SGLT2-Inhibitoren können das Risiko einer Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz (HF) und Tod durch kardiovaskuläre Ursachen bei Patienten mit Diabetes und HF signifikant senken. Die Diagnose einer HF ist jedoch schwierig. Wissenschaftler aus St. Gallen wollten daher die Prävalenz von Herzinsuffizienz bei Patienten mit Diabetes mit und ohne SGLT2i ermitteln, um festzustellen, ob die Behandlungsrichtlinien verschärft und ein regelmässiges Screening auf HF eingeführt werden müssen.
Die Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) empfehlen, Patienten mit einer Herzinsuffizienz first line mit einem SGLT2-Inhibitor zu behandeln, unabhängig davon, ob sie einen Typ-2-Diabetes haben oder nicht. Dies gilt in erster Linie für Patienten mit einer reduzierten linksventrikulären Ejektionsfraktion (HFrEF), aber neuere klinische Studien haben auch für Patienten mit einer leicht reduzierten (HFmrEF) oder erhaltenen (HFpEF) Ejektionsfraktion ähnliche Vorteile gezeigt, erklärte Dr. Frida Renström von der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie, Osteologie und Stoffwechselerkrankungen am Kantonsspital St. Gallen [1].
«Die klinischen Leitlinien sind recht einfach entworfen, ihre Umsetzung in die klinische Praxis ist jedoch kompliziert, da die eigentliche Diagnose einer Herzinsuffizienz eine Herausforderung darstellt.» Es handele sich um einen Zustand ohne spezifische Anzeichen und Symptome, der oft auf andere, bereits bestehende Komplikationen bei Patienten mit Typ-2-Diabetes zurückgeführt werden kann. Die Herzinsuffizienz bleibe daher oft unerkannt und die Prävalenz in dieser Patientenpopulation sei somit nicht wirklich klar, führte die Expertin aus.
Ziel ihrer Studie war es deshalb herauszufinden, ob ein regelmässiges Screening auf Herzinsuffizienz bei Patienten mit Diabetes in der tertiären Diabetesversorgung erforderlich ist und ob die Behandlungsleitlinien entsprechend ergänzt werden müssen.
SwissDiab-Teilnehmer wurden auf HF gescreent
Ihre Untersuchung wurde in das Swiss Diabetes Registry (SwissDiab) eingebettet, eine multizentrische, longitudinale Beobachtungsstudie von ambulanten Patienten mit Diabetes, die in Zentren der tertiären Versorgung behandelt werden. Während eines Zeitraums von 18 Monaten wurden alle Patienten, die zu einem jährlichen SwissDiab-Besuch kamen, auf eine Herzinsuffizienz hin evaluiert, basierend auf der Grundlage des von der ESC empfohlenen Diagnosealgorithmus. Demnach wurden Patienten mit mindestens einem der Symptome
- arterielle Hypertonie,
- Orthopnoe,
- nächtliche Dyspnoe,
- Behandlung mit Diuretika,
- Rasselgeräusche,
- beidseitige Knöchelödeme,
- Herzgeräusch oder
- Jugularvenenerweiterung
plus einem NT-proBNP ≥125 ng/l an die Abteilung für Kardiologie überwiesen, um eine Echokardiografie und eine klinische Bewertung der HF vorzunehmen, wobei eine weitere Stratifizierung nach HFpEF, HFmrEF und HFrEF erfolgte. Das LDL-Cholesterin wurde auf der Grundlage der Friedewald-Gleichung geschätzt.
Die Patienten, bei denen bereits eine Herzinsuffizienz festgestellt wurde oder die eine koronare Herzkrankheit hatten und bei denen das Echokardiogramm innerhalb der letzten 2 Jahre durchgeführt wurde, wurden nicht erneut untersucht. In diesen Fällen wurden die Daten in den Krankenakten nachgeschlagen. Die Diagnose Herzinsuffizienz wurde anhand der links-ventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) gestellt:
- HFrEF = LVEF ≤40%
- HFmrEF = LVEF 41–49%
- HFpEF = LVEF ≥50% + strukturelle und/oder funktionelle Herzanomalien
Während der 18-monatigen Periode wurden 555 SwissDiab-Parienten vorstellig. 21 Patienten mussten wegen fehlender Daten ausgeschlossen werden. Das mittlere Alter betrug 61 Jahre, 30% waren weiblich, die Mehrheit von 60% hatte Typ-2-Diabetes, die Zeit seit der Diagnosestellung betrug 14 Jahre. Der BMI lag im Durchschnitt bei 28,4 kg/m2, der HbA1c-Wert bei 7,1%, das LDL-Cholesterin bei 2,1 mmol/l. 21,7% der Teilnehmer rauchten.
«Bei 11,2% (n=60) dieser Patienten wurde eine Herzinsuffizienz festgestellt, die Mehrheit – fast 57% (n=34) – hatte eine erhaltene Ejektionsfraktion und 32% (n=19) hatten eine HFrEF», erläuterte Dr. Renström. Die Prävalenz nach Diabetestyp lag bei 2,4% für Typ-1-Diabetes (n=4), 16% für Typ-2-Diabetes (n=51) und 10,6% (n=5) für andere Diabetestypen. Von den identifizierten HF-Fällen wurden 60% (n=36) im Rahmen dieser Studie neu diagnostiziert, von denen die meisten (83,3%) Typ-2-Diabetes hatten. Betrachtet man die prävalenten Fälle, so hatte die Mehrheit eine Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion, während bei den neu diagnostizierten Patienten fast 78% eine Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion aufwiesen (HFpEF: n=28; HFmrEF: n=4; HFrEF: n=4). Schliesst man Patienten mit prävalenter Herzinsuffizienz aus, hatte dieser Screening-Algorithmus einen positiven Vorhersagewert von fast 38%. Von den Patienten mit prävalenter Herzinsuffizienz nahmen 50% einen SGLT2-Hemmer ein, zwei von drei Patienten hatten eine HFmrEF und 10 von 15 eine HFrEF. Keiner aus der Gruppe mit bereits bekannter HF-Diagnose hatte eine Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion. Alle Patienten mit HF, die mit SGLT2i behandelt wurden, waren Typ-2-Diabetiker.
Einer von sechs Typ-2-Diabetikern mit HF
Ungefähr einer von zehn ambulanten Patienten mit Diabetes in der Tertiärversorgung, die in SwissDiab eingeschlossen wurden, hatte eine Herzinsuffizienz. Bezogen nur auf Typ-2-Diabetes war es einer von sechs. Drei von fünf Fällen waren zuvor nicht diagnostiziert worden und hatten eine erhaltene Ejektionsfraktion. Die Hälfte der Patienten mit zuvor diagnostizierter Herzinsuffizienz und zwei von drei Patienten mit bekannter HFrEF erhielten einen SGLT2-Inhibitor, im Vergleich zu weniger als einem von drei Patienten mit HF insgesamt.
In Anbetracht der Tatsache, dass die Mehrheit mit HF nicht diagnostiziert wurde und die Hälfte der Patienten mit bereits bekannter HF keine SGLT2i-Behandlung erhielt, würden die Ergebnisse auf die Notwendigkeit hinweisen, das Bewusstsein für HF und die Behandlung in der klinischen Praxis zu schärfen.
Kongress: EASD 2023
Quelle:
- Renström F: Short Oral Discussion «Prevalence of heart failure in patients with diabetes: a SwissDiab study»; EASD Congress 2023, Hamburg, 4.10.2023.
InFo DIABETOLOGIE & ENDOKRINOLOGIE 2024; 1(1): 30 (veröffentlicht am 13.2.24, ahead of print)
Autoren
- Jens Dehn
Publikation
- INFO DIABETOLOGIE & ENDOKRINOLOGIE
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