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Zahlreiche Studien deuten auf eine nur geringe Verbesserung von Gonarthrose durch operative Eingriffe hin. Trotzdem werden übermässig viele Arthroskopien durchgeführt – auch in der Schweiz.

Rund ein Viertel aller Menschen über 45 leiden an Schmerzen aufgrund einer Gonarthrose, einer der zehn häufigsten Krankheiten mit Behinderung in industrialisierten Ländern. Diese und weitere Krankheitseffekte wirken sich massgeblich auf die Lebensqualität aus: 80% der Patienten sind in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt, 25% können alltägliche Aufgaben nicht mehr wahrnehmen [1]. Die einzige definitive Therapie ist die Operation. Die ist aber erst indiziert, wenn eine konservative Therapie über mindestens sechs Monate Schmerzfreiheit und Beweglichkeit nicht ausreichend gewährleisten kann [2]. Dennoch werden nach wie vor zu viele Operationen durchgeführt.

Nur marginale Besserung durch OP

Dabei bedeutet eine Operation nicht automatisch einen Patientenvorteil. Eine Metaanalyse, die 13 RCTs und 12 Beobachtungsstudien auswertete, äussert sich eher kritisch zum Nutzen arthroskopischer Operationen. Zwar findet sie schwache Hinweise darauf, dass diese Eingriffe sicher und überwiegend komplikationsfrei verlaufen. Doch hinsichtlich der Wirksamkeit sind die Autoren skeptisch.

Was die Schmerzfreiheit betrifft, können Operationen das Schmerzlevel in den ersten drei Monaten um durchschnittlich 20 Punkte auf einer 100-Punkte-Skala senken. Unter einer nicht-operativen Therapie erreichen Patienten eine Reduktion um 15 Punkte. Dieses leicht bessere Outcome des operativen Ansatzes relativiert sich im Langzeiteffekt: Nach zwei Jahren haben sich die Schmerzen unter nicht-operativer Behandlung um 19 Punkte gebessert, nach einer Operation sind sie um 22 Punkte geringer. Die Belastung für den Patienten ist bei einem Eingriff allerdings in der Zeit direkt nach der OP grösser: Über einen Zeitraum von 2–6 Wochen leidet der Patient unter stärkeren Schmerzen, Knieschwellung und eingeschränkter Mobilität.

Auch die Beweglichkeit wird durch eine Operation im Vergleich zu einer nicht-operativen Therapie nicht wesentlich verbessert. Daher sehen die Autoren den Langzeiteffekt einer arthroskopischen OP auf die Lebensqualität als marginal an [3]. Die minimale Überlegenheit eines operativen Eingriffs wirft die Frage auf, ob Knieoperationen angesichts der damit einhergehenden Implikationen für den Patienten und der hohen Kostenbelastung in diesem Ausmass gerechtfertigt sind.

Nach wie vor zu viele Eingriffe

Nein, meinen auch Forschende des Institutes für Hausarztmedizin der Universität Zürich, die im Auftrag der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) die Anzahl Knieoperationen zwischen 2012 und 2015 verglichen haben. Sie wollten wissen, ob sich operative Eingriffe angesichts der zahlreichen Studien, die keinen Vorteil einer operativen Behandlung gegenüber einer nicht-operativen Therapie feststellen konnten, reduziert hatten. In die Studie einbezogen wurden unfallfreie Personen über 40, bei denen eine Arthroskopie durchgeführt wurde. Weitere Parameter waren die Häufigkeit der Arthrose, Begleitmassnahmen wie z.B. Physiotherapie und Versicherungsstatus (Zusatzversicherung, Franchisenhöhe). Das Ergebnis war ernüchternd: Während bei den über 64-Jährigen die OP-Zahlen gegenüber 2012 tatsächlich um 18% zurückgingen, blieben sie bei den 40- bis 64-Jährigen unverändert. Damit würden in der Schweiz nach wie vor viele überflüssige Knieoperationen durchgeführt. Darüber hinaus stellten die Studienautoren fest, dass Operationen deutlich häufiger bei Patienten mit Zusatzversicherung durchgeführt wurden. Chirurgische Eingriffe würden damit finanziell gefördert [4].

Nicht-operative Therapien wirken und sind günstiger

Um die hohen Operationszahlen wieder zu senken, empfehlen Experten im Rahmen einer von der Bertelsmann Stifung durchgeführten Studie unter anderem eine bessere Patienteneduka­tion bezüglich der erwartbaren Ergebnisse einer OP sowie die Förderung konservativer Behandlungsmethoden. Dazu zählen Gewichtskontrolle, gezielter Muskelaufbau, genügend Bewegung und medikamentöse Ansätze [5]. So ist Paracetamol bei mildem bis mässigem Schmerz Mittel der ersten Wahl. Bei ungenügender Wirksamkeit können NSAR oder Opioide zum Einsatz kommen unter Berücksichtigung der Komorbiditäten und des Toxizitätsrisikos. Topische Medikamente zeichnen sich durch gute Verträglichkeit und unkompliziertes Selbstmanagement aus. Sie sind vor allem bei Periarthropathien eine gute Option. Bei einer inflammatorischen Aktivierung der Arthrose können intraartikuläre Glukokortikoide verabreicht werden. Gut belegt ist auch die Wirksamkeit von Hyaluronsäurepräparaten zur Behandlung von nicht aktivierter Gonarthrose mit ausreichend Restknorpel.

Literatur:

  1. Mahir L, et al.: Impact of knee osteoarthritis on the quality of life. Ann Phys Rehabil Med 2016; 59s: e159.
  2. Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädi­sche Chirurgie (DGOOC): Gonarthrose. S2k-Leitlinie. Stand 18.01.18.
  3. Brignardello-Petersen R, et al.: Knee arthroscopy versus conservative management in patients with degenerative knee disease: a systematic review. BMJ Open 2017; 7 :e016114.
  4. Muheim LLS, et al.: Inappropriate use of arthroscopic meniscal surgery in degenerative knee disease. Acta Orthopaedica 2017; 88(5): 550–555.
  5. Bertelsmann Stiftung, Hrsg.: Knieprothesen – starker Anstieg und grosse regionale Unterschiede. 2018.

HAUSARZT PRAXIS 2019; 14(6): 24

Autoren
  • Barbara Hug 
Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS 

Etwa 237 Millionen Menschen sind weltweit von symptomatischer und aktivitätseinschränkender Osteoarthrose (OA) betroffen. Unter den Erkrankungen, die mit Behinderungen einhergehen, verzeichnet die OA den drittschnellsten Zuwachs, am häufigsten ist das Kniegelenk betroffen. Derzeit behandeln OA-Therapien vorwiegend die Symptome und es gibt keine zugelassenen Arzneimittel, um die Krankheitsprogression zu verhindern oder hinauszuzögern.

Symptomatische Kniegelenksarthose ist mit körperlicher Behinderung, reduzierter Lebensqualität und erhöhter Mortalität bei älteren Menschen assoziiert [3,4]. Im Endstadium der Erkrankung ist häufig ein Kniegelenksersatz notwendig. FORWARD (FGF-18 Osteoarthritis Randomized Trial with Administration of Repeated Doses) war eine fünfjährige, multizentrische, randomisierte Dosisfindungsstudie der Phase II zu Sprifermin, einem rekombinanten humanen Fibroblasten-Wachstumsfaktor 18, bei Patienten mit symptomatischer, radiologisch abgesicherter Kniegelenksarthrose.

Primärer Endpunkt der Studie, in die 549 Patienten eingeschlossen waren, war die Veränderung der Gesamtknorpeldicke im Femorotibialgelenk im quantitativen MRT gegenüber Baseline nach zwei Jahren mit Sprifermin. Dieser Endpunkt wurde erreicht: Zum zweijährigen Behandlungszeitpunkt zeigte sich eine mittlere Zunahme der Gesamtknorpeldicke in den beiden am höchsten dosierten Sprifermin-Gruppen im Vergleich zur Placebo-Gruppe. In den Gruppen, die 100 µg Sprifermin als intraartikuläre Injektion erhielten, betrug die statistisch signifikante Zunahme der Gesamtknorpeldicke +0,05 mm (Injektion alle 6 Monate; 95%-KI 0,03–0,07) bzw. +0,04 mm (Injektion alle 12 Monate; 95%-KI 0,03–0,07) im Vergleich zu Placebo. Die Veränderung der Knorpeldicke nach zwei Jahren Behandlung mit Sprifermin in einer Dosis von 30 µg alle 6 oder 12 Monate ergab im Vergleich zu Placebo keine signifikanten Unterschiede.

Zu den häufigsten unerwünschten Ereignissen (AEs) zählten Skelettmuskulatur- und Bindegewebserkrankungen (Arthralgie, Rückenschmerzen), Infektionen und parasitäre Erkrankungen (Infektion der oberen Atemwege, Nasopharyngitis), Gefässerkrankungen (Hypertonie) und Erkrankungen des Nervensystems (Kopfschmerzen). Sie waren jedoch vorwiegend von mildem oder mässigem Schweregrad.

Eine im November auf der Jahrestagung des American College of Rheumatology (ACR) vorgestellte exploratorische Post-hoc-Analyse evaluierte zusätzlich die Veränderungen der Knorpeldicke und die symptomatischen Behandlungsergebnisse bei einer Subgruppe von OA-Patienten, die bei Baseline sowohl stärkere Schmerzen und eine geringere Knorpeldicke, gemessen anhand der Gelenkspaltbreite, sowie ein erhöhtes Risiko struktureller und symptomatischer Progression aufwiesen. In dieser «Risiko»-Subgruppe verbesserten sich die WOMAC-Scores über den Zeitraum von drei Jahren weiter und fielen in Jahr 3 (18 Monate nach der letzten Injektion) im Vergleich zu Placebo signifikant zugunsten von Sprifermin aus (mittlere Differenz der WOMAC-Schmerzscores für Sprifermin 100 µg alle 6 Monate im Vergleich zu Placebo: –8,75 [95%-KI: –22,42, 4,92]). Diese Ergebnisse stützen die weitere Prüfung von Sprifermin als potenzielle OA-Therapie in Patientenpopulationen mit erhöhtem Risiko.

Quelle: Merck

Literatur:

  1. GBD Collaborators, et al.: Global, regional, and national incidence, prevalence, and years lived with disability for 310 diseases and injuries, 1990–2015: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2015. Lancet 2016; 388: 1545–1602.
  2. Osteoarthritis Research Society International. Osteo­arthritis: a serious disease. www.oarsi.org/sites/default/files/docs/2016/oarsi_white_paper_oa-serious-disease.pdf [abgerufen im September 2019]
  3. Cross M, Smith E, Hoy D, et al.: The global burden of hip and knee osteoarthritis: estimates from the global burden of disease 2010 study. Ann Rheum Dis. 2014; 73(7): 1323–1330.
  4. Nuesch E, Dieppe P, et al.: All cause and disease specific mortality in patients with knee or hip osteoarthritis: population based cohort study. BMJ 2011; 342: d1165

InFo SCHMERZ & GERIATRIE 2019; 1(1): 38

Ein Forschungsteam der Universität Kopenhagen hat basierend auf Daten aus 72 randomisierten Studien mit insgesamt über 7500 Teilnehmern eine Sekundäranalyse durchgeführt, um die Wirksamkeit pharmakologischer Interventionen bei Handarthrose zu untersuchen. Aus dem systematischen Review mit Netzwerk-Metaanalyse geht hervor, dass orale nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) und Glukokortikoide wirksame analgetische Behandlungsoptionen sind bei Arthrosen im Bereich der Hand.

Arthrose (engl. Osteoarthritis, OA) ist weltweit die häufigste Gelenkerkrankung und führt insbesondere in fortgeschrittenem Stadium zu Schmerzen und Funktionseinbussen der Gelenke [1]. Klinisch relevante Knie-, Hand-, und Hüftarthrosen wurden bei 8,9% der erwachsenen Bevölkerung nachgewiesen [2]. Charakteristische Merkmale bei Arthrose sind degenerative Veränderungen an den Gelenken, die mit der allmählichen Zerstörung des Gelenkknorpels beginnen und bis zur Freilegung der Knochenoberfläche führen können [1]. Ausserdem werden oft auch die an die betroffenen Gelenke angrenzenden Knochen, Muskeln und Bänder geschädigt. Zu den Risikofaktoren für Arthrose gelten höheres Alter, weibliches Geschlecht und genetische Veranlagung sowie Über- und Fehlbelastung der Gelenke bei angeborenen Fehlstellungen (z.B. Achsenfehlstellungen, Hüftgelenksdysplasien), Verletzungen und Unfälle, übermässige körperliche Aktivität bzw. Inaktivität oder Übergewicht [1]. Handarthrose führt zu Schmerzen, beeinträchtigten Greifunktionen und eingeschränkter Beweglichkeit, was einen erheblichen negativen Impact im Alltag der Betroffenen haben kann.

Analyse grosser Datenbestände 

Døssing et al. werteten die Daten randomisierter Studien aus, um die Wirksamkeit verschiedener Pharmakotherapien auf die im Rahmen einer Handarthrose auftretenden Schmerzsymptome zu untersuchen [3]. Neben Schmerzlinderung wurden die Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit, die gesundheitsbezogene Lebensqualität, Nebenwirkungen sowie nebenwirkungsbedingte Therapieabbrüche betrachtet. Für ihre Recherchen nutzten die Forscher die Datenbanken Embase, MEDLINE, Cochrane Central Register of Controlled Trial. Berücksichtigt wurden randomisierte Studien bis und mit 26.10.2021, in welchen Patienten mit Handarthrose eine medikamentöse Behandlung erhielten. Aus insgesamt 3319 identifizierten Suchergebnissen wurden zunächst 72 Studien mit 7609 Teilnehmern gesichtet, welche die Inklusionskriterien erfüllten (Tab. 1) [3]. Die Anforderungen für die geplante quantitative Synthese erfüllten 65 dieser der Studien (n=5957), wobei über all diese Studien hinweg 29 verschiedene Pharmakotherapien zur Anwendung kamen. Von den in die quantitativen Analysen inkludierten Studien hatten 60 (n=5246) Schmerz als Endpunkt und wurden in die Netzwerk-Metaanalyse (NMA) einbezogen; 51 Studien (Teilnehmerzahl zwischen 1002 bis 4352) wurden in die paarweise Metaanaylse inkludiert und 46 (n=4220) in die Meta-Regression. 

Placeboüberlegenheit von oralen NSAR und oralen Glukokortikoiden

Orale nicht-steroidale antientzündliche Medikamente (NSAR) und orale Glukokortikoide wiesen in der NMA im Placebovergleich Effektgrössen auf von −0,18 (95%-Konfidenzintervall −0,36 bis 0,02) bzw. −0,54 (−0,83 bis −0,24) auf (Tab. 2) [3]. Dieses Ergebnis war konsistent, wenn die Evidenzbasis auf paarweise Metaanalysen von Studien ohne hohes Bias-Risiko eingeschränkt wurde. Die Effektgrössen von intraartikulärem Hyaluronat, intraartikulären Glukokortikoiden, Hydroxychloroquin und topischen NSAR betrugen im Placebovergleich 0,22 (−0,08 bis 0,51), 0,25 (0,00 bis 0,51), −0,01 (−0,19 bis 0,18), bzw. −0,14 (−0,33 bis 0,08). Die Therapieeffekte der oralen NSAR werden gestützt durch konsistente Wirksamkeitsnachweise in den paarweisen Metaanalysen und zwar sowohl hinsichtlich Schmerzen, als auch Funktionsfähigkeit, Einschätzung der Krankheit durch den Patienten und Greiffunk­tion. Orale Glukokortikoide haben sich ebenfalls konsistent als wirksam erwiesen bezüglich dieser Outcome-Parameter. 

Die Langzeitsicherheit der verschiedenen Therapieoptionen wurde zwar in der vorliegenden Analyse nicht bewertet, aber die nebenwirkungsbedingten Abbruchraten wurden berechnet. Dabei zeigte sich, dass die nebenwirkungsbedingte Abbruchrate bei pharmakotherapeutischer Behandlung höher war als bei Placebo (Peto OR 1,99; 95%-KI 1,41 bis 2.82). Hinsichtlich der Anzahl unerwünschter Ereignisse (Peto OR 0,85; 95%-KI 0,56 bis 1,31) wiesen die unterschiedlichen medikamentösen Therapien keine signifikanten Unterschiede auf. 

Gemäss Einschätzung der Autoren liegen die Stärken der Studie in der extensiven Suchstrategie, welche grosse Datenbestände relevanter Studien berücksichtigte. Als methodische Limitationen ihrer Sekundäranalyse erwähnen sie Bias-Risiken einiger inkludierter Studien und dass die Anzahl der eingeschlossenen Studien und Teilnehmer bei gewissen Interventionen gering war. Im Hinblick auf den klinischen Alltag weisen sie ausserdem darauf hin, dass das Therapieansprechen unterschiedlich ausfallen könne in Abhängigkeit davon, ob es sich um erosive oder inflammatorische Arthrose handelt. Es sei wünschenswert, dass in Zukunft mehr grosse Studien mit hochqualitativer Evidenz zur Wirksamkeit pharmakotherapeutischer Interventionen bei Handarthrose durchgeführt werden. Es gebe ausserdem einen Bedarf an besser validierten Fragebogen, welche Schmerz und Funktionsfähigkeit bei Handarthrose differenziert erfassen. 

Literatur:

  1. Fuchs J, Kuhnert R, Scheidt-Nave C: 12-Monats-Prävalenz von Arthrose in Deutschland. Journal of Health Monitoring 2017 2(3), DOI 10.17886/RKI-GBE-2017-054, www.rki.de, (letzter Abruf 01.11.2023) 
  2. Andrianakos AA, et al.: Prevalence of symptomatic knee, hand and hip osteoarthritis in Greece. TheESORDIG study. J Rheumatology 2006; 33: 2507–2513.
  3. Døssing A, et al.: Comparative effectiveness of pharmacological interventions for hand osteoarthritis: a systematic review and network meta-analysis of randomised trials. RMD Open 2023 Aug; 9(3): e003030.

HAUSARZT PRAXIS 2023: 18(11): 38–39

Autoren
  • Mirjam Peter, M.Sc. 
Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS 

Die 8. Iron Academy hatte nicht nur das Eisen per se zum ­Thema, sondern stellte den Eisenmangel in einen grösseren praxisrelevanten Zusammenhang. Unter anderem ging es um die Früherkennung und Betreuung von onkologischen Patienten und um den niereninsuffizienten Patienten in der Hausarztpraxis.

Gemäss Prof. Dr. med. Daniel Betticher, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Klinik für Onkologie, Freiburger Spital, geht es in der Krebsvorsorge zunächst darum, Risikofaktoren durch ungesunden Lebensstil zu reduzieren (Rauchstopp, gemässigter Alkoholkonsum, Schutz vor Sonne, gesunde Ernährung etc.). Als zweites Gebot gilt die frühe Diagnose. Dabei sind unspezifische Symptome wie Schmerzen, Müdigkeit, Asthenie oder Verstopfung viel häufiger als die «red flags», also spezifische Symptome wie Hämoptyse, Meläna, alternierend Obstipation/Durchfall etc. Das National Institute for Health and Care Excellence (NICE) widmete den spezifischen Symptomen 2005 spezielle Guide­lines. Hausärzte in England waren angewiesen, Patienten mit diesen Symptomen an Krebszentren weiterzuleiten. Es zeigte sich, dass damit tatsächlich bei gewissen Krebsarten eine signifikante Verkürzung des Intervalls zwischen erstem Auftreten der Symptome und Diagnose erreicht werden konnte [1].

Doch ist das verkürzte Intervall auch mit besseren Heilungschancen assoziiert (bzw. einer längeren Zeit zwischen Diagnose und Tod)? Gemäss einer Arbeit von Tørring et al. trägt die Intervallverkürzung – zumindest bei den spezifischen Symptomen – bei Patienten mit Kolorektalkrebs zu einem tieferen Mortalitätsrisiko bei [2]. Im Bereich der unspezifischen Symptome konnte hingegen kein signifikanter Zusammenhang nachgewiesen werden.  Dazu gehört unter anderem auch die Müdigkeit, die häufig auf einen Eisenmangel zurückgeht. Eine Untersuchung zeigte, dass 42,6% von 1513 Krebspatienten eine Transferrinsättigung (TSAT) unter 20% aufwiesen [3]. 33% waren anämisch. Wann sollte also substituiert werden [4]?

  • AIDA («absolute iron deficiency anemia», z.B. Kolonkarzinom): TSAT <20%, Ferritin <30 ng/ml. Hier ist i.v. Eisen angezeigt.
  • FIDA («functional iron deficiency anemia, z.B. Fleischaversion, metastasiertes Magenkarzinom): TSAT <20%; Ferritin 30–800 ng/ml. Diese Gruppe könnte von einer i.v. Eisensubstitution profitieren.
  • FIDA: TSAT 20–50%, Ferritin 30–800 ng/ml. Diese Gruppe profitiert wahrscheinlich nicht von einer i.v. Eisensubstitution.

Bei noch höheren Werten liegt eine Eisenüberlastung vor und es ist keine Eisensubstitution nötig.

Früherkennungsprogramme

Als drittes Gebot der Krebsvorsorge gelten die Früherkennungsprogramme. «Ziel sollte es sein, das Karzinom vor der vollständigen Entwicklung zu diagnostizieren, also noch als mässige oder starke Dysplasie», so Prof. Betticher. Ein Beispiel dafür ist die Früherkennung beim Zervixkarzinom mit der Diagnose von Vorstufen mit einem einfachen Abstrich (jedes Jahr während der ersten drei Jahre, dann alle drei Jahre). Nicht-randomisierte Studien zeigten nach der Einführung des Tests eine Abnahme der Mortalität. Der Zervixabstrich ist allen Frauen ab 21 Jahren zu empfehlen.

Mammakarzinom: Beim Mammografie-Screening sucht man nach einem Karzinom in einem frühen Stadium. In einem Cochrane-Review konnte anhand randomisierter Studien gezeigt werden, dass sich das Mortalitätsrisiko nach 13 Jahren um 23% senken lässt. Wie sieht es aber in der Schweiz aus? «Wenn sich alle Einwohnerinnen der Schweiz im Alter von 50–69 Jahren per Screening abklären lassen würden, könnte man jährlich 160 vor dem Tod retten», sagte Prof. Betticher. «Gegenüber dem ‹wilden› Screening ist ein Befall der axillären Lymphknoten um 50% seltener, falls die Früherkennung organisiert vonstatten geht. Das ist ein häufig vergessener Vorteil, denn ein fortgeschrittenes Stadium verlangt auch eine intensivere Therapie. Insgesamt kann man sagen, dass die Mammografie wirksam und kosteneffizient ist. Deshalb ist sie allen Frauen ab 50 Jahren zu empfehlen.»

Kolonkarzinom: Die Untersuchungsmöglichkeiten beim Kolonkarzinom umfassen den Nachweis von Blut im Stuhl oder die (virtuelle) Kolonoskopie. Es geht darum, eine frühe Entwicklungsphase mit Polypen oder ein frühes Karzinom, das mit Operation und Chemotherapie noch heilbar ist, zu erfassen. Der Blutnachweis hat zwar einen erwiesenen Nutzen (er vermindert das Mortalitätsrisiko laut einem Cochrane Review von vier randomisierten Studien um 16% [5]), aber man verpasst doch relativ viel. Die Falsch-Negativ-Rate liegt bei bis zu 75%. Der Gold-Standard ist deshalb die Kolonoskopie. Laut Schätzungen (keine randomisierten Studien) wird die Mortalität damit um die Hälfte verringert und eine Resektion der Polypen in der gleichen Sitzung ermöglicht. Jedoch handelt es sich um einen (wenn auch kleinen) Eingriff mit den entsprechenden Nebenwirkungen. Die virtuelle Kolonoskopie bedeutet zwar keinen Eingriff, allerdings ist auch keine Entfernung der Polypen möglich. Ausserdem muss ein Polyp >9 mm gross sein, damit er mit der virtuellen Kolonoskopie entdeckt werden kann. «Insgesamt ist bei normalem Risiko oder familiärer Veranlagung eine Kolonoskopie ab dem 50. Lebensjahr sinnvoll, da die Wahrscheinlichkeit eines Karzinoms ab diesem Zeitpunkt steigt», erläuterte Prof. Betticher.

Lungenkarzinom: Beim Lungenkarzinom ist es nicht möglich, eine Krebs-Vorstufe zu identifizieren. Der National Lung Screening Trial (NLST) zeigte zwar, dass durch jährliche Low-dose CT-Untersuchungen eine Reduktion der lungenkrebsspezifischen und Gesamt-Mortalität erreicht wird (um 20 und 6,7%). Allerdings gab es auch sehr viele abklärungsbedürftige Befunde. Die Über­diagnose-Rate lag relativ hoch, das Kosten-Nutzen-Verhältnis war schlecht. Deshalb ist das Screening den Rauchern momentan nicht global zu empfehlen. Es muss erst herausgefunden werden, welches die beste Screening-Population ist.

Prostatakarzinom: Die Göteborg-Studie hatte im Bereich des Prostatakarzinoms zwar gezeigt, dass sich das Mortalitätsrisiko nach 15 Jahren durch den PSA-Test um signifikante 44% verringern lässt [6]. Allerdings mussten zwölf Männer behandelt werden, damit einer geheilt wurde. Die Morbidität nach Operation (Urin-Inkontinenz 15–50%, sexuelle Dysfunktion 20–70%) oder nach Radiotherapie (Urin-Inkontinenz 2–16%, sexuelle Dysfunktion 20–45%) ist hoch. Aufgrund der schlechten Spezifität und Sensitivität des Tests ist ein Massen-Screening nicht zu empfehlen – es sei denn, es liegen klare Risikofaktoren vor (schwarze Hautfarbe, Vater oder  Bruder mit Prostatakarzinom) oder der informierte Patient wünscht explizit eine Untersuchung. Dabei muss die Lebens­erwartung mindestens zehn Jahre betragen.

Der niereninsuffiziente Patient in der Hausarztpraxis

Laut Prof. Dr. med. Rudolf P. Wüthrich, Klinik für Nephrologie, UniversitätsSpital Zürich, haben in der Schweiz ca. 500 000 Personen eine eingeschränkte glomeruläre Filtrationsrate (GFR). Die Prävalenz der chronischen Niereninsuffizienz ist in der Allgemeinbevölkerung steigend. Ein Screening auf eine Nierenkrankheit ist bei Risikogruppen deshalb alle ein bis zwei Jahre sinnvoll. Dazu gehören Diabetiker, Hyperto­niker und Personen mit familiärer Vorbelastung. Gemessen werden das Serum-Kreatinin (GFR-Schätzung), Protein/Kreatinin oder Albumin/Kreatinin und Urinsediment. Am Ende der Abklärung sollte Folgendes feststehen:

  1. Stadium und Progressionstendenz der Niereninsuffizienz (Serum-Kreatinin, evtl. Cystatin C, Vorwer­te, Verlaufstendenz)
  2. Akute oder chronische Niereninsuffizienz? (Vorgeschichte; Ultraschall: Schrumpfnieren, Struktur, Einnierigkeit)
  3. Prärenal, postrenal, renal? (Anamnese, Blutdruck, Halsvenen; Ultraschall: Obstruktion, Urinretention)
  4. Wenn renal: glomerulär, tubulo-interstitiell, vaskulär? (Sediment, Protein/Kreatinin, Urin-Proteinprofil, freie Leichtketten im Serum).

Die «chronic kidney disease» (CKD) wird in fünf Stadien eingeteilt (Tab. 1). Ergänzend gibt es die CGA-Klassifikation der chronischen Nierenkrankheit nach Grunderkrankung (Causa), glomerulärer Filtrationsrate (GFR) und Albuminurie. Die GFR wird in sechs Kategorien aufgeteilt, die Albuminurie in drei. Es konnte gezeigt werden, dass das Mortalitätsrisiko bei chronischer Niereninsuffizienz abhängig vom Ausmass der Albuminurie ist (je höher, umso gefährlicher).

Progression vermeiden

Die Progression der Niereninsuffizienz kann generell durch eine optimale Blutdruckeinstellung mit ACE-Hemmern oder Angiotensin II-Rezeptorblockern [7], Statinen und Bikarbonat gehemmt werden. Dabei ist von einer Doppelblockade mit ACE-Hemmern und Angiotensin II-Rezeptorblockern abzusehen, wie eine Studie von 2008 zeigte [8]. Blutdruckziele bei Nierenerkrankung sind Werte von <140/90 mmHg. Bei Risikopopulationen wie Patienten mit Diabetes sollten Werte von <135/85 mmHg, bei chronischer Nephropathie mit einer Proteinurie unter 1 g/d Werte von <130/80 mmHg bzw. <125/75 mmHg (Proteinurie >1 g/d) angestrebt werden. Eine Studie von Baigent und Kollegen belegt die signifikante Senkung der Inzidenz schwerer atherosklerotischer Ereignisse mit Simvastatin plus Ezetimib bei Patienten mit fortgeschrittener chronischer Nierenkrankheit [9].

Komplikationen der fortschreitenden chronischen Niereninsuffizienz sind im CKD-Stadium 2 vor allem die kardiovaskuläre Morbidität, im Stadium 3 Hyperparathyroidismus und Anämie, im Stadium 4 metabolische Azidose und Hyperkalämie sowie im Stadium 5 die Dialyse.

Renale Anämie

Die Pathogenese der renalen Anämie verläuft über die Reduktion der Nephronenmasse, was zu einer verminderten Erythropoietin-Produktion führt. Der chronische Blutverlust bewirkt einen Eisenmangel, die Mangelernährung wiederum einen Vitaminmangel. Zudem ist die Erythrozytenhalbwertszeit verkürzt. Ein Hämoglobin-Wert (Hb) <11 g/dl ist eine Indikation für eine Therapie (vor der Dialyse). Ziel ist ein Hb zwischen 11 und 12 g/dl (oder 13), allerdings nicht höher. Voraussetzung sind «volle» Eisenspeicher: Ferritin >100 ug/l und Transferrin-Sättigung >20%. Die Eisengabe erfolgt parenteral (Ferinject® oder Venofer®), da dies rascher und effizienter ist als die orale Gabe [10].

In der Schweiz gibt es die Erythropoietinpräparate Mircera®, Aranesp®, Recormon® und Eprex®. Wenn der Hämoglobin-Wert zu hoch steigt (Werte von 13 g/dl und höher), wird es gefährlich, da es gehäuft zu Ereignissen wie Tod, Herzinfarkt, Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz und Stroke kommt [11].

«Allgemein ist es sehr wichtig, dass die Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Nephrologe bei der Behandlung von Patienten mit Nierenerkrankungen gut funktioniert», so der Referent. Abbildung 1 zeigt exemplarisch, wie eine solche Herangehensweise aussehen könnte.

Quelle: 8. Iron Academy, 30. April 2015, Zürich-Oerlikon

Literatur:

  1. Neal RD, et al.: Comparison of cancer diagnostic intervals before and after implementation of NICE guidelines: analysis of data from the UK General Practice Research Database. Br J Cancer 2014 Feb 4; 110(3): 584–592.
  2. Tørring ML, et al.: Time to diagnosis and mortality in colorectal cancer: a cohort study in primary care. Br J Cancer 2011 Mar 15; 104(6): 934–940.
  3. Ludwig H, et al.: Prevalence of iron deficiency across different tumors and its association with poor performance status, disease status and anemia. Ann Oncol 2013 Jul; 24(7): 1886–1892.
  4. Gilreath JA, Stenehjem DD, Rodgers GM: Diagnosis and treatment of cancer-related anemia. Am J Hematol 2014; 89(2): 203–212.
  5. Hewitson P, et al.: Cochrane systematic review of colorectal cancer screening using the fecal occult blood test (hemoccult): an update. Am J Gastroenterol 2008 Jun; 103(6): 1541–1549.
  6. Hugosson J, et al.: Mortality results from the Göteborg ­randomised population-based prostate-cancer screening trial. Lancet Oncol 2010 Aug; 11(8): 725–732.
  7. Brenner BM, et al.: Effects of losartan on renal and cardio­vascular outcomes in patients with type 2 diabetes and nephropathy. N Engl J Med 2001 Sep 20; 345(12): 861–869.
  8. Mann JF, et al.: Renal outcomes with telmisartan, ramipril, or both, in people at high vascular risk (the ONTARGET study): a multicentre, randomised, double-blind, controlled trial. Lancet 2008 Aug 16; 372(9638): 547–553.
  9. Baigent C, et al.: The effects of lowering LDL cholesterol with simvastatin plus ezetimibe in patients with chronic kidney disease (Study of Heart and Renal Protection): a randomised placebo-controlled trial. Lancet 2011 Jun 25; 377(9784): 2181–2192.
  10. Van Wyck DB, et al.: A randomized, controlled trial comparing IV iron sucrose to oral iron in anemic patients with nondialysis-dependent CKD. Kidney Int 2005 Dec; 68(6): 2846–2856.
  11. Singh AK, et al.: Correction of anemia with epoetin alfa in chronic kidney disease. N Engl J Med 2006 Nov 16; 355(20): 2085–2098.

CARDIOVASC 2015; 14(4): 35–37

Autoren
  • Andreas Grossmann 
Publikation
  • CARDIOVASC 

Bei Patienten mit Niereninsuffizienz und Vorhofflimmern ist das Risiko für einen ischämischen Schlaganfall stark erhöht. In den Stadien II und III der Niereninsuffizienz sind DOAK eine gute ­Alternative zu Vitamin K-Antagonisten; bei gleichbleibender Reduktion systemischer Embolien und ischämischer Schlaganfälle (nur Dabigatran) treten unter DOAK weniger Blutungskomplika­tionen auf. In Stadium III empfiehlt sich für alle DOAK eine Dosisreduktion. In den Stadien IV und V der Niereninsuffizienz stellen Blutungskomplikationen ein wichtiges Risiko dar. Apixaban, Rivaroxaban und Edoxaban sind für das Stadium IV in reduzierter Dosis zugelassen, wegen des ­Mangels an Daten kann eine Neueinstellung auf diese Substanzen ­aber nicht empfohlen werden. Für Stadium V der Niereninsuffizienz besteht eine Kontraindikation für alle DOAK und für Vitamin K-Antagonisten. Sollte dennoch eine Antikoagulation erwogen werden, muss dies anhand des individuellen Schlaganfall- und Blutungsrisikos abgewogen werden.

Die chronische Niereninsuffizienz (CNI) ist eine irreversible Nierenfunktionseinschränkung, bei der die Filtrationsfunktion der Niere vermindert ist und Abbauprodukte des Proteinstoffwechsels nicht ausreichend eliminiert werden können. Toxische Sub­stanzen wie Kreatinin, Harnstoff und Harnsäure sammeln sich in hoher Konzentration im Blut an und es kommt zu einer Dysbalance des Wasser- und Elektrolythaushalts. Bereits ab einem Alter von 30 Jahren liegt die Prävalenz der CNI bei 7,2% [1]. Ab einem Alter von 70 Jahren steigt die Prävalenz auf ca. 37,8% und wird damit zum globalen Gesundheitsproblem. Die CNI ist definiert durch die Reduktion der glomeru­lären Filtrationsrate (GFR) sowie Albuminurie und Proteinurie [2].

Generell ist zu bedenken, dass verschiedene Methoden zur GFR-Bestimmung existieren. Zur Risikoabschätzung werden die Stadien der CNI in fünf Kategorien je nach GFR und Proteinurie eingeteilt (Tab. 1) [2]. Die Bestimmung der physiologischen GFR über eine 24-Stunden-Urinanalyse ist zwar genau, aber nicht besonders praktikabel. Daher wird im klinischen Alltag die errechnete oder geschätzte GFR verwendet (eGFR errechnet durch Cockroft-Gault, MDRD-Studie oder CKD-EPI) [2], die aufgrund der unterschiedlichen Berechnungsformeln vor allem in den höheren Stadien der Niereninsuffizienz je nach Berechnungsmethode differieren kann.

Nicht-valvuläres Vorhofflimmern (VHF) ist eine intermittierende oder permanente Herzrhythmus­störung mit ungeordneter Tätigkeit der Herzvorhöfe, die nicht von der Mitralklappe ausgeht. Angelehnt an die NYHA-Klassifikation bei Herzinsuffizienz erfolgt die Stadieneinteilung in vier Grade nach Symptomen und Beeinträchtigung des Patienten durch das VHF (Tab. 2). VHF hat eine Prävalenz von ungefähr 1%, aufgeteilt in 0,5% der Bevölkerung zwischen 50 und 59 Jahren sowie bis zu 18% bei über 85-Jährigen [3].

Zusammenhang zwischen Niereninsuffizienz und Vorhofflimmern

Einige Studien haben bereits den Zusammenhang zwischen CNI und der erhöhten Prävalenz für VHF gezeigt. Die Niereninsuffizienz gilt als weiterer Risiko­faktor für VHF, neben der arteriellen Hypertonie [4]. CNI sowie VHF als eigenständige Erkrankungen, aber insbesondere in der Kombination, sind assoziiert mit einer erhöhten Mortalitätsrate [5]. In einer Publikation mit 387 Patienten mit VHF wurde gezeigt, dass eGFR und CHADS2-Score unabhängige Prädiktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen und Mortalität sind [6]. Somit sind VHF und CNI mit einer erhöhten Mortali­tätsrate verbunden. Des Weiteren zeigen sich eine Prävalenzsteigerung durch das Alter der Patienten, ein Einfluss einer Niereninsuffizienz auf die Entstehung von VHF sowie eine erhöhte Mortalitätsrate bei Patienten mit CNI und VHF.

Interaktion von Niereninsuffizienz, Vorhofflimmern­ und Schlaganfall

VHF ist die häufigste Ursache des ischämischen Schlaganfalls. Kardioembolische zerebrale Ischämien durch Vorhofflimmern allein verursachen ca. 20–25% aller Schlaganfälle [7,8]. In einer aktuellen Meta­analy­se betrug die Häufigkeit von neu entdecktem VHF nach einer transienten ischämischen Attacke (TIA) oder einem Schlaganfall 23,7% [9]. Durch VHF verursachte embolische Schlaganfälle sind nicht nur grösser als solche, die durch Mikro- oder Makroangiopathie verursacht werden, sie gehen auch mit hochgradigeren neurologischen Defiziten sowie einer erhöhten Mortalität von 20–25% in den ersten 30 Tagen einher [10]. Dieses Risiko steigt aufgrund der genannten Zusammenhänge weiter an, wenn eine CNI vorliegt. Mit verminderter eGFR steigt das Risiko von kardioembolischen Schlaganfällen auf 39% [11]. Verschiedene Studien zeigen, dass die CNI als Ursache eines VHF anzusehen ist, aber auch eine Entstehung einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz mit erhöhten Raten von VHF assoziiert ist [4,12,13]. Eine fünf Jahre dauernde dänische Kohortenanalyse bei Pa­tien­ten mit nicht-valvulärem VHF und dialysepflichtiger CNI bestätigte, dass diese Patienten (CHA2DS2-VASc-Score ≥2) ein 5,5-mal höheres Risiko für einen ischämischen Schlaganfall und thromboembolische Ereignisse hatten [14].

Vitamin K-Antagonisten

Vitamin K-Antagonisten sind gerinnungshemmende Medikamente, welche die Produktion von Vitamin K-abhängigen Gerinnungsfaktoren hemmen (Faktoren II, VII, IX und X). Beispiele hierfür sind Warfarin, Phenprocoumon und Acenocoumarol. Die Dosierung ist individuell und wird der aktuellen Gerinnung (INR) angepasst. Die Wirkung tritt in der Regel erst nach einigen Tagen ein und hält bis zu fünf Tage an. Bei nierengesunden Patienten mit VHF und einem CHA2DS2-VASc Score ≥1 wird eine Behandlung mit Vitamin K-Antagonisten (Ziel-INR: 2–3) zur Prophylaxe von ischämischen Schlaganfällen als effektivste Therapie angesehen (Abb. 1), eine Behandlung mit Thrombozytenfunktionshemmern kann hingegen nicht empfohlen­ werden [15].

Komplexer ist hingegen die Angelegenheit bei Patienten mit einer CNI. Auch wenn in den letzten Jahrzehnten auch bei diesen Patienten regelmässig Vitamin K-Antagonisten eingesetzt wurden, ist dies jedoch gemäss der Zulassungsbestimmungen kontraindiziert (siehe Arzneimittelkompendium). Ausserdem verdichten sich in den letzten Jahren Hinweise, dass z.B. Warfarin zu einer Nephrokalzinose führen und damit die Nierenfunktion und das Outcome selbst langfristig negativ beeinflussen kann [16].

Interessanterweise ist die Studienlage zur Behandlung mit Vitamin K-Antagonisten bei Patienten mit CNI parallel zur Einführung der neuen oralen Antikoagulanzien (DOAK) in den letzten Jahren intensiver bearbeitet worden. So konnte z.B. eine prospektive schwedische Kohortenstudie zeigen, dass systemische Embolien inklusive Schlaganfällen unter Warfarin-Behandlung bei Patienten mit CNI, VHF und stattgefundenem Myokardinfarkt signifikant reduziert waren [17]. Dieses galt interessanterweise auch für die CNI-Stadien III und IV. Die bereits zitierte Studie von Bonde et al. zeigte, dass bei Patienten mit CNI und CHA2DS2-VASc-Score ≥2 eine Warfarin-Behandlung das Risiko für schwere Schlaganfälle und Blutungen reduzierte (HR 0,71; 95%-KI 0,57–0,88) [14]. Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine dänische Register-Studie: Bei 132 372 Patienten mit VHF, die eine Warfarin-Therapie erhielten, war das Schlaganfallrisiko bei den Patienten, die eine CNI hatten oder im Verlauf eine solche entwickelten (n=3587), um 16% reduziert (HR 0,84; 95%-KI 0,69–1,01) [12]. Interessanterweise zeigte sich dieser Effekt auch bei Patienten mit höchstgradiger CNI bzw. Dialyse (56% Risiko-Reduktion; HR 0,44; 95%-KI 0,26–0,74). Im Gegensatz hierzu zeigte sich in einer kanadischen retro­spektiven Kohortenstudie (inkl. Metaanalyse) bei dialysepflichtigen Patienten kein günstiger Effekt von Warfarin auf die Schlaganfallrate bzw. die Mortalität (adjusted HR 1,14; 95%-KI 0,78–1,67) [18]. In dieser Studie dominierte ein um 44% höheres Blutungsrisiko bei Patienten, die mit Warfarin behandelt wurden, verglichen mit denen, die keine orale Antikoagulation erhielten (adjusted HR 1,44; 95%-KI 1,13–1,85) [18].

Neue orale Antikoagulantien

Weltweit werden die Non-Vitamin-K-Antagonisten (DOAK; Apixaban, Dabigatran, Edoxaban und Riva­roxaban) immer häufiger anstelle von Vitamin K-­Anta­gonisten zur Prävention eines kardiogen-embolischen Schlaganfalls bei VHF eingesetzt (Abb. 1). Die Vorteile der DOAK im Vergleich zu den Vitamin K-Antagonisten sind der schnellere Wirkungseintritt, die kürzere Halbwertszeit sowie das geringere Interaktionspotenzial mit anderen Medikamenten. Eine regelmässige Bestimmung der Gerinnung (INR) wie bei Vitamin K-Antagonisten ist nicht nötig. Die Medikamente müssen nicht aufdosiert werden und haben eine Standarddosierung mit ein- (Rivaroxaban und Edoxaban) oder zweimaliger (Apixaban und Dabigatran) oraler Applikation.

In den grossen randomisierten Studien (ARISTO­T­LE, ENGAGE AF-TIMI 48, RE-LY und ROCKET AF) zeigte sich, dass diese Medikamente im Vergleich mit Warfarin gleichwertig waren bezüglich der Prophylaxe neuer ischämischer Schlaganfälle bei Pa­tien­ten mit VHF [19–22]. Als einzige Substanz zeigte Dabigatran in der Dosierung von 150 mg im Vergleich zu Warfarin eine höhere Wirksamkeit in der Reduktion ischämischer Schlaganfälle. Bedeutsam für den klinischen Alltag ist auch, dass DOAK bei ähnlichem allgemeinem Blutungsrisiko die Auftrittsrate intrakranieller Blutungen verglichen mit Warfarin teilweise erheblich reduzieren konnten [19–22]. Erfreulich ist, dass für die Sekundärprophylaxe bei Patienten mit Schlaganfall und VHF nun verschiedene Optionen zur Verfügung stehen. Daraus resultiert das Bedürfnis, DOAK untereinander zu vergleichen, was in Bezug auf die Wirksamkeit jedoch problematisch erscheint, da diese in den randomisierten Studien nicht gegeneinander getestet wurden [23,24]. Sinnvoller erscheint hingegen, aufgrund der Substanzeigenschaften wie z.B. des Metabolismus eine Betrachtung vorzunehmen.

Tatsächlich stellt hier die Nierenfunktionsstörung ein kritisches Unterscheidungsmerkmal dar, denn diese erhöht die Medikamentenspiegel der DOAK im Blut, was wiederum die Halbwertszeit und die Wirksamkeit der Substanzen erhöht (Tab. 3). Insbesondere gilt dies für Dabigatran, das zu 80% renal ausgeschieden wird und bei CNI potenziell akkumulieren kann. Die Dosierung von Dabigatran sollte daher bei CNI Stadium III auf 2× 110 mg reduziert werden. Letztlich gilt dies auch für die weniger über die Niere ausgeschiedenen Faktor-Xa-Inhibitoren Rivaroxaban (Reduktion auf 1× 15 mg), Edoxaban (Reduktion auf 1× 30 mg) und Apixaban (Reduktion auf 2× 2,5 mg), wenn mindestens ein weiterer Co-Faktor vorliegt wie Alter >80 Jahre oder Gewicht <60 kg) (Tab. 3). Nachgewiesen wurde für alle vier Substanzen, dass die Wirksamkeit nach Dosisreduktion bei Patienten mit CNI erhalten blieb, inklusive der Wirksamkeit von Dabigatran 150 mg bezüglich der Reduktion ischämischer Schlaganfälle) [22,25–27]. Bemerkenswert ist, dass eine Subgruppenanalyse der ARISTOTLE-Studie suggeriert, dass sich gerade bei gestörter Nieren­funktion ein Vorteil bezüglich der Reduktion von Blutungsereignissen zeigt, während der Schutz vor ischämischen Ereignissen erhalten blieb [25]. Dies wurde in einer kürzlich publizierten Metaanalyse mit 40 145 Patienten bestätigt [28].

Vorgehen bei Niereninsuffizienz

Insgesamt legen die existierenden Daten somit die Schlussfolgerung nahe, dass DOAK bei Patienten mit CNI eine gute therapeutische Alternative zu ­Vita­min K-Anta­gonisten darstellen (Abb. 1). Es stellt sich jedoch immer wieder die Frage, wie man hier in der klinischen Praxis vorgeht. Sinnvoll erscheint es, das Vorgehen vom Ausmass der CNI abhängig zu machen (Tab. 4).

Bei Patienten mit moderater Niereninsuffizienz (Stadium II und III) kommen sowohl Vitamin K-An­ta­gonisten als auch DOAK in Frage [29].Vor allem im Stadium II erscheinen DOAK als eine gute Alternative zu Vitamin K-Antagonisten, da in einer aktuellen Metaanalyse sowohl für die Reduktion systemischer Embolien als auch ischämischer Schlaganfälle ein Vorteil gesehen wurde und Blutungen reduziert waren [30]. Im Stadium III der Niereninsuffizienz empfiehlt sich für alle DOAK eine Dosisreduktion. In reduzierter Dosis sind diese Medikamente eine gute Alternative zu Vitamin K-Antagonisten, da bei gleichbleibender Reduktion von embolischen Ereignissen (nur bei Dabigatran bleibt der Schlaganfall-reduzierende Effekt erhalten) die Blutungsraten signifikant geringer ausfielen [29,30].

Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban sind in reduzierter Dosierung prinzipiell für die Behandlung bei Patienten mit CNI Grad IV zugelassen. Man muss sich jedoch klar machen, dass eine CNI Grad IV in den grossen randomisierten Studien eine Kontraindikation darstellte und letztlich auch keine belastbaren Daten über Wirksamkeit und Blutungskomplika­tionen zur Verfügung stehen. So gesehen kann für dieses Stadium der Niereninsuffizienz für einen Einsatz von DOAK keine Empfehlung abgegeben werden [29]. In den USA, aber nicht in Europa, wurde eine Niedrigdosis von Dabigatran (2× 75 mg) bei Patienten mit CNI Stadium IV zugelassen aufgrund von Dosis- und Wirksamkeitssimulationen bei Patienten mit CNI.

Im Stadium V der Niereninsuffizienz bzw. bei Pa­tien­ten, bei denen eine Hämodialyse durchgeführt wird, kann eine DOAK-Behandlung nicht empfohlen werden, da hierzu schlichtweg keine belastbaren Daten existieren. Dabigatran und Rivaroxaban zeigten in einer aktuellen Studie bei dialysepflichtigen Patienten im Vergleich zu Warfarin eine erhöhte Blutungsrate, allerdings handelte es sich um eine sehr kleine Patientenzahl und insgesamt wenige Ereignisse (n=8064 Warfarin versus n=281 Dabigatran und n=244 Rivaroxaban) [31]. Stadium V der Niereninsuffizienz war in den klinischen Studien eine Kontraindikation und ist in der Fachinformationen der jeweiligen Präparate auch als solche benannt. Eine Alternative im Sinne einer individuellen Therapieentscheidung stellen ­Vitamin K-Antagonisten dar, die allerdings auch, wie bereits ausgeführt, bei CNI kontraindiziert sind und in einer kürzlichen Analyse auch embolische Ereignisse nicht signifikant verhindern konnten, allerdings mehr Blutungen zur Folge hatten [18].

Monitoring der Nierenfunktion

Ein erheblicher Vorteil der DOAK besteht darin, dass ein engmaschiges Monitoring wie z.B. der INR bei ­Vitamin K-Antagonisten nicht erforderlich ist. Allerdings ist aufgrund der beschriebenen Stoffwechselwege eine regelmässige Kontrolle der Nierenfunktion dringend erforderlich. Bei Nierengesunden sind jährliche Intervalle ausreichend. Bei Patienten mit CNI sollten jedoch engmaschigere Kontrollen erfolgen in Abhängigkeit vom Stadium der CNI, vom Alter, von den Begleiterkrankungen und vom verwendeten DOAK, da ja speziell Dabigatran und zu einem geringeren Masse auch Edoxaban in höheren Anteilen über die Niere metabolisiert wird (Tab. 4).

Schlussfolgerung

Patienten mit Niereninsuffizienz und Vorhofflimmern gehören zu den Patienten, die das höchste Risiko besitzen,­ einen ischämischen Schlaganfall zu erleiden. Vor diesem Hintergrund ist eine orale Antikoagulation dieser Patienten dringend zu erwägen. Tatsächlich kann die Antikoagulation jedoch in Abhängigkeit vom Grad der Niereninsuffizienz eine echte therapeutische Herausforderung darstellen, da besonders in den Stadien IV und V Blutungskomplikationen ein Ernst zu nehmendes Risiko darstellen. Relativ unproblematisch sind hingegen die Stadien II und III der Niereninsuffizienz, in denen eine Therapie mit einem DOAK eine gute Alternative zu Marcumar oder Phenprocoumon darstellt und bei gleichbleibender Effektivität bezüglich Reduktion embolischer Ereignisse weniger Blutungs­komplikationen auftreten.

Problematisch sind schon eher die Stadien IV und V der Niereninsuffizienz. Obwohl Apixaban, Rivaroxaban und auch Edoxaban für dieses Stadium in reduzierter Dosis zugelassen sind, kann aufgrund des Mangels an belastbaren Daten eine Neueinstellung auf diese Substanzen nicht empfohlen werden. Denkbar ist jedoch, Patienten, die auf eines der genannten DOAK eingestellt sind und im Therapieverlauf ­Stadium IV erreichen, unter strenger Kontrolle der Nierenfunktion darauf zu belassen, in der Hoffnung, dass die Nierenfunktion mittelfristig wieder besser wird. Für Stadium V der Niereninsuffizienz besteht eine Kontraindikation für alle DOAK. Diese besteht auch für Vitamin K-Antagonisten und die Datenlage belegt auch keinen Nutzen. Letztlich muss bei diesen Patienten eine individuelle Entscheidung unter Abwägung des individuellen Schlaganfallrisikos sowie der Begleiterkrankungen getroffen werden.

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie sich bei der Erstellung des Beitrags von keinen wirtschaftlichen Interessen leiten
liessen. Wolf-Rüdiger Schäbitz erhielt Referentenhonorare von Boehringer Ingelheim, Bayer, Pfizer-BMS und Daiichi. Frédéric Zuhorn hat keine Interessenkonflikte.

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Autoren
  • Prof. Dr. med. Wolf-Rüdiger Schäbitz 
  • Dr. med. Frédéric Zuhorn 
Publikation
  • CARDIOVASC 

Die Nephroprotektion umfasst Interventionen, die den GFR-Abfall über die Zeit verlangsamen und somit das Endstadium-Nierenversagen hinauszögern. Die neueste Intervention besteht im Einsatz von SGLT2-Hemmern bei Patienten mit diabetischer Nephropathie.

Eine chronische Niereninsuffizienz kann auf zwei Arten diagnostiziert werden:

  • Nachweis einer eingeschränkten Nierenfunktion mit einer errechneten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) von unter 60 ml/min, die über mindestens drei Monate besteht.
  • Nachweis eines chronischen Nierenschadens (Albuminurie, Hämaturie, bildgebender Nachweis wie z.B. polyzystische Nieren), der über mindestens drei Monate besteht – unabhängig von der eGFR.

Die Diagnose der chronischen Niereninsuffizienz kann somit in der Praxis mit drei einfachen Untersuchungen gestellt werden: Kreatininbestimmung (daraus eGFR berechnen), Urinstatus mit Sediment und Proteinurie (Spoturin) und Nierensonografie.

Abhängig vom Ausmass der Nierenfunktionseinschränkung und der Albuminurie erfolgt die Stadien­einteilung der chronischen Niereninsuffizienz. eGFR und Albuminurie sind unabhängige Risikofaktoren sowohl für die kardiovaskuläre Mortalität wie auch für das Risiko, ein Endstadium-Nierenversagen zu entwickeln [1]. Die Stadieneinteilung gibt deshalb Hinweise, wie oft solche Patienten kontrolliert und wie aggressiv sie bezüglich kardiovaskulärer Risiken behandelt werden sollten (Tab. 1). Weiter gibt das Ausmass der Nierenfunktionseinschränkung Hinweise darauf, mit welchen Sekundärkomplikationen zu rechnen ist (Tab. 2). Diese sollten aktiv gesucht und, wenn nötig, behandelt werden.

Verlauf

Die chronische Niereninsuffizienz verläuft über die Jahre progredient, unabhängig davon, ob die Grundkrankheit noch aktiv ist oder nicht. Dieses Phänomen wird mit der sog. «Brenner-Hypothese» erklärt, die besagt, dass mit dem Verlust einer grösseren Anzahl von Nephronen die noch verbleibenden Nephrone den Funktionsverlust mindestens teilweise kompensieren und somit hyperfiltrieren. Diese über längere Zeit bestehende Hyperfiltration führt zur Schädigung der noch intakten Nephrone. Histologisch lässt sich zuerst eine glomeruläre Hypertrophie und anschliessend eine zunehmende Glomerulosklerose nachweisen, die in einem progredienten Funktionsverlust sowie Auftreten einer Albuminurie resultiert.

Die Progression der chronischen Niereninsuffizienz kann mit der sog. Mitch-Kurve individuell pro Patient beschrieben werden [2]. Trägt man die eGFR oder den Wert 1/Kreatinin über die Zeit auf, dann ergibt sich eine linear abfallende Kurve. Mit dieser Kurve lässt sich für einen individuellen Patienten das Risiko, ein Endstadium-Nierenversagen zu entwickeln, abschätzen (Abb. 1A). Dies erleichtert das Gespräch mit dem Patienten und erlaubt, rechtzeitig die Vorbereitungen für die Einleitung eines Nierenersatzverfahrens zu treffen.

Gerne möchten wir als Ärzte die Progression der chronischen Niereninsuffizienz günstig beeinflussen. Unter «nephroprotektiven Massnahmen» verstehen wir alle Interventionen, die den Abfall der eGFR über die Zeit verlangsamen. Zwar gibt es bis heute keine Intervention, um diesen Abfall gänzlich zu stoppen. Aber wenn es gelingt, den Abfall der Mitch-Kurve nur ein wenig zu verflachen, dann gewinnt der Patient unter Umständen mehrere Jahre Dialyse-freier Zeit (Abb. 1B).

Nephroprotektion

Erste Generation – Blockade des Renin-Angiotensin-Systems: Das Renin-Angiotensin-System (RAS) ist entscheidend beteiligt an der Regulation des renalen Blutflusses und somit der Perfusion der einzelnen Glomeruli. Angiotensin beeinflusst direkt den Tonus des Vas efferens. Mehr Angiotensin führt zur Konstriktion des Vas efferens und damit zur Erhöhung des Filtrationsdruckes im glomerulären Kapillarbett. Das erlaubt einerseits die Autoregulation der glomerulären Filtration über eine grosse Spanne von Blutdruckschwankungen. Andererseits führt es auch zur oben erwähnten Hyperfiltration im Rahmen der Brenner-Hypothese. Die Blockierung des RAS mit ACE-Hemmern, Typ 1-Angiotensin-Rezeptorblockern (Sartane) oder Renin-Inhibitoren führt zur Dilatation des efferenten Gefässes am Glomerulum. Dadurch wird der glomeruläre Perfusionsdruck gesenkt und das glomeruläre Kapillarbett geschont. Gleichzeitig sinkt aber auch die glomeruläre Filtrationsrate pro Nephron und insgesamt. Der Beginn einer RAS-Blockade beim niereninsuffizienten Patienten führt demnach immer zu einem Kreatininanstieg. Ein solcher darf bis zu einem Anstieg von 25% toleriert werden, sofern er anschliessend auf diesem Niveau stabil bleibt. Der Kreatinin­anstieg ist funktionell und der Beweis dafür, dass der glomeruläre Perfusionsdruck in der Tat gesenkt werden konnte. Wird die RAS-Blockade wieder gestoppt, fällt das Kreatinin um den gleichen Wert wieder ab. Sollte sich der Kreatininwert nach Einführung der RAS-Blockade nicht stabilisieren, muss diese wieder gestoppt und eine Nierenarterienstenose gesucht werden.

In mehreren randomisierten Studien in den 1990er Jahren konnte gezeigt werden, dass die RAS-Blockade die Progression des chronischen Nierenversagens bremsen kann, sowohl bei diabetischer wie bei nicht-diabetischer Nephropathie [3]. Die RAS-Blockade ist somit heute die Grundlage jeder nephroprotektiven Intervention und soll umso aggressiver gemacht werden, je höher die Proteinurie ist. Dabei sollen individuelle Substanzen maximal ausdosiert werden, eine doppelte RAS-Blockade ist strikt zu vermeiden [4].

Zweite Generation – Korrektur der metabolischen Azidose: Die Niere ist das wichtigste Organ zur Ausscheidung von fixen Säuren, und diese akkumulieren mit zunehmender Einschränkung der Nierenfunktion. Das chronische Nierenversagen ist deshalb meist mit dem Auftreten einer metabolischen Azidose verbunden, vor allem in den fortgeschrittenen Stadien ab CKD G3b.

Die metabolische Azidose hat verschiedene ungünstige Auswirkungen. Sie beeinträchtigt die Knochengesundheit und begünstigt das Auftreten einer Hyperkaliämie, die wiederum das Risiko von Herzrhythmusstörungen erhöht. Ob jedoch die metabolische Azidose die Progression des chronischen Nierenversagens selber beeinflusst, war lange Zeit unklar. In den 2000er Jahren sind dann mehrere randomisierte Studien publiziert worden, wo der Einfluss einer Behandlung der metabolischen Azidose mit Natrium-Bikarbonat auf die Progression des chronischen Nierenversagens untersucht wurde. Zur Überraschung vieler Nephrologen konnte gezeigt werden, dass in verschiedenen Stadien der chronischen Niereninsuffizienz (CKD G2, G3 und G4) die Progression mit dieser einfachen Massnahme verlangsamt und das Auftreten eines Endstadium-Nierenversagens verzögert werden kann [5]. Somit gehört es heute zu den allgemeinen Empfehlungen, dass eine metabolische Azidose mit einem Serum-Bikarbonat <20 mmol/l mit Natrium-Bikarbonat behandelt werden soll. Dadurch bessert sich auch die Hyperkaliämie, was wiederum erlaubt, eine möglichst effiziente RAS-Blockade aufrechtzuerhalten.

Limitierend bei dieser Intervention sind oft die Verträglichkeit (Natrium-Bikarbonat verursacht Blähungen), die hohe Tablettenzahl (um ein Serum-Bikarbonat >20 mmol/l zu erreichen, sind manchmal sechs bis acht Tabletten pro Tag nötig) und die Natriumbelastung, die zu vermehrten Ödemen und/oder Blutdruckanstieg führen kann.

Dritte Generation – Blockade des Natrium/Glukose-Kotransporters SGLT2 im proximalen Tubulus: In den letzten Jahren ist eine neue Gruppe von oralen Antidiabetika in mehreren randomisierten Studien getestet worden: Es handelt sich um Hemmer des ­Natrium/Glukose-Kotransporters im proximalen Tubulus (SGLT2, «sodium-glucose transporter 2»). Diese Medikamente induzieren eine Glukosurie. Dadurch wird ein besseres HbA1c erreicht und eine negative Kalorienbilanz, die zu einer Netto-Gewichtsabnahme führt. Gleichzeitig führt die Blockade von SGLT2 jedoch auch zu einer Natriurese. Diese Substanzen sind somit eine neue Klasse von Diuretika, die im Gegensatz zu Schleifendiuretika und Thiaziden nicht im distalen Nephron, sondern im proximalen Tubulus wirken.

SGLT2-Hemmer wurden bisher vor allem bei Patienten mit Typ 2-Diabetes und einem erhöhten kardiovaskulären Risikoprofil (oft in der Sekundärprophylaxe) getestet. Es konnte hier ein hochsignifikanter Benefit auf die Gesamtsterblichkeit (Empagliflozin) sowie die kardiovaskuläre Mortalität (Empagliflozin, Canagliflozin) gezeigt werden. Aufgrund der diuretischen Wirkung konnten zudem Rehospitalisationen aufgrund einer dekompensierten Herzinsuffizienz signifikant gesenkt werden [6,7].

In Folgestudien wurde nun auch ein hochsignifikanter positiver Effekt auf harte renale Endpunkte gezeigt (Neuauftreten einer Makroalbuminurie, Verdoppelung des Serum-Kreatinins, Auftreten eines Endstadium-Nierenversagens). Der Effekt ist in der Grössenordnung der RAS-Blockade in einer Patientengruppe, die zum grössten Teil schon mit RAS-Blockern behandelt ist [8]! Der Mechanismus der Nephroprotektion ist noch nicht im Detail geklärt. Es wird aber eine Wirkung über die Macula densa mit Dilatation des Vas afferens postuliert. Der gleiche funktionelle Kreatininanstieg zu Beginn der Behandlung mit anschliessender Stabilisierung der Nierenfunktion wie bei der RAS-Blockade wurde gezeigt [9].

Zu beachten sind bei dieser Substanzklasse zwei klinische Nebenwirkungen: Häufig, aber harmlos sind vermehrt auftretende urogenitale Infektionen, die einfach behandelt werden können. Eine seltene, aber schwerwiegende Komplikation stellt die euglykäme diabetische Ketoazidose dar, die bei Insulinmangel und langen Fastenperioden auftreten kann. In den in Tabelle 3 aufgeführten klinischen Situationen sollten deshalb SGLT2-Hemmer nicht oder nur mit grosser Vorsicht eingesetzt bzw. vorübergehend pausiert werden.

Schlussfolgerung

Nach der RAS-Blockade und der Therapie der metabolischen Azidose steht uns nun seit zwei Jahren eine dritte nephroprotektive Massnahme zur Verfügung: der Einsatz von SGLT2-Hemmern. Diese ist im Moment nur bei Patienten mit diabetischer Nephropathie zugelassen (Tab. 4). Da der Mechanismus der Nephroprotektion mit grösster Wahrscheinlichkeit nichts mit dem Einfluss auf den Glukose-Stoffwechsel, sondern mit der diuretischen Wirkung dieser Substanzen zu tun hat, ist anzunehmen, dass sie auch bei nicht-diabetischer Nephropathie wirken würden. Die entsprechenden Studien dazu sind aktuell im Gange.

Take-Home-Messages

  • Die chronische Niereninsuffizienz hat einen progredienten Verlauf, der mit der Mitch-Kurve beschrieben werden kann.
  • Unter nephroprotektiven Massnahmen verstehen wir Interventionen, die den GFR-Abfall über die Zeit verlangsamen und somit das Endstadium-Nierenversagen hinauszögern können.
  • Grundlage jeglicher Nephroprotektion ist der Einsatz von Hemmern des Renin-Angiotensin-Systems (ACE-Hemmer, AT1-Rezeptorblocker, Renin-Inhibitoren). Diese sollen nach Verträglichkeit ausdosiert, aber nicht kombiniert werden.
  • Die Behandlung der metabolischen Azidose mit Natrium-Bikarbonat ist nephroprotektiv und soll bei einem Serum-Bikarbonat <20 mmol/l begonnen werden.
  • Die neueste Intervention besteht im Einsatz von SGLT2-Hemmern bei Patienten mit diabetischer Nephropathie. Sie wirken diuretisch am proximalen Tubulus und sind kardio- und nephroprotektiv.

Literatur:

  1. Stevens PE, Levin A: Evaluation and management of chronic kidney disease: synopsis of the kidney disease: improving global outcomes 2012 clinical practice guideline. Ann Intern Med 2013; 158: 825–830.
  2. Mitch WE, et al.: A simple method of estimating progression of chronic renal failure. Lancet 1976; 2: 1326–1328.
  3. Lewis EJ, et al.: The effect of angiotensin-converting-­enzyme inhibition on diabetic nephropathy. The Collaborative Study Group. N Engl J Med 1993; 329: 1456–1462.
  4. Luft FC: Perspective on combination RAS blocking ­therapy: off-TARGET, dis-CORD, MAP-to-nowhere, low ALTITUDE, and NEPHRON-D. Am J Nephrol 2014; 39: 46–49.
  5. de Brito-Ashurst I, et al.: Bicarbonate supplementation slows progression of CKD and improves nutritional status. J Am Soc Nephrol 2009; 20: 2075–2084.
  6. Zinman B, et al.: Empagliflozin, Cardiovascular Outcomes, and Mortality in Type 2 Diabetes. N Engl J Med 2015; 373: 2117–2128.
  7. Neal B, et al.: Canagliflozin and Cardiovascular and Renal Events in Type 2 Diabetes. N Engl J Med 2017; 377: 644–657.
  8. Wanner C, et al.: Empagliflozin and Progression of Kidney Disease in Type 2 Diabetes. N Engl J Med 2016; 375: 323–334.
  9. Anders HJ, et al.: Nephron Protection in Diabetic Kidney Disease. N Engl J Med 2016; 375: 2096–2098.

HAUSARZT PRAXIS 2018; 13(4): 22–25
CARDIOVASC 2019; 18(5): 6–9

 

Autoren
  • Prof. Dr. med. Thomas Fehr 
Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS 

Patienten mit Colitis ulcerosa und Morbus Crohn, die sich Koloskopien zur Überwachung unterziehen, senken das Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu versterben, signifikant. Als Standard gilt noch immer die Weisslicht-Video­endoskopie (WLE), doch auch andere Verfahren haben sich etabliert. Ein Experte vom Kantonsspital St. Gallen informierte über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Methoden.

Die Chromoendoskopie (CE), bei der (in der Regel blaue) Farbe aufgesprüht wird, kann auf diese Weise den Kontrast zwischen normaler und pathologisch auffälliger Mukosa verstärken, erklärte Prof. Dr. Jan Borovicka, Leiter Fachbereich Endoskopie, Klinik für Gastroenterologie/Hepatologie, Kantonsspital St. Gallen. Jedoch: Eine Studie, die die Swiss IBD Cohort Study Group unter Führung von Giulia Santi von der Universität Lausanne im Oktober 2020 veröffentlicht hat [1], arbeitete heraus, dass von 309 vorgenommenen Koloskopien lediglich 23 (7,4%) per Chromoendoskopie durchgeführt wurden. Selbst die virtuelle Chromoendoskopie werde mit 15,5% weitaus seltener von Gastroenterologen angewandt als man denkt. Trotz aktueller internationaler Empfehlungen erhält also eine signifikante Anzahl von Patienten keine angemessene endoskopische Überwachung, gibt Prof. Borovicka zu bedenken. Ein verstärkter Einsatz der Chromoendoskopie, ein Monitoring der Entzugszeit und eine angemessene Darmvorbereitung würde ihm zufolge die Qualität des CRC-Screenings verbessern. Die Einhaltung von Screening-Leitlinien und die endoskopische Qualität sollten entsprechend gefördert und standardisiert werden.

Biopsie: zufällig oder gezielt?

Eine zentrale Frage: Sind Zufallsbiopsien für den Nachweis von Neoplasien bei Patienten mit CED, die sich einer Überwachungskoloskopie mit Chromoendoskopie unterziehen, überhaupt noch sinnvoll? In einer grossen Untersuchung [2] von 1000 Patienten mit CED (495 mit Colitis ulcerosa, 505 mit Morbus Crohn) mit Neoplasie-Risiko erkannte die Chromoendoskopie mit gezielten Biopsien und endoskopischer Entfernung resezierbarer Läsionen die meisten Patienten mit Neoplasie. Der zusätzliche Prozentsatz an Patienten mit Neoplasien, die nur durch zufällige Biopsien entdeckt wurden, betrug etwa 15%. Der Nachweis von Neoplasien durch Zufallsbiopsien war dabei mit einer persönlichen Histologie von Neoplasien, begleitender primär sklerosierender Cholangitis (PSC) und einem tubulären Kolon verbunden. Die Wahrscheinlichkeit, Neoplasien durch zufällige Biopsien zu finden, ist bei Patienten, bei denen diese drei Risikofaktoren fehlen, nahezu null – was die Mehrheit der Patienten ausmacht, so der Experte.

Die Mehrheit der Schweizer Gastroenterologen greift nicht zu Methylenblau oder Indigokarmin – der (wahrscheinliche) Grund für die Skepsis: Es beansprucht Zeit und ist schwierig zu interpretieren. Die SURFACE-Guidelines für die Anwendung der Chromoendoskopie bei Colitis ulcerosa (CU), welche noch immer Gültigkeit besitzen (Tab. 1), stammen allerdings aus dem Jahr 2004 und haben schon damals zur Detektion mit Farbstoffen geraten.

CE versus WLE

Trotz fortschrittlicher Bildgebungsverfahren wie Autofluorescence Imaging (AFI), Narrow Band Imaging (NBI), High-Definition-WLE oder CE können spezialisierte Endoskopiker dysplastische Läsionen nicht zuverlässig identifizieren.

Die hochauflösende Chromoendoskopie mag der hochauflösenden Weisslicht-Endoskopie bei der Überwachung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen überlegen sein, aber die hochauflösende Weisslicht-Endoskopie ist immer noch der Standard. Dies zeigte auch eine schwedische Studie [4] in der 305 Patienten mit CU oder M. Crohn einer Koloskopie unterzogen wurden. Dysplastische Läsionen wurden dabei bei 17 Patienten mit HD-CE und 7 Patienten mit HD-WLE festgestellt (p=0,032). 20% dieser Patienten mit Dysplasie wurden nur durch Analyse zufälliger Biopsien identifiziert. 3 Patienten (33%) hatten PSC.

Die Schlussfolgerung der Forscher lautete daher: Die HD-Chromoendoskopie war der HD-Weisslicht-Endoskopie überlegen, wenn beide mit Entnahme zufälliger Biopsien zum Nachweis von Dysplasien per Koloskopie durchgeführt wurden. Doch auch HD-WLE ist immer noch eine gute Option, so Prof. Borovicka. Er wies aber auch darauf hin, dass aufgrund des seltenen Auftretens von Dysplasien Untersuchungen mit grösseren Patientenpopulationen nötig seien, um validere Aussagen treffen zu können.

Fachgesellschaft empfiehlt routinemässigen Einsatz

Der Experte verwies abschliessend auf die Empfehlungen der European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) zur Erkennung und Differenzierung kolorektaler Neoplasien bei entzündlichen Darmerkrankungen, deren jüngste Fassung 2019 herausgegeben wurde.

Die ESGE empfiehlt darin den routinemässigen Einsatz einer farbstoffbasierten Pankolon-Chromoendoskopie oder einer virtuellen Chromoendoskopie mit gezielten Biopsien zur Neoplasie-Überwachung bei Patienten mit langjähriger Colitis, wenn diese sich in einer ruhigen Krankheitsphase befinden (starke Empfehlung, moderate Evidenz). Auf eine zufällige Vier-Quadranten-Biopsie kann bei ruhiger Krankheits­aktivität dagegen verzichtet werden (starke Empfehlung, starke Evidenz).

Die Fachgesellschaft schlägt zudem vor, dass bei Hochrisikopatienten mit persönlicher Vorgeschichte (Dickdarmneoplasie, tubulärer Dickdarm, Strikturen, PSC) chromoendoskopisch gezielte Biopsien mit zufälligen Vier-Quadranten-Biopsien alle 10 cm im Dickdarm kombiniert werden können, allerdings gibt es hierfür nur eine schwache Empfehlung und niedrige Evidenz.

Take-Home-Messages

  • Colitis-assoziierte Krebsarten haben eine andere Pathogenese als sporadischer Darmkrebs.
  • Gezielte Biopsien nur mit hochauflösender Koloskopie sind derzeit die Technik der Wahl.
  • Bei Patienten mit PSC, Histologie einer Kolon-Neoplasie oder tubulärem Kolon sollten zufällige Biopsien hinzugefügt werden.
  • Die virtuelle Chromoendoskopie hat keinen Mehrwert zur Überwachungs­koloskopie (kein Zusatznutzen gegenüber hochauflösendem Weisslicht allein oder hochauflösender Chromoendoskopie).

Kongress: IBDnetTalk, 17.03.2022

Literatur:

  1. Santi G, Michetti P, Froehlich F, et al.: Adherence to Recommendations and Quality of Endoscopic Colorectal Cancer Surveillance in Long-Standing Ulcerative Colitis. Inflamm Intest Dis 2021; 6: 25–31; doi: 10.1159/000511010.
  2. Moussata D, Allez M, Cazals-Hatem D, et al.: Are random biopsies still useful for the detection of neoplasia in patients with IBD undergoing surveillance colonoscopy with chromoendoscopy? Gut 2018; 67(4): 616–624; doi: 10.1136/gutjnl-2016-311892.
  3. Rutter M, Bernstein C, Matsumoto T, et al.: Endoscopic Appearance of Dysplasia in Ulcerative Colitis and the Role of Staining. Endoscopy 2004; 36(12): 1109–1114; doi: 10.1055/s-2004-826049.
  4. Alexandersson B, Hamad Y, Andreasson A, et al.: High-Definition Chromoendoscopy Superior to High-Definition White-Light Endoscopy in Surveillance of Inflammatory Bowel Diseases in a Randomized Trial. Clin Gastroenterol Hepatol 2020; 18(9): 2101–2107; doi: 10.1016/j.cgh.2020.04.049.

HAUSARZT PRAXIS 2022; 17(5): 28–29

Autoren
  • Jens Dehn 
Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS 

Gemäss der neu herausgegebenen ESPEN-Leitlinien sollten Massnahmen der enteralen Ernährung einer parenteralen Nährstoffzufuhr im Allgemeinen vorgezogen werden. Es gibt allerdings einige Ausnahmen, dazu zählen Kontraindikationen wie Darmverschluss, schwerer Schock, intestinale Ischämie, High-Output-Fisteln oder intestinale Blutungen.

In diesen Fällen kann parenterale Ernährung für einen Zeitraum von Tagen oder Wochen benötigt werden, bis die Funktion des Magen-Darm-Traktes wiederhergestellt ist, so das diesbezügliche Fazit der im März dieses Jahres in der Fachzeitschrift Clinical Nutrition neu erschienenen Leitlinien der European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN) [1,2] (Übersicht 1). Bei Vorliegen von akutem Darmversagen/enterokutanen Fisteln ist eine parenterale Nährstoffzufuhr aufgrund der Beeinträchtigung des Gastrointestinaltraktes oft erforderlich, eventuell ergänzend zu enteraler Ernährung [3]. Eine Kombination von enteraler und parenteraler Ernährung sollte bei Patienten in Betracht gezogen werden, bei welchen über 60% der erforderlichen Energieaufnahme durch enterale Massnahmen nicht gewährleistet ist (Empfehlung 25A) [2]. Bei fortbestehenden High-Output-Stomata kann eine parenterale Infusion aus Flüssigkeit und Elektrolyten erforderlich sein (Empfehlung 9B). In der perioperativen Phase bei CED-Patienten ist meistens eine parenterale Nährstoffzufuhr ergänzend zu enteraler Ernährung indiziert (Empfehlung 25B) [1]. Bei Morbus Crohn-Patienten mit anhaltendem gastrointestinalem Versagen (wie beispielsweise bei einem Kurzdarmsyndrom infolge Resektion) ist die Nährstoffinfusion eine erforderliche und lebensrettende Massnahme, jedenfalls in den frühen Phasen des Darmversagens (Empfehlung 26B) [1]. Zeitnah im Anschluss an eine Proktokolektomie oder Kolektomie ist eine Zufuhr von Wasser und Elektrolyten erforderlich, um die hämodynamische Stabilität zu gewährleisten (Empfehlung 27B) [1].

Stoma-Patienten profitieren von parenteraler Ernährung

Anhaltende und schwerwiegende Diarrhoe oder ein High-Output-Stoma kann zu einer intestinalen Insuffizienz führen gekennzeichnet durch Malabsorption, unbeabsichtigtem Gewichtsverlust, Malnutrition und/oder Dehydratation. Malabsorbtion ist ein wichtiger Faktor für Malnutrition bei CED [4,5]. In einer retrospektiven Studie [6] mit 687 Stoma-Patienten konnte gezeigt werden, dass ein frühzeitiger, innerhalb von drei Wochen erfolgender High-Output einer Ileostomie häufig ist und obschon 49% spontan remittieren, bei 51% eine weiterführende medizinische Behandlung erforderlich ist, meistens  bedingt durch ein vorangegangenes Kurzdarmsyndrom. 71% der Patienten wurden mit oraler hypotoner Flüssigkeitsrestriktion, Glukose-Salz-Lösung und Anti-Diarrhoe-Medikation behandelt, um die parenteralen Infusionen absetzen zu können. In 8% der Fälle musste die parenterale oder subkutane Salzinfusion zu Hause fortgeführt werden. Dass im häuslichen Setting Behandlung mit oraler Flüssigkeitszufuhr und das Monitoring von Natrium im Urin gut durchführbar ist, konnte bereits vor etlichen Jahren gezeigt werden [7].

In einer Studie bei 13 Erwachsenen mit High-Output-Stomata führten orale Rehydrationslösungen, welche Reismaltodextrinsupplemente enthielten zu einer Verbesserung des Natrium- und Kalium-Gleichgewichtes. Eine Assoziation von erhöhtem Körpergewicht mit erniedrigten Serum-Renin-Konzentrationen lässt vermuten, dass auch ein ausgeglichener Wasserhaushalt erzielt werden konnte [11]. Bei einer anderen Studie wurden drei unterschiedliche Salzlösungen und/oder Glukoselösungen bei sechs Patienten mit Jejunostomien getestet. Basierend auf den Resultaten bei diesem relativ kleinen Sample scheint eine oral aufgenommene Glukose-Elektrolytlösung ein adäquater Ersatz für Natrium zu sein bei Pa­tien­ten mit High-Output-Stoma [8].

In Fallstudien zeigte bei Morbus-Crohn-Patien­ten mit High-Output-Stoma eine Behandlung mit hypotoner Flüssigkeitsrestriktion, Natrium angereicherter Ernährung, ausschliesslich enteraler Nahrungszufuhr und/oder parenteraler Natrium enthaltenden Infusionen positive Effekte.

Im Anschluss an einen operativen Eingriff hat es sich gezeigt, dass frühe postoperative Ernährung mit einer signifikanten Reduktion an Komplikationen assoziiert war im Vergleich zu traditionellen postoperativen Ernährungsmethoden. Ein negativer Einfluss auf Mortalität, Dehiszenz der Anastomose, Wiederaufnahme der Darmfunktion oder Hospitalisationsdauer konnte nicht festgestellt werden [9]. In einem Cochrane Systematic Review [10] führte eine frühzeitige orale oder enterale Nahrungsaufnahme, einschliesslich klarer Flüssigkeiten am ersten oder zweiten Tag nach der OP, nicht zu einer Verschlechterung der Heilung der Anastomosen im Colon oder Rektum führte und mit einer signifikant geringeren Hospitalisationsdauer korreliert war.

Allgemeine ernährungsbezogene Massnahmen bei CED

In den ESPEN-Leitlinien wird empfohlen, Pa­tien­ten mit Chronisch-entzündlichen Darm­erkran­kungen, welche ein erhöhtes Risiko für Mangelernährung aufweisen diesbezüglich zu screenen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung und im weiteren Verlauf. Wird eine Mangelernährung festgestellt, sollte eine adäquate Behandlung erfolgen, da Lebensqualität, Komplikationen, Prognose und Mortalität davon beeinflusst werden können. Bei aktiver CED sollte eine gesteigerte Eiweisszufuhr erfolgen (bis zu 1,2–1,5 g/kg/d). In der Remissionsphase ist der Proteinbedarf normalerweise nicht erhöht, hier ist eine Zufuhr von 1 g/kg/d analog zu gesunden Erwachsenen ausreichend. Alle ­Patienten mit CED sollten regelmässig untersucht werden hinsichtlich Mangelerscheinungen im Bereich von Mikronährstoffen, spezifische Defizite an Vitaminen oder Spurenelementen sollten ausgeglichen werden.

Wichtig ist auch die Testung auf Anämie. Wird eine Eisenmangelanämie festgestellt, wird eine Behandlung mit Eisensupplementation empfohlen, um die Hämoglobin(Hb)-Level und die Eisenspeicher wieder aufzufüllen. Bei leichter Anämie und klinisch inaktiver CED wird orales Eisen als Firstline-Behandlung empfohlen, falls keine Kontraindikation/Unverträglichkeit vorliegt. Intravenöse Eisensubstitutionstherapie wird empfohlen bei Patienten mit einer klinisch aktiven CED oder einer Unverträglichkeit gegenüber oralem Eisen, sowie bei Hb-Werten unter 100 g/L und bei Patienten, welche Erythropoietin-stimulierende Substanzen benötigen.

Es gibt keine spezifische CED-Diät, welche erwiesenermassen die Remission fördert. Bei Patienten im Erwachsenen- und Kindesalter mit aktiver CED-Erkrankung und denjenigen, welche mit Steroiden behandelt werden, sollten Calciumwerte und 25(OH) Vitamin-Spiegel kontrolliert und gegebenenfalls supplementiert werden, um einer geringen Knochendichte vorzubeugen. Falls eine Osteopenie oder Osteoporose vorliegt, wird empfohlen, dies gemäss der entsprechenden Guidelines zu behandeln. Von Ausschlussdiäten wird abgeraten, es gibt keine Hinweise, dass dadurch die Remission einer aktiven CED gefördert wird, auch dann nicht, wenn ein Patient unter individuellen Intoleranzen leidet. Wann sollten Probiotika eingesetzt werden? Bei Patienten mit einer milden bis moderaten Colitis ulcerosa kann zur Induktion der Remission Lactobacillus reuteri oder «VSL#3» erwogen werden, aber keine anderen Probiotika. Bei aktiver Colitis ulcerosa sollten keine Probiotika eingesetzt werden.

Literatur:

  1. Bischoff SC, et al.: ESPEN practical guideline: Clinical Nutrition in inflammatory bowel disease. ESPEN. Clin Nutr 2020; 39(3): 632–653.
  2. Weimann A, et al.: ESPEN guideline: clinical nutrition in surgery. Clin Nutr 2017; 36: 623–650
  3. Slonim AE, et al.: Effect of exclusion diet with nutraceutical therapy in juvenile Crohn’s disease. J Am Coll Nutr. 2009; 28: 277–285.
  4. Pironi L, et al.: Home artificial nutrition & chronic intestinal failure; acute intestinal failure special interest groups of ESPEN. ESPEN endorsed recommendations. Definition and classification of intestinal failure in adults. Clin Nutr 2015; 34: 171–180.
  5. Hart JW, et al.: Measured versus predicted energy expenditure in children with inactive Crohn’s disease. Clin Nutr 2005; 24: 1047–1055.
  6. Baker ML, et al.: Causes and management of a high-output stoma. Colorectal Dis. 2011; 13: 191-197
  7. Grischkan D, et al.: Maintenance of home hyperalimentation in patients with high-output jejunostomies. Arch Surg 1979; 114: 838–841.
  8. Nightingale JM, et al.: Oral salt supplements to compensate for jejunostomy losses: comparison of sodium chloride capsules, glucose electrolyte solution, and glucose polymer electrolyte solution. Gut 1992; 33: 759–761.
  9. Osland E, et al.: Early versus traditional postoperative feeding in patients undergoing resectional gastrointestinal surgery: a meta-analysis. J Parenter Enter Nutr 2011; 35: 473–448.
  10. Shukla HS, et al.: Enteral hyperalimentation in malnourished surgical patients. Indian J Med Res 1984; 80: 339–346.
  11. Pironi L, et al.:  Oral rehydration solution containing rice maltodextrins in patients with total colectomy and high intestinal output. Int J Clin Pharmacol Res 2000; 20: 55–60.

HAUSARZT PRAXIS 2020; 15(11): 40–41

Autoren
  • Mirjam Peter, M.Sc. 
Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS 

Das transmurale Ansprechen (TR) und die Heilung (TH), die mithilfe des intestinalen Ultraschalls (IUS) beurteilt werden, gewinnen als Behandlungsziele bei Morbus Crohn (MC) zunehmend an Bedeutung. Inwiefern dies auch für die Colitis ulcerosa (CU) gelten kann, hat ein Studienteam aus der Schweiz, Deutschland und Österreich untersucht. Sie wollen herausfinden, ob frühe Veränderungen im IUS eine Vorhersage für das künftige Ansprechen und die Remission nach einem Jahr Therapie sein können.

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind fortschreitende Krankheiten mit einem destruktiven Verlauf. Im Sinne des «Treat-to-Target»-Ansatzes ist eine regelmässige Überwachung der Krankheit anhand objektiver Parameter erforderlich. Die TRUST- und TRUST&UC-Studien zeigten bereits eine gute Korrelation zwischen Veränderungen von Parametern des intestinalen Ultraschalls (IUS) (z.B. Darmwanddicke, BWT), Laborparametern und Endoskopie, erklärte PD Dr. Luc Biedermann, Leitender Arzt der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsspital Zürich [1]. Die TRUST-BEYOND-Studie ist eine laufende, prospektive, nicht-interventionelle, multizentrische Studie bei Patienten mit aktiver Morbus-Crohn- oder Colitis-ulcerosa-Erkrankung, die bei Studienbeginn eine Therapie mit Biologika oder Januskinase-Inhibitoren erhalten haben. Ziel der Studie ist es, den prädiktiven Wert von transmuraler Response (TR) oder transmuraler Heilung (TH), bewertet in Woche 12, für den Krankheitsverlauf nach 52 Wochen zu beurteilen. Die Ergebnisse einer Interimsanalyse präsentierte Dr. Biedermann auf dem Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Gastroenterologie (SGG) in Interlaken.

Die Zwischenanalyse schloss 77 CU-Pa­tien­ten (63,6% männlich, medianes Alter 38,6 Jahre, Krankheitsdauer median 5,85 Jahre) mit klinisch aktiver Erkrankung (SCCAI 8,5 ± 2,2) mit erhöhter BWT bei Studienbeginn ein, die einen dokumentierten Besuch nach 12 und 52 Wochen unter derselben Therapie hatten. Bei der überwiegenden Mehrheit war das am stärksten betroffene Darmwandsegment das Colon sigmoideum mit einer mittleren BWT von 5,22 ± 1,28 mm bei Studienbeginn. Bei W12 nach Einleitung der Therapie betrug der Anteil der CU-Patienten mit TR und TH 67,5% (n=52) bzw. 31,2% (n=24). Die transmurale Response war dabei definiert als Verringerung der Darmwanddicke um mindestens 25% vs. Baseline und/oder Normalisierung, TH bedeutete Normalisierung der BWT und des Farbdopplersignals. 

TR in Woche 12 bringt drei von vier Patienten nach einem Jahr in Remission

Bei W52 stiegen die Raten der CU-Patienten auf 77,9% (n=60) für TR und 41,6% (n=32) für TH. Im Verlauf der Studie hatten Patienten mit TR bei W12 und W52 einen numerisch niedrigeren SCCAI-Score und niedrigere fäkale Calprotectinwerte als Patienten ohne TR. Bemerkenswert sei, dass 72,2% (n=39) der Patienten mit TR bei W12 in klinischer Remission bei W52 waren, verglichen mit 27,8 % (n=15) der Pa­tien­ten ohne frühem transmuralem Ansprechen (p=0,178) (Abb. 1). «Wenn Sie also in Woche 12 ein Ansprechen erreichen, werden drei von vier Ihrer Patienten nach einem Jahr in klinischer Remission sein. Erreicht man die TR nach 12 Wochen nicht, ist es nur einer von vier. Mit anderen Worten: Ultraschall nach drei Monaten scheint ein ausgezeichnetes und elegantes Vorhersageinstrument bei CU zu sein», erklärte Dr. Biedermann. Wie schon bei Morbus Crohn beobachtet, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass das IUS bei Colitis ulcerosa bis zu einem gewissen Grad einen prädiktiven Wert habe, so seine Schlussfolgerung.

Kongress: SGG-Jahreskongress 2023

Quelle:

  1. Biedermann L: Vortrag «One-year intestinal ultrasound improvements in UC patients on biologic or JAKi therapy – interim results of the TRUST BEYOND study»; Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Gastroenterologie (SGG), Interlaken, 14.09.2023.

GASTROENTEROLOGIE PRAXIS 2023: 1(2): 25 (veröffentlicht am 28.11.23, ahead of print)

Autoren
  • Jens Dehn 
Publikation
  • GASTROENTEROLOGIE PRAXIS 

Komplexe perianale Fisteln bei Morbus Crohn sind mit erheblichen Belastungen für die Betroffenen verbunden. Bislang mangelte es an langfristig wirksamen Therapien, vor allem für diejenigen, die auf Anti-TNF-α-Mittel nicht ansprechen.

(red) Morbus-Crohn-Patienten sind häufig von perianalen Fisteln betroffen. Perianale Fisteln sind anormale Passagen zwischen den unteren Teilen des Darms und der Haut in der Nähe des Afters. Die Fisteln lassen sich in einfache oder komplexe Fisteln differenzieren. Rund 80% der perianalen Fisteln bei MC gelten als komplex; die Fisteln betreffen den oberen Teil des Sphinkter-Komplexes, haben mehrere äussere Öffnungen, sind mit Schmerzen oder Fluktuation verbunden, die auf einen perianalen Abszess hindeuten, und/oder sind mit einer rektovaginalen Fistel oder einer anorektalen Striktur assoziiert (Abb. 1). Komplexe perianale Fisteln führen zu einer hohen Krankheitslast und beeinträchtigen die gesundheitsbezogene Lebensqualität erheblich. Die Fisteln können Schmerzen beim Stuhlgang, beim Sitzen oder beim Laufen verursachen. Ausserdem kann durch die Fistelgänge unkontrolliert Flüssigkeit wie Blut, Eiter oder Stuhl austreten. Sie sind oft schwer zu behandeln und sprechen nur schlecht auf medikamentöse Therapien an.

Behandlungsansätze umfassen Kombinationen aus medikamentösen und chirurgischen Optionen mit dem Ziel der Remission, weitere septische Komplikationen zu behandeln und zu verhindern, den Abfluss der Fistel zu lösen sowie die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Bei Erwachsenen mit nicht-aktivem oder mildem Morbus Crohn werden perianale Fisteln medikamentös behandelt, einschliesslich Antibiotika, Immunsuppressiva und biologischer Therapie. Gegenwärtig werden TNF-α-Mittel als Erstlinientherapie für komplexe perianale Fisteln bei Patienten mit MC empfohlen. Rückfälle treten häufig auf, nachdem die medizinische Behandlung abgebrochen wurde, und es wird allgemein angenommen, dass nur ein Drittel der Patienten eine Remission erreicht, die häufig als Schliessung äusserer Öffnungen und mangelnder Drainage definiert wird. Wenn die Fistel und die damit verbundenen Abszesse nicht heilen, ist eine Operation erforderlich. In Vollnarkose werden die Abszesse dann abgelassen und ein Faden durch die Fistel geführt. Dadurch bleibt die Fistel offen, damit sie abfliessen kann. Diese Setons sind in der Regel nicht kurativ und die Remissionsraten niedrig. Im schlimmsten Fall kommt der MC-Patient nicht um eine Proktektomie (permanente Entfernung eines Darmteils, um die perianale Fistel zu umgehen) herum. Für eine bestimmtes Patientenkollektiv gibt es nun Hoffnung.

Neue Behandlungsoption

Seit Anfang dieses Jahres ist in der Schweiz mit Alofisel® (Darvadstrocel) eine allogene Stammzelltherapie für Patienten mit Morbus Crohn zugelassen. Sie ist indiziert bei Erwachsenen mit nicht-aktivem oder gering aktivem Morbus Crohn mit komplexen perianalen Fisteln, vorausgesetzt die Fisteln haben auf mindestens eine konventionelle oder Biologika-Therapie unzureichend angesprochen. Die Behandlung beruht auf mesenchymalen Stammzellen, die entzündliche Prozesse lindern können. Die Zellen müssen dafür nicht lange im Körper des Patienten überleben, sie senden eine begrenzte Zeit entzündungshemmende Botenstoffe aus.

Weiterführende Informationen zur Stammzellentherapie erhalten Sie per E-Mail unter alofisel_CH@takeda.com.

Weiterführende Literatur:

  • Panés J, Rimola J: Nat Rev Gastroenterol Hepatol 2017; 14(11): 652–664.
  • Baumgart DC, Sandborn WJ: Lancet 2012; 380(9853): 1590–1605.
  • https://stemcells.nih.gov/info/basics/4.htm.
  • Panés J, et al.: Lancet 2016; 388(10051): 1281–1290.

HAUSARZT PRAXIS 2019; 14(3): 30

Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS