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Adipositas gilt laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) als eines der größten Gesundheitsrisiken unserer Zeit. Schon eine moderate Gewichtsreduktion kann das Risiko für zahlreiche Begleit- und Folgeerkrankungen deutlich senken. In diesem Artikel, der auf aktuellen Empfehlungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert, erfahren Sie, wie viel Gewichtsverlust notwendig ist, welche Therapieoptionen es gibt und warum die langfristige Gewichtsstabilisierung so wichtig ist. Dieser Artikel basiert auf den Empfehlungen von Prof. Dr. med. Martina de Zwaan und weiteren renommierten Quellen.

Adipositas: Ein weit verbreitetes Gesundheitsproblem

Adipositas (krankhaftes Übergewicht) ist heute in Europa sehr häufig: Etwa die Hälfte der Bevölkerung ist übergewichtig, und rund 20% sind adipös. Das bedeutet, dass jeder fünfte Erwachsene einen Body-Mass-Index (BMI) von mindestens 30 kg/m2 aufweist. Der BMI ist eine Maßzahl, die das Verhältnis von Körpergewicht zu Körpergröße beschreibt und zur Einordnung von Übergewicht und Adipositas dient. Adipositas entsteht durch eine langfristig positive Energiebilanz, also wenn über einen längeren Zeitraum mehr Kalorien aufgenommen als verbraucht werden. Unsere moderne Lebensweise begünstigt diese Entwicklung durch den ständigen Zugang zu energiedichten Lebensmitteln und Fertiggerichten. Doch auch andere Faktoren wie chronischer Stress, depressive Erkrankungen, Essstörungen (zum Beispiel Binge-Eating-Störung, bei der es zu wiederholten Essanfällen kommt) und hormonelle Störungen wie Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) oder das Cushing-Syndrom (Überproduktion von Kortisol) können zur Entstehung von Adipositas beitragen. Zusätzlich können bestimmte Medikamente, insbesondere Psychopharmaka, das Körpergewicht erhöhen.

Folgeerkrankungen: Warum Übergewicht so gefährlich ist

Übergewicht und Adipositas sind mit einer Vielzahl von Begleit- und Folgeerkrankungen verbunden, die zahlreiche Organe und Körpersysteme betreffen. Schon ab einem BMI von 25 kg/m2 steigt das Risiko für Typ-2-Diabetes (eine Form von Diabetes, die durch Insulinresistenz entsteht). Rund 80% der Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes sind übergewichtig oder adipös. Mit zunehmendem BMI erhöht sich auch das Risiko für Bluthochdruck (Hypertonie) und kardiovaskuläre Erkrankungen wie Arteriosklerose (Verengung der Blutgefäße durch Ablagerungen), Herzinsuffizienz (Herzschwäche), Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien) und thromboembolische Erkrankungen (Blutgerinnsel, die Gefäße verschließen können). Diese Komplikationen führen zu einer deutlich erhöhten Sterblichkeit. Darüber hinaus ist Adipositas ein Risikofaktor für chronische Nierenerkrankung (CKD, chronische Einschränkung der Nierenfunktion) und metabolische Dysfunktion-assoziierte steatotische Lebererkrankung (MASLD, eine Form der Fettleber). Auch psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen treten bei Menschen mit Adipositas deutlich häufiger auf als bei Normalgewichtigen.

Therapie: Die fünf Säulen der Adipositasbehandlung

Die Behandlung von Adipositas richtet sich nach dem Schweregrad und den individuellen Begleiterkrankungen. Laut aktueller Leitlinie besteht eine Behandlungsindikation ab einem BMI von 30 kg/m2 oder bei Übergewicht (BMI 25 bis <30 kg/m2) in Kombination mit gewichtsassoziierten Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes, einer stammbetonten Fettverteilung (vermehrtes Fett am Bauch) oder einem hohen psychosozialen Leidensdruck. Adipositas wird heute als chronische Erkrankung verstanden, die eine langfristige, häufig lebenslange Betreuung und Therapie erfordert. Die Basistherapie ist multimodal aufgebaut und umfasst Ernährungsumstellung, Steigerung der körperlichen Aktivität und Verhaltensmodifikation (gezielte Änderung von Gewohnheiten und Denkmustern). Die Therapie wird individuell auf die Lebensbedingungen, Ressourcen und Wünsche der Betroffenen abgestimmt. Reichen diese Maßnahmen nicht aus oder ist eine größere Gewichtsabnahme medizinisch sinnvoll, können gewichtsreduzierende Medikamente eingesetzt werden. Moderne Inkretin-Analoga wie Semaglutid und Tirzepatid (Medikamente, die das Sättigungsgefühl verstärken und den Blutzucker regulieren) haben sich in aktuellen Studien als sehr wirksam erwiesen. Bei schwerer Adipositas kann auch eine bariatrische Chirurgie (operative Eingriffe zur Gewichtsreduktion, z.B. Magenbypass) in Betracht gezogen werden. Eine erfolgreiche Gewichtsreduktion senkt das Risiko für Folgeerkrankungen und erhöht die Lebenserwartung.

Wie viel Gewichtsverlust ist notwendig? Die 5%-Regel

Das Hauptziel der Adipositasbehandlung ist eine langfristige Senkung des Körpergewichts, um das Risiko für Begleit- und Folgeerkrankungen zu reduzieren und die Lebensqualität zu verbessern. Besonders wichtig ist eine gezielte Reduktion der Fettmasse bei Erhalt der Muskelmasse. Die Leitlinie empfiehlt, im Rahmen der Primärversorgung regelmäßig (zum Beispiel alle sechs Monate) Körpergewicht, Körpergröße und BMI zu erfassen und den Gewichtsverlauf zu dokumentieren. Für die konservative Therapie (Ernährung, Bewegung, Verhaltensmodifikation) werden folgende Ziele empfohlen: Bei einem BMI zwischen 25 und 34,9 kg/m2 sollte innerhalb von 6 bis 12 Monaten eine Gewichtsabnahme von mindestens 5% des Ausgangsgewichts angestrebt werden. Bei einem BMI von 35 kg/m2 oder höher liegt das Ziel bei mindestens 10% des Ausgangsgewichts. Studien zeigen, dass bereits eine relative Gewichtsreduktion von 5% zu deutlichen gesundheitlichen Verbesserungen führen kann, insbesondere wenn das reduzierte Gewicht langfristig gehalten wird. Je größer die Gewichtsabnahme, desto stärker sinken die Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und andere Komplikationen. Daher ist es wichtig, individuelle und realistische Ziele zu setzen und die Therapie kontinuierlich anzupassen.

Langfristige Gewichtsstabilisierung: Rückfälle vermeiden

Adipositas ist eine chronische Erkrankung mit einer hohen Neigung zu Rückfällen (Rezidiven). Deshalb ist es entscheidend, nicht nur die Phase der Gewichtsabnahme, sondern auch die anschließende Gewichtsstabilisierung aktiv zu begleiten. Nach erfolgreicher Gewichtsreduktion sollten Maßnahmen zur dauerhaften Gewichtsstabilisierung empfohlen werden. Dazu gehören regelmäßige Bewegung, eine ausgewogene Ernährung, die Vermeidung von energiedichten Lebensmitteln sowie die kontinuierliche Reflexion und Anpassung des eigenen Verhaltens. Auch die Unterstützung durch medizinisches Fachpersonal oder Selbsthilfegruppen kann helfen, das erreichte Gewicht langfristig zu halten. Moderne Medikamente wie GLP-1-Analoga (Glucagon-like Peptid-1-Analoga) können bei Bedarf weiterhin unterstützend eingesetzt werden, um das Risiko eines Rückfalls zu verringern. Bei schwerer Adipositas kann die bariatrische Chirurgie eine dauerhafte Lösung bieten, wenn konservative Maßnahmen und Medikamente nicht ausreichen. Wichtig ist, dass die Behandlung immer individuell angepasst und regelmäßig überprüft wird, um die bestmöglichen Ergebnisse für die Gesundheit zu erzielen.

Quellen

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Adipositas betrifft einen großen Teil der europäischen Bevölkerung und birgt erhebliche gesundheitliche Risiken. Eine individuell angepasste Ernährungstherapie, durchgeführt von qualifizierten Fachkräften, kann nicht nur beim Abnehmen unterstützen, sondern vor allem die Gesundheit und Lebensqualität nachhaltig verbessern – unabhängig von der Zahl auf der Waage. Dieser Artikel basiert auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Empfehlungen.

Adipositas in Europa: Verbreitung, Risiken und Definition

In Europa sind fast 60 % der Menschen von Übergewicht oder Adipositas betroffen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass Adipositas jährlich für etwa 1,2 Millionen Todesfälle in Europa (mit)verantwortlich ist. Diese hohe Prävalenz zeigt, wie wichtig es ist, sich mit den Ursachen, Risiken und Behandlungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen. Adipositas ist eine chronische Erkrankung, die mit zahlreichen Folgeerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Mellitus Typ 2 (eine Form der Zuckerkrankheit, bei der der Körper Insulin nicht mehr richtig nutzt) und bestimmten Krebsarten einhergeht. Die gesundheitlichen Risiken steigen nicht nur mit dem Gewicht, sondern auch mit der Verteilung des Körperfetts. Besonders das viszerale Fett (Fett, das sich um die inneren Organe lagert) erhöht das Risiko für Folgeerkrankungen deutlich.

Die WHO definiert Adipositas anhand des Body-Mass-Index (BMI), einem Maß, das das Körpergewicht in Relation zur Körpergröße setzt. Ein BMI von über 30 kg/m2 gilt als adipös. Allerdings ist der BMI nur ein grobes Werkzeug, da er keine Aussage über die Fettverteilung oder den Muskelanteil trifft. Deshalb empfehlen Fachgesellschaften, zusätzlich den Taillenumfang und das Verhältnis von Taille zu Hüfte zu messen. Diese Werte geben Hinweise darauf, wie das Fett im Körper verteilt ist und wie hoch das individuelle Risiko für Begleiterkrankungen ist. Für eine umfassende Risikoeinschätzung wird zudem eine ausführliche Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte) empfohlen. Das „Edmonton Obesity System“ ist ein weiteres Instrument, das den Schweregrad der Adipositas anhand von Begleiterkrankungen und psychosozialen Faktoren einstuft.

Die Ursachen von Adipositas sind vielfältig. Neben einer positiven Energiebilanz (mehr Kalorienaufnahme als -verbrauch) spielen genetische Faktoren, der sozioökonomische Status (zum Beispiel Einkommen, Bildung und Arbeitsbedingungen) sowie psychische Einflüsse eine wichtige Rolle. Auch Umweltfaktoren, wie das Angebot an hochkalorischen Lebensmitteln und Bewegungsmangel, tragen zur Entstehung bei. Die Behandlung der Adipositas ist daher komplex und erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der auf die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen eingeht.

Individuelle Ernährungstherapie: Mehr als nur Diätpläne

Die aktuellen Leitlinien empfehlen eine individuell abgestimmte Ernährungstherapie als zentralen Bestandteil der Behandlung von Adipositas. Dabei arbeiten Patientinnen und Patienten eng mit qualifizierten Ernährungsfachkräften zusammen. Zu diesen Fachkräften zählen in Deutschland Diätassistentinnen und Diätassistenten, in Österreich Diätologinnen und Diätologen und in der Schweiz Ernährungsberaterinnen und Ernährungsberater. Diese Berufsgruppen verfügen über eine fundierte Ausbildung und sind darauf spezialisiert, Menschen mit Adipositas auf ihrem Weg zu einer gesünderen Ernährung zu begleiten.

Eine individuelle Ernährungstherapie berücksichtigt die persönlichen Lebensumstände, Vorlieben und Ressourcen der Betroffenen. Ziel ist es, gemeinsam realistische und nachhaltige Veränderungen im Essverhalten zu erarbeiten, die sich langfristig in den Alltag integrieren lassen. Dabei steht nicht die kurzfristige Gewichtsabnahme im Vordergrund, sondern die Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens. Die Ernährungstherapie orientiert sich an wissenschaftlich fundierten Empfehlungen und vermeidet starre Diätvorgaben, die häufig zu Frustration und Rückfällen führen.

Ein wichtiger Aspekt ist die Qualität der Beratung. Leider kursieren im Internet, in Büchern und im persönlichen Umfeld viele unseriöse Ernährungstipps, die nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Studien zeigen, dass nur ein sehr geringer Anteil der Ratgeberliteratur von ausgebildeten Fachkräften verfasst wurde. Viele dieser Empfehlungen sind widersprüchlich und fördern ein rigides Essverhalten, das langfristig nicht erfolgreich ist. In Österreich ist die Ernährungstherapie für Menschen mit Erkrankungen rechtlich geregelt: Nur Diätologinnen und Diätologen dürfen Ernährungsempfehlungen aussprechen. In Deutschland wird eine ambulante Ernährungstherapie von der Krankenkasse nur dann (teil-)finanziert, wenn die Beratung durch eine entsprechend ausgebildete Fachkraft erfolgt und eine ärztliche Notwendigkeitsbescheinigung vorliegt.

Die Zusammenarbeit mit einer Ernährungsfachkraft bietet viele Vorteile: Die Beratung ist individuell, evidenzbasiert und auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten. Gemeinsam werden Ziele definiert, Barrieren erkannt und Strategien entwickelt, um diese zu überwinden. Die Fachkraft unterstützt dabei, das eigene Essverhalten besser zu verstehen und nachhaltige Veränderungen zu etablieren. So kann die Ernährungstherapie nicht nur zur Gewichtsreduktion beitragen, sondern auch das Risiko für Folgeerkrankungen senken und die Lebensqualität steigern.

Der „Jo-Jo-Effekt“: Warum kurzfristige Diäten selten langfristig helfen

Viele Menschen mit Adipositas haben bereits zahlreiche Diäten ausprobiert, bevor sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Häufig führen diese Diäten zu einer schnellen Gewichtsabnahme, doch das verlorene Gewicht wird meist nach einiger Zeit wieder zugenommen – oft sogar mehr als zuvor. Dieses Phänomen wird als „Jo-Jo-Effekt“ bezeichnet. Der Jo-Jo-Effekt ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von hormonellen, biologischen und metabolischen Prozessen (Stoffwechselvorgängen), die den Körper dazu veranlassen, nach einer Phase der Kalorienreduktion wieder Gewicht zuzulegen.

Der Jo-Jo-Effekt ist nicht einfach durch mehr Motivation oder Disziplin zu verhindern. Vielmehr reagiert der Körper auf eine starke Kalorienreduktion mit einer Verringerung des Grundumsatzes (die Energiemenge, die der Körper in Ruhe verbraucht) und einer Erhöhung des Hungergefühls. Zusätzlich werden bestimmte Hormone ausgeschüttet, die den Appetit steigern. Diese biologischen Mechanismen machen es schwer, das reduzierte Gewicht langfristig zu halten. Wiederholte Gewichtsschwankungen erhöhen zudem das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes Mellitus Typ 2.

Eine qualifizierte Ernährungsfachkraft kann helfen, den Jo-Jo-Effekt zu vermeiden, indem sie gemeinsam mit den Betroffenen eine nachhaltige Ernährungsumstellung erarbeitet. Ziel ist es, das Gewicht zu stabilisieren und schrittweise gesunde Gewohnheiten zu etablieren. Studien zeigen, dass eine individuell angepasste Ernährungstherapie, die auf die Bedürfnisse und Lebensumstände der Patientinnen und Patienten eingeht, langfristig erfolgreicher ist als starre Diäten. Dabei werden verschiedene Ernährungsformen wie die mediterrane Ernährung, die „DASH-Diet“ (Dietary Approaches to Stop Hypertension – eine Ernährungsweise zur Blutdrucksenkung), die nordische Ernährung oder auch zeitweise der Einsatz von Mahlzeitenersatzprodukten in Betracht gezogen.

Wichtig ist, dass die Empfehlungen alltagsnah und umsetzbar sind. Faktoren wie Wohn- und Arbeitssituation, finanzielle Möglichkeiten, psychische Verfassung und soziale Unterstützung werden in die Therapie einbezogen. Die Ernährungstherapie legt den Fokus weniger auf eine reine Kalorienreduktion, sondern auf die Förderung des Wohlbefindens und der Gesundheit durch eine ausgewogene Ernährung und Verhaltensänderung. Dazu gehört zum Beispiel, ballaststoffreiche Lebensmittel zu bevorzugen, um ein langanhaltendes Sättigungsgefühl zu erreichen, oder regelmäßige Mahlzeiten als Teil der Selbstfürsorge zu etablieren, um Heißhungerattacken vorzubeugen.

Ernährungstherapie und Pharmakotherapie: Warum die Kombination entscheidend ist

In manchen Fällen kann eine medikamentöse Therapie (Pharmakotherapie) zur Unterstützung der Gewichtsreduktion sinnvoll sein. Die aktuellen Leitlinien empfehlen jedoch, diese immer mit einer Ernährungs- und Verhaltensumstellung zu kombinieren. Studien belegen, dass nach dem Absetzen von Medikamenten häufig eine erneute Gewichtszunahme erfolgt, wenn keine nachhaltigen Veränderungen im Essverhalten stattgefunden haben. Zudem besteht das Risiko einer Mangelernährung, wenn während der medikamentösen Behandlung nicht auf eine ausreichende Zufuhr von Proteinen und Nährstoffen geachtet wird.

Um die Qualität der Ernährungstherapie zu sichern, wurden in Deutschland und Österreich strukturierte Prozessmodelle entwickelt. Der „German-Nutrition-Care-Process“ in Deutschland und der diätologische Prozess in Österreich bieten einen klaren Rahmen für die Beratung und Therapie. Diese Modelle stellen sicher, dass die Ernährungsfachkraft gemeinsam mit den Betroffenen einen individuellen Weg findet, um die Ernährungssituation zu verbessern. Dabei werden regelmäßig Fortschritte überprüft und die Therapie bei Bedarf angepasst.

Eine reine Kalorienreduktion führt meist nur zu kurzfristigen Erfolgen. Langfristig ist es entscheidend, das Essverhalten und den Lebensstil nachhaltig zu verändern. Die Ernährungstherapie zielt darauf ab, die Freude am Essen wiederzuentdecken, den eigenen Körper besser wahrzunehmen und gesunde Routinen zu entwickeln. So kann das Risiko für Folgeerkrankungen gesenkt und die Lebensqualität verbessert werden. Die enge Zusammenarbeit zwischen Patientinnen und Patienten, Ernährungsfachkräften und gegebenenfalls weiteren Gesundheitsberufen wie Ärztinnen und Ärzten, Psychologinnen und Psychologen ist dabei ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Auch die Integration von Bewegung und Stressmanagement spielt eine wichtige Rolle in der Therapie. Körperliche Aktivität unterstützt nicht nur die Gewichtsregulation, sondern fördert auch das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit. Stress kann das Essverhalten negativ beeinflussen, weshalb Strategien zur Stressbewältigung in die Therapie einbezogen werden sollten. Insgesamt ist eine ganzheitliche Herangehensweise notwendig, um die vielfältigen Ursachen und Auswirkungen der Adipositas zu adressieren.

Stigmatisierung und psychische Belastungen: Die unsichtbaren Hürden bei Adipositas

Neben den körperlichen Folgen leiden viele Menschen mit Adipositas unter psychischen Belastungen und gesellschaftlicher Stigmatisierung. Psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Essstörungen treten bei Adipositas häufiger auf. Das Essverhalten kann dabei als Bewältigungsstrategie für emotionale Belastungen dienen. Manche Betroffene essen, um Stress oder negative Gefühle zu kompensieren, andere entwickeln restriktive Essgewohnheiten oder sogar Essstörungen wie Binge-Eating (Essanfälle mit Kontrollverlust).

Gewichtsstigmatisierung, auch „weight bias“ genannt, beschreibt die Vorurteile und Diskriminierungen, denen Menschen mit Übergewicht oder Adipositas ausgesetzt sind. Häufig werden sie als undiszipliniert, faul oder wenig gesundheitsbewusst dargestellt. Diese negativen Zuschreibungen können zu sozialer Ausgrenzung, verbalen Übergriffen und Mikroaggressionen führen. Viele Betroffene vermeiden aus Angst und Scham den Besuch von Gesundheitseinrichtungen, was die Versorgung zusätzlich erschwert. Gewichtsdiskriminierung kann die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und das Risiko für psychische Erkrankungen und gestörtes Essverhalten erhöhen.

In der Praxis ist es wichtig, sensibel mit dem Thema Gewicht umzugehen. Therapeutinnen und Therapeuten sollten sich der eigenen Vorurteile bewusst sein und eine wertschätzende, unterstützende Haltung einnehmen. Besonders nach erfolgreicher Gewichtsabnahme ist es wichtig, auf auffälliges Verhalten wie stark eingeschränktes Essverhalten, Bewegungszwang, Missbrauch von Abführmitteln (Laxanzienabusus), gestörte Körperwahrnehmung oder das Ausbleiben der Menstruation (Amenorrhö) zu achten. Hier ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Ernährungsfachkräften, Psychologinnen und Psychologen sowie Ärztinnen und Ärzten notwendig, um Essstörungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Gestaltung eines sicheren und unterstützenden Umfelds in der Praxis. Dazu gehören zum Beispiel geeignete Sitzmöglichkeiten für Menschen mit Adipositas oder eine respektvolle Kommunikation. Die kanadischen Leitlinien bieten einen Leitfaden für die patientenorientierte Gesprächsführung, der hilft, das Thema Gewicht sensibel anzusprechen. Eine Möglichkeit ist, die Patientinnen und Patienten zu fragen, ob sie sich wohl fühlen, über ihr Gewicht zu sprechen. Gemeinsam kann dann eine individuelle Therapiestrategie entwickelt werden, die die Gesundheit und das Wohlbefinden in den Mittelpunkt stellt.

Gewichtsneutrale Ansätze und ganzheitliche Therapie: Gesundheit im Mittelpunkt

In den letzten Jahren gewinnen gewichtsneutrale Interventionen zunehmend an Bedeutung. Dabei steht nicht die Gewichtsreduktion im Vordergrund, sondern die Verbesserung der Gesundheitsparameter und der Lebensqualität. Konzepte wie „Intuitive Ernährung“ und „Health at every Size“ (Gesundheit in jeder Größe) verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz. Sie fördern die Wahrnehmung von Hunger- und Sättigungssignalen, die Akzeptanz des eigenen Körpers und den Abbau von Diätmentalität.

Diese Ansätze werden häufig in Gruppen oder im Einzelsetting von interdisziplinären Teams durchgeführt. Neben Ernährungswissen werden Kompetenzen wie Emotionsregulation, Achtsamkeit und Selbstfürsorge vermittelt. Ziel ist es, das Essverhalten zu normalisieren, das Körperbild zu verbessern und gestörtes Essverhalten zu reduzieren. Studien zeigen, dass gewichtsneutrale Interventionen das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit fördern können. Allerdings gibt es bisher noch zu wenige wissenschaftliche Untersuchungen, um diese Ansätze flächendeckend in die Leitlinien zu integrieren.

Die Ernährungstherapie bei Adipositas bietet somit vielfältige Möglichkeiten, die Gesundheit zu fördern – unabhängig von der Zahl auf der Waage. Eine individuell abgestimmte Therapie, die die Bedürfnisse, Ressourcen und Lebensumstände der Betroffenen berücksichtigt, erhöht die Erfolgschancen. Dabei kann auch eine Gewichtsstabilisierung ein sinnvolles Ziel sein, um die negativen Folgen des Jo-Jo-Effekts zu vermeiden und die Lebensqualität zu verbessern. Die enge Zusammenarbeit zwischen allen Gesundheitsberufen ist entscheidend, um eine umfassende Versorgung sicherzustellen.

In Zukunft könnten gewichtsneutrale Interventionen eine größere Rolle in der Behandlung von Adipositas spielen. Der Erfolg der Therapie sollte nicht ausschließlich am Gewichtsverlust gemessen werden, sondern an der Verbesserung der Gesundheitsparameter und des Wohlbefindens. Weitere Studien sind notwendig, um diese Ansätze in evidenzbasierte Leitlinien zu integrieren und die Versorgung von Menschen mit Adipositas weiter zu verbessern.

Wichtige Erkenntnisse für Patientinnen und Patienten

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ernährungstherapie bei Adipositas individuell und bedarfsorientiert gestaltet werden sollte. Der BMI allein reicht nicht aus, um das Risiko für Begleiterkrankungen zu beurteilen. Eine ausführliche Anamnese und die Bestimmung des Fettverteilungsmusters sind unerlässlich. Die Qualität der Ernährungstherapie wird durch die Zusammenarbeit mit qualifizierten Fachkräften gesichert. In Österreich ist die Ernährungstherapie für Menschen mit Erkrankungen rechtlich geregelt, in Deutschland ist eine ärztliche Notwendigkeitsbescheinigung erforderlich.

Der Jo-Jo-Effekt ist ein komplexes Phänomen, das nicht allein durch Willenskraft überwunden werden kann. Nachhaltige Erfolge werden durch eine individuell angepasste Ernährungstherapie erzielt, die auf die persönlichen Bedürfnisse eingeht. Auch bei einer medikamentösen Therapie ist eine begleitende Ernährungs- und Verhaltensumstellung notwendig, um langfristige Erfolge zu sichern und Mangelernährung zu vermeiden.

Die Stigmatisierung von Menschen mit Adipositas stellt eine große Herausforderung dar. Sie kann die Lebensqualität und die Versorgung negativ beeinflussen. Eine wertschätzende, unterstützende Haltung und die Berücksichtigung psychischer Belastungen sind daher essenziell. Gewichtsneutrale Interventionen bieten neue Möglichkeiten, die Gesundheit und das Wohlbefinden unabhängig vom Gewicht zu fördern.

Jede und jeder kann einen Beitrag leisten, indem Vorurteile hinterfragt und Menschen mit Adipositas respektvoll begegnet wird. Die Ernährungstherapie bietet eine große Chance, die Gesundheit zu verbessern und die Lebensqualität zu steigern. Individuelle Lösungen, interdisziplinäre Zusammenarbeit und ein ganzheitlicher Blick auf die Bedürfnisse der Betroffenen sind der Schlüssel zum Erfolg.

  • Der BMI allein ist zur Bewertung des Risikos für Adipositas-assoziierte Erkrankungen nicht ausreichend. Eine ausführliche Anamnese und die Bestimmung des Fettverteilungsmusters sind notwendig.
  • In Österreich dürfen nur Diätologinnen und Diätologen Ernährungsempfehlungen für Menschen mit Erkrankungen aussprechen. In Deutschland ist eine ärztliche Notwendigkeitsbescheinigung für eine (teil-)finanzierte Ernährungstherapie erforderlich.
  • Der Jo-Jo-Effekt ist ein komplexes Zusammenspiel hormoneller, biologischer und metabolischer Vorgänge, das nicht allein durch Motivation oder Willenskraft überwunden werden kann.
  • Auch bei einer medikamentösen Therapie ist eine begleitende Ernährungs- und Verhaltensumstellung notwendig, um langfristige Erfolge zu sichern.
  • Die Ernährungstherapie bei Adipositas sollte nicht nur auf eine Gewichtsreduktion abzielen, sondern vor allem die Gesundheit und Lebensqualität verbessern.

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Viele Menschen in der Schweiz suchen nach Wegen, die gesundheitlichen Risiken des Rauchens zu verringern. Doch wie wirksam sind E-Zigaretten und Tabakerhitzer wirklich, und was sagt die aktuelle Forschung dazu? Dieser Artikel basiert auf den neuesten internationalen Studien und gibt Ihnen einen umfassenden Überblick über Chancen, Risiken und praktische Tipps zur Harm Reduction beim Rauchen.

Rauchen in der Schweiz: Zahlen, Fakten und Hintergründe

Rauchen bleibt in der Schweiz ein weit verbreitetes Problem: Über 1,5 Millionen Menschen ab 15 Jahren greifen regelmäßig zur Zigarette, was etwa einem Viertel der Bevölkerung entspricht. Trotz der bekannten Risiken beginnen viele bereits im Jugendalter mit dem Rauchen – 67,6% der Raucherinnen und Raucher fangen vor dem 20. Lebensjahr an. Fast 60% möchten irgendwann aufhören, doch der Weg dorthin ist oft schwierig und von Rückschlägen geprägt. Die gesundheitlichen Folgen sind gravierend: Tabakkonsum zählt weltweit zu den häufigsten vermeidbaren Todesursachen und ist laut aktuellen Studien für rund 8,71 Millionen Todesfälle pro Jahr verantwortlich.

Die Geschichte des Rauchens zeigt, dass das Problem keineswegs neu ist. Schon im 17. Jahrhundert führte König James von England eine hohe Tabaksteuer ein, weil er Tabak für „schädlich für das Gehirn und gefährlich für die Lunge“ hielt. Heute sind die Risiken wissenschaftlich belegt: Rauchen erhöht das Risiko für Lungenkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Bronchitis und viele weitere Krankheiten erheblich. Dennoch fällt es vielen schwer, dauerhaft auf Zigaretten zu verzichten. Hier setzt das Konzept der Harm Reduction an.

Harm Reduction (Schadensminderung) bezeichnet Strategien und Programme, die darauf abzielen, die gesundheitlichen Schäden durch den Konsum legaler oder illegaler Drogen zu verringern – insbesondere für Menschen, die nicht vollständig aufhören können oder wollen. Im Bereich Tabak bedeutet das, auf weniger schädliche Produkte wie E-Zigaretten oder Tabakerhitzer umzusteigen, anstatt den Konsum komplett zu verbieten. Diese Ansätze werden zunehmend auch im Schweizer Gesundheitssystem diskutiert und erprobt.

Harm Reduction: Was bedeutet das für Raucherinnen und Raucher?

Harm Reduction ist ein Ansatz, der nicht auf vollständige Abstinenz setzt, sondern darauf, die Risiken des Konsums zu minimieren. Für viele Raucherinnen und Raucher ist der sofortige Rauchstopp ein schwieriges Ziel. Hier können alternative Produkte wie E-Zigaretten und Tabakerhitzer helfen, den Übergang zu einem gesünderen Lebensstil zu erleichtern. Doch wie funktionieren diese Produkte genau, und wie unterscheiden sie sich von herkömmlichen Zigaretten?

E-Zigaretten verdampfen aromatisierte Flüssigkeiten, die meist Nikotin enthalten, das aus der Tabakpflanze extrahiert wurde. Tabakerhitzer (auch „Heat-not-Burn“-Produkte oder HTP genannt) erhitzen echten Tabak auf maximal 350°C, ohne ihn zu verbrennen. Im Gegensatz dazu verbrennen normale Zigaretten Tabak und Zusatzstoffe bei Temperaturen von 600–900°C. Durch diese Verbrennung entstehen zahlreiche Schadstoffe wie Kohlenmonoxid, Formaldehyd, Acetaldehyd, Acrolein, Benzole, Benzopyrene und Butanone. Diese Substanzen sind maßgeblich für die gesundheitlichen Risiken des Rauchens verantwortlich.

Studien zeigen, dass beim Umstieg auf E-Zigaretten oder Tabakerhitzer die Belastung mit diesen Schadstoffen deutlich reduziert wird. Biomarker (messbare Substanzen im Körper, die auf eine Schadstoffbelastung hinweisen) wie flüchtige organische Verbindungen, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Nitrosamine und Kohlenmonoxid nehmen nachweislich ab. Auch bei Entzugssymptomen sind beide Alternativen ähnlich wirksam, wobei Tabakerhitzer in einigen Studien sogar etwas besser abschneiden, was Zufriedenheit und Nebenwirkungen betrifft.

Wichtig zu wissen: Harm Reduction ist kein Freifahrtschein für unbeschwerten Konsum. Auch E-Zigaretten und Tabakerhitzer sind nicht völlig risikofrei, enthalten aber deutlich weniger Schadstoffe als herkömmliche Zigaretten. Für viele Menschen ist der Umstieg ein realistischer Zwischenschritt auf dem Weg zur vollständigen Rauchfreiheit.

Wissenschaftliche Erkenntnisse zu E-Zigaretten und Tabakerhitzern

Die Forschung zu E-Zigaretten und Tabakerhitzern entwickelt sich ständig weiter. Beim E-Cigarette Summit 2023 wurden die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse vorgestellt. Besonders interessant ist die Wahrnehmung der Schädlichkeit von E-Zigaretten: In Großbritannien halten viele Erwachsene E-Zigaretten für genauso schädlich oder sogar schädlicher als normale Zigaretten. Diese Einschätzung steht jedoch im Widerspruch zu den aktuellen Studienergebnissen.

Ein wichtiger Aspekt ist die Frage, ob E-Zigaretten Jugendliche zum Rauchen verleiten. Ein Cochrane Review unter der Leitung von Dr. Jamie Hartmann-Boyce untersucht, ob der Zugang zu E-Zigaretten junge Menschen (bis 29 Jahre) dazu bringt, später auch normale Zigaretten zu rauchen. Dabei werden auch Faktoren wie soziales Umfeld, Geschlecht und Verfügbarkeit berücksichtigt. Die ersten Ergebnisse werden in Kürze erwartet, doch schon jetzt zeigt sich, dass viele verschiedene Einflüsse eine Rolle spielen.

Für Erwachsene, die mit dem Rauchen aufhören möchten, gibt es ebenfalls neue Erkenntnisse. Prof. Peter Hajek aus London hat einen weiteren Cochrane Review vorgestellt, der regelmäßig aktualisiert wird („living systematic review“). Im letzten Update von Oktober 2023 wurden zehn neue Studien mit über 27.000 Teilnehmenden ausgewertet. Das zentrale Ergebnis: E-Zigaretten sind wirksamer als Nikotinpflaster oder Inhalatoren, wenn es darum geht, mit dem Rauchen aufzuhören. Allerdings bleiben etwa 80% der Umsteiger nach einem Jahr bei der E-Zigarette, wobei ein Drittel bereits nikotinfreie Varianten nutzt. Bis zu zwei Jahre nach dem Umstieg konnten keine ernsthaften Risiken festgestellt werden. Langfristige Risiken sind zwar nicht ausgeschlossen, liegen aber deutlich unter denen des klassischen Rauchens.

Auch die US-amerikanische FDA hat das Produkt IQOS im Jahr 2020 als „Tabakprodukt mit verändertem Risiko“ eingestuft. Das bedeutet, dass das Risiko für tabakbedingte Krankheiten durch den Umstieg auf Tabakerhitzer nachweislich gesenkt werden kann. Diese Einschätzung basiert auf umfangreichen Studien zu Biomarkern und Schadstoffbelastungen.

Wie schädlich sind E-Zigaretten und Tabakerhitzer wirklich?

In den Medien wird häufig berichtet, dass E-Zigaretten genauso gefährlich seien wie normale Zigaretten. Die Wissenschaft widerspricht jedoch: Laut Dr. Sarah Jackson aus London überschätzen viele Menschen die Risiken von E-Zigaretten, was vor allem an der Berichterstattung und den Botschaften von Gesundheitsorganisationen liegt. Bereits 2015 zeigte ein Bericht von Public Health England – und spätere Untersuchungen bestätigten dies –, dass beim Dampfen die meisten krankmachenden Chemikalien fehlen. Die Schädlichkeit alternativer Nikotinprodukte im Vergleich zur Zigarette wird auf nur 5% geschätzt.

Was bedeutet das konkret? Beim Dampfen entstehen keine Verbrennungsprodukte wie Kohlenmonoxid oder polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, die für viele der schweren Erkrankungen durch das Rauchen verantwortlich sind. Auch Substanzen wie Formaldehyd, Acetaldehyd und Acrolein treten in deutlich geringeren Mengen auf. Dennoch enthalten E-Zigaretten und Tabakerhitzer weiterhin Nikotin, das abhängig machen kann und ebenfalls gesundheitliche Risiken birgt – etwa für das Herz-Kreislauf-System.

Der Unterschied zwischen E-Zigarette und Tabakerhitzer liegt vor allem in der Art der Nikotinaufnahme und der Zusammensetzung der inhalierten Stoffe. Während E-Zigaretten aromatisierte Flüssigkeiten verdampfen, erhitzen Tabakerhitzer echten Tabak. Beide Geräte sind batteriebetrieben, erzeugen ein Aerosol (feine Tröpfchen, die inhaliert werden) und produzieren keine Asche. Studien zeigen, dass beide Alternativen die Schadstoffbelastung im Körper deutlich reduzieren können. Bei der Zufriedenheit und den Nebenwirkungen schneiden Tabakerhitzer in einigen Untersuchungen sogar etwas besser ab, die Unterschiede sind jedoch gering.

Wichtig ist: Auch wenn das Risiko im Vergleich zur Zigarette deutlich geringer ist, sind E-Zigaretten und Tabakerhitzer nicht völlig harmlos. Besonders für Nichtraucher und Jugendliche sind sie nicht zu empfehlen. Für langjährige Raucherinnen und Raucher können sie jedoch eine sinnvolle Alternative darstellen, um die gesundheitlichen Risiken zu senken.

Praktische Tipps für den Umstieg: Alltag, Kosten und Unterstützung

Stellen Sie sich vor, Sie rauchen seit vielen Jahren und haben schon mehrfach versucht aufzuhören – ohne Erfolg. Ihr Hausarzt empfiehlt Ihnen nun, auf E-Zigaretten oder Tabakerhitzer umzusteigen. Was bedeutet das konkret für Sie im Alltag?

Gesundheitlich profitieren Sie vom Umstieg, da das Risiko für tabakbedingte Krankheiten wie Lungenkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und chronische Bronchitis deutlich sinkt. Zwar sind E-Zigaretten und Tabakerhitzer nicht völlig risikofrei, enthalten aber viel weniger Schadstoffe als herkömmliche Zigaretten. Der vollständige Rauchstopp bleibt das beste Ziel, doch der Umstieg kann ein realistischer Zwischenschritt sein.

In der Schweiz sind E-Zigaretten und Tabakerhitzer legal erhältlich – sowohl in Fachgeschäften als auch online. Die Preise variieren je nach Modell und Verbrauch. Ein Starter-Set für E-Zigaretten kostet zwischen 30 und 80 Franken, Nachfüll-Liquids etwa 5 bis 10 Franken pro Flasche. Tabakerhitzer wie IQOS kosten in der Anschaffung rund 80 bis 120 Franken, die Tabaksticks („Heets“) etwa 8 bis 10 Franken pro Packung. Im Vergleich: Eine Schachtel Zigaretten kostet rund 8 bis 10 Franken. Je nach Konsumverhalten können Sie mit dem Umstieg also sogar Geld sparen, vor allem wenn Sie Ihren Nikotinkonsum schrittweise reduzieren.

Die Kosten für E-Zigaretten und Tabakerhitzer werden von den Krankenkassen in der Schweiz nicht übernommen. Nikotinersatzpräparate wie Pflaster oder Kaugummis werden in der Regel ebenfalls nicht erstattet, außer im Rahmen bestimmter Programme oder auf ärztliche Verordnung. Es lohnt sich, bei Ihrer Krankenkasse oder Ihrem Hausarzt nachzufragen, welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt.

Für die Rauchstopp-Beratung stehen Ihnen in der Schweiz verschiedene Anlaufstellen zur Verfügung: Ihr Hausarzt, die Lungenliga oder spezialisierte Beratungsstellen bieten individuelle Unterstützung an. In vielen Kantonen gibt es Programme zur Tabakentwöhnung, die von der Grundversicherung zumindest teilweise übernommen werden – zum Beispiel Gruppenkurse oder individuelle Beratung. Fragen Sie gezielt nach, welche Angebote in Ihrer Region verfügbar sind.

Ein Beispiel aus der Praxis: Herr Meier, 53 Jahre alt, aus Zürich, hat nach 30 Jahren Rauchen auf E-Zigaretten umgestellt. Anfangs war es ungewohnt, doch nach wenigen Wochen merkte er, dass sein Husten nachließ und er beim Wandern wieder besser Luft bekam. Nach einem Jahr hat er auf nikotinfreie Liquids umgestellt – und spart jetzt nicht nur Geld, sondern fühlt sich auch insgesamt gesünder.

Tipps für den Alltag: Setzen Sie sich ein klares Ziel – möchten Sie komplett rauchfrei werden oder zunächst auf eine weniger schädliche Alternative umsteigen? Informieren Sie sich gründlich im Fachgeschäft oder bei Ihrem Arzt, probieren Sie verschiedene Geschmacksrichtungen und Nikotinstärken aus. Beobachten Sie Ihr Wohlbefinden: Viele Menschen berichten, dass sie sich nach dem Umstieg fitter fühlen, weniger husten und besser schlafen. Rückschläge sind normal – holen Sie sich Unterstützung bei Freunden, Familie oder in einer Selbsthilfegruppe.

Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten im Schweizer Gesundheitssystem

Wie läuft eine Rauchstopp-Beratung in der Schweiz ab? In der Regel beginnt alles mit einem Gespräch beim Hausarzt oder in einer spezialisierten Beratungsstelle. Sie werden nach Ihrem Rauchverhalten, Ihrer Motivation und eventuellen Vorerkrankungen gefragt. Es kann sinnvoll sein, den CO-Gehalt in der Ausatemluft zu messen – ein einfacher Test, der anzeigt, wie stark Ihr Körper durch Tabakrauch belastet ist. Diese Messung erfolgt meist mit einem speziellen Gerät, das den Kohlenmonoxid-Gehalt in ppm (parts per million) anzeigt.

Gemeinsam mit Ihrem Arzt oder Berater legen Sie dann eine Strategie fest. Das kann ein kompletter Rauchstopp sein – oder, falls das nicht realistisch erscheint, der Umstieg auf weniger schädliche Produkte wie E-Zigaretten oder Tabakerhitzer. In der Schweiz ist es üblich, verschiedene Methoden zu kombinieren: Nikotinersatz (wie Pflaster, Kaugummis oder Inhalatoren), Verhaltenstherapie, Apps oder Gruppenkurse. Wichtig: Es gibt keine Einheitslösung. Was für Sie passt, hängt von Ihren individuellen Bedürfnissen und Erfahrungen ab.

Falls Sie sich für E-Zigaretten oder Tabakerhitzer interessieren, sollten Sie sich gut beraten lassen. Nicht jedes Produkt ist gleich gut geeignet, und die richtige Anwendung ist entscheidend, um tatsächlich Schadstoffe zu reduzieren. Ihr Hausarzt oder die Lungenliga kann Ihnen helfen, die für Sie passende Lösung zu finden. Achten Sie darauf, die Geräte regelmäßig zu reinigen und die Anweisungen des Herstellers zu befolgen, um eine optimale Wirkung zu erzielen.

Auch die psychologische Unterstützung spielt eine wichtige Rolle: Viele Menschen profitieren von Verhaltenstherapie oder Gruppenkursen, in denen sie gemeinsam mit anderen Betroffenen Strategien zur Bewältigung von Entzugserscheinungen und Rückfällen entwickeln können. Digitale Angebote wie Apps oder Online-Programme können den Rauchstopp zusätzlich erleichtern.

FAQ: Häufige Fragen rund um Harm Reduction beim Rauchen

Wie groß ist das Risiko, dass Jugendliche durch E-Zigaretten zum Rauchen verführt werden?
Die Forschung ist hier noch nicht eindeutig. Erste Übersichtsarbeiten zeigen, dass es Zusammenhänge geben kann, aber viele Faktoren eine Rolle spielen – etwa soziales Umfeld, Werbung und Verfügbarkeit. Die ersten Ergebnisse des großen Cochrane Reviews werden bald erwartet.

Sind E-Zigaretten wirklich 95% weniger schädlich?
Laut dem Bericht von Public Health England und weiteren Studien fehlen bei E-Zigaretten die meisten krankmachenden Chemikalien. Das Risiko wird auf etwa 5% im Vergleich zur Zigarette geschätzt. Ganz risikofrei sind sie aber nicht, insbesondere wegen des enthaltenen Nikotins.

Kann ich mit E-Zigaretten wirklich leichter aufhören?
Die neuesten Cochrane Reviews zeigen: E-Zigaretten sind effektiver als Nikotinpflaster oder Inhalatoren, wenn es um die Rauchentwöhnung geht. Allerdings bleiben viele Nutzer zunächst bei der E-Zigarette – oft mit weniger oder gar keinem Nikotin. Ein schrittweiser Ausstieg ist möglich, sollte aber gut begleitet werden.

Werden die Kosten in der Schweiz übernommen?
Nein, E-Zigaretten und Tabakerhitzer werden von den Krankenkassen nicht bezahlt. Nikotinersatzpräparate nur in Ausnahmefällen oder im Rahmen spezieller Programme. Es lohnt sich, bei Ihrer Krankenkasse nachzufragen, ob es regionale Angebote gibt.

Was ist gesünder: E-Zigarette oder Tabakerhitzer?
Beide Produkte sind deutlich weniger schädlich als normale Zigaretten. Tabakerhitzer schneiden bei Zufriedenheit und Nebenwirkungen in einigen Studien leicht besser ab, die Unterschiede sind jedoch gering. Entscheidend ist, dass Sie das Produkt wählen, mit dem Sie am besten zurechtkommen und das Ihnen hilft, den Tabakkonsum zu reduzieren.

Wie kann ich meinen Rauchstopp am besten vorbereiten?
Setzen Sie sich ein konkretes Datum, informieren Sie Ihr Umfeld und suchen Sie sich Unterstützung – zum Beispiel durch Ihren Hausarzt, die Lungenliga oder eine Selbsthilfegruppe. Überlegen Sie, welche Situationen für Sie besonders schwierig sind, und entwickeln Sie Strategien, um Rückfälle zu vermeiden. Nutzen Sie Hilfsmittel wie Apps oder Tagebücher, um Ihren Fortschritt zu dokumentieren.

Gibt es gesundheitliche Vorteile, wenn ich nur auf E-Zigaretten oder Tabakerhitzer umsteige?
Ja, die wissenschaftlichen Daten zeigen, dass das Risiko für tabakbedingte Krankheiten deutlich sinkt. Viele Menschen berichten von weniger Husten, besserer Kondition und einem insgesamt verbesserten Wohlbefinden. Dennoch bleibt der vollständige Rauchstopp das beste Ziel.

Fazit: Harm Reduction als Chance für Ihre Gesundheit

Der Umstieg auf E-Zigaretten oder Tabakerhitzer ist kein Freifahrtschein für unbeschwerten Genuss – aber für viele Raucherinnen und Raucher ein realistischer Weg, das Risiko für schwere Erkrankungen zu senken. Die Schweizer Daten und internationalen Studien zeigen: Wer nicht sofort aufhören kann oder will, profitiert von weniger schädlichen Alternativen. Wichtig ist, sich gut zu informieren, Unterstützung zu suchen und langfristig das Ziel Rauchfreiheit nicht aus den Augen zu verlieren.

Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt, informieren Sie sich bei der Lungenliga oder nutzen Sie die Beratungsangebote in Ihrer Region. Jede Zigarette weniger zählt – für Ihre Gesundheit, Ihr Portemonnaie und Ihre Lebensqualität.

Quellen

  1. Sucht Schweiz: Zahlen und Fakten zum Zigarettenkonsum
  2. Royal College of Physicians: Timeline of tobacco history
  3. The Lancet: Global Burden of Disease – Tobacco smoke
  4. Harm Reduction International: Was ist Harm Reduction?
  5. ASH: Smokefree GB Survey 2023
  6. Cochrane Review: E-Zigaretten und Tabakrauchen bei Jugendlichen
  7. Cochrane Review: E-Zigaretten zur Rauchentwöhnung
  8. Public Health England: E-Cigarettes Evidence Update
  9. Chemical Research in Toxicology: Schadstoffe im Tabakrauch

Sie möchten mit dem Rauchen aufhören und fragen sich, ob E-Zigaretten oder andere alternative Nikotinprodukte Ihnen dabei helfen können? In diesem Artikel, der auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert, erfahren Sie alles über Chancen, Risiken und die Situation in der Schweiz. Dieser Artikel basiert auf den im Original genannten Quellen.

Rauchen und Gesundheit: Warum Alternativen immer wichtiger werden

Rauchen ist nach wie vor eine der häufigsten Ursachen für vermeidbare Krankheiten und Todesfälle in Industrieländern. Bereits 1964 hat der U.S. Surgeon General Luther Terry in einem wegweisenden Bericht erstmals wissenschaftlich belegt, dass Rauchen schwere Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Lungenkrebs verursacht. Seitdem hat sich das Wissen über die gesundheitlichen Risiken des Rauchens stetig erweitert. Dennoch fällt es vielen Menschen schwer, dauerhaft rauchfrei zu bleiben. Die Nikotinsucht ist eine chronische Erkrankung, die sowohl körperliche als auch psychische Abhängigkeit verursacht. Viele Raucherinnen und Raucher haben bereits verschiedene Methoden ausprobiert – von Nikotinpflastern über Hypnose bis hin zum “kalten Entzug” (plötzlicher, vollständiger Verzicht auf Nikotin) – oft ohne langfristigen Erfolg. Deshalb suchen immer mehr Menschen nach Alternativen, die den Ausstieg erleichtern und weniger schädlich sind als herkömmliche Zigaretten.

In den letzten Jahren hat sich die Produktlandschaft stark verändert. Neben klassischen Tabakzigaretten gibt es heute zahlreiche Alternativen: E-Zigaretten (elektronische Zigaretten), Tabakerhitzer wie IQOS, Nikotinbeutel und weitere Produkte. Diese neuen Nikotinprodukte verbrennen keinen Tabak, sondern verdampfen oder erhitzen ihn, um die Aufnahme von Nikotin zu ermöglichen. Das Ziel: Die Aufnahme schädlicher Stoffe verringern und den Rauchstopp erleichtern. Doch wie wirksam und sicher sind diese Alternativen tatsächlich?

Alternative Nikotinprodukte: Funktionsweise und Unterschiede

Alternative Nikotinprodukte unterscheiden sich in ihrer Funktionsweise deutlich von herkömmlichen Zigaretten. E-Zigaretten funktionieren, indem eine Flüssigkeit (Liquid), die Nikotin und Aromastoffe enthält, elektrisch verdampft wird. Dabei entsteht kein Rauch, sondern ein Aerosol (feiner Dampf), das inhaliert wird. Tabakerhitzer wie IQOS erhitzen echten Tabak auf Temperaturen unterhalb der Verbrennung, sodass weniger Schadstoffe entstehen als beim klassischen Rauchen. Nikotinbeutel wiederum enthalten Nikotin, aber keinen Tabak, und werden ähnlich wie Snus (eine skandinavische Tabakform) in die Mundhöhle gelegt, wo das Nikotin über die Schleimhaut aufgenommen wird.

Der entscheidende Unterschied zu Zigaretten liegt darin, dass bei den Alternativprodukten keine Verbrennung stattfindet. Bei der Verbrennung von Tabak entstehen zahlreiche giftige und krebserregende Stoffe wie Teer, Kohlenmonoxid und Benzol. Durch das Verdampfen oder Erhitzen werden diese Stoffe in deutlich geringeren Mengen freigesetzt. Dennoch enthalten auch E-Zigaretten und Tabakerhitzer gesundheitsschädliche Substanzen, wenn auch in geringerer Konzentration. Die langfristigen Auswirkungen dieser Produkte sind allerdings noch nicht abschließend erforscht, da sie erst seit wenigen Jahren auf dem Markt sind.

Die Vielfalt der Produkte kann verwirrend sein. Es gibt Einweg-E-Zigaretten, wiederbefüllbare Geräte, verschiedene Nikotinstärken und eine breite Palette an Geschmacksrichtungen. Tabakerhitzer benötigen spezielle Tabaksticks, die in das Gerät eingelegt werden. Nikotinbeutel sind in unterschiedlichen Dosierungen erhältlich. Für Verbraucher ist es daher wichtig, sich umfassend zu informieren und auf geprüfte Produkte aus vertrauenswürdigen Quellen zu achten.

Was sagt die Wissenschaft? Studienlage zu E-Zigaretten und Rauchstopp

Die Frage, ob E-Zigaretten und andere alternative Nikotinprodukte tatsächlich beim Rauchstopp helfen, beschäftigt Wissenschaftler weltweit. Auf dem E-Cigarette Summit, einer internationalen Fachkonferenz, wurden die neuesten Studien vorgestellt. Besonders hervorzuheben ist der aktuelle Cochrane Review – eine der angesehensten wissenschaftlichen Übersichtsarbeiten. Die Ergebnisse zeigen: Es gibt eine hoch-gesicherte Evidenz dafür, dass E-Zigaretten die Chancen auf einen erfolgreichen Rauchstopp im Vergleich zu klassischen Nikotinersatztherapien (wie Pflaster oder Kaugummis) erhöhen können. Das bedeutet, dass Menschen, die E-Zigaretten nutzen, häufiger dauerhaft mit dem Rauchen aufhören als solche, die andere Nikotinprodukte verwenden.

Dr. Ruoyan Sun aus Birmingham (USA) präsentierte diese Daten und betonte, dass E-Zigaretten eine wirksame Unterstützung beim Rauchstopp sein können. Allerdings gibt es Einschränkungen: Die meisten Studien untersuchen vor allem, ob Menschen zunächst mit dem Rauchen aufhören. Weniger gut erforscht ist, wie lange sie tatsächlich rauchfrei bleiben. Die Definition eines Rückfalls (erneuter Griff zur Zigarette nach dem Rauchstopp) variiert stark zwischen den Studien. Manche zählen bereits einen einzigen Zug als Rückfall, andere erst, wenn wieder regelmäßig geraucht wird. Diese Unterschiede erschweren den Vergleich der Ergebnisse und die Einschätzung des langfristigen Erfolgs.

Ein weiteres Problem ist, dass viele Nutzer von E-Zigaretten länger beim Dampfen bleiben als ursprünglich geplant. Das bedeutet, sie ersetzen zwar die Zigarette, bleiben aber weiterhin abhängig von Nikotin. Langzeitfolgen dieser dauerhaften Nutzung sind noch nicht abschließend bekannt, da E-Zigaretten erst seit etwa 15 Jahren verbreitet sind. Dennoch zeigen die bisherigen Daten, dass das Risiko für schwere Erkrankungen wie Lungenkrebs oder Herzinfarkt bei E-Zigaretten vermutlich geringer ist als bei herkömmlichen Zigaretten – aber nicht gleich Null.

Rückfälle nach dem Rauchstopp: Wie häufig sind sie und wie werden sie gemessen?

Rückfälle sind beim Rauchstopp leider häufig. Eine aktuelle Datenrecherche hat drei Stufen von Rückfällen unterschieden, um die Situation besser zu erfassen:

  • Stufe I: Jeglicher Zigarettenkonsum innerhalb der letzten 12 Monate
  • Stufe II: Zigarettenkonsum innerhalb der letzten 30 Tage
  • Stufe III: An mindestens 3 Tagen Zigarettenkonsum in den letzten 30 Tagen

Die Ergebnisse zeigen, dass die Rückfallquoten von Menschen, die nach dem Rauchstopp E-Zigaretten nutzen, nicht signifikant von denen abweichen, die andere Nikotinprodukte verwenden. Das bedeutet: Unabhängig davon, ob Sie E-Zigaretten, Nikotinpflaster oder gar keine Hilfsmittel nutzen, bleibt das Risiko eines Rückfalls ähnlich hoch. Besonders bei der sehr weiten Definition (Stufe I) ist das Rückfallrisiko am größten. Diese Erkenntnisse verdeutlichen, wie schwierig es ist, dauerhaft rauchfrei zu bleiben, und wie wichtig eine umfassende Unterstützung beim Rauchstopp ist.

Es gibt verschiedene Gründe für Rückfälle: Stress, soziale Situationen, Gewohnheiten oder auch die Angst vor Gewichtszunahme. Viele Menschen benötigen mehrere Anläufe, um dauerhaft rauchfrei zu werden. Rückfälle sind kein Zeichen von Schwäche, sondern Teil des Prozesses. Wichtig ist, sich nicht entmutigen zu lassen und bei Bedarf professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Rauchen in der Schweiz: Zahlen, Folgen und Herausforderungen

Rauchen bleibt ein großes Problem – auch in der Schweiz. Weltweit rauchen fast eine Milliarde Menschen. In der Schweiz sind es laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) rund 27% der Bevölkerung über 15 Jahren. Rauchen ist die Hauptursache für vermeidbare Todesfälle in Industrieländern. Etwa die Hälfte aller lebenslangen Raucher stirbt an einer rauchbedingten Krankheit. Zu den häufigsten Folgen zählen chronische Bronchitis (dauerhafte Entzündung der Bronchien), Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall sowie verschiedene Krebsarten, insbesondere Lungenkrebs.

Die Lebensqualität von Rauchern ist oft deutlich eingeschränkt. Viele leiden unter Atemnot, Husten, verminderter Leistungsfähigkeit und häufigen Infekten. Auch das Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 (eine chronische Stoffwechselerkrankung) und Osteoporose (Knochenschwund) ist erhöht. Obwohl die Zahl der Raucher in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen ist, bleibt der Handlungsbedarf groß. Besonders Menschen, die bereits viele erfolglose Entwöhnungsversuche hinter sich haben, benötigen neue Ansätze und individuelle Unterstützung.

Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen des Rauchens sind enorm. Neben den direkten Gesundheitskosten entstehen hohe Folgekosten durch Arbeitsausfälle, Frühverrentung und Pflegebedürftigkeit. Prävention und wirksame Entwöhnungsprogramme sind daher nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Gesellschaft von großer Bedeutung.

E-Zigaretten: Hoffnungsträger oder neues Risiko?

Die Meinungen zu E-Zigaretten gehen auseinander. Befürworter sehen sie als wichtige Strategie zur Schadensbegrenzung (Harm Reduction), da sie weniger Schadstoffe freisetzen als verbrannte Tabakzigaretten. Kritiker warnen jedoch vor neuen Risiken, insbesondere für Jugendliche und Nichtraucher. In den USA hat diese Debatte zu erheblichen Spannungen geführt – sowohl unter Experten als auch in der Politik.

Ein Beispiel ist der sogenannte EVALI-Ausbruch (E-cigarette or Vaping product use-Associated Lung Injury) im Jahr 2019. Damals kam es zu zahlreichen schweren Lungenerkrankungen, die zunächst mit E-Zigaretten in Verbindung gebracht wurden. Später stellte sich heraus, dass vor allem illegal hergestellte THC-haltige Liquids (Flüssigkeiten mit dem Wirkstoff Tetrahydrocannabinol aus Cannabis) die Ursache waren – nicht die handelsüblichen nikotinhaltigen E-Zigaretten. Dennoch führte der Vorfall zu strengeren Gesetzen und einem Verbot vieler aromatisierter Produkte in den USA.

Gleichzeitig stieg die Zahl jugendlicher E-Zigaretten-Nutzer in den USA sprunghaft an. Die US-Regierung reagierte mit neuen Regulierungen: Seit 2020 sind aromatisierte, kartuschenbasierte Produkte – mit Ausnahme von Tabak- und Mentholgeschmack – vom Markt genommen worden. Die Unsicherheit über die Zukunft von E-Zigaretten bleibt groß, insbesondere hinsichtlich der Langzeitfolgen und der Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit.

Auch in der Schweiz wird die Entwicklung aufmerksam verfolgt. Experten betonen, dass E-Zigaretten für erwachsene Raucher, die mit dem Rauchen aufhören wollen, eine Option sein können. Für Jugendliche und Nichtraucher sind sie jedoch nicht geeignet, da sie das Risiko für eine Nikotinabhängigkeit erhöhen.

Regulierung und Kosten: Was gilt in der Schweiz?

In der Schweiz sind E-Zigaretten und Tabakerhitzer legal erhältlich. Die Verkaufspreise variieren je nach Produkt und Marke. Eine Einweg-E-Zigarette kostet meist zwischen 8 und 15 Franken, Nachfüll-Liquids für wiederverwendbare Geräte etwa 5 bis 10 Franken pro 10 ml. Tabakerhitzer wie IQOS sind in der Anschaffung teurer (rund 70 bis 100 Franken für das Gerät), die Tabaksticks kosten etwa so viel wie eine normale Zigarettenschachtel.

Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für E-Zigaretten und Tabakerhitzer nicht. Anders sieht es bei klassischen Nikotinersatzprodukten aus: Hier zahlen manche Zusatzversicherungen einen Teil der Kosten, vor allem im Rahmen von Rauchstopp-Programmen. Es lohnt sich, direkt bei der eigenen Krankenkasse nachzufragen, welche Leistungen übernommen werden.

Seit 2024 gelten in der Schweiz neue gesetzliche Regelungen: Werbung für E-Zigaretten ist eingeschränkt, der Verkauf an Jugendliche unter 18 Jahren ist verboten. Auch das Dampfen in öffentlichen Innenräumen wird zunehmend reglementiert, ähnlich wie das Rauchen. Ziel dieser Maßnahmen ist es, insbesondere Jugendliche und Nichtraucher vor den Risiken des Nikotinkonsums zu schützen und die öffentliche Gesundheit zu fördern.

Rauchentwöhnung in der Schweiz: Wege und Unterstützungsmöglichkeiten

Wenn Sie mit dem Rauchen aufhören möchten, ist Ihr Hausarzt oder Ihre Hausärztin die erste Anlaufstelle. Im Gespräch werden Ihre Rauchgewohnheiten erfasst: Wie viele Zigaretten rauchen Sie pro Tag? Seit wann rauchen Sie? Haben Sie bereits Entwöhnungsversuche unternommen? Anschließend erhalten Sie eine individuelle Beratung zu den verschiedenen Methoden:

  • Klassische Nikotinersatztherapie (Pflaster, Kaugummis, Lutschtabletten): Diese Produkte geben Nikotin langsam und kontrolliert ab und helfen, Entzugssymptome zu lindern.
  • Medikamentöse Unterstützung (z.B. Vareniclin, Bupropion): Diese verschreibungspflichtigen Medikamente beeinflussen das Belohnungssystem im Gehirn und können das Verlangen nach Nikotin verringern. Die Kosten werden teilweise von der Grundversicherung übernommen.
  • Verhaltenstherapie, Einzel- oder Gruppencoaching: Hier lernen Sie, Auslöser für das Rauchverlangen zu erkennen und alternative Verhaltensweisen zu entwickeln.
  • Alternative Produkte wie E-Zigaretten oder Tabakerhitzer: Diese werden in der Schweiz off-label (außerhalb der zugelassenen Indikation) eingesetzt. Die Kosten werden von den Krankenkassen nicht übernommen.

Viele Schweizer Kliniken und Gesundheitszentren bieten spezialisierte Rauchstopp-Programme an. Die Kosten variieren je nach Angebot, Gruppenkurse sind meist günstiger als Einzelberatungen. Einige Kantone und Krankenkassen unterstützen diese Programme finanziell. Es gibt auch Online-Angebote und telefonische Beratungen, wie die Rauchstopplinie Schweiz (Tel. 0848 000 181) oder die Plattform stop-tabac.ch.

Wichtig ist, dass Sie sich ein realistisches Ziel setzen: Möchten Sie komplett nikotinfrei werden oder zunächst die Schadstoffaufnahme reduzieren? Ein fester Plan, Unterstützung durch Fachleute und das Einplanen möglicher Rückschläge erhöhen die Erfolgschancen deutlich. Führen Sie ein Tagebuch über Ihr Rauchverhalten, um Auslöser zu erkennen und gezielt gegenzusteuern. Denken Sie daran: Die meisten Menschen benötigen mehrere Anläufe, um dauerhaft rauchfrei zu bleiben – jeder Versuch ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Praktische Tipps für den Alltag: So gelingt der Umstieg

Viele Menschen fragen sich, ob sie es mit einer E-Zigarette versuchen sollten. Hier einige Überlegungen, die Ihnen helfen können:

  • Setzen Sie sich ein klares Ziel: Möchten Sie komplett auf Nikotin verzichten oder zunächst die Schadstoffe reduzieren?
  • Informieren Sie sich über die Produkte: Nicht jede E-Zigarette ist gleich. Achten Sie auf geprüfte Geräte und Liquids aus vertrauenswürdigen Quellen. Vermeiden Sie den Kauf illegaler oder nicht zertifizierter Produkte.
  • Holen Sie sich Unterstützung: Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt oder einer Suchtberatungsstelle. Ein fester Plan und professionelle Begleitung erhöhen die Erfolgschancen.
  • Beobachten Sie Ihr Rauchverhalten: Führen Sie ein Tagebuch: Wann greifen Sie zur Zigarette? Welche Situationen lösen das Verlangen aus? So können Sie gezielt gegensteuern.
  • Bleiben Sie realistisch: Rückschläge sind normal. Die meisten Menschen brauchen mehrere Anläufe, um dauerhaft rauchfrei zu werden. Jeder Versuch zählt!

Ein Beispiel aus der Praxis: Herr Meier, 52 Jahre alt aus Zürich, hat nach 30 Jahren Rauchen auf E-Zigaretten umgestellt. Die ersten Wochen waren ungewohnt – der Geschmack, das Gefühl in der Lunge, alles war anders. Doch mit der Zeit gewöhnte er sich daran. Nach sechs Monaten war er komplett rauchfrei, nutzte aber noch die E-Zigarette. Sein Fazit: “Für mich war es der entscheidende Schritt. Klar, am liebsten wäre ich ganz ohne Nikotin. Aber so habe ich es zumindest geschafft, von der Zigarette wegzukommen.”

Geben Sie sich Zeit und seien Sie geduldig mit sich selbst. Nutzen Sie die vielfältigen Unterstützungsangebote und tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen aus. Jeder Schritt weg von der Zigarette ist ein Gewinn für Ihre Gesundheit.

Internationale Entwicklungen: Regulierung und Produktsicherheit

Ein Blick in die USA zeigt, wie dynamisch das Feld der Nikotinprodukte ist. Die amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) hat einen 5-Jahresplan zur Regulierung von Nikotinprodukten vorgestellt. Seit April 2022 sind Mentholzigaretten und aromatisierte Zigarren (außer Tabakgeschmack) verboten. Künftig soll auch der Nikotingehalt in Zigaretten und anderen Tabakprodukten begrenzt werden, um das Suchtpotenzial zu senken.

Die FDA arbeitet eng mit der Industrie zusammen, setzt auf Trainings, Kontrollen und Durchsetzung von Vorschriften. Bis März 2024 wurden mehr als 1300 Warnschreiben an Hersteller und Händler verschickt, die gegen die Regeln verstoßen haben. Von 26 Millionen Anträgen auf Marktzulassung wurden nur 23 E-Zigaretten tatsächlich zugelassen. Ein prominentes Beispiel ist IQOS, das 2020 als “Tabakprodukt mit verändertem Risiko” (MRTP – Modified Risk Tobacco Product) eingestuft wurde. Diese Einstufung bedeutet, dass das Produkt nachweislich weniger schädlich ist als herkömmliche Zigaretten, aber weiterhin gesundheitliche Risiken birgt.

Auch in der Schweiz wird die Regulierung laufend angepasst. Die Behörden beobachten die internationale Entwicklung genau, um die öffentliche Gesundheit zu schützen. Ziel ist es, einerseits erwachsenen Rauchern den Zugang zu weniger schädlichen Alternativen zu ermöglichen, andererseits Jugendliche und Nichtraucher vor den Risiken des Nikotinkonsums zu bewahren.

FAQ – Häufige Fragen zu E-Zigaretten und Nikotinalternativen

1. Sind E-Zigaretten wirklich weniger schädlich als normale Zigaretten?
Die Studienlage deutet darauf hin, dass E-Zigaretten deutlich weniger Schadstoffe freisetzen als verbrannte Tabakzigaretten. Das Risiko für Lungenkrebs, Herzinfarkt und andere Krankheiten ist vermutlich geringer – aber nicht Null. Langzeitdaten fehlen noch, da E-Zigaretten erst seit wenigen Jahren verbreitet sind.

2. Kann ich mit E-Zigaretten leichter aufhören?
Laut dem aktuellen Cochrane Review sind die Chancen auf einen erfolgreichen Rauchstopp mit E-Zigaretten höher als mit klassischen Nikotinersatzmitteln. Allerdings bleibt das Rückfallrisiko bestehen, und viele Nutzer bleiben länger beim Dampfen als ursprünglich geplant.

3. Übernimmt die Krankenkasse die Kosten?
In der Schweiz übernehmen die Grundversicherungen keine Kosten für E-Zigaretten oder Tabakerhitzer. Für klassische Nikotinersatzprodukte gibt es in manchen Zusatzversicherungen eine (Teil-)Kostenübernahme. Fragen Sie bei Ihrer Kasse nach.

4. Sind E-Zigaretten für Jugendliche gefährlich?
Ja, besonders für Jugendliche und Nichtraucher besteht die Gefahr, dass sie durch E-Zigaretten überhaupt erst mit Nikotin in Kontakt kommen. Deshalb ist der Verkauf an unter 18-Jährige in der Schweiz verboten.

5. Was passiert, wenn ich nach dem Rauchstopp rückfällig werde?
Das ist leider häufig – und kein Grund zur Scham. Die Studien zeigen, dass Rückfälle bei allen Methoden ähnlich häufig sind. Wichtig ist, dranzubleiben und sich Unterstützung zu holen.

6. Wo bekomme ich Hilfe beim Rauchstopp?
Ihr Hausarzt oder Ihre Hausärztin ist die erste Anlaufstelle. Es gibt auch spezialisierte Beratungsstellen, zum Beispiel die Rauchstopplinie Schweiz (Tel. 0848 000 181) oder Online-Angebote wie stop-tabac.ch.

Fazit: Was bedeutet das für Sie?

Die Welt der Nikotinprodukte ist komplex und entwickelt sich ständig weiter. Wenn Sie den Rauchstopp anpacken wollen, stehen Ihnen heute mehr Möglichkeiten denn je zur Verfügung. E-Zigaretten und andere Alternativen können ein Baustein sein, sind aber kein Allheilmittel. Entscheidend ist, dass Sie sich gut informieren, Ihre Ziele kennen und sich Unterstützung holen. Jeder Schritt weg von der Zigarette ist ein Gewinn für Ihre Gesundheit – egal, wie klein er scheint. Haben Sie weitere Fragen? Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt oder nutzen Sie die zahlreichen Beratungsangebote in der Schweiz. Sie sind nicht allein auf diesem Weg!

Quellen

  1. U.S. Department of Health, Education, and Welfare. Smoking and Health: Report of the Advisory Committee to the Surgeon General of the Public Health Service. 1964.
  2. Cochrane Tobacco Addiction Group. Electronic cigarettes for smoking cessation. Cochrane Database Syst Rev. 2020.
  3. Bundesamt für Gesundheit (BAG): Tabakmonitoring Schweiz.
  4. Sun R et al. E-cigarette Summit USA 2020 – Präsentation.
  5. Centers for Disease Control and Prevention (CDC): Outbreak of Lung Injury Associated with the Use of E-Cigarette, or Vaping, Products. 2019.
  6. U.S. Food and Drug Administration (FDA): Tobacco Product Standard for Menthol Cigarettes. 2022.
  7. IQOS MRTP Application – FDA 2020.
  8. stop-tabac.ch – Schweizer Informationsplattform zum Rauchstopp.

Patienten mit Niereninsuffizienz und Vorhofflimmern haben ein besonders hohes Risiko für einen ischämischen Schlaganfall. Die Wahl der richtigen Antikoagulation ist dabei entscheidend, um das Risiko für Schlaganfälle und Blutungskomplikationen zu minimieren. Dieser Artikel basiert auf CARDIOVASC und erklärt Ihnen verständlich, welche Therapieoptionen es gibt, worauf Sie achten sollten und wie die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse die Behandlung beeinflussen.

Was ist Niereninsuffizienz und wie wird sie eingeteilt?

Die chronische Niereninsuffizienz (CNI) ist eine dauerhafte und nicht umkehrbare Einschränkung der Nierenfunktion. Das bedeutet, dass die Nieren nicht mehr in der Lage sind, Abbauprodukte wie Kreatinin, Harnstoff und Harnsäure (Stoffwechselprodukte des Eiweißstoffwechsels) ausreichend aus dem Blut zu filtern. Dadurch kommt es zu einer Anreicherung dieser Substanzen im Blut, was zu einer Störung des Wasser- und Elektrolythaushalts führen kann. Bereits ab dem 30. Lebensjahr ist die CNI mit einer Prävalenz von 7,2 % relativ häufig, und im höheren Alter steigt diese Zahl deutlich an – bei Menschen über 70 Jahren liegt sie bei etwa 37,8 %. Die CNI wird anhand der glomerulären Filtrationsrate (GFR, ein Maß für die Filterleistung der Niere) sowie dem Nachweis von Albuminurie (Eiweiß im Urin) und Proteinurie (weitere Eiweiße im Urin) definiert.

Zur Bestimmung der GFR gibt es verschiedene Methoden. Die genaueste Methode ist die Messung im 24-Stunden-Urin, allerdings ist dies im Alltag oft nicht praktikabel. Daher wird meist die geschätzte GFR (eGFR) verwendet, die mithilfe von Formeln wie Cockroft-Gault, MDRD-Studie oder CKD-EPI berechnet wird. Je nach Berechnungsmethode kann die eGFR vor allem in fortgeschrittenen Stadien der Niereninsuffizienz unterschiedlich ausfallen. Die Einteilung der CNI erfolgt in fünf Stadien, abhängig von der GFR und dem Ausmaß der Proteinurie. Diese Einteilung hilft Ärzten, das Risiko für Komplikationen besser einzuschätzen und die Therapie individuell anzupassen.

Die Stadien der CNI reichen von Stadium I (leichte Einschränkung der Nierenfunktion) bis Stadium V (schwerste Einschränkung, oft Dialysepflicht). Besonders ab Stadium III steigt das Risiko für Komplikationen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle deutlich an. Daher ist eine regelmäßige Kontrolle der Nierenfunktion für Patienten mit CNI sehr wichtig, um rechtzeitig auf Veränderungen reagieren zu können.

Vorhofflimmern: Was bedeutet das für die Herzgesundheit?

Vorhofflimmern (VHF) ist eine häufige Herzrhythmusstörung, bei der die Vorhöfe des Herzens unkoordiniert schlagen. Es handelt sich um eine intermittierende (zeitweise auftretende) oder permanente (dauerhafte) Störung, die nicht von der Mitralklappe ausgeht (daher nicht-valvulär genannt). Die Einteilung des Schweregrads erfolgt nach der NYHA-Klassifikation, die ursprünglich für die Herzinsuffizienz entwickelt wurde, und berücksichtigt die Symptome und die Einschränkung der Lebensqualität durch das VHF.

Die Prävalenz von VHF liegt bei etwa 1 % der Gesamtbevölkerung. In der Altersgruppe zwischen 50 und 59 Jahren sind etwa 0,5 % betroffen, während bei Menschen über 85 Jahren bis zu 18 % an VHF leiden. Das Risiko für Komplikationen wie Schlaganfälle steigt mit dem Alter und mit dem Vorliegen weiterer Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Niereninsuffizienz deutlich an.

VHF kann zu einer verminderten Pumpleistung des Herzens führen, was wiederum die Durchblutung des Körpers beeinträchtigt. Besonders gefährlich ist jedoch die erhöhte Neigung zur Bildung von Blutgerinnseln (Thromben) im Herzen, die in den Blutkreislauf gelangen und dort Gefäße verschließen können. Dies ist die Hauptursache für ischämische Schlaganfälle bei Patienten mit VHF.

Zusammenhang zwischen Niereninsuffizienz und Vorhofflimmern

Mehrere wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Vorhofflimmern haben. Die Niereninsuffizienz gilt neben der arteriellen Hypertonie (Bluthochdruck) als unabhängiger Risikofaktor für VHF. Beide Erkrankungen – CNI und VHF – sind für sich genommen bereits mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden. Besonders kritisch ist jedoch die Kombination beider Erkrankungen, da sie das Risiko für schwere Komplikationen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Tod weiter erhöht.

In einer Studie mit 387 Patienten mit VHF wurde festgestellt, dass sowohl die eGFR als auch der CHADS2-Score (ein Bewertungssystem zur Abschätzung des Schlaganfallrisikos bei VHF) unabhängige Prädiktoren für das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen und die Sterblichkeit sind. Das bedeutet, dass sowohl die Nierenfunktion als auch das individuelle Schlaganfallrisiko bei der Therapieentscheidung berücksichtigt werden müssen. Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz von VHF und CNI weiter an, was die Bedeutung einer frühzeitigen Diagnose und Behandlung unterstreicht.

Die Wechselwirkungen zwischen Niereninsuffizienz und Vorhofflimmern sind komplex. Einerseits kann eine eingeschränkte Nierenfunktion die Entstehung von VHF begünstigen, andererseits kann VHF die Nierenfunktion weiter verschlechtern. Dies führt zu einem Teufelskreis, in dem sich beide Erkrankungen gegenseitig negativ beeinflussen. Daher ist bei Patienten mit beiden Erkrankungen eine besonders sorgfältige Überwachung und Therapie notwendig.

Risiko für Schlaganfall und Embolien bei Niereninsuffizienz und Vorhofflimmern

Vorhofflimmern ist die häufigste Ursache für ischämische Schlaganfälle (durch eine Durchblutungsstörung des Gehirns verursacht). Etwa 20–25 % aller Schlaganfälle sind auf kardioembolische Ereignisse durch VHF zurückzuführen. Nach einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA, eine kurzfristige Durchblutungsstörung des Gehirns) oder einem Schlaganfall wird bei fast einem Viertel der Patienten ein bislang unerkanntes VHF festgestellt.

Die durch VHF verursachten Schlaganfälle sind oft größer und schwerwiegender als solche, die durch andere Ursachen wie Mikroangiopathie (Schädigung kleiner Blutgefäße) oder Makroangiopathie (Schädigung großer Blutgefäße) entstehen. Sie gehen mit schwereren neurologischen Ausfällen und einer erhöhten Sterblichkeit von 20–25 % in den ersten 30 Tagen nach dem Ereignis einher. Das Risiko für einen solchen Schlaganfall steigt bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion weiter an. Bei einer verminderten eGFR steigt das Risiko für kardioembolische Schlaganfälle auf bis zu 39 %.

Studien zeigen, dass die CNI nicht nur ein Risikofaktor für die Entstehung von VHF ist, sondern auch umgekehrt: Patienten mit VHF entwickeln häufiger eine dialysepflichtige Niereninsuffizienz. In einer dänischen Kohortenstudie mit Patienten mit nicht-valvulärem VHF und dialysepflichtiger CNI zeigte sich, dass diese Patienten ein 5,5-fach erhöhtes Risiko für ischämische Schlaganfälle und thromboembolische Ereignisse haben. Daher ist die Prävention von Schlaganfällen bei dieser Patientengruppe besonders wichtig.

Therapieoptionen: Vitamin K-Antagonisten und DOAK

Vitamin K-Antagonisten sind Medikamente, die die Bildung von Vitamin K-abhängigen Gerinnungsfaktoren (Faktoren II, VII, IX und X) hemmen. Zu den bekanntesten Vertretern zählen Warfarin, Phenprocoumon und Acenocoumarol. Die Dosierung dieser Medikamente wird individuell an die aktuelle Blutgerinnung (gemessen als INR – International Normalized Ratio) angepasst. Die Wirkung setzt meist erst nach einigen Tagen ein und hält bis zu fünf Tage an. Bei Patienten mit VHF und einem CHA2DS2-VASc-Score ≥1 gelten Vitamin K-Antagonisten als wirksamste Therapie zur Vorbeugung von ischämischen Schlaganfällen.

Bei Patienten mit Niereninsuffizienz ist die Situation jedoch komplexer. Obwohl Vitamin K-Antagonisten über viele Jahre auch bei CNI eingesetzt wurden, sind sie laut Zulassung für fortgeschrittene Stadien der Niereninsuffizienz kontraindiziert. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Warfarin das Risiko für eine Nephrokalzinose (Ablagerung von Kalzium in der Niere) erhöht und so die Nierenfunktion langfristig verschlechtern kann. Dennoch zeigen einige Studien, dass Vitamin K-Antagonisten das Risiko für Schlaganfälle und systemische Embolien bei Patienten mit CNI senken können, insbesondere in den Stadien III und IV. Allerdings ist das Risiko für Blutungskomplikationen unter dieser Therapie erhöht.

Die neuen oralen Antikoagulanzien (DOAK) – dazu zählen Apixaban, Dabigatran, Edoxaban und Rivaroxaban – werden weltweit immer häufiger zur Prävention von Schlaganfällen bei VHF eingesetzt. Im Vergleich zu Vitamin K-Antagonisten bieten sie einige Vorteile: Sie wirken schneller, haben eine kürzere Halbwertszeit und weniger Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Zudem ist keine regelmäßige INR-Kontrolle erforderlich, und die Dosierung ist standardisiert. In großen Studien (ARISTOTLE, ENGAGE AF-TIMI 48, RE-LY und ROCKET AF) zeigten die DOAK eine vergleichbare Wirksamkeit wie Warfarin bei der Verhinderung von ischämischen Schlaganfällen. Besonders Dabigatran in der Dosierung von 150 mg war sogar wirksamer als Warfarin bei der Reduktion von Schlaganfällen.

Ein weiterer Vorteil der DOAK ist das geringere Risiko für intrakranielle Blutungen (Blutungen im Gehirn) im Vergleich zu Vitamin K-Antagonisten. Allerdings ist zu beachten, dass die Nierenfunktion einen großen Einfluss auf die Konzentration und Wirksamkeit der DOAK im Blut hat. Besonders Dabigatran wird zu 80 % über die Niere ausgeschieden und kann sich bei eingeschränkter Nierenfunktion im Körper anreichern. Daher muss die Dosierung bei CNI angepasst werden, um das Risiko für Nebenwirkungen zu minimieren.

Antikoagulation bei unterschiedlichen Stadien der Niereninsuffizienz

Die Wahl der richtigen Antikoagulation hängt maßgeblich vom Stadium der Niereninsuffizienz ab. Bei Patienten mit moderater Niereninsuffizienz (Stadium II und III) können sowohl Vitamin K-Antagonisten als auch DOAK eingesetzt werden. Besonders im Stadium II gelten DOAK als gute Alternative, da sie das Risiko für systemische Embolien und ischämische Schlaganfälle effektiv senken und gleichzeitig weniger Blutungskomplikationen verursachen. Im Stadium III ist für alle DOAK eine Dosisreduktion erforderlich, um das Risiko für Nebenwirkungen zu verringern. In reduzierter Dosierung bleiben die DOAK eine gute Option, da sie weiterhin wirksam sind und das Blutungsrisiko im Vergleich zu Vitamin K-Antagonisten geringer bleibt.

Für Patienten mit Niereninsuffizienz Stadium IV sind Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban in reduzierter Dosierung prinzipiell zugelassen. Allerdings wurden Patienten mit CNI Grad IV in den großen Studien meist ausgeschlossen, sodass belastbare Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit fehlen. Daher kann für dieses Stadium keine generelle Empfehlung für den Einsatz von DOAK ausgesprochen werden. In den USA, aber nicht in Europa, ist eine niedrig dosierte Variante von Dabigatran (2× 75 mg) für Patienten mit CNI Stadium IV zugelassen, basierend auf Simulationen zur Dosis und Wirksamkeit.

Im Stadium V der Niereninsuffizienz, insbesondere bei Patienten, die eine Hämodialyse benötigen, wird von einer Behandlung mit DOAK abgeraten, da keine ausreichenden Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit vorliegen. In einer Studie zeigte sich bei dialysepflichtigen Patienten unter Dabigatran und Rivaroxaban eine erhöhte Blutungsrate im Vergleich zu Warfarin, allerdings war die Patientenzahl gering. Auch Vitamin K-Antagonisten sind in diesem Stadium kontraindiziert und bieten keinen nachgewiesenen Nutzen. Die Entscheidung für eine Antikoagulation muss daher individuell und unter sorgfältiger Abwägung des Schlaganfall- und Blutungsrisikos getroffen werden.

Besonderheiten bei der Überwachung und Anpassung der Therapie

Ein großer Vorteil der DOAK ist, dass keine regelmäßige Kontrolle der Blutgerinnung (wie der INR-Wert bei Vitamin K-Antagonisten) erforderlich ist. Dennoch ist eine regelmäßige Überwachung der Nierenfunktion unerlässlich, da sich die Konzentration der DOAK bei eingeschränkter Nierenfunktion erhöhen kann. Bei Patienten mit normaler Nierenfunktion reicht eine jährliche Kontrolle aus. Bei CNI sollten die Kontrollen jedoch häufiger erfolgen, abhängig vom Stadium der Erkrankung, dem Alter, Begleiterkrankungen und dem verwendeten DOAK. Besonders bei Dabigatran und in geringerem Maße auch bei Edoxaban, die zu einem hohen Anteil über die Niere ausgeschieden werden, ist eine engmaschige Überwachung wichtig.

Die Anpassung der Dosierung erfolgt je nach eGFR und individuellen Risikofaktoren wie Alter über 80 Jahre oder Körpergewicht unter 60 kg. Für Dabigatran sollte die Dosis bei CNI Stadium III auf 2× 110 mg reduziert werden. Für Rivaroxaban, Edoxaban und Apixaban gelten ebenfalls reduzierte Dosierungen, wenn bestimmte Risikofaktoren vorliegen. Studien haben gezeigt, dass die Wirksamkeit der DOAK auch nach Dosisreduktion erhalten bleibt und das Risiko für Blutungen weiter gesenkt werden kann. Besonders bei gestörter Nierenfunktion zeigt sich ein Vorteil der DOAK gegenüber Vitamin K-Antagonisten hinsichtlich der Reduktion von Blutungskomplikationen.

Die Entscheidung für eine bestimmte Antikoagulation sollte immer gemeinsam mit dem behandelnden Arzt getroffen werden. Dabei werden individuelle Faktoren wie das Risiko für Schlaganfälle (CHA2DS2-VASc-Score), das Blutungsrisiko (HAS-BLED-Score), Begleiterkrankungen und die aktuelle Nierenfunktion berücksichtigt. Eine regelmäßige Überprüfung der Therapie ist wichtig, um auf Veränderungen der Nierenfunktion oder das Auftreten von Nebenwirkungen rechtzeitig reagieren zu können.

Fazit: Individuelle Therapieentscheidung bei hohem Risiko

Patienten mit Niereninsuffizienz und Vorhofflimmern gehören zu den Hochrisikopatienten für ischämische Schlaganfälle. Eine sorgfältig ausgewählte Antikoagulation ist daher essenziell, um das Risiko für Schlaganfälle und andere thromboembolische Ereignisse zu senken. In den Stadien II und III der Niereninsuffizienz sind DOAK eine gute Alternative zu Vitamin K-Antagonisten, da sie bei vergleichbarer Wirksamkeit weniger Blutungskomplikationen verursachen. Im Stadium III ist eine Dosisreduktion der DOAK erforderlich, um das Risiko für Nebenwirkungen zu minimieren.

In den Stadien IV und V der Niereninsuffizienz wird die Therapie komplexer. Obwohl einige DOAK in reduzierter Dosierung für Stadium IV zugelassen sind, fehlen belastbare Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit, sodass eine Neueinstellung auf diese Medikamente nicht empfohlen wird. Im Stadium V sind sowohl DOAK als auch Vitamin K-Antagonisten kontraindiziert, und es besteht kein nachgewiesener Nutzen. In diesen Fällen muss die Entscheidung für oder gegen eine Antikoagulation individuell unter Berücksichtigung des Schlaganfall- und Blutungsrisikos sowie der Begleiterkrankungen getroffen werden.

Für alle Patienten mit CNI und VHF gilt: Die regelmäßige Kontrolle der Nierenfunktion ist ein zentraler Bestandteil der Therapie. Nur so kann die Behandlung optimal an die individuellen Bedürfnisse angepasst und das Risiko für Komplikationen minimiert werden. Sprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt über die für Sie beste Therapieoption und lassen Sie sich regelmäßig untersuchen, um Ihre Gesundheit bestmöglich zu schützen.

Prof. Dr. med. Wolf-Rüdiger Schäbitz

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Die koronare Herzkrankheit (KHK) betrifft Frauen ebenso wie Männer, doch viele Patientinnen unterschätzen ihr eigenes Risiko. Dieser Artikel basiert auf CARDIOVASC und erklärt, warum Frauen besonders aufmerksam sein sollten, welche Symptome typisch sind, wie sich Risikofaktoren unterscheiden und welche modernen Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Erfahren Sie, wie Sie Ihr Herz schützen können und warum ein besseres Bewusstsein für Herzerkrankungen lebensrettend sein kann.

Warum Frauen ein besonderes Risiko für koronare Herzkrankheit haben

Kardiovaskuläre Erkrankungen (Erkrankungen des Herzens und der Blutgefäße) sind trotz aller medizinischen Fortschritte weiterhin die Haupttodesursache bei Frauen – sowohl in Industrieländern als auch in Entwicklungsländern. Viele Frauen sind sich nicht bewusst, dass sie genauso wie Männer an einer koronaren Herzkrankheit (KHK) erkranken können. Dieses fehlende Bewusstsein ist gefährlich, da es dazu führt, dass Symptome oft nicht erkannt oder falsch gedeutet werden. Die Folge: Die Diagnose wird verzögert gestellt, und die Therapie beginnt später als nötig. Das Risiko, dass Frauen eine KHK entwickeln, steigt nach der Menopause (letzte Regelblutung) deutlich an, da die schützende Wirkung der weiblichen Hormone (vor allem Östrogene) nachlässt.

Vor der Menopause wirken die weiblichen Hormone protektiv, das heißt, sie schützen das Herz-Kreislauf-System. Nach der Menopause gleicht sich das Risiko für KHK bei Frauen dem der Männer an. In diesem Alter kommen häufig weitere Risikofaktoren hinzu, wie Bluthochdruck (Hypertonie), Übergewicht (Adipositas) oder ein gestörter Fettstoffwechsel (Dyslipidämie), was die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen erhöht. Besonders problematisch ist, dass viele Frauen keine typischen Beschwerden verspüren oder diese nicht als Herzproblem erkennen. Deshalb ist es wichtig, die Warnzeichen zu kennen und ernst zu nehmen.

Risikofaktoren: Was Frauen besonders beachten sollten

Die klassischen Risikofaktoren für kardiovaskuläre Ereignisse wie KHK sind bei Männern und Frauen grundsätzlich gleich: Dazu zählen Bluthochdruck, Übergewicht, erhöhte Blutfettwerte (z.B. LDL-Cholesterin), Rauchen und Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit). Allerdings ist die Bedeutung einzelner Risikofaktoren bei Frauen teilweise anders gewichtet. So wirkt sich langjähriges Rauchen bei Frauen noch schädlicher aus als bei Männern. Auch Diabetes mellitus erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen stärker als bei Männern. Studien zeigen, dass das relative Risiko (RR) für einen ersten Herzinfarkt bei rauchenden Frauen deutlich höher ist als bei rauchenden Männern (z.B. RR 9,4 bei Frauen vs. 2,9 bei Männern in einer skandinavischen Studie).

Ein weiterer wichtiger Risikofaktor ist die familiäre Hypercholesterinämie (FH), eine genetisch bedingte Fettstoffwechselstörung, die zu erhöhten LDL-Cholesterin-Werten führt. Wenn diese Störung bereits im Kindesalter auftritt, kann sie zu einem vorzeitigen Herzinfarkt führen. Etwa 20% der Herzinfarkte vor dem 45. Lebensjahr sind durch FH bedingt. Männer erkranken meist früher, aber nach der Menopause steigt das Risiko für Frauen rapide an. Viele Frauen erleiden ihren ersten Infarkt um das 50. Lebensjahr oder sogar schon in den 30er oder 40er Jahren.

Auch das metabolische Syndrom, eine Kombination aus Übergewicht, Bluthochdruck, erhöhten Blutzuckerwerten und gestörtem Fettstoffwechsel, spielt eine große Rolle. Frauen mit metabolischem Syndrom haben ein deutlich erhöhtes Risiko für KHK. Zusätzlich können psychosoziale Faktoren wie Stress, Depressionen oder ein niedriger sozialer Status das Risiko weiter erhöhen. Es ist daher wichtig, alle Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen und konsequent zu behandeln.

Typische und untypische Symptome: Wie sich KHK bei Frauen äußert

Die koronare Herzkrankheit zeigt sich bei Frauen häufig anders als bei Männern. Während Männer oft die klassischen Symptome wie starke Brustschmerzen (Angina pectoris) verspüren, sind die Beschwerden bei Frauen häufig weniger eindeutig. Viele Patientinnen berichten über unspezifische Symptome wie Atemnot (Dyspnoe), ein Engegefühl in der Brust, Übelkeit, Erbrechen oder eine ausgeprägte Müdigkeit. Diese Beschwerden werden oft nicht sofort mit einer Herzerkrankung in Verbindung gebracht, was die Diagnose erschwert.

Dennoch zeigen Studien, dass beim akuten Koronarsyndrom (eine Gruppe von Herzkrankheiten, zu denen auch der Herzinfarkt gehört) mehr als 70% der Frauen typische ischämiespezifische Symptome aufweisen – also Beschwerden, die auf eine Minderdurchblutung des Herzens hindeuten. Im Stadium der stabilen KHK stehen bei Frauen jedoch häufiger unspezifische Symptome im Vordergrund. Thoraxschmerzen (Schmerzen im Brustkorb) sind bei Frauen weniger prädiktiv, das heißt, sie deuten weniger eindeutig auf eine KHK hin als bei Männern. Deshalb ist es wichtig, auch auf andere Warnzeichen zu achten und bei Verdacht frühzeitig ärztlichen Rat einzuholen.

Ein besonderes Augenmerk sollte auf seltenere, aber schwerwiegende Krankheitsbilder gelegt werden, wie die Tako Tsubo-Kardiomyopathie (auch “Gebrochenes-Herz-Syndrom” genannt). Diese Erkrankung tritt vor allem bei postmenopausalen Frauen nach starkem emotionalem Stress auf und kann sich wie ein akuter Herzinfarkt äußern. Die Prognose ist in der Regel gut, bleibende Schäden am Herzmuskel sind selten.

Diagnosemöglichkeiten: Von Belastungs-EKG bis Koronarangiografie

Die Diagnose der koronaren Herzkrankheit erfolgt meist schrittweise. Ein wichtiges nichtinvasives Verfahren ist das Belastungs-EKG (Elektrokardiogramm unter körperlicher Belastung). Bei Frauen liegt die Spezifität (Fähigkeit, Gesunde richtig zu erkennen) bei etwa 70%, bei Männern bei 77%. Das bedeutet, dass bei etwa 30% der untersuchten Frauen falsch-positive Ergebnisse auftreten können. Der positiv prädiktive Wert (Wahrscheinlichkeit, dass ein positives Testergebnis tatsächlich auf eine KHK hinweist) beträgt bei Frauen 50% und bei Männern 70%. Deshalb werden zur weiteren Abklärung oft zusätzliche Untersuchungen eingesetzt.

Zu den bildgebenden Verfahren während der Belastung zählen die Echokardiografie (Ultraschalluntersuchung des Herzens), die Myokardperfusionsszintigrafie mittels SPECT (Single-Photon-Emissionscomputertomografie) oder die Positronenemissionstomografie (PET). Diese Methoden erhöhen die Aussagekraft der Diagnostik, insbesondere bei unklaren Befunden. Bei einem hohen Verdacht auf eine KHK, vor allem bei entsprechendem Risikoprofil, sollte eine invasive Abklärung mittels Koronarangiografie (Darstellung der Herzkranzgefäße mit Kontrastmittel) erfolgen. Studien zeigen, dass Frauen oft länger auf diese Untersuchung warten müssen als Männer, was die Prognose verschlechtern kann.

Ein weiteres diagnostisches Problem ist die nicht-obstruktive KHK, bei der keine oder nur geringe Verengungen der Herzkranzgefäße vorliegen. Diese Form tritt bei Frauen häufiger auf als bei Männern und wird oft durch eine mikrovaskuläre koronare Dysfunktion (Störung der kleinen Blutgefäße des Herzens) verursacht. Die koronare Flussreserve (Maß für die Durchblutungsfähigkeit des Herzens) kann mit nichtinvasiven Verfahren wie PET gemessen werden. Pathologische Befunde sind mit einer schlechteren Prognose verbunden und erfordern eine gezielte Therapie.

Therapie und Management: Was tun bei akutem Koronarsyndrom?

Bei einem akuten Koronarsyndrom oder Herzinfarkt ist eine schnelle Behandlung entscheidend. Die perkutane Koronarintervention (PCI, auch “Herzkatheter” genannt) ist in den meisten Fällen die Therapie der Wahl. Dabei wird das verschlossene Herzkranzgefäß mit einem Ballon geöffnet und meist eine Gefäßstütze (Stent) eingesetzt. Das Motto “time is muscle” bedeutet, dass jede Minute zählt: Je schneller das Gefäß wieder durchgängig ist, desto weniger Herzmuskel geht verloren.

Allerdings zeigen internationale Register und das Wiener Infarktnetz, dass Frauen im Durchschnitt später den Rettungsdienst kontaktieren als Männer. Dadurch verlängert sich die Zeit bis zur Behandlung, was die Prognose verschlechtert. Die höhere Sterblichkeit (Hospitalmortalität) bei Frauen nach einem akuten Herzinfarkt ist vor allem auf das höhere Alter und die häufigere Multimorbidität (gleichzeitiges Vorliegen mehrerer Erkrankungen) zurückzuführen. Beim kardiogenen Schock (schwere Kreislaufstörung durch Herzversagen) ist das weibliche Geschlecht ein unabhängiger Risikofaktor für eine schlechtere Überlebensrate, unabhängig von anderen Begleiterkrankungen.

Neue Therapieansätze werden derzeit erforscht. Dazu gehören stark lipidsenkende Substanzen wie PCSK9-Inhibitoren (Medikamente, die das LDL-Cholesterin senken), antiinflammatorische Wirkstoffe wie Interleukin 1-Inhibitoren (hemmen Entzündungen) sowie neurohumoral modulierende Substanzen (beeinflussen das Zusammenspiel von Nerven- und Hormonsystem). Diese neuen Medikamente könnten in Zukunft die Behandlungsmöglichkeiten für Frauen mit KHK deutlich verbessern.

Kardiovaskuläre Risiken bei Krebserkrankungen und Ausblick

Nach den kardiovaskulären Erkrankungen sind Krebserkrankungen die zweithäufigste Todesursache bei Frauen. Beide Erkrankungsgruppen teilen einige gemeinsame Risikofaktoren, wie zum Beispiel Übergewicht, metabolisches Syndrom und Diabetes mellitus. Auch ein insgesamt ungesunder Lebensstil mit wenig Bewegung, schlechter Ernährung und niedrigem sozialem Status erhöht das Risiko für beide Krankheiten. Besonders bei Brustkrebs, der häufigsten Krebserkrankung bei Frauen, kommen Therapien zum Einsatz, die das Herz schädigen können (kardiotoxisch wirken). Dazu zählen Anthrazykline, Taxane und Trastuzumab. Die Gefahr einer Herzschädigung hängt auch davon ab, ob mehrere dieser Substanzen kombiniert werden.

Die Forschung im Bereich der Gendermedizin (Untersuchung geschlechtsspezifischer Unterschiede in Medizin und Therapie) hat seit den 1970er- und 1980er-Jahren große Fortschritte gemacht. Heute weiß man, dass Frauen andere Symptome zeigen, anders auf Therapien ansprechen und ein anderes Risikoprofil aufweisen als Männer. Dennoch bleibt das fehlende Bewusstsein für Herzerkrankungen bei Frauen ein zentrales Problem – sowohl bei Patientinnen selbst als auch in der medizinischen Versorgung. Es ist daher entscheidend, dass Frauen und Ärztinnen/Ärzte gleichermaßen für die Risiken sensibilisiert werden und Risikofaktoren wie Hypertonie, Adipositas, Rauchen und metabolisches Syndrom konsequent behandelt werden.

Die Entwicklung neuer Diagnose- und Therapieverfahren schreitet stetig voran. Moderne bildgebende Verfahren, innovative Medikamente und ein besseres Verständnis der geschlechtsspezifischen Unterschiede tragen dazu bei, die Prognose für Frauen mit KHK zu verbessern. Dennoch bleibt die Aufklärung der wichtigste Schritt, um Herzerkrankungen frühzeitig zu erkennen und effektiv zu behandeln.

Wichtige Erkenntnisse für Patientinnen: Was Sie mitnehmen sollten

  • Die natürlichen weiblichen Hormone schützen das Herz-Kreislauf-System bis zur Menopause. Danach steigt das Risiko für KHK bei Frauen auf das Niveau der Männer an.
  • Risikofaktoren wie Rauchen und Diabetes mellitus sind für Frauen besonders gefährlich und erhöhen das Risiko für Herzinfarkt und andere kardiovaskuläre Ereignisse stärker als bei Männern.
  • Viele Frauen unterschätzen ihr eigenes Risiko für KHK. Das fehlende Bewusstsein ist einer der größten Risikofaktoren – informieren Sie sich und sprechen Sie mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt über Ihr individuelles Risiko.
  • Die Symptome einer stabilen KHK sind bei Frauen oft weniger typisch (z.B. Müdigkeit, Atemnot, Übelkeit). Beim akuten Koronarsyndrom oder Herzinfarkt zeigen Frauen und Männer jedoch meist vergleichbare Beschwerden.
  • Eine frühzeitige Diagnose und konsequente Behandlung aller Risikofaktoren sind entscheidend, um Komplikationen zu vermeiden und die Lebensqualität zu erhalten.
  • Bei Verdacht auf einen Herzinfarkt gilt: Zögern Sie nicht, sofort den Rettungsdienst zu rufen – jede Minute zählt!
  • Auch nach einer Krebserkrankung sollten Sie auf Ihr Herz achten, da manche Krebstherapien das Risiko für Herzerkrankungen erhöhen können.
  • Neue Medikamente und moderne Diagnoseverfahren bieten heute bessere Behandlungsmöglichkeiten – informieren Sie sich über aktuelle Entwicklungen.

Univ. Prof. Dr. med. Andrea Podczeck-Schweighofer

Quellen

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Osteoporosetherapeutika können das Risiko für Knochenbrüche deutlich senken und sind ein wichtiger Bestandteil der Behandlung von Osteoporose. In diesem Artikel, der auf den Erkenntnissen von HAUSARZT PRAXIS basiert, erfahren Sie, wie eine individuell angepasste Therapie, das richtige Management von Nebenwirkungen und gezielte Pausen („Drug holidays“) den Behandlungserfolg verbessern können.

Osteoporose: Ursachen, Risikofaktoren und Bedeutung der Knochendichte

Osteoporose ist eine Erkrankung, bei der die Knochensubstanz und die Mikroarchitektur des Knochens gestört sind. Das bedeutet, dass die Knochen an Festigkeit verlieren und dadurch leichter brechen können. Besonders betroffen sind ältere Menschen und Frauen nach den Wechseljahren (postmenopausale Frauen), da der Östrogenspiegel sinkt. Östrogen ist ein Hormon, das den Knochenstoffwechsel positiv beeinflusst. Ein Mangel daran, aber auch Untergewicht (zu niedriges Körpergewicht) und Bewegungsmangel (zu wenig körperliche Aktivität) erhöhen das Risiko, an Osteoporose zu erkranken. Weitere Risikofaktoren sind familiäre Vorbelastung, bestimmte Medikamente und Erkrankungen, die den Knochenstoffwechsel beeinflussen.

In der Schweiz sind derzeit über 400.000 Menschen von Osteoporose betroffen. Etwa 20 % der Frauen und 7 % der Männer über 50 Jahren erkranken daran. Die Knochendichte wird häufig mit der sogenannten DEXA-Messung bestimmt. Dabei wird die Knochendichte an bestimmten Körperstellen gemessen und mit Normwerten verglichen. Ein niedriger Wert weist auf Osteoporose oder Osteopenie (Vorstufe der Osteoporose) hin. Eine verminderte Knochendichte erhöht das Risiko für Knochenbrüche, insbesondere an Wirbelsäule, Hüfte und Handgelenk.

Die Hauptziele der Osteoporosetherapie sind die Erhaltung der Knochenmasse, die Verbesserung der Knochenstruktur und die Reduktion des Frakturrisikos. Dazu werden verschiedene Medikamente eingesetzt, die entweder den Knochenabbau hemmen (Antiresorptiva) oder den Knochenaufbau fördern (Osteoanabolika). Die Auswahl des passenden Medikaments hängt von individuellen Faktoren wie Alter, Geschlecht, Begleiterkrankungen und dem persönlichen Frakturrisiko ab.

Osteoporosetherapeutika: Wirkung, Gruppen und individuelle Therapieanpassung

Osteoporosetherapeutika sind Medikamente, die nachweislich das Risiko für Wirbelkörperbrüche (vertebrale Frakturen) und andere Knochenbrüche (nicht-vertebrale Frakturen) senken. In der Schweiz werden vor allem zwei Gruppen eingesetzt: Antiresorptiva wie Bisphosphonate, Denosumab und Raloxifen sowie Osteoanabolika wie Teriparatid und Romosozumab. Antiresorptiva hemmen den Knochenabbau, während Osteoanabolika den Knochenaufbau stimulieren.

Die Wahl des passenden Medikaments erfolgt individuell. Faktoren wie das Ausmaß der Osteoporose, das bisherige Frakturrisiko, Begleiterkrankungen und die Verträglichkeit spielen eine Rolle. Idealerweise werden Osteoporosetherapeutika im Rahmen einer sogenannten multimodalen Therapie eingesetzt. Das bedeutet, dass neben Medikamenten auch Maßnahmen wie Bewegung, Ernährung (ausreichende Calcium- und Vitamin-D-Zufuhr) und Sturzprophylaxe (Vorbeugung von Stürzen) berücksichtigt werden.

Da Osteoporose eine chronische Erkrankung ist, ist meist eine Langzeittherapie erforderlich. Dabei ist es wichtig, Nebenwirkungen und sogenannte Reboundeffekte (plötzlicher Knochenabbau nach Absetzen bestimmter Medikamente) zu beachten. Inzwischen wird empfohlen, nach einigen Jahren eine Therapiepause („Drug holiday“) einzulegen, um das Risiko seltener Nebenwirkungen wie Kiefernekrosen (Absterben von Kieferknochen) und atypischer Frakturen (ungewöhnliche Knochenbrüche) zu verringern.

Bisphosphonate: Auswahl, Anwendung und Nebenwirkungsmanagement

Bisphosphonate sind eine der wichtigsten Medikamentengruppen zur Behandlung der Osteoporose. Sie hemmen den Knochenabbau, indem sie die Aktivität der knochenabbauenden Zellen (Osteoklasten) bremsen. Zu den in der Schweiz eingesetzten Bisphosphonaten zählen Zolendronat, Alendronat und Ibandronat. Zolendronat gilt aktuell als das wirksamste und am stärksten an den Knochen bindende Bisphosphonat. Es wird meist als Infusion verabreicht und hat eine nachgewiesene Wirksamkeit über 3 bis 5 Jahre, insbesondere zur Senkung des Risikos für Wirbel- und andere Knochenbrüche.

Nach einer Zolendronat-Infusion können in den ersten Tagen grippeähnliche Beschwerden wie Fieber, Muskelschmerzen oder Unwohlsein auftreten. Diese Nebenwirkungen verschwinden in der Regel nach wenigen Tagen. Um das Risiko zu verringern, wird empfohlen, die Infusion langsam zu verabreichen (oft über eine Stunde) und gegebenenfalls vorab ein Schmerzmittel wie Paracetamol oder ein nicht-steroidales Antirheumatikum einzunehmen. Wichtig ist auch, vor der Infusion ausreichend zu trinken, da Bisphosphonate überwiegend über die Nieren ausgeschieden werden. Zolendronat sollte nur bei Patienten mit einer geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) von über 35 ml/min/1,73 m2 angewendet werden. Die eGFR ist ein Maß für die Nierenfunktion.

Als Alternative zu Zolendronat kann Alendronat eingesetzt werden, das als Tablette einmal pro Woche eingenommen wird. Ibandronat wird seltener verwendet, da es weniger stark an den Knochen bindet und vor allem für Wirbelkörperbrüche, aber nicht für periphere Frakturen (z. B. an Hüfte oder Handgelenk) wirksam ist. Vor Beginn einer Bisphosphonat-Therapie sollte immer ein Vitamin-D-Mangel ausgeglichen werden, da Vitamin D die Einlagerung von Calcium in den Knochen unterstützt und so die Remineralisierung fördert. Eine Vitamin-D-Supplementation ist einfach und kostengünstig umsetzbar.

Ein Fallbeispiel verdeutlicht die praktische Anwendung: Eine 56-jährige Patientin erlitt nach einem Sturz eine Fraktur des 12. Brustwirbels. Nach konservativer Behandlung und hausärztlicher Abklärung wurde eine Osteoporose in der Lendenwirbelsäule festgestellt. Die Patientin erhielt zunächst eine Zolendronat-Infusion, entwickelte jedoch Nebenwirkungen wie Schlafstörungen und Spannungsgefühl am Kopf. Daher wurde auf Alendronat umgestellt, das gut vertragen wurde. Nach zwei Jahren zeigte die DEXA-Messung keine Osteoporose mehr in der Lendenwirbelsäule.

Denosumab: Besonderheiten beim Absetzen und Vermeidung von Reboundeffekten

Denosumab ist ein weiteres wichtiges Medikament zur Osteoporosetherapie. Es wird als Spritze alle sechs Monate verabreicht und hemmt gezielt den Knochenabbau. Die Wirksamkeit ist für bis zu drei Jahre belegt. Ein besonderes Augenmerk gilt dem Absetzen von Denosumab: Wird die Therapie beendet, kehrt der Knochenabbau rasch zurück, und das Frakturrisiko steigt deutlich an. Um diesen sogenannten Reboundeffekt zu verhindern, muss nach Absetzen von Denosumab vorübergehend ein Bisphosphonat, vorzugsweise Zolendronat, gegeben werden.

Am besten erfolgt die Bisphosphonat-Infusion zum Zeitpunkt der nächsten eigentlich fälligen Denosumab-Injektion. Anschließend sollten die Umbauparameter (Laborwerte, die den Knochenstoffwechsel anzeigen) nach drei und sechs Monaten nüchtern kontrolliert werden. Steigen diese Werte stark an, ist eine weitere Infusion notwendig. Erst wenn die Umbauparameter stabil niedrig bleiben, kann eine Therapiepause erwogen werden. Falls keine Messung der Umbauparameter erfolgt, empfiehlt es sich, sechs und zwölf Monate nach der letzten Denosumab-Injektion jeweils eine Zolendronat-Infusion zu geben. In manchen Fällen sind sogar drei Infusionen erforderlich, um den Knochenstoffwechsel ausreichend zu unterdrücken. Wird Zolendronat nicht vertragen, kann alternativ Alendronat eingesetzt werden. Ohne diese Maßnahmen gehen die durch Denosumab erzielten Verbesserungen der Knochendichte innerhalb eines Jahres fast vollständig verloren.

Therapiepausen („Drug Holidays“), Nebenwirkungen und Monitoring

Langfristige Therapien mit Osteoporosetherapeutika können seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkungen wie Kiefernekrosen (Absterben von Kieferknochen) und atypische Frakturen (ungewöhnliche Knochenbrüche, meist am Oberschenkelknochen) verursachen. Um das Risiko zu senken, wird bei leichter Osteoporose nach drei bis fünf Jahren eine Therapiepause von bis zu fünf Jahren empfohlen. Bei schwerer Osteoporose (niedriger T-Score, bereits erlittene Fragilitätsfraktur oder morphometrische Wirbelkörperfrakturen) sollte die Pause kürzer sein, meist bis zu zwei Jahre.

Während der Therapiepause ist es wichtig, die Patienten regelmäßig zu kontrollieren. Dazu gehören Knochendichtemessungen (DEXA) und Laboruntersuchungen der Knochenumbauparameter. Je nach Ergebnis kann die Pause verlängert oder die Therapie wieder aufgenommen werden. Bei Patienten mit Kiefernekrosen sind regelmäßige zahnärztliche Kontrollen besonders wichtig, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Die Entscheidung für eine Therapiepause sollte immer individuell getroffen werden und hängt vom Frakturrisiko, dem bisherigen Verlauf und den Nebenwirkungen ab. Ein engmaschiges Monitoring ist entscheidend, um rechtzeitig auf Veränderungen reagieren zu können. Sprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt oder Ihrer Ärztin über die für Sie passende Strategie.

Mirjam Peter, M.Sc.

Quellen

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Axiale Spondyloarthritis (axSpA) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Wirbelsäule, die das Leben vieler Menschen stark beeinflussen kann. In diesem Artikel, der auf HAUSARZT PRAXIS basiert, erfahren Sie, wie moderne Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten – von nichtsteroidalen Antirheumatika bis hin zu Biologika und JAK-Inhibitoren – helfen können, Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Wir erklären Ihnen die wichtigsten Begriffe und geben einen Überblick über aktuelle Empfehlungen.

Axiale Spondyloarthritis: Was ist das und wie wird sie diagnostiziert?

Die axiale Spondyloarthritis (axSpA) gehört zu den entzündlichen Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, die hauptsächlich die Wirbelsäule betreffen. Typisch für axSpA ist der sogenannte entzündliche Rückenschmerz, der sich durch Schmerzen im unteren Rückenbereich äußert, die vor allem nachts oder in Ruhe auftreten und sich durch Bewegung bessern. Neben den Beschwerden an der Wirbelsäule können auch andere Bereiche des Körpers betroffen sein, wie zum Beispiel die Gelenke, Sehnen oder sogar innere Organe (sogenannte extraskelettale Manifestationen). Die Diagnose axSpA erfolgt in mehreren Schritten: Zunächst wird die Krankengeschichte (Anamnese) erhoben, wobei auch auf psychosoziale und arbeitsbezogene Belastungen eingegangen wird. Anschließend werden bildgebende Verfahren wie Röntgen und Magnetresonanztomographie (MRT) der Lendenwirbelsäule (LWS) und der Iliosakralgelenke eingesetzt, um entzündliche Veränderungen sichtbar zu machen. Zusätzlich werden Laboruntersuchungen durchgeführt, bei denen sogenannte inflammatorische Marker wie BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit) und CRP (C-reaktives Protein) sowie das Vorhandensein des genetischen Merkmals HLA-B27 getestet werden. Die ASAS-Klassifikationskriterien (Assessment of SpondyloArthritis International Society) helfen dabei, die Diagnose zu sichern. Ein wichtiger Bestandteil dieser Kriterien ist der Nachweis von HLA-B27 und/oder einer Sakroiliitis (Entzündung der Iliosakralgelenke) im Bildgebungsverfahren. Bei Patienten ohne sichtbare Veränderungen im Röntgen spricht man von einer nicht-röntgenologischen axialen SpA, während bei nachweisbaren Veränderungen die Diagnose ankylosierende Spondyloarthritis (Morbus Bechterew) gestellt wird.

Um die Krankheitsaktivität zu messen, werden spezielle Scores verwendet. Der BASDAI (Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index) ist ein Fragebogen, der verschiedene Symptome wie Müdigkeit, Rückenschmerzen und Morgensteifigkeit abfragt. Der ASDAS (Ankylosing Spondylitis Disease Activity Score) ist ein neueres Instrument, das zusätzlich das CRP berücksichtigt und so eine genauere Einschätzung der Entzündungsaktivität ermöglicht. Die Krankheitsaktivität sollte regelmäßig – meist alle 3 bis 6 Monate – mit diesen Scores kontrolliert werden, um die Behandlung optimal anzupassen.

Behandlungskonzepte: Kombination aus Bewegung und Medikamenten

Die Therapie der axSpA basiert auf einem sogenannten multimodalen Ansatz, das heißt, es werden verschiedene Maßnahmen miteinander kombiniert. Ein wichtiger Bestandteil der Behandlung sind nicht-pharmakologische Maßnahmen wie regelmäßige Bewegungstherapie und Physiotherapie. Diese helfen, die Beweglichkeit der Wirbelsäule zu erhalten, Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Ziel ist es, die körperliche Funktionsfähigkeit zu bewahren und das Fortschreiten von strukturellen Schäden an der Wirbelsäule zu verhindern.

Wenn die Beschwerden stärker sind oder die Entzündung nicht ausreichend kontrolliert werden kann, kommen Medikamente zum Einsatz. Die erste Wahl sind meist nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), die entzündungshemmend und schmerzlindernd wirken. Beispiele für NSAR sind Ibuprofen, Diclofenac oder Naproxen. Da NSAR auch Nebenwirkungen haben können, wie zum Beispiel Magenbeschwerden oder ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ist es wichtig, die Dosierung und Dauer der Therapie regelmäßig zu überprüfen. Wenn NSAR nicht ausreichen, um die Entzündung zu kontrollieren, werden sogenannte Disease Modifying Anti-Rheumatic Drugs (DMARDs, krankheitsmodifizierende Antirheumatika) eingesetzt. Diese Medikamente wirken gezielt auf das Immunsystem und können das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen.

Biologika und JAK-Inhibitoren: Moderne Medikamente im Überblick

In den letzten Jahren wurden neue Medikamente entwickelt, die gezielt in das Immunsystem eingreifen und die Entzündungsprozesse bei axSpA hemmen können. Dazu gehören die Biologika (biologische DMARDs, bDMARDs) und die JAK-Inhibitoren (Januskinase-Inhibitoren, tsDMARDs). Biologika sind gentechnisch hergestellte Eiweißstoffe, die bestimmte Botenstoffe des Immunsystems blockieren. Zu den wichtigsten Biologika bei axSpA zählen die TNFα-Inhibitoren (Tumornekrosefaktor-alpha-Hemmer) wie Adalimumab, Infliximab, Golimumab und Certolizumab pegol sowie die IL-17-Inhibitoren (Interleukin-17-Hemmer) wie Secukinumab und Ixekizumab. JAK-Inhibitoren wie Tofacitinib und Upadacitinib sind Tabletten, die bestimmte Signalwege in den Immunzellen hemmen.

Die Auswahl des passenden Medikaments richtet sich nach verschiedenen Faktoren: Neben der Wirksamkeit spielen auch das Sicherheitsprofil (also mögliche Nebenwirkungen), die individuellen Risikofaktoren des Patienten und die persönlichen Vorlieben eine Rolle. Die aktuellen ASAS-EULAR Empfehlungen (gemeinsame Leitlinien der Assessment of SpondyloArthritis International Society und der European League Against Rheumatism) geben Orientierung für die Therapieauswahl. Laut diesen Empfehlungen sollte bei anhaltend hoher Krankheitsaktivität trotz NSAR (ASDAS-Score ≥2,1) zunächst ein TNFα-Inhibitor oder ein IL-17-Inhibitor eingesetzt werden. JAK-Inhibitoren werden meist erst dann empfohlen, wenn andere Therapien nicht ausreichend wirken oder nicht vertragen werden. Der Grund dafür liegt vor allem in den noch begrenzten Langzeitdaten zur Sicherheit der JAK-Inhibitoren.

Studien zeigen, dass Biologika und JAK-Inhibitoren die Entzündung wirksam hemmen und die Beschwerden deutlich lindern können. Für Secukinumab, einen IL-17-Inhibitor, liegen aus Langzeitstudien Hinweise auf eine niedrige Rate schwerwiegender Infektionen, Krebserkrankungen und Herz-Kreislauf-Ereignisse vor. Bei Ixekizumab, einem weiteren IL-17-Inhibitor, ist die Datenlage noch begrenzt. Für JAK-Inhibitoren gibt es bisher vor allem Kurzzeitstudien. Bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) und bestimmten Risikofaktoren wurde in der Oral Surveillance-Studie ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse (MACE) und Krebserkrankungen unter JAK-Inhibitoren festgestellt. Diese Ergebnisse lassen sich jedoch nicht direkt auf axSpA-Patienten übertragen. Dennoch sollte bei Patienten mit axSpA und zusätzlichen Risikofaktoren eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen, insbesondere bei der Anwendung von JAK-Inhibitoren.

Wirksamkeit der Medikamente auf verschiedene Beschwerden

Die axiale Spondyloarthritis kann sich durch unterschiedliche Symptome äußern, zum Beispiel durch Entzündungen der Wirbelsäule, Gelenkbeschwerden, Sehnenentzündungen oder auch durch Augenentzündungen wie Uveitis. Die verschiedenen Medikamente wirken unterschiedlich gut auf diese Manifestationen. Beobachtungsstudien zeigen, dass TNFα-Inhibitoren wie Adalimumab, Infliximab, Golimumab und Certolizumab pegol besonders wirksam bei der Behandlung von Uveitis sind. Im Vergleich dazu ist die Wirksamkeit von Secukinumab und Etanercept bei Uveitis geringer. Für die JAK-Inhibitoren Tofacitinib und Upadacitinib gibt es bisher keine ausreichenden Daten zur Behandlung von Uveitis. Die Wahl des Medikaments sollte daher auch an den individuellen Beschwerden und Begleiterkrankungen des Patienten ausgerichtet werden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die regelmäßige Überprüfung der Krankheitsaktivität. Neben der klinischen Untersuchung und der Bildgebung werden die oben genannten Scores (BASDAI, ASDAS) eingesetzt, um den Verlauf der Erkrankung zu dokumentieren. Die Behandlung sollte in regelmäßigen Abständen – meist alle 3 bis 6 Monate – überprüft und bei Bedarf angepasst werden. So kann sichergestellt werden, dass die Therapie optimal wirkt und mögliche Nebenwirkungen frühzeitig erkannt werden.

Was tun, wenn die Therapie nicht wirkt?

Es kann vorkommen, dass eine Behandlung mit einem Biologikum (bDMARD) oder einem JAK-Inhibitor (tsDMARD) nicht den gewünschten Erfolg bringt. In solchen Fällen ist es wichtig, zunächst die Diagnose zu überprüfen: Liegt tatsächlich eine axiale Spondyloarthritis vor oder gibt es andere Ursachen für die Beschwerden? Besonders wenn weder ein TNFα-Inhibitor noch ein IL-17-Inhibitor wirkt, sollte ein erneuter Blick auf die Diagnose und mögliche Begleiterkrankungen geworfen werden. Ein MRT kann helfen, eine aktive Entzündung in der Wirbelsäule nachzuweisen.

Die aktuellen ASAS-EULAR Empfehlungen raten dazu, nach einem erfolglosen Behandlungsversuch mit einem bDMARD oder tsDMARD auf ein anderes bDMARD (zum Beispiel einen anderen TNFα-Inhibitor oder einen IL-17-Inhibitor) oder einen JAK-Inhibitor zu wechseln. Die Datenlage zur Wirksamkeit eines Wechsels ist allerdings noch begrenzt. Für Secukinumab gibt es Hinweise, dass auch nach einem erfolglosen TNFα-Inhibitor gute Ansprechraten erzielt werden können, wobei die Erfolgsraten bei Patienten, die noch keine Biologika erhalten haben, etwas höher sind. Ähnliche Ergebnisse wurden auch für Ixekizumab berichtet.

Wichtig ist, dass die Entscheidung für die nächste Behandlung gemeinsam mit dem behandelnden Arzt und dem Patienten getroffen wird. Dabei sollten neben der Wirksamkeit und Sicherheit auch individuelle Faktoren wie Begleiterkrankungen, persönliche Wünsche und soziale Aspekte berücksichtigt werden. Auch die Art der Anwendung (zum Beispiel subkutan, intravenös oder oral) kann eine Rolle spielen, ebenso wie der Kostenfaktor. Ziel ist es, für jeden Patienten die bestmögliche und individuell passende Therapie zu finden.

Gemeinsam entscheiden: Die Rolle des Patienten

Die Behandlung der axSpA sollte immer auf die individuellen Bedürfnisse und Lebensumstände des Patienten abgestimmt werden. Das sogenannte „Shared Decision Making“ bedeutet, dass Arzt und Patient gemeinsam die beste Therapieoption auswählen. Dabei werden nicht nur medizinische Fakten, sondern auch persönliche Präferenzen, berufliche und soziale Aspekte sowie mögliche Nebenwirkungen und Risiken berücksichtigt. Es ist wichtig, dass Patienten gut über ihre Erkrankung und die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten informiert sind, um aktiv an der Entscheidungsfindung teilnehmen zu können.

Regelmäßige Kontrolluntersuchungen und eine offene Kommunikation mit dem behandelnden Arzt sind entscheidend, um den Verlauf der Erkrankung zu überwachen und die Therapie bei Bedarf anzupassen. Auch Selbsthilfegruppen und Patientenorganisationen können wertvolle Unterstützung bieten, indem sie Informationen bereitstellen und den Austausch mit anderen Betroffenen ermöglichen.

Mirjam Peter, M.Sc.

Quellen

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Viele Frauen mit Epilepsie wünschen sich Kinder und fragen sich, ob ihre Erkrankung oder die notwendige medikamentöse Behandlung eine Schwangerschaft erschweren oder Risiken für Mutter und Kind bedeuten. Dieser Artikel basiert auf INFO NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE und gibt Ihnen einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Aspekte rund um Epilepsie und Kinderwunsch, von der Planung über die Schwangerschaft bis zur Geburt und Stillzeit. Sie erfahren, welche Risiken bestehen, wie die Therapie angepasst werden kann und worauf Sie gemeinsam mit Ihrem Arzt achten sollten.

Epilepsie und Kinderwunsch: Grundlegende Überlegungen

Epilepsie ist eine chronische neurologische Erkrankung, bei der es zu wiederkehrenden epileptischen Anfällen kommt. Viele Frauen mit Epilepsie stehen irgendwann vor der Frage, ob sie trotz ihrer Erkrankung eine Familie gründen können. Die gute Nachricht ist: Die meisten Schwangerschaften bei Epilepsie verlaufen ohne größere Komplikationen, und die Mehrheit der Kinder epilepsiekranker Mütter wird gesund geboren und entwickelt sich altersgerecht. Dennoch gibt es einige spezifische Herausforderungen, die im Rahmen eines gezielten Schwangerschaftsmanagements gemeinsam mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin besprochen werden sollten.

Wichtig ist, dass das Vorliegen einer Epilepsie kein Grund sein sollte, auf eigene Kinder zu verzichten. Die Risiken sind in den meisten Fällen überschaubar, wenn eine gute medizinische Betreuung und eine individuelle Therapieanpassung erfolgen. Besonders im Fokus steht dabei die Situation der Mutter, da das ungeborene Kind während der Schwangerschaft ausschließlich den Medikamenten und Anfällen der Mutter ausgesetzt ist. Auch wenn bei Männern mit Epilepsie die Fruchtbarkeit durch die Erkrankung oder die Medikamente beeinträchtigt sein kann, und das Risiko für Epilepsie beim Kind leicht erhöht ist, steht die Behandlung und Beratung der werdenden Mutter im Vordergrund.

Im Folgenden werden die wichtigsten Aspekte rund um Epilepsie und Kinderwunsch chronologisch dargestellt: von der Zeit vor der Schwangerschaft über die Schwangerschaft selbst bis hin zur Geburt und der Zeit danach. Ziel ist es, Ihnen als Patientin und Ihren Angehörigen eine verständliche und fundierte Orientierung zu geben, damit Sie gemeinsam mit Ihrem Behandlungsteam die bestmöglichen Entscheidungen treffen können.

Fertilität und Vererbungsrisiko bei Epilepsie

Die weibliche Fruchtbarkeit (Fertilität) kann durch Epilepsie und die Einnahme von Antikonvulsiva (Medikamente zur Anfallsverhinderung) um etwa 15–30% reduziert sein. Dies geschieht über verschiedene Mechanismen, zum Beispiel durch hormonelle Veränderungen oder direkte Auswirkungen der Medikamente auf den Zyklus. Dennoch werden Frauen mit Epilepsie, die sich ein Kind wünschen und keine bekannte Fertilitätsstörung haben, im Durchschnitt nicht später schwanger als gesunde Frauen. In den meisten Fällen kann eine Schwangerschaft also wie gewünscht erreicht werden.

Vor einer geplanten Schwangerschaft möchten viele Frauen wissen, wie hoch das Risiko ist, dass ihr Kind ebenfalls an Epilepsie erkrankt. Bei seltenen monogenen Epilepsien (Epilepsien, die durch eine Veränderung in einem einzelnen Gen verursacht werden) kann das Vererbungsrisiko deutlich erhöht sein. In solchen Fällen wird eine spezielle humangenetische Beratung empfohlen, um das individuelle Risiko besser einschätzen zu können. Bei den meisten anderen Epilepsieformen ist das Risiko für das Kind jedoch vergleichsweise gering: Etwa 4–5% der Kinder von Frauen mit Epilepsie entwickeln ebenfalls eine Epilepsie. Bei sogenannten erworbenen Epilepsien (zum Beispiel nach einer Hirnverletzung oder Entzündung) ist das Risiko noch niedriger, während es bei idiopathischen Epilepsien (Epilepsien ohne erkennbare Ursache) auf maximal etwa 10% ansteigt.

Auch bei Männern mit Epilepsie kann die Fruchtbarkeit durch die Erkrankung oder die Medikamente beeinträchtigt sein, und das Risiko für Epilepsie beim Kind ist leicht erhöht. Allerdings ist das ungeborene Kind während der Schwangerschaft ausschließlich den Medikamenten und Anfällen der Mutter ausgesetzt. Daher liegt der Schwerpunkt der Beratung und Therapieanpassung auf der werdenden Mutter.

Mütterliche Gesundheitsrisiken und Anfallsrisiko in der Schwangerschaft

Frauen mit Epilepsie haben im Vergleich zu gesunden Frauen ein leicht erhöhtes Risiko für bestimmte Komplikationen während der Schwangerschaft. Dazu gehören Spontanaborte (Fehlgeburten), vor- und nachgeburtliche Blutungen, arterielle Hypertonie (Bluthochdruck) und eine Entbindung vor der 37. Schwangerschaftswoche (Frühgeburt). Besonders bei Frauen, die mit Antikonvulsiva behandelt werden, ist das Risiko für nachgeburtliche Blutungen etwas erhöht. In älteren Studien konnte jedoch kein eindeutig erhöhtes Risiko für Schwangerschaftshypertonie, Präeklampsie (eine spezielle Form des Schwangerschaftsbluthochdrucks), perinatalen Kindstod oder Status epilepticus (ein besonders schwerer, anhaltender epileptischer Anfall) nachgewiesen werden. Allerdings wurde in einzelnen Studien ein vermehrtes Auftreten von Gestationsdiabetes (Schwangerschaftsdiabetes) beobachtet.

Das Anfallsrisiko während der Schwangerschaft bleibt bei etwa 54–80% der Frauen mit Epilepsie unverändert. Spontane Verbesserungen der Anfallssituation werden je nach Studie bei 3–24% der Frauen beobachtet, während sich bei 14–32% die Anfallssituation verschlechtert. Häufig sind Verschlechterungen auf eigenmächtige Dosisreduktionen oder das Absetzen der Antikonvulsiva zurückzuführen. Auch in der Schwangerschaft ist die Anfallssituation bei unbehandelten Epilepsien ungünstiger als bei behandelten Epilepsien.

Ein besonders wichtiger Punkt ist das Risiko für Fehlbildungen beim Kind durch die Einnahme von Antikonvulsiva. Bei einer medikamentösen Behandlung mit geringem teratogenem Risiko (Teratogenität bedeutet die Fähigkeit eines Stoffes, Fehlbildungen beim ungeborenen Kind zu verursachen) kann das Fehlbildungsrisiko im Vergleich zu unbehandelten Epilepsien vermieden werden. Die Anfallsfreiheit der Mutter bleibt auch in der Schwangerschaft das wichtigste Therapieziel. Daher wird den meisten Patientinnen geraten, die antikonvulsive Therapie während der Schwangerschaft fortzuführen. Bei anfallsfreien Patientinnen kann vor einer geplanten Schwangerschaft eine Dosisreduktion oder ein Absetzen der Medikamente nach individueller Einschätzung des Rückfallrisikos diskutiert werden.

Besonders bei Monotherapien (Behandlung mit nur einem Medikament) mit Valproat, Lamotrigin oder Carbamazepin ist eine Dosisreduktion von Interesse, da für diese Wirkstoffe ein dosisabhängiger Anstieg der Fehlbildungsraten nachgewiesen wurde. Besonders deutlich ist dieser Effekt bei Valproat: Bei Dosen bis 600 mg pro Tag liegt die Fehlbildungsrate deutlich unter 10%, während sie bei hohen Dosen von 1500 mg und mehr auf über 20% ansteigen kann. Vor Eintritt einer Schwangerschaft sollte die Anfallsfreiheit oder bestmögliche Anfallskontrolle für mindestens sechs Monate dokumentiert werden. Bei Antikonvulsiva mit dosisabhängiger Teratogenität sollte vor der Schwangerschaft die geringstmögliche Dosis angestrebt werden, ebenfalls mit mindestens sechs Monaten stabiler Medikation vor der Empfängnis. Wenn vor Eintritt der Schwangerschaft über 9–12 Monate Anfallsfreiheit bestand, ist die Chance sehr hoch (84–92%), dass dies auch während der Schwangerschaft so bleibt.

Medikamentöse Therapie bei Kinderwunsch und in der Schwangerschaft

Die Auswahl des Antikonvulsivums oder der Kombination mehrerer Wirkstoffe richtet sich neben der individuellen Wirksamkeit vor allem nach dem teratogenen Risiko. Bei Frauen mit Epilepsie, die mit Medikamenten behandelt werden, ist das Risiko für Fehlbildungen beim Kind im Vergleich zu gesunden, unbehandelten Frauen bis auf das Dreifache erhöht. Besonders hohe Fehlbildungsraten unter Monotherapie (Behandlung mit nur einem Wirkstoff) wurden für Valproat (je nach Studie und Dosis bis weit über 10%), Primidon und in geringerem Maße für Phenobarbital und – mit unterschiedlichen Ergebnissen – Phenytoin beobachtet.

Neuere Antikonvulsiva wie Lamotrigin, Levetiracetam und Oxcarbazepin zeigen erfreulich niedrige Fehlbildungsraten von etwa 2–4%. Allerdings können auch bei diesen Wirkstoffen bei hohen Dosierungen die Fehlbildungsraten in den höheren einstelligen Prozentbereich ansteigen. Andere neue Antikonvulsiva wie Perampanel oder Brivaracetam können derzeit für den Einsatz in der Schwangerschaft nicht empfohlen werden, da entweder noch keine ausreichenden Daten vorliegen oder Hinweise auf mögliche Risiken bestehen.

Bei Frauen, die mit einer Kombinationstherapie (Polytherapie) gut eingestellt sind, stellt sich die Frage, ob für die Schwangerschaft auf eine Monotherapie umgestellt werden sollte. Ältere Studien zeigten, dass die Fehlbildungsrate mit der Anzahl der eingesetzten Wirkstoffe deutlich anstieg. Neuere Untersuchungen deuten darauf hin, dass insbesondere Kombinationen, die Valproat enthalten, mit einem erhöhten Fehlbildungsrisiko verbunden sind. Kombinationen ohne Valproat, zum Beispiel mit Carbamazepin oder Lamotrigin, zeigen im Vergleich zu Monotherapien meist keine signifikant erhöhten Raten. Dennoch gibt es Hinweise, dass Polytherapien auch die kognitive Entwicklung (geistige Entwicklung) der Kinder negativ beeinflussen können, wobei dies vor allem für Valproat nachgewiesen wurde. Künftig sollten daher Polytherapien ohne Valproat in Bezug auf die kindliche Kognition genauer untersucht werden.

Einige Ärzte empfehlen, hohe Tagesdosen von Antikonvulsiva auf drei Einzeldosen zu verteilen, um Spitzenwerte im Blut zu vermeiden, die das Fehlbildungsrisiko erhöhen könnten. Ein klarer klinischer Nutzen dieser Maßnahme konnte bisher jedoch nicht nachgewiesen werden. Zudem besteht bei einer zusätzlichen Mittagsdosis ein erhöhtes Risiko, die Einnahme zu vergessen, was insbesondere bei berufstätigen Frauen relevant sein kann.

Valproat und andere Antikonvulsiva in der Schwangerschaft

Valproat ist ein Antikonvulsivum, das besonders wirksam bei bestimmten Epilepsieformen ist, aber mit einem hohen Risiko für Fehlbildungen und negativen Auswirkungen auf die kindliche kognitive Entwicklung verbunden ist. Die Evidenz für eine dosisabhängige schädliche Wirkung von Valproat auf die geistige Entwicklung des Kindes ist mittlerweile eindeutig. Auch im Vergleich mit anderen, als kognitiv weitgehend unbedenklich geltenden Wirkstoffen wie Levetiracetam, Lamotrigin und Carbamazepin schneidet Valproat schlechter ab. Zudem kann die Einnahme von Valproat während der Schwangerschaft das Risiko für autistische Züge beim Kind erhöhen.

Angesichts dieser Risiken wird heute von Fachgesellschaften empfohlen, Valproat bei gebärfähigen Frauen nur noch in Ausnahmefällen einzusetzen. Eine solche Ausnahme liegt zum Beispiel vor, wenn bei einer idiopathischen generalisierten Epilepsie nur mit Valproat Anfallsfreiheit erreicht werden kann. Ist eine Schwangerschaft bereits eingetreten und die Patientin ist mit Valproat gut eingestellt, wird meist kein Medikamentenwechsel mehr vorgenommen, da sowohl der Wechsel auf ein anderes Medikament als auch das vollständige Absetzen von Valproat das Risiko für generalisierte tonisch-klonische Anfälle erhöht. Diese Anfälle wiederum sind ein negativer Prädiktor für die spätere schulische Entwicklung des Kindes.

Aufgrund der Komplexität der Situation wird empfohlen, für Entscheidungen über Valproattherapien bei Frauen im gebärfähigen Alter standardisierte Aufklärungsformulare und Informationsbroschüren zu verwenden. Für die Schweiz sind solche Materialien beispielsweise über www.swissmedic.ch verfügbar. Bei anderen Antikonvulsiva wie Carbamazepin, Lamotrigin und Levetiracetam ist das Fehlbildungsrisiko deutlich geringer, insbesondere bei niedrigen Tagesdosen. Dennoch sollten auch hier die individuellen Risiken und Vorteile sorgfältig abgewogen werden.

Für viele Frauen mit Epilepsie ist es beruhigend zu wissen, dass eine Schwangerschaft auch unter medikamentöser Behandlung in den meisten Fällen problemlos verläuft. Wichtig ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Patientin, Gynäkologin und Epileptologin, um die Therapie optimal auf die individuellen Bedürfnisse abzustimmen und Risiken zu minimieren.

Kindliche Gesundheitsrisiken und Folsäuresupplementation

Ein Risiko für das ungeborene Kind besteht vor allem durch schwere mütterliche Anfälle, insbesondere generalisierte tonisch-klonische Anfälle. Einzelne Anfälle schaden dem Kind wahrscheinlich nicht unmittelbar, da das fetale Hämoglobin (der rote Blutfarbstoff des ungeborenen Kindes) Sauerstoff besonders gut bindet und so einen gewissen Schutz bietet. Dennoch wurde beobachtet, dass Kinder von Müttern, die während der Schwangerschaft generalisierte tonisch-klonische Anfälle erleiden, häufiger zu früh geboren werden und ein geringeres Geburtsgewicht aufweisen. Das Risiko für hypoxiebedingte Schäden (Schäden durch Sauerstoffmangel) bei sehr schweren oder lang anhaltenden Anfällen ist nicht eindeutig belegt.

Kinder epilepsiekranker Frauen haben insgesamt ein erhöhtes Risiko für einen niedrigen Apgar-Score (ein Wert, der den Gesundheitszustand des Neugeborenen unmittelbar nach der Geburt bewertet) und ein geringes Geburtsgewicht. Das Risiko für intrauterinen Tod (Tod des Kindes im Mutterleib) kann bei Polytherapie erhöht sein, während dies für Monotherapien nicht klar nachgewiesen ist. Auch das Risiko für fetale Wachstumsstörungen ist bei Frauen mit Epilepsie etwas höher als bei gesunden Frauen, insbesondere bei medikamentös behandelter Epilepsie.

Bestimmte Fehlbildungen, sogenannte “große Malformationen” (gesundheitlich oder kosmetisch relevante Fehlbildungen an Herz, Urogenitalsystem, Nervensystem, Gesicht und Gliedmaßen), werden durch bestimmte medikamentöse Behandlungskonstellationen begünstigt. So treten zum Beispiel kardiale Fehlbildungen häufiger unter Phenobarbital auf, während Spaltbildungen (wie Lippen-Kiefer-Gaumenspalten) unter Valproat vermehrt beobachtet werden. Ob die Epilepsie selbst das Fehlbildungsrisiko erhöht, ist umstritten. In einer großen Metaanalyse konnte eine erhöhte Fehlbildungsrate bei unbehandelten Epilepsien nicht nachgewiesen werden. Kleinere, meist nicht korrekturbedürftige Malformationen wie diskrete Dysmorphien oder Mikrozephalie (zu kleiner Kopf) treten möglicherweise auch unabhängig von der Medikation bei Kindern von Eltern mit Epilepsie häufiger auf.

Eine wichtige Maßnahme zur Risikoreduktion ist die Supplementation mit Folsäure. Es gibt Hinweise darauf, dass die Einnahme von 0,4–5 mg Folsäure pro Tag, beginnend bereits vor der Empfängnis und bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels, die Fehlbildungsrate senken kann. In der Epileptologie hat sich eine Supplementation mit 5 mg pro Tag etabliert, auch wenn der spezifische Nutzen dieser hohen Dosis schwer nachweisbar ist. Neuere Studien deuten darauf hin, dass Folsäuresupplementation auch das Risiko für autistische Züge beim Kind senken und einen positiven Einfluss auf die spätere Intelligenzentwicklung haben könnte.

Dosisanpassungen der Antikonvulsiva und Überwachung während der Schwangerschaft

Während der Schwangerschaft verändern sich die Hormonspiegel und die Pharmakokinetik (Aufnahme, Verteilung, Abbau und Ausscheidung von Medikamenten) im Körper. Dadurch kann es zu einer relevanten Abnahme der Serumkonzentrationen bestimmter Antikonvulsiva kommen, was das Risiko für Anfallsrezidive (Wiederauftreten von Anfällen) erhöht. Besonders betroffen sind Lamotrigin, Levetiracetam, Oxcarbazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Topiramat und Zonisamid. Bei Lamotrigin kommt es zusätzlich durch eine verstärkte Glucuronidierung (ein Abbauprozess, der durch das Hormon Östrogen aktiviert wird) zu einem schnelleren Abbau, sodass oft schrittweise Dosiserhöhungen bis etwa zur doppelten Ausgangsdosis erforderlich sind, um die gewünschte Serumkonzentration zu erhalten.

Da die Hochdosistherapie meist erst im zweiten oder dritten Schwangerschaftsdrittel notwendig wird, sind solche Dosiserhöhungen in der Regel vertretbar. Die individuell anzustrebende Serumkonzentration kann häufig aus der Krankengeschichte abgeleitet werden, zum Beispiel aus den Werten, die bei früheren Anfällen oder in Phasen der Anfallsfreiheit gemessen wurden. Diese Werte dienen dann als Richtwert für die Therapieanpassung während der Schwangerschaft.

Generell sollte eine Schwangerschaft bei Epilepsie als Risikoschwangerschaft eingestuft werden. Das bedeutet, dass engmaschige Kontrollen durch Gynäkologin oder Geburtshelferin erfolgen sollten, einschließlich spezieller Ultraschalluntersuchungen (Feinultraschall) zu den vorgesehenen Zeitpunkten. So können mögliche Komplikationen frühzeitig erkannt und behandelt werden.

Geburt, Postpartalperiode und Stillzeit bei Epilepsie

Das Anfallsrisiko ist rund um die Geburt (peripartal) bei Frauen mit Epilepsie leicht erhöht. Faktoren wie Schlafmangel, unregelmäßige Medikamenteneinnahme sowie emotionale und körperliche Belastungen spielen dabei eine Rolle. Eine routinemäßige Gabe von zusätzlicher antikonvulsiver Medikation während der Geburt wird jedoch nicht empfohlen, es sei denn, es liegt bereits eine sehr hohe Anfallsfrequenz vor.

Der Geburtsmodus (zum Beispiel spontane Geburt oder Kaiserschnitt) kann in der Regel nach den üblichen geburtshilflichen Kriterien gewählt werden. Eine Epilepsie allein ist kein Grund für einen Kaiserschnitt. Nur bei sehr hoher Anfallsfrequenz oder bekannter Neigung zu Status epilepticus kann ein Kaiserschnitt aus epileptologischer Sicht sinnvoll sein.

Nach der Geburt sollten die Serumkonzentrationen der mütterlichen Antikonvulsiva überprüft werden, insbesondere wenn während der Schwangerschaft Dosisanpassungen vorgenommen wurden. Die Konzentrationen von Lamotrigin, Levetiracetam und anderen zuvor erhöhten Wirkstoffen können in den ersten Wochen nach der Geburt stark ansteigen, was zu Überdosierungserscheinungen bei der Mutter und – im Falle des Stillens – auch beim Kind führen kann. Ein fester Zeitplan für die Dosisreduktion nach der Geburt lässt sich nicht vorgeben, da die individuellen Verläufe sehr unterschiedlich sind. Bewährt hat sich, die letzte vor der Geburt eingenommene Dosis in den ersten zwei Tagen nach der Geburt beizubehalten und dann schrittweise entsprechend den Serumkonzentrationen zu reduzieren.

Im häuslichen Umfeld können die meisten Frauen mit Epilepsie ihr Neugeborenes selbstständig versorgen, sofern sie diese Rolle in der Familie übernehmen möchten. Zu strenge Einschränkungen in der Betreuung belasten die Mutter-Kind-Beziehung unnötig. Dennoch sollten vor allem bei nicht anfallsfreien Müttern einige einfache Verhaltensregeln zur Unfallverhütung beachtet werden: Das Kind sollte nicht ohne Begleitung gebadet werden (Ertrinkungsgefahr bei Anfällen), Wickeln sollte vorsichtshalber am Boden erfolgen (Sturzgefahr vom Wickeltisch), und das Tragen des Kindes auf dem Arm sollte möglichst im Sitzen erfolgen (Sturzgefahr bei Anfällen).

Vitamin-K-Gaben an das Neugeborene werden nach den aktuellen Empfehlungen durchgeführt. Eine zusätzliche Gabe von Vitamin K an die Schwangere ist nur bei bestimmten Kombinationstherapien mit mehreren Enzyminduktoren oder bei vorzeitiger Entbindung vor der 37. Schwangerschaftswoche aus epileptologischer Sicht angezeigt.

Stillen bei Epilepsie: Vorteile und mögliche Risiken

Auch Frauen mit Epilepsie, die medikamentös behandelt werden, können ihre Kinder in der Regel stillen. Die verschiedenen Antikonvulsiva unterscheiden sich jedoch stark hinsichtlich der zu erwartenden Serumkonzentrationen beim Kind. Diese lassen sich nicht einfach aus den Konzentrationen in der Muttermilch ableiten, da auch der kindliche Stoffwechsel eine Rolle spielt. Relativ hohe Serumkonzentrationen beim Kind können beim Stillen unter Phenobarbital, Primidon und Ethosuximid auftreten, in geringerem Maße auch unter Lamotrigin und möglicherweise unter Zonisamid.

Die Datenlage zu den klinischen Auswirkungen des Stillens bei medikamentös behandelten Epilepsien ist insgesamt noch unzureichend. Als sicher oder empfehlenswert gelten vor allem Wirkstoffe, deren Pharmakokinetik gut bekannt und unproblematisch ist und für die bei einer ausreichenden Zahl von Untersuchten keine oder nur geringe unerwünschte Effekte (wie Sedierung, Trinkschwäche oder fehlende Gewichtszunahme) bei den Säuglingen berichtet wurden. In aktuellen Übersichten werden Levetiracetam, Carbamazepin, Phenobarbital, Primidon und Valproat als weitgehend unproblematisch eingestuft, Lamotrigin, Oxcarbazepin, Phenytoin, Ethosuximid, Vigabatrin, Topiramat, Pregabalin, Gabapentin und Zonisamid als mit Vorbehalt einsetzbar, und Clobazam, Mesuximid, Rufinamid, Felbamat, Lacosamid, Sultiam und Perampanel als nicht empfehlenswert.

Es ist jedoch zu beachten, dass viele der als unproblematisch eingestuften Wirkstoffe (wie Primidon, Phenobarbital, Phenytoin) heute kaum noch eingesetzt werden oder in der Schwangerschaft ohnehin nicht empfohlen werden (wie Valproat, Topiramat), sodass sie vermutlich auch in der Stillzeit selten zur Anwendung kommen. Dass ein Wirkstoff als “sicher” oder “kompatibel” bewertet wird, bedeutet also nicht zwangsläufig, dass er speziell für die Stillzeit empfohlen wird.

Die Datenlage zu möglichen negativen kognitiven Effekten auf das Kind durch die Aufnahme von Antikonvulsiva über die Muttermilch ist noch nicht ausreichend. In bisherigen Studien konnten eher positive als negative Effekte des Stillens unter den häufig eingesetzten Antikonvulsiva festgestellt werden. Auch ein zusätzlicher negativer Effekt von Valproat für eine durch die Stillzeit verlängerte Exposition wurde nicht beobachtet.

Fazit und praktische Empfehlungen für Patientinnen

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine unproblematische Schwangerschaft und eine gute Entwicklung des Kindes auch bei Frauen mit Epilepsie die Regel sind. Die wichtigsten Voraussetzungen dafür sind eine individuelle Therapieplanung, eine enge Zusammenarbeit zwischen Patientin, Gynäkologin und Epileptologin sowie eine frühzeitige Beratung und Anpassung der Medikation. Die Planung beginnt idealerweise schon vor der Empfängnis, mit der Einstellung auf eine möglichst schwangerschaftsverträgliche Medikation und dem Beginn einer Folsäuresupplementation.

Die wichtigsten Empfehlungen für Frauen mit Epilepsie und Kinderwunsch sind:

  • Die meisten Schwangerschaften verlaufen bei Epilepsie problemlos, wenn eine adäquate Therapieplanung und Überwachung erfolgen.
  • Vor einer geplanten Schwangerschaft sollte eine möglichst niedrig dosierte antikonvulsive Medikation etabliert werden, wobei die Anfallsfreiheit der Mutter das wichtigste Therapieziel bleibt.
  • Wenn möglich, sollten Therapien mit Valproat vermieden werden. Kombinationstherapien ohne Valproat sind mit einem geringeren Fehlbildungsrisiko verbunden als früher angenommen.
  • Für eine Schwangerschaft als besonders günstig belegte Wirkstoffe sind Lamotrigin, Levetiracetam, Carbamazepin und Oxcarbazepin, möglichst in niedrigen Tagesdosen.
  • Auch medikamentös behandelte Frauen mit Epilepsie können ihre Kinder stillen, sollten aber mögliche unerwünschte Wirkungen wie Sedierung, Trinkschwäche oder fehlende Gewichtszunahme beim Kind beachten.

Mit einer guten Vorbereitung, regelmäßigen Kontrollen und einer individuellen Therapieanpassung steht einer erfolgreichen Schwangerschaft und einer gesunden Entwicklung des Kindes in den meisten Fällen nichts im Wege.

Prof. Dr. med. Martin Kurthen

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Patienten mit einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) sind besonders anfällig für Infektionen der Lunge, die zu einer Verschlechterung der Symptome führen können. In diesem Artikel, der auf INFO PNEUMOLOGIE & ALLERGOLOGIE basiert, erfahren Sie, warum die richtige Bildgebung und Prävention bei COPD so wichtig sind, wie akute Verschlechterungen erkannt werden und welche modernen Methoden zur Diagnostik und Behandlung zur Verfügung stehen.

Warum sind COPD-Patienten besonders gefährdet?

Die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist eine fortschreitende Erkrankung der Atemwege, bei der es zu einer dauerhaften Verengung der Bronchien kommt. Dies führt zu Symptomen wie chronischem Husten, Auswurf und vor allem zur Dyspnoe (Atemnot). Besonders problematisch ist, dass Patienten mit COPD ein erhöhtes Risiko für pulmonale Infektionen (Infektionen der Lunge und der Atemwege) haben. Solche Infektionen können eine sogenannte infektexazerbierte COPD (AECOPD) auslösen, also eine akute Verschlechterung der Erkrankung durch Infekte. Epidemiologische Daten, also Zahlen zur Häufigkeit und Verteilung dieser Infektionen bei COPD, sind jedoch nur begrenzt verfügbar.

Die Prävalenz (Häufigkeit) der COPD (GOLD II–IV, das sind mittelschwere bis schwere Stadien) liegt bei Menschen über 40 Jahren bei etwa 5,9%. Betroffene erleben im Durchschnitt zwischen 0,6 und 2,7 akute Exazerbationen (plötzliche Verschlechterungen der Symptome) pro Jahr. Eine solche akute Verschlechterung der Atmung stellt ein erhebliches Risiko dar: Etwa 10% der Patienten, die wegen einer AECOPD ins Krankenhaus aufgenommen werden, versterben daran. In etwa 60% der Fälle werden diese akuten Verschlechterungen durch Infektionen ausgelöst, wobei es sich etwa zur Hälfte um virale (durch Viren verursachte) und zur Hälfte um bakterielle Infektionen handelt. In rund 30% der Fälle lässt sich kein eindeutiger Auslöser finden. Auch inhalative Noxen (schädliche Stoffe, die eingeatmet werden, wie Nikotin oder Stickoxide) können eine Exazerbation auslösen.

Eine akute Verschlechterung der Atmung kann aber auch durch andere Erkrankungen ausgelöst werden. Zu den wichtigsten Differenzialdiagnosen (Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen) zählen die akute Pneumonie (Lungenentzündung), Herzinsuffizienz (Herzschwäche), Pneumothorax (Luftansammlung im Brustkorb außerhalb der Lunge), Pleuraerguss (Flüssigkeitsansammlung im Brustraum), Lungenembolie (Verschluss einer Lungenarterie durch ein Blutgerinnsel) oder neu aufgetretene Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien). In einer großen Studie mit 1016 Patienten waren die häufigsten Gründe für eine stationäre Aufnahme bei Verdacht auf eine AECOPD: Atemwegsinfektionen (48%), Herzinsuffizienz (26%), Bronchialkarzinom (3%), Lungenembolie (1%) und Pneumothorax (1%).

Die Behandlungsmöglichkeiten während einer AECOPD sind derzeit nicht einheitlich standardisiert und oft nur begrenzt wirksam. Daher ist die Prävention, also das Verhindern von Exazerbationen, von großer Bedeutung. Patienten mit wiederholten Exazerbationen haben eine deutlich reduzierte Lebensqualität und eine verkürzte Lebenserwartung. Etwa 10% der hospitalisierten Patienten mit AECOPD versterben. Die Prävention kann zum Beispiel durch den Einsatz von oralen Mykolytika (schleimlösende Medikamente) und Bronchodilatatoren (Medikamente, die die Bronchien erweitern) erfolgen. Interessanterweise kann damit zwar die Schwere einer Exazerbation reduziert werden, nicht jedoch die Sterblichkeit.

Bildgebung bei COPD: Röntgen und Computertomografie

Die Bildgebung spielt eine zentrale Rolle bei der Diagnose und Überwachung von COPD und deren akuten Verschlechterungen. Da viele COPD-Patienten Schwierigkeiten haben, die Luft lange anzuhalten oder flach auf dem Rücken zu liegen, müssen die Untersuchungen möglichst schnell durchgeführt werden. Zwei Methoden sind hier besonders wichtig: das Röntgen und die Computertomografie (CT). Im Rahmen der PROVIDI-Studie wurden die Möglichkeiten der CT zur Vorhersage von AECOPD intensiv untersucht.

Für die erste radiologische Untersuchung bei Verdacht auf eine AECOPD wird in der Regel ein Röntgenbild des Thorax (Brustkorb) angefertigt, möglichst im Stehen und in zwei Ebenen. Damit können andere Erkrankungen wie Pneumonie, Pneumothorax, Pleuraerguss oder Herzinsuffizienz ausgeschlossen werden. Bei etwa 20% der Patienten, bei denen zunächst eine AECOPD vermutet wurde, ändert sich die Diagnose nach dem Röntgenbild – meist, weil eine Pneumonie entdeckt wird. Dies hat direkte Auswirkungen auf die weitere Therapie.

Im Röntgenbild zeigen sich bei COPD-Patienten typische Veränderungen: Die Lunge ist oft überbläht, das Zwerchfell steht tief, der Retrosternalraum (Raum hinter dem Brustbein) ist vergrößert und die Abstände zwischen den Rippen sind erweitert. Die Herzsilhouette erscheint meist schmal, und die Zeichnung der Lungengefäße ist vermindert. Bei einer infektexazerbierten COPD sieht man oft eine Verdickung der Bronchialwände, was zu einer deutlich reduzierten Belüftung der peripheren (außen liegenden) Lungenabschnitte führt. Bei etwa 20% der Patienten werden im Röntgenbild relevante Befunde wie Pneumonien sichtbar. Bei einer typischen bakteriellen Infektion erkennt man eine flächige Verdichtung eines Lungenabschnitts, eines Lappens oder sogar der gesamten Lunge.

Eine aktuelle Studie an nicht-hospitalisierten AECOPD-Patienten zeigte, dass in 20% der Fälle ein Infiltrat (eine Verdichtung im Lungengewebe, meist durch Entzündung) nachweisbar war. Verschiedene Erreger wie Haemophilus und Streptococcus wurden identifiziert. Interessanterweise gab es in der pulmonalen Besiedlung (also den in der Lunge vorhandenen Bakterien) keine Unterschiede zwischen Patienten mit Exazerbation und solchen ohne. Zudem traten Pneumonien häufiger in den Wintermonaten auf. Daraus wurde geschlossen, dass Exazerbationen und Pneumonien bei COPD-Patienten gemeinsame infektiöse Auslöser haben und eher ein Kontinuum als zwei getrennte Krankheitsbilder darstellen.

Computertomografie (CT): Detaillierte Einblicke in die Lunge

Die Computertomografie (CT) des Thorax ermöglicht eine sehr genaue Darstellung des Lungenparenchyms (des funktionellen Lungengewebes). Sie kann meist ohne intravenöse Kontrastmittelgabe durchgeführt werden. Eine Aufnahme in Atemstillstand ist zwar wünschenswert, aber für viele Patienten mit AECOPD schwer durchführbar. Auch das flache Liegen auf dem Untersuchungstisch und das Anhalten der Luft für mehrere Sekunden stellt eine große Herausforderung dar. Wenn jedoch der Verdacht auf eine Lungenarterienembolie (Verschluss einer Lungenarterie durch ein Blutgerinnsel) besteht, ist die Gabe von Kontrastmittel unverzichtbar. Für beide Fragestellungen haben sich CT-Schichten mit einer Dicke von 1 mm bewährt.

Die phänotypischen Veränderungen (also die sichtbaren Merkmale) einer COPD lassen sich in einen Emphysem-Phänotyp (Überblähung und Zerstörung der Lungenbläschen) und einen Atemwegsphänotyp (Veränderungen der Bronchien) einteilen. Von einer bronchialen Dilatation spricht man, wenn das Lumen (der innere Durchmesser) des Bronchus 110–150% des Lumens der begleitenden Pulmonalarterie beträgt. Liegt das Verhältnis über 150%, spricht man von einer Ektasie (starke Erweiterung). Bei Bronchiektasen (krankhafte Erweiterungen der Bronchien) findet sich zudem keine Verjüngung der Bronchien zur Peripherie hin. Bronchiektasen können verschiedene Formen annehmen: zylindrisch, varikös (unregelmäßig erweitert) oder zystisch (mit Blasenbildung).

Die Dicke der Bronchialwand wird im Verhältnis von Innen- zu Außendurchmesser beurteilt. Ein Verhältnis von 0,5–0,8 spricht für eine milde Wandverdickung, unter 0,5 für eine schwere Wandverdickung. Besonders bei COPD-Patienten mit einer Raucheranamnese (Vorgeschichte des Rauchens) sind Bronchien häufig durch Mukus (Schleim) verlegt. Patienten mit einem Atemwegstyp sind besonders anfällig für eine AECOPD. In CT-Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass eine bronchiale Wandverdickung bei einer AECOPD signifikant häufiger auftritt als im stabilen Zustand. Allerdings ist die Übereinstimmung zwischen verschiedenen Untersuchern bei der Beurteilung der Bronchialwandverdickung nicht immer gut.

Die Identifikation von Patienten mit erhöhter Anfälligkeit für Exazerbationen ist ein wichtiges Ziel. In der COPD-Gene-Studie wurden 833 Patienten mit 0–1 Exazerbationen und 169 Patienten mit mehr als 2 Exazerbationen pro Jahr untersucht. Es zeigte sich, dass mit jedem Millimeter Zunahme der bronchialen Wanddicke die jährliche Exazerbationsrate um den Faktor 1,84 anstieg. Patienten mit mehr als 35% Lungenemphysem (Überblähung der Lunge) hatten pro 5% Zunahme des Emphysems eine um das 1,18-Fache erhöhte Exazerbationsrate. Diese Daten sprechen für eine routinemäßige Phänotypisierung (Bestimmung des individuellen Krankheitsbildes) mittels CT bei COPD-Patienten.

Auch die bronchiale Dilatation ist ein wichtiger Risikofaktor für Exazerbationen. Bronchiektasen erhöhten das Risiko für eine Exazerbation signifikant (Odds Ratio 4,99) und waren unter verschiedenen Parametern der stärkste Prädiktor. Der Nachweis von Bronchiektasen ist auch therapeutisch relevant, da beispielsweise bei Nachweis von Bronchiektasen eine intravenöse Antibiotikatherapie gegen Pseudomonas aeruginosa (ein bestimmtes Bakterium) angezeigt sein kann. In solchen Bronchiektasen finden sich bei Exazerbationen häufig atypische Erreger, insbesondere Mykobakterien (eine Bakteriengruppe, zu der auch der Tuberkulose-Erreger gehört). Interessanterweise wurden Mykobakterien bei Patienten mit seltenen Exazerbationen häufiger nachgewiesen als bei Patienten mit häufigen Exazerbationen.

Zentrale und periphere Atemwege: Bedeutung für die Exazerbation

Neben den peripheren (außen liegenden) Atemwegen spielen auch die zentralen Atemwege, also Trachea (Luftröhre) und Hauptbronchien, eine wichtige Rolle bei der sogenannten Atemstromlimitation (Einschränkung des Luftstroms). Patienten mit COPD erzeugen beim Einatmen einen erheblichen Unterdruck in Trachea und Hauptbronchien. Zwei Faktoren können einzeln oder gemeinsam zu einem exspiratorischen zentralen Atemwegskollaps (ECAC: expiratory central airway collapse) führen. Im Verlauf der Erkrankung kann es zu einer Aufweichung der Knorpelspangen (stützende Strukturen der Atemwege) kommen, was als Malazie bezeichnet wird. Eine Tracheobronchomalazie (Aufweichung von Trachea und Bronchien) tritt bei 5–10% der COPD-Patienten auf. Zusätzlich kann es zu einer vermehrten Einwölbung der Pars membranacea (weicher Teil der Luftröhre) kommen. Wenn diese zu einer Lumenreduktion (Verengung des Atemwegslumens) um mehr als 50% führt, spricht man von einem exzessiven dynamischen Atemwegskollaps (EDAC: excessive dynamic airway collapse).

Es ist bekannt, dass Patienten mit COPD einen signifikant höheren Atemwegskollaps zeigen als gesunde Personen. Allerdings spielt diese Instabilität der Atemwege bei der Entstehung einer Exazerbation keine entscheidende Rolle, da sich die Atemwegsinstabilität zwischen stabilen und exazerbierten COPD-Patienten nicht unterscheidet. Dennoch besteht ein Zusammenhang zwischen der Schwere des Lungenemphysems und der Häufigkeit von Exazerbationen. In einer Studie mit Patienten aus einer Lungenkarzinom-Screening-Population zeigte sich, dass Patienten mit Emphysem-Phänotyp (starke Überblähung der Lunge) deutlich schwerer erkrankt waren (vorhergesagter FEV1: 61% vs. 90%) als Patienten ohne Emphysem. Daher ist es nicht überraschend, dass in der Gruppe der schwerer erkrankten Patienten häufiger Exazerbationen auftraten.

Ein wichtiger Aspekt ist auch die Ventilation (Belüftung) einzelner Lungenregionen. Mit Hilfe von hyperpolarisiertem Helium in der Magnetresonanztomografie (MRT) kann die regionale Ventilation sichtbar gemacht werden. Bei COPD-Patienten werden regelmäßig Ventilationsdefekte (Bereiche mit schlechter Belüftung) gefunden. Bei Patienten mit milder bis mittelschwerer COPD war das Ausmaß der Ventilationsdefekte mit der Anzahl der Exazerbationen korreliert. Die Ventilationsdefekte wiederum standen im Zusammenhang mit dem Ausmaß der Parenchymdestruktion (Zerstörung des Lungengewebes durch Emphysem) und der Atemwegserkrankung – also einem gemischten COPD-Phänotyp.

Da solche Ventilations-MRT-Untersuchungen nur in wenigen spezialisierten Zentren weltweit durchgeführt werden können und die Beurteilung des Lungenparenchyms und der Atemwege begrenzt ist, wurden alternative Methoden entwickelt. So wurden mittels CT sogenannte Ventilationskarten erstellt, indem Inspirations- und Exspirations-CT-Datensätze aus der COPD-Gene-Kohorte verglichen wurden. Durch eine spezielle Bildverarbeitung (nicht-rigide Registrierung) konnten regionale Deformationskarten erstellt werden. Interessanterweise zeigten Patienten mit vielen Exazerbationen (≥6 pro Jahr) eine homogenere Ventilation als Patienten ohne Exazerbationen.

CT-Datensätze bieten durch ihre hohe räumliche Auflösung auch die Möglichkeit, anatomische Strukturen wie die Atemwege zu segmentieren (digital zu erfassen und darzustellen). Diese segmentierten Daten können dann für Simulationen der Atemströme und der regionalen Widerstände genutzt werden. In einer Studie wurden 42 COPD-Patienten während einer Exazerbation und 6–8 Wochen später mittels CT untersucht. Die Atemwege wurden segmentiert und für die Simulation der Atemwegsströme verwendet. Es zeigte sich, dass während einer Exazerbation der zentrale und periphere Atemwegswiderstand deutlich zunahm. Besonders die Abnahme des peripheren Atemwegswiderstandes war mit der funktionellen Erholung assoziiert. Das bedeutet, dass eine übermäßige Entzündung der peripheren Atemwege ein entscheidender Faktor bei der Entstehung einer Exazerbation ist. Diese Regionen müssen daher gezielt therapeutisch erreicht werden. Da sich die Atemströme während einer Exazerbation stark verändern, sollten Medikamente entweder oral oder als inhalative Substanzen mit besonders kleinem Durchmesser verabreicht werden, um die betroffenen Bereiche zu erreichen.

Pulmonale Hypertonie bei COPD: Auswirkungen und Diagnostik

Die COPD betrifft nicht nur die kleinen Atemwege und Alveolen (Lungenbläschen), sondern auch die kleinen Pulmonalarterien (Lungenarterien mit einem Durchmesser von weniger als 500 µm). Solche vaskulären Veränderungen (Veränderungen der Blutgefäße) werden auch bei Patienten mit moderater COPD und sogar bei Rauchern mit normaler Lungenfunktion gefunden. Das deutet darauf hin, dass eine Vaskulopathie (Erkrankung der Blutgefäße) bereits in frühen Stadien einer raucherassoziierten Atemwegserkrankung auftritt.

Etwa 4% der COPD-Patienten entwickeln eine pulmonale Hypertonie (PH, erhöhter Blutdruck im Lungenkreislauf). Die PH-COPD ist in der Gruppe 3 der WHO-Klassifikation der pulmonalen Hypertonie gelistet. In einer großen Studie mit über 54.000 Teilnehmern war eine PH-COPD ein signifikanter Risikofaktor für eine stationäre Behandlung und erhöhte Sterblichkeit bei AECOPD. In einer echokardiografischen Studie (Ultraschalluntersuchung des Herzens) konnte gezeigt werden, dass eine Exazerbation die Funktion des rechten Herzens beeinträchtigt: Während der Exazerbation lag der geschätzte pulmonal-arterielle systolische Druck (PASP) bei 40 mmHg, nach der Erholung bei 29 mmHg. Allerdings ist die Echokardiografie bei COPD-Patienten oft schwierig, da die Beurteilung des PASP nicht immer zuverlässig möglich ist. Der Referenzstandard, der invasive Rechtsherzkatheter (eine direkte Messung des Drucks im rechten Herzen), kann nicht bei allen Patienten durchgeführt werden.

Auch hier bietet die CT eine hilfreiche Alternative: Ein Verhältnis des Durchmessers der Pulmonalarterie zur Aorta ascendens (Hauptschlagader) von mehr als 1:1 war deutlich mit dem Auftreten einer AECOPD assoziiert (Odds Ratio 4,78). In der COPD-Gene-Studie hatten Patienten mit einem PA:A-Verhältnis von mehr als 1 in 53% der Fälle eine Exazerbation. Die Durchmesserbestimmung der Pulmonalarterie kann auf axialen CT-Schichten, kurz vor der Bifurkation (Aufzweigung), erfolgen.

Prävention und individuelle Risikoabschätzung bei COPD

Die Vermeidung von Exazerbationen ist ein zentrales Ziel in der Behandlung der COPD. Durch die Identifikation von Risikopatienten können gezielte Maßnahmen ergriffen werden, um akute Verschlechterungen zu verhindern. Die Bildgebung, insbesondere die CT, spielt dabei eine wichtige Rolle, da sie eine individuelle Risikoabschätzung ermöglicht. Patienten mit einem Atemwegs-Phänotyp (Wandverdickung und bronchiale Dilatation) sind besonders anfällig für Exazerbationen. Die regelmäßige Kontrolle und die gezielte Therapie dieser Patienten können dazu beitragen, die Häufigkeit und Schwere von Exazerbationen zu reduzieren.

Die wichtigsten Erkenntnisse für Patienten sind:

  • Bei Verdacht auf eine exazerbierte COPD ist die Röntgenuntersuchung des Thorax eine wichtige Methode, um andere Erkrankungen auszuschließen.
  • Die Computertomografie ermöglicht eine genaue Charakterisierung der COPD und hilft, das individuelle Risiko für Exazerbationen zu bestimmen.
  • Vor allem Patienten mit einem Atemwegs-Phänotyp (Wandverdickung und bronchiale Dilatation) sind besonders gefährdet und sollten engmaschig überwacht werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die moderne Bildgebung und eine individuelle Risikoabschätzung entscheidend sind, um die Prognose von COPD-Patienten zu verbessern. Die Prävention von Exazerbationen steht dabei im Mittelpunkt, da sie die Lebensqualität und Lebenserwartung maßgeblich beeinflusst.

Prof. Dr. med. Sebastian Ley

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