zeitpunkten.
Geburt und Postpartalperiode
Peripartal ist das Anfallsrisiko bei Epilepsiepatientinnen leicht erhöht. Dabei spielen wahrscheinlich Faktoren wie Schlafentzug, unregelmässige Medikamenteneinnahme und emotionale und physische Belastungen eine Rolle. Eine routinemässige Gabe von antikonvulsiver Bedarfsmedikation im Rahmen der Geburt wird aber nicht empfohlen, sofern nicht eine sehr hohe Anfallsfrequenz schon vorbekannt ist.
Der Geburtsmodus kann primär nach individuellen geburtshilflichen Kriterien gewählt werden. Das Vorliegen einer Epilepsie ergibt keine eigene Indikation zu einer Sectio. Allenfalls bei sehr hoher Anfallsfrequenz oder bekannter Neigung zu Status epileptici kann die Sectio aus epileptologischer Indikation gewählt werden.
Vitamin-K-Gaben an das Neugeborene werden gemäss den geltenden Empfehlungen ausgeführt [41]. Eine zusätzliche präpartale Vitamin-K-Gabe an die Schwangere ergibt sich aus epileptologischer Indikation somit nur noch bei Kombinationstherapien mit mehreren Enzyminduktoren oder bei epilepsiebedingter vorzeitiger Entbindung noch vor der 37. SSW.
Postpartal sollten die mütterlichen Antikonvulsiva-Serumkonzentrationen überprüft werden, insbesondere wenn während der Schwangerschaft Dosisanpassungen vorgenommen worden sind. Die Konzentrationen von Lamotrigin, Levetiracetam und anderen zuvor erhöhten Wirkstoffen können in den ersten postpartalen Wochen teils massiv ansteigen, mit der Folge von Überdosierungszeichen bei der Mutter und – im Falle des Stillens – möglicherweise auch beim Kind. Ein fester Zeitplan für postpartale Dosisreduktionen mit dem Ziel des Erreichens der präpartalen Dosis kann leider nicht vorgegeben werden, da die Verläufe sehr unterschiedlich sind. Bewährt hat sich eine Fortführung der letzten präpartalen Dosis in den ersten zwei postpartalen Tagen, dann schrittweise Abdosierungen gemäss engmaschiger Serumkonzentrationsbestimmungen in den nächsten Wochen und Monaten. Bei Lamotrigintherapie sind postpartal sogar zunächst wöchentliche Serumkonzentrationsbestimmungen hilfreich, um zu vorsichtige, aber auch überschiessende und übereilte Dosisreduktionen zu vermeiden.
In der häuslichen Umgebung können die meisten Epilepsiepatientinnen die Neugeborenen in vollem Umfang selbstständig versorgen, sofern ihnen in der familiären Aufgabenverteilung diese Rolle zukommt. Zu rigide und weitreichende Betreuungseinschränkungen aufgrund der Epilepsie belasten die Mutter und die Mutter-Kind-Interaktion. Dennoch sind vor allem bei nicht anfallsfreien Müttern einige einfache Verhaltensregeln zur Unfallprophylaxe zu beachten:
- Die Mutter sollte das Kind nicht ohne Begleitung baden, da bei Anfällen ein Ertrinkungsrisiko gegeben wäre.
- Verrichtungen wie Wickeln etc. sollten vorsichtshalber am Boden erfolgen, nicht in erhöhter Lage (Gefahr des Sturzes vom Wickeltisch).
- Das Tragen des Kindes auf dem Arm sollte vorzugsweise in sitzender statt stehender Position erfolgen, sofern möglich (Sturzgefahr durch Anfälle).
Stillen
Generell gilt, dass auch Kinder behandelter Epilepsiepatientinnen nicht auf die Vorteile des Stillens verzichten müssen. Die gängigen Antikonvulsiva unterscheiden sich stark in Hinblick auf die zu erwartenden kindlichen Serumkonzentrationen, welche im Übrigen nicht einfach aus den Antikonvulsivakonzentrationen in der Muttermilch abgeleitet werden können [42], da sie auch vom kindlichen Stoffwechsel abhängen. Relativ hohe Serumkonzentrationen beim Kind können durch das Stillen unter Phenobarbital, Primidon und Ethosuximid entstehen, in geringerem Masse auch unter Lamotrigin und evtl. unter Zonisamid [43]. Die Datenlage zu den klinischen Effekten des Stillens bei medikamentös behandelten Epilepsien ist insgesamt noch unzureichend [44]. Als «sicher» oder empfehlenswert werden vor allem diejenigen Wirkstoffe eingestuft, deren Pharmakokinetik bekannt und unproblematisch ist und für die bei einer angemessenen Zahl von Untersuchten keine oder nur geringe unerwünschte Effekte (Sedierung, Trinkschwäche, fehlende Gewichtszunahme) bei den Säuglingen berichtet werden. In einer aktuellen Übersicht wurden demgemäss als weitgehend unproblematisch das Levetiracetam, Carbamazepin, Phenobarbital, Primidon, und Valproat eingestuft, als unter Vorbehalt einsetzbar das Lamotrigin, Oxcarbazepin, Phenytoin, Ethosuximid, Vigabatrin, Topiramat, Pregabalin, Gabapentin und Zonisamid, als nicht empfehlenswert das Clobazam, Mesuximid, Rufinamid, Felbamat, Lacosamid, Sultiam und Perampanel [45]. In einer anderen Übersicht [43] wurden Carbamazepin, Valproat, Phenytoin als «sicher» eingestuft, als «weitgehend sicher» Lamotrigin, Oxcarbazepin, Levetiracetam, Topiramat, Gabapentin, Pregabalin, Vigabatrin, als «potenziell riskant» Phenobarbital, Primidon, Ethosuximid, Felbamat, Zonisamid und Benzodiazepine (bei ganz unzureichender Datenlage für: Perampanel, Lacosamid, Brivaracetam).
Solche Einstufungen bleiben teilweise theoretisch, da unter den wenig problematischen Wirkstoffen viele zu finden sind, deren Einsatz generell kaum noch üblich (z.B. Primidon, Phenobarbital, Phenytoin) ist oder in der Schwangerschaft ohnehin nicht empfohlen wird (z.B. Valproat, Topiramat), so dass diese vermutlich auch in der Stillzeit nicht zur Anwendung kommen werden. Dass ein Wirkstoff als «sicher» oder «kompatibel» bewertet wird, bedeutet also nicht zwangsläufig, dass er für die Stillzeit speziell empfehlenswert ist.
Die Datenlage bezüglich unerwünschter kognitiver Effekte auf das Kind durch postpartale Antikonvulsiva-Aufnahme über das Stillen ist noch verbesserungswürdig. In den bisherigen Studien [46,47] konnten eher positive als negative kognitive Effekte des Stillens unter den häufig eingesetzten Antikonvulsiva ermittelt werden; auch ein zusätzlicher negativer Effekt des Valproat zeigte sich für eine durch die Stillzeit verlängerte Exposition nicht.
Fazit
Eine unproblematische Schwangerschaft und eine gute postpartale Entwicklung des Kindes sind auch bei Epilepsiepatientinnen die Regel, nicht die Ausnahme. Die epilepsiespezifischen Aspekte der Behandlung und Schwangerschaftsführung sollten im Trialog zwischen Patientin, Gynäkologin und Epileptologin durch alle Phasen hindurch angemessen berücksichtigt werden. Die epileptologische Schwangerschaftsplanung beginnt schon lange vor der Konzeption mit einer vorauseilenden Beratung der Patientin, mit der Einstellung auf eine möglichst schwangerschaftskompatible Medikation und dem Beginn einer präkonzeptionellen Folsäuresupplementation bei konkretisierter Schwangerschaftsplanung.
Take-Home-Messages
- Auch bei Vorliegen einer Epilepsie verlaufen die meisten Schwangerschaften für Mutter und Kind problemlos, adäquate Therapieplanung
- und –überwachung vorausgesetzt.
- Vor Eintreten einer geplanten Schwangerschaft sollte eine möglichst niedrig dosierte antikonvulsive Medikation etabliert werden; die mütterliche Anfallsfreiheit bleibt dabei das primäre Therapieziel.
- Wenn möglich, sollten Therapien vermieden werden, die Valproat enthalten. In Abwesenheit von Valproat sind Kombinationstherapien mit den derzeit gängigen Wirkstoffen mit einem geringeren Fehlbildungsrisiko verbunden, als früher angenommen.
- Für eine Schwangerschaft belegbar günstige Wirkstoffe sind v.a. Lamotrigin, Levetiracetam, Carbamazepin und Oxcarbazepin, möglichst in niedrigen Tagesdosen.
- Medikamentös behandelte Epilepsiepatientinnen können ihre Kinder stillen, unter Beachtung möglicher unerwünschter Wirkungen, die v.a. an Sedierung, Trinkschwäche und fehlender Gewichtszunahme des Kindes erkennbar werden.
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Autoren
- Prof. Dr. med. Martin Kurthen
- Prof. Dr. med. Dr. phil. Thomas Grunwald
Publikation
- INFO NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE
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