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Ein ischämischer Schlaganfall oder eine transitorische ischämische Attacke (TIA) kann das Leben grundlegend verändern. Umso wichtiger ist es, Rückfällen gezielt vorzubeugen. Dieser Artikel basiert auf aktuellen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und erklärt, wie Sie gemeinsam mit Ihrem Behandlungsteam das Risiko für einen erneuten Schlaganfall senken können.

Warum ist die Sekundärprävention nach Schlaganfall oder TIA so wichtig?

Nach einem ischämischen Schlaganfall (eine Form des Schlaganfalls, bei der ein Blutgefäß im Gehirn durch ein Blutgerinnsel verstopft wird) oder einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA, auch als “Mini-Schlaganfall” bezeichnet, bei dem die Symptome meist innerhalb von 24 Stunden wieder verschwinden) bleibt das Risiko für einen weiteren Schlaganfall deutlich erhöht. Statistiken zeigen, dass fast jeder fünfte Betroffene innerhalb von fünf Jahren einen erneuten Schlaganfall erleidet. Besonders hoch ist das Risiko in den ersten Tagen nach einer TIA. Deshalb ist es entscheidend, alle empfohlenen Maßnahmen zur Sekundärprävention (Vorbeugung von Rückfällen) konsequent umzusetzen. Die neue S2k-Leitlinie empfiehlt eine enge Zusammenarbeit zwischen Neurologen, Hausärzten und Patientinnen und Patienten, um die bestmögliche Vorsorge zu gewährleisten.

Die Sekundärprävention umfasst nicht nur die medikamentöse Behandlung der klassischen Risikofaktoren wie Bluthochdruck (Hypertonie) und erhöhte Blutfettwerte (Hypercholesterinämie), sondern auch die Berücksichtigung weiterer Faktoren wie Lebensstil, Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Hormonersatztherapie und Schlafapnoe (Atemaussetzer während des Schlafs). Die umfassende Nachsorge ist entscheidend, um das Risiko für einen erneuten Schlaganfall zu minimieren und die Lebensqualität langfristig zu erhalten.

Gerinnungshemmung: Wann und wie ist sie sinnvoll?

Ein wichtiger Baustein der Schlaganfallprävention ist die sogenannte Gerinnungshemmung, also die gezielte Hemmung der Blutgerinnung, um die Bildung von Blutgerinnseln zu verhindern. Die Entscheidung, ob und welches gerinnungshemmende Medikament eingesetzt wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter das individuelle Blutungsrisiko, Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) und persönliche Risikofaktoren. Die S2k-Leitlinie gibt einen Rahmen vor, innerhalb dessen die Therapie individuell angepasst werden kann.

Zur Thrombozytenaggregationshemmung (Hemmung der Verklumpung von Blutplättchen, um Gerinnsel zu verhindern) werden in der Leitlinie ausschließlich Acetylsalicylsäure (ASS), Clopidogrel und Ticagrelor empfohlen. Andere Präparate werden nicht empfohlen, da sie entweder mehr Nebenwirkungen haben oder deren Nutzen nicht ausreichend belegt ist. Bei akzeptablem Blutungsrisiko kann bereits innerhalb der ersten 24 Stunden nach Symptombeginn eine kurzfristige doppelte Thrombozytenaggregationshemmung erfolgen: Entweder mit ASS und Clopidogrel für 21 Tage oder mit ASS und Ticagrelor für 30 Tage. Diese Kombinationstherapie senkt das Risiko für einen erneuten Schlaganfall in der Frühphase, sollte jedoch nicht länger als empfohlen durchgeführt werden, um das Blutungsrisiko nicht unnötig zu erhöhen.

Bei Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern (eine häufige Herzrhythmusstörung, bei der das Herz unregelmäßig schlägt und sich dadurch leichter Gerinnsel bilden können) ist eine orale Antikoagulation (Einnahme von gerinnungshemmenden Tabletten) besonders wichtig. Hier werden sogenannte direkte orale Antikoagulanzien (DOAKs) bevorzugt, da sie das Risiko für einen erneuten Schlaganfall effektiv senken und im Vergleich zu älteren Medikamenten wie Warfarin oder Phenprocoumon ein geringeres Blutungsrisiko aufweisen.

Vorhofflimmern erkennen und gezielt behandeln

Vorhofflimmern ist eine der häufigsten Ursachen für ischämische Schlaganfälle. Betroffene haben ein vier- bis fünffach erhöhtes Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Die Leitlinie empfiehlt daher, bei allen Patientinnen und Patienten mit ischämischem Schlaganfall oder TIA gezielt nach Vorhofflimmern zu suchen und – falls dieses vorliegt – eine orale Antikoagulation einzuleiten. Dabei ist es unerheblich, ob das Vorhofflimmern dauerhaft (permanent), anhaltend (persistierend) oder anfallsweise (paroxysmal) auftritt.

Nach der Akutphase sollte bei Vorhofflimmern auf Thrombozytenaggregationshemmer verzichtet werden, sofern keine andere dringende Indikation besteht. Falls aus anderen Gründen bereits eine Thrombozytenaggregationshemmung erfolgt, sollte gemeinsam mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten entschieden werden, ob eine Kombinationstherapie notwendig ist. In besonderen Fällen, zum Beispiel bei Kontraindikationen gegen eine dauerhafte orale Antikoagulation oder bei erhöhtem Blutungsrisiko (etwa bei dialysepflichtigen Patientinnen und Patienten), kann eine sogenannte LAA-Okklusion (Verschluss des linken Vorhofohrs, wo sich bei Vorhofflimmern häufig Gerinnsel bilden) erwogen werden. Diese minimalinvasive Methode kann das Risiko für Schlaganfälle ebenfalls senken, wenn eine medikamentöse Therapie nicht möglich ist.

Blutdruck und Cholesterin: Werte gezielt senken

Ein dauerhaft gut eingestellter Blutdruck ist einer der wichtigsten Faktoren zur Vorbeugung eines erneuten Schlaganfalls. Nach einem Schlaganfall oder einer TIA sollte der Blutdruck langfristig unter 140/90 mm Hg liegen. Je nach Alter, Verträglichkeit der Medikamente und Begleiterkrankungen kann sogar eine Senkung auf systolisch 120 bis 130 mm Hg sinnvoll sein. Entscheidend ist, dass die Zielwerte erreicht werden – die Wahl des Medikaments ist dabei weniger wichtig als die konsequente Kontrolle der Werte.

Auch erhöhte Blutfettwerte (Dyslipidämie) spielen eine große Rolle bei der Entstehung von Gefäßverkalkungen (Atherosklerose) und damit bei der Entstehung von Schlaganfällen. Besonders das LDL-Cholesterin (das sogenannte “schlechte” Cholesterin) sollte unter 70 mg/dl gesenkt werden. Alternativ kann eine Reduktion um mehr als 50 Prozent des Ausgangswerts angestrebt werden. Die konsequente Senkung der Blutfettwerte trägt dazu bei, das Risiko für weitere Herz-Kreislauf-Erkrankungen (atherosklerotisch bedingte kardiovaskuläre Erkrankungen, ASCVD) und Schlaganfallrezidive deutlich zu reduzieren.

Lebensstil: Was Sie selbst tun können

Neben der medikamentösen Behandlung ist der Lebensstil ein entscheidender Faktor für die Schlaganfallprävention. Viele Risikofaktoren können durch eigenes Verhalten beeinflusst werden. Dazu gehören eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung, Verzicht auf Rauchen und ein maßvoller Umgang mit Alkohol. Eine mediterrane Ernährung, die reich an Obst, Gemüse, Olivenöl, Fisch und Vollkornprodukten ist, hat sich als besonders günstig erwiesen. Auch eine Reduktion des Salzkonsums kann helfen, den Blutdruck zu senken.

Für Nahrungsergänzungsmittel oder die routinemäßige Einnahme von Vitaminen gibt es laut Leitlinie keine eindeutigen Belege für einen Nutzen in der Schlaganfallprävention. Viel wichtiger ist die regelmäßige körperliche Aktivität – idealerweise mindestens 150 Minuten pro Woche in Form von moderatem Ausdauertraining wie zügigem Gehen, Radfahren oder Schwimmen. Auch kleine Veränderungen im Alltag, wie das Treppensteigen oder kurze Spaziergänge, können einen positiven Effekt haben.

Ein weiterer wichtiger Risikofaktor ist der Diabetes mellitus. Menschen mit Diabetes haben ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle. Nach einem Schlaganfall sollten Diabetiker besonders auf eine gute Blutzuckereinstellung achten. Für Menschen unter 65 Jahren wird ein HbA1c-Wert zwischen 6,5 und 7 % empfohlen, für Menschen über 65 Jahre ein Wert zwischen 6,5 und 7,5 %. Der HbA1c-Wert gibt an, wie hoch der durchschnittliche Blutzucker in den letzten zwei bis drei Monaten war.

Weitere Risikofaktoren: Schlafapnoe, Hormone und spezielle Situationen

Die Leitlinie geht auch auf weitere Risikofaktoren und besondere Situationen ein. So sollte gezielt nach einer Schlafapnoe gesucht werden, da nächtliche Atemaussetzer das Risiko für Schlaganfälle erhöhen. Bei mittelschwerer bis schwerer Schlafapnoe ist die nächtliche Überdruckbeatmung (CPAP-Therapie, eine Behandlung mit einer Atemmaske, die die Atemwege offen hält) die Therapie der Wahl.

Frauen, die nach einem Schlaganfall weiterhin hormonelle Verhütungsmittel (Kontrazeptiva) einnehmen, sollten gemeinsam mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin prüfen, ob eine Umstellung auf eine andere Verhütungsmethode sinnvoll ist. Auch die Hormonersatztherapie in den Wechseljahren sollte kritisch hinterfragt werden, da sie das Schlaganfallrisiko beeinflussen kann.

In speziellen Situationen, zum Beispiel bei Schlaganfällen im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung (onkolytische Erkrankung) oder bei einer tumorinduzierten Hyperkoagulopathie (erhöhte Gerinnungsneigung durch Tumorerkrankung), kann eine orale Antikoagulation anstelle einer Thrombozytenfunktionshemmung in Erwägung gezogen werden. Auch bei Herzinsuffizienz mit einer Ejektionsfraktion unter 35 % kann dies sinnvoll sein. Bei Dissektionen (Einrisse in den hirnversorgenden Arterien) und intrakraniellen Gefäßstenosen (Verengungen der Hirngefäße) gibt es ebenfalls spezielle Therapieempfehlungen, die individuell mit dem Behandlungsteam besprochen werden sollten.

Fazit: Gemeinsam aktiv für Ihre Gesundheit

Die Sekundärprävention nach einem ischämischen Schlaganfall oder einer TIA ist ein komplexes, aber sehr wirkungsvolles Maßnahmenpaket. Sie umfasst die gezielte medikamentöse Behandlung, die Kontrolle von Blutdruck und Cholesterin, die Anpassung des Lebensstils sowie die Berücksichtigung weiterer individueller Risikofaktoren. Die enge Zusammenarbeit zwischen Patientinnen und Patienten, Hausärzten, Neurologen und weiteren Fachärzten ist entscheidend, um das Risiko für einen erneuten Schlaganfall zu senken und die Lebensqualität zu erhalten. Sprechen Sie offen mit Ihrem Behandlungsteam über Ihre Fragen und Sorgen – gemeinsam können Sie viel für Ihre Gesundheit tun.

Quellen

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  2. Hamann GF, et al.: Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft und Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke: Teil 1, S2k-Leitlinie, 2022, https://dgn.org/leitlinien/ll-030-133-sekundarprophylaxe-ischamischer-schlaganfall-und-transitorische-ischamische-attacke-teil-1, (letzter Abruf, 23.11.2022)
  3. Olma MC, et al.: Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke – Teil 2, S2k-Leitlinie, 2022, Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), https://dgn.org/leitlinien/ll-030-143-sekundarprophylaxe-ischamischer-schlaganfall-und-transitorische-ischamische-attacke-teil-2 (letzter Abruf, 23.11.2022)
  4. «Neue Leitlinie der DGN und der DSG zur Sekundär­prävention von Schlaganfällen», Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), 04.07.2022.
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Psoriasis ist mehr als nur eine Hauterkrankung: Sie betrifft viele Bereiche des Lebens und kann zu weiteren gesundheitlichen Problemen führen. In diesem Artikel, basierend auf medizinonline.com, erfahren Sie, wie die zugrunde liegende Entzündung bei Psoriasis verschiedene Organe beeinflusst, warum eine frühzeitige Behandlung wichtig ist und welche Begleiterkrankungen auftreten können. Wir erklären die Zusammenhänge verständlich und zeigen, wie Sie Ihre Lebensqualität trotz Psoriasis verbessern können.

Psoriasis: Mehr als Hautveränderungen

Psoriasis ist eine komplexe, chronische Erkrankung, die nicht nur die Haut betrifft. Die typischen Hautläsionen entstehen durch eine anhaltende Entzündung im Körper, die weitreichende Folgen haben kann. Die Entzündung kann zu sogenannten Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) führen, also weiteren Krankheiten, die zusätzlich zur Psoriasis auftreten. Beispiele hierfür sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Depressionen. Studien zeigen, dass eine frühe systemische Behandlung – also eine Therapie, die im ganzen Körper wirkt – nicht nur die Haut verbessert, sondern auch die Entzündung und das Risiko für Komorbiditäten senken kann. Das Ziel ist es, die Lebensqualität der Betroffenen zu erhöhen und langfristige Schäden zu vermeiden.

Kumulative Beeinträchtigung des Lebensverlaufs (CLCI)

Viele Menschen mit Psoriasis erleben erhebliche körperliche, psychische, soziale und wirtschaftliche Belastungen. Diese Belastungen können sich im Laufe des Lebens aufsummieren und die Lebensqualität stark einschränken. Fachleute sprechen hier von der kumulativen Beeinträchtigung des Lebensverlaufs (englisch: cumulative life course impairment, CLCI). Das bedeutet, dass die Auswirkungen der Krankheit – wie Schmerzen, Juckreiz, Stigmatisierung (gesellschaftliche Ausgrenzung) und psychische Probleme – sich gegenseitig verstärken und zu dauerhaften Einschränkungen führen können. Besonders die Kombination aus körperlichen und seelischen Begleiterkrankungen kann das Leben der Betroffenen nachhaltig beeinflussen.

Systemische Entzündung und ihre Folgen

Die Symptome der Psoriasis entstehen durch eine Fehlsteuerung des Immunsystems. Dabei sind sowohl das angeborene als auch das adaptive Immunsystem beteiligt. Im Mittelpunkt steht eine gestörte Antigenpräsentation durch dendritische Zellen (spezielle Immunzellen), die zu einer veränderten Aktivierung von T-Helfer-Zellen führt. Besonders die Interleukin (IL)-17-produzierenden T-Zellen spielen eine wichtige Rolle: Sie fördern die Einwanderung weiterer Immunzellen in die Haut und treiben so die Entstehung der typischen psoriatischen Plaques (entzündliche Hautstellen) voran. Die Entzündung bleibt jedoch nicht auf die Haut beschränkt. Entzündliche Botenstoffe wie Tumor-Nekrose-Faktor-alpha (TNF-α), IL-1, IL-6, IL-17 und IL-23 gelangen in den Blutkreislauf und können andere Organe schädigen. So erhöht sich das Risiko für verschiedene Begleiterkrankungen, die mit der chronischen Entzündung zusammenhängen.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen als häufige Begleiterkrankung

Zu den wichtigsten Komorbiditäten bei Psoriasis zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Menschen mit Psoriasis haben ein etwa 50 % höheres Risiko, eine solche Erkrankung zu entwickeln, und bei schwerer Psoriasis steigt das Risiko für einen kardiovaskulär bedingten Tod um 40 %. Dies lässt sich nicht allein durch klassische Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht oder Diabetes erklären. Die systemische Entzündung bei Psoriasis kann zu einer sogenannten mikrovaskulären Dysfunktion führen, also einer Störung der kleinen Blutgefäße. Dabei werden in der Haut vermehrt IL-17 und andere Entzündungsstoffe freigesetzt, die wiederum die Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies (reactive oxygen species, ROS) und weiteren Botenstoffen wie TNF-α, IL-1β, CCL2 und Adhäsionsmolekülen (z. B. ICAM-1) in den Gefäßwänden anregen. Das führt zu einer Aktivierung des NF-κB-Signalwegs, der die Entzündung weiter verstärkt und die Funktion der Gefäße beeinträchtigt. So entsteht ein direkter Zusammenhang zwischen Hautentzündung und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Psoriasis und Depression: Entzündung als gemeinsamer Faktor

Neben den körperlichen Beschwerden kann Psoriasis auch die psychische Gesundheit stark beeinflussen. Bis zu 30 % der Betroffenen entwickeln eine Depression. Die sichtbaren Hautveränderungen und die damit verbundene Stigmatisierung erhöhen das Risiko für depressive Symptome zusätzlich. Doch nicht nur die seelische Belastung spielt eine Rolle: Auch die systemische Entzündung trägt zur Entstehung von Depressionen bei. Erhöhte Zytokinspiegel (Botenstoffe des Immunsystems) können das Enzym Indolamin-2,3-dioxygenase aktivieren. Dieses Enzym wandelt Tryptophan – eine Aminosäure, die für die Bildung des Glückshormons Serotonin benötigt wird – in Kynurenin um. Dadurch sinkt der Serotoninspiegel, was die Entstehung einer Depression begünstigen kann. Die enge Verbindung zwischen Psoriasis, Entzündung und psychischer Gesundheit zeigt, wie wichtig eine ganzheitliche Behandlung ist.

Fazit: Frühzeitige Behandlung verbessert die Lebensqualität

Psoriasis ist eine Erkrankung, die weit über die Haut hinausgeht. Die zugrunde liegende Entzündung erhöht das Risiko für zahlreiche Begleiterkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Depressionen. Eine frühzeitige und wirksame Behandlung ist entscheidend, um die Entzündung zu kontrollieren, Komorbiditäten vorzubeugen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin über die für Sie passende Therapie, um die Belastung durch Psoriasis möglichst gering zu halten und Ihr Wohlbefinden zu steigern.

Quellen

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Hepatitis D ist eine seltene, aber schwerwiegende Erkrankung, die vor allem bei Menschen mit einer bestehenden Hepatitis B auftritt. Das Risiko für eine Leberzirrhose steigt bei einer gleichzeitigen Infektion deutlich an. In diesem Artikel, der auf HAUSARZT PRAXIS basiert, erfahren Sie, warum die Überwachung der Leberwerte so wichtig ist, welche modernen Therapien zur Verfügung stehen und wie Sie sich schützen können.

Was ist Hepatitis D und wie entsteht sie?

Hepatitis D, auch als Delta-Hepatitis bezeichnet, ist eine Virusinfektion, die nur bei Menschen auftreten kann, die bereits mit Hepatitis B infiziert sind. Das Hepatitis-D-Virus (HDV) ist ein sogenanntes Virusoid (ein unvollständiges Virus), das für seine Vermehrung zwingend das Hüllantigen (Oberflächenprotein) des Hepatitis-B-Virus (HBV) benötigt. Ohne eine bestehende Hepatitis-B-Infektion kann das HDV nicht überleben oder sich vermehren. Die gleichzeitige Infektion mit beiden Viren wird als Koinfektion bezeichnet, während eine spätere Infektion mit HDV bei bereits chronisch HBV-Infizierten als Superinfektion bezeichnet wird (Superinfektion bedeutet, dass eine zusätzliche Infektion zu einer bereits bestehenden Infektion hinzukommt).

Das Hepatitis-D-Virus enthält RNA (Ribonukleinsäure, das Erbmaterial vieler Viren) und das HDV-Antigen (ein spezifisches Eiweiß des Virus). Für die Vermehrung benötigt das Virus das Hüllantigen von HBV. Die Interaktion beider Viren beeinflusst die Viruslast (Menge der Viren im Körper) und den Krankheitsverlauf. Besonders bei intravenösem Drogenkonsum (20–53 % der Betroffenen) und bei Hämophilie-Patienten (Bluterkrankheit, 48–80 %) kommt es häufiger zu einer HDV-Infektion. Eine sexuelle Übertragung ist möglich, aber seltener als bei HBV, und eine Übertragung von der Mutter auf das Kind (perinatal) ist äußerst selten. In der Schweiz und in Deutschland ist Hepatitis D selten, häufiger kommt sie in Mittelmeerländern, Osteuropa, Teilen Südamerikas und auf den Pazifischen Inseln vor.

Risiken und Verlauf: Warum ist Hepatitis D so gefährlich?

Eine Infektion mit Hepatitis D erschwert die Behandlung der Hepatitis B erheblich. Das Risiko für eine Leberzirrhose (Verhärtung und Vernarbung der Leber) ist bei gleichzeitiger HDV-Infektion deutlich erhöht. Besonders problematisch ist, dass die üblichen Medikamente gegen Hepatitis B, sogenannte Nukleosid- und Nukleotidanaloga, gegen Hepatitis D nicht wirksam sind. Das bedeutet, dass eine spezielle Therapie notwendig ist.

Bei einer Koinfektion (gleichzeitige Infektion mit HBV und HDV) verläuft die Erkrankung meist ähnlich wie eine akute Hepatitis B, mit einem typischen zweiphasigen Anstieg der Transaminasen (Leberwerte, die auf eine Schädigung der Leberzellen hinweisen). Bei etwa einem Drittel aller fulminanten (besonders schweren und schnell verlaufenden) Hepatitis-B-Infektionen findet sich eine gleichzeitige Delta-Infektion. Bei Patienten mit bereits bestehender, chronischer Hepatitis B und einem deutlichen Anstieg der Transaminasen sollte immer an eine mögliche HDV-Superinfektion gedacht werden. Fulminante und chronisch-progrediente Verläufe (langsam fortschreitende Krankheitsverläufe) mit beschleunigter Entwicklung zur Zirrhose sind bei HDV häufig.

Der Nachweis von anti-HDV-IgM (Antikörper gegen das Hepatitis-D-Virus, die in den ersten Wochen nach einer Infektion gebildet werden) und einem hohen Titer von anti-HBc-IgM (Antikörper gegen das Hepatitis-B-Core-Antigen) spricht für eine Koinfektion. Bei einer Superinfektion findet man anti-HDV-IgM ohne oder nur mit niedrigen anti-HBc-IgM-Titern. Für die Diagnose ist die Bestimmung der HDV-RNA (Nachweis des Virus-Erbguts) im Blut und Lebergewebe entscheidend, da sie die aktive Virusvermehrung anzeigt.

Diagnose: Wie wird Hepatitis D erkannt?

Die Diagnose einer Hepatitis D erfolgt durch verschiedene Labortests. Bei einem chronischen Verlauf sind sowohl anti-HDV-IgM als auch anti-HDV-IgG (Antikörper, die später im Verlauf gebildet werden und auf eine länger bestehende Infektion hinweisen) nachweisbar. Besonders hohe anti-HDV-IgG-Titer (über 1:1000) deuten auf eine fortgesetzte Virusvermehrung hin. Das HDV-Antigen ist meist nur kurzzeitig während der Inkubationszeit (Zeit zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit) im Blut nachweisbar. Die HDV-RNA kann bei anti-HDV-IgM-positiven Patienten mit akuter oder chronischer Infektion sowohl im Blut als auch im Lebergewebe gefunden werden.

Es wird empfohlen, bei allen Patienten mit einer chronischen Hepatitis B mindestens einmal eine HDV-Diagnostik durchzuführen, um eine mögliche Koinfektion oder Superinfektion nicht zu übersehen. Wichtig zu wissen: Die Impfung gegen Hepatitis B schützt auch vor einer Infektion mit Hepatitis D, da das HDV ohne HBV nicht überleben kann. Daher ist die Hepatitis-B-Impfung ein wichtiger Schutz vor beiden Erkrankungen.

Therapiemöglichkeiten: Pegyliertes Interferon-alpha und Bulevirtid

Für die Behandlung der Hepatitis D stehen heute zwei wichtige Medikamente zur Verfügung: pegyliertes Interferon-alpha (PegIFNα) und Bulevirtid. Pegyliertes Interferon-alpha ist ein Wirkstoff, der das Immunsystem stimuliert und die Virusvermehrung hemmt. Bulevirtid ist ein sogenannter Entry-Inhibitor, der seit 2020 in Europa für erwachsene Patienten mit chronischer Hepatitis D und kompensierter Lebererkrankung (Leberfunktion ist noch erhalten) zugelassen ist. Bulevirtid blockiert den Eintritt der Viruspartikel in die Leberzellen (Hepatozyten), wodurch die Vermehrung des Virus verhindert wird.

Beide Medikamente können entweder einzeln (Monotherapie) oder in Kombination eingesetzt werden. Studien zeigen, dass die virologischen Ansprechraten (Rückgang der Virusmenge) bei PegIFNα zwischen 17 und 47 % liegen. Allerdings kommt es bei mehr als der Hälfte der Patienten nach Therapieende zu sogenannten Spätrezidiven (erneutes Auftreten der Infektion). Bulevirtid zeigte in klinischen Studien und im Praxisalltag eine gute Wirksamkeit: Die virologische Ansprechrate lag bei etwa 50 %, auch bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose und portaler Hypertension (erhöhter Druck in der Pfortader, einer wichtigen Vene der Leber).

Aktuelle Studiendaten: Wie wirksam ist Bulevirtid?

In mehreren klinischen Studien der Phase II (MYR-202, MYR-203, MYR-204) wurde Bulevirtid sowohl als Monotherapie als auch in Kombination mit PegIFNα untersucht. Dabei wurden verschiedene Dosierungen (2 mg, 5 mg, 10 mg) und Behandlungszeiträume (24, 48 und 96 Wochen) getestet. Die Ergebnisse zeigen, dass Bulevirtid sowohl alleine als auch in Kombination mit PegIFNα zu einem deutlichen Rückgang der HDV-RNA führt. Besonders bei der Kombinationstherapie war die antivirale Wirkung synergistisch, das heißt, beide Medikamente verstärken sich gegenseitig und führen zu einem stärkeren Rückgang der Virusmenge.

Die Phase-III-Studie MYR-301 untersuchte die Sicherheit und Wirksamkeit der Bulevirtid-Monotherapie bei 150 Patienten mit chronischer Hepatitis D. Es wurden verschiedene Dosierungen (2 mg und 10 mg) über unterschiedliche Zeiträume (144 Wochen bzw. 96 Wochen mit einem verzögerten Behandlungsarm) getestet. Nach 48 Wochen erreichten 45 % (2-mg-Arm) bzw. 48 % (10-mg-Arm) der Patienten eine kombinierte Response, das heißt, sowohl ein virologisches Ansprechen (nicht nachweisbare HDV-RNA oder ein Rückgang um mindestens 2 log-Stufen) als auch eine Normalisierung der ALT (ein wichtiger Leberwert). Die virologischen Ansprechraten lagen bei 71 % bzw. 76 %, während eine Normalisierung der ALT bei 51 % bzw. 56 % der Patienten auftrat. Besonders bemerkenswert ist, dass 43 % der Studienteilnehmer bereits eine kompensierte Zirrhose hatten, also eine fortgeschrittene Lebererkrankung, bei der die Leberfunktion noch erhalten ist.

Diese Ergebnisse zeigen, dass Bulevirtid eine vielversprechende neue Therapieoption für Patienten mit chronischer Hepatitis D darstellt, insbesondere für diejenigen, bei denen andere Therapien nicht ausreichend wirken oder die bereits eine fortgeschrittene Lebererkrankung haben.

Wichtige Hinweise für Patienten: Prävention und regelmäßige Kontrolle

Für Patienten mit chronischer Hepatitis B ist es besonders wichtig, regelmäßig die Leberwerte und die Lebersyntheseleistung (Fähigkeit der Leber, wichtige Eiweiße zu produzieren) kontrollieren zu lassen. Bei Verdacht auf eine zusätzliche Hepatitis-D-Infektion sollte eine gezielte Diagnostik erfolgen. Die Impfung gegen Hepatitis B schützt zuverlässig auch vor einer Hepatitis-D-Infektion, da das HDV ohne HBV nicht existieren kann. Daher ist die Impfung ein zentraler Bestandteil der Prävention.

Wenn bei Ihnen eine chronische Hepatitis B besteht, sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin über die Möglichkeit einer HDV-Testung. Bei nachgewiesener Hepatitis D stehen heute moderne Therapien wie Bulevirtid und pegyliertes Interferon-alpha zur Verfügung, die die Prognose deutlich verbessern können. Die Therapie sollte immer individuell und unter engmaschiger ärztlicher Kontrolle erfolgen, insbesondere bei fortgeschrittener Lebererkrankung. Die regelmäßige Überwachung der Transaminasen und der Lebersyntheseleistung ist entscheidend, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Mirjam Peter, M.Sc.

Quellen

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Multiple Sklerose (MS) und Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) sind zwei unterschiedliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems, die oft ähnliche Beschwerden verursachen. In diesem Artikel, der auf InFo NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE basiert, erfahren Sie, wie sich beide Krankheiten unterscheiden, welche neuen Erkenntnisse es zu Therapien, Schwangerschaft und Stillzeit gibt und welche Faktoren den Krankheitsverlauf beeinflussen können.

MS und NMOSD: Zwei unterschiedliche Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen

Multiple Sklerose (MS) und Neuromyelitis optica Spektrum Erkrankungen (NMOSD) sind beides chronische Erkrankungen, die das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) betreffen. Beide Krankheiten können schubförmig verlaufen, das heißt, die Symptome treten in Episoden auf, zwischen denen sich die Patienten teilweise oder vollständig erholen. Lange Zeit wurde NMOSD als eine Unterform der MS betrachtet, da die Beschwerden – wie Sehstörungen, Lähmungen oder Gefühlsstörungen – sehr ähnlich sein können. Heute weiß man jedoch, dass es sich um zwei eigenständige Erkrankungen handelt, die unterschiedliche Ursachen und Mechanismen haben. NMOSD ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem gezielt bestimmte Strukturen im zentralen Nervensystem angreift, insbesondere das Wasserkanalprotein Aquaporin-4 (AQP4). MS hingegen ist durch eine Entzündung und Zerstörung der Myelinscheiden (Schutzhüllen der Nervenfasern) gekennzeichnet. Die Unterscheidung ist wichtig, weil die Behandlung jeweils individuell angepasst werden muss und Medikamente, die bei MS helfen, bei NMOSD sogar schaden können.

In den letzten Jahren wurden die Therapien für beide Erkrankungen stetig weiterentwickelt. Neue Medikamente, sogenannte krankheitsmodifizierende Therapien (DMTs), können das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen und die Häufigkeit der Schübe reduzieren. Dennoch bleibt die Behandlung eine Herausforderung, da jeder Patient unterschiedlich auf die Therapien anspricht und Nebenwirkungen auftreten können. Besonders bei Frauen im gebärfähigen Alter stellen Schwangerschaft und Stillzeit eine besondere Situation dar, die eine individuelle Beratung und Anpassung der Therapie erfordert.

Schwangerschaft und Stillzeit bei MS: Was ist zu beachten?

Viele Frauen mit Multipler Sklerose (MS) stehen irgendwann vor der Frage, wie sich die Erkrankung und ihre Behandlung auf eine Schwangerschaft und die Stillzeit auswirken. Während der Schwangerschaft ist die Aktivität der MS häufig reduziert, das heißt, es treten weniger Schübe auf. Dies liegt vermutlich an den hormonellen Veränderungen, die das Immunsystem beeinflussen. Allerdings besteht nach der Geburt (postpartal) ein erhöhtes Risiko, dass die MS-Aktivität wieder ansteigt. Besonders für Patientinnen mit einem sehr aktiven Verlauf wird daher empfohlen, die krankheitsmodifizierende Therapie möglichst bald nach der Geburt wieder aufzunehmen, um Rückfälle zu verhindern.

Bei den sogenannten monoklonalen Antikörpern (mAb), einer modernen Wirkstoffgruppe, ist die Situation in der Stillzeit noch nicht abschließend geklärt. Monoklonale Antikörper sind gezielt entwickelte Eiweißstoffe, die bestimmte Bestandteile des Immunsystems blockieren und so die Entzündungsreaktion bei MS hemmen. Bis auf Ofatumumab sind diese Medikamente in Deutschland nicht für die Anwendung während der Stillzeit zugelassen. Erste Studien zeigen jedoch, dass der Übergang von Ocrelizumab, Rituximab und Natalizumab in die Muttermilch sehr gering ist und bisher keine Auffälligkeiten bei gestillten Kindern beobachtet wurden. Die Datenlage ist jedoch noch begrenzt, weshalb die Anwendung immer sorgfältig abgewogen werden sollte.

Eine aktuelle Studie untersuchte die Entwicklung von Kindern, deren Mütter während der Stillzeit mit einem monoklonalen Antikörper behandelt wurden, im Vergleich zu Kindern, deren Mütter keine MS-Therapie in dieser Zeit erhielten[1]. Insgesamt wurden 140 Kinder mit Exposition gegenüber monoklonalen Antikörpern und 140 Kinder ohne solche Exposition verglichen. Die Behandlung begann im Mittel am 24. Tag nach der Geburt. Die meisten Frauen erhielten Natalizumab (61,43 %), gefolgt von Ocrelizumab (21,43 %), Rituximab (7,14 %) und Ofatumumab (7,14 %). In wenigen Fällen wurde die Therapie von Natalizumab auf Ocrelizumab oder von Rituximab auf Ocrelizumab gewechselt. Zwei Kinder wurden unter Glatirameracetat (ein weiteres MS-Medikament), eines unter Interferon (ein Botenstoff, der das Immunsystem beeinflusst) gestillt.

Die Ergebnisse zeigten, dass Entwicklungsverzögerungen in der exponierten Gruppe nicht häufiger auftraten als in der Kontrollgruppe (0,71 % vs. 2,14 %). Auch das Körpergewicht und die Körpergröße der Kinder unterschieden sich im Beobachtungszeitraum nicht signifikant. Die durchschnittliche Anzahl an Krankenhausaufenthalten pro Jahr sowie der Anteil der Kinder, die mindestens einmal hospitalisiert wurden (13,57 % vs. 12,86 %), waren ebenfalls vergleichbar. Diese vorläufigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Behandlung mit monoklonalen Antikörpern in der Stillzeit keinen negativen Einfluss auf die Entwicklung oder Gesundheit der gestillten Kinder hatte. Dennoch ist weitere Forschung notwendig, um die Langzeitfolgen besser beurteilen zu können.

Therapieentscheidungen bei MS: Wie beeinflusst die Risikowahrnehmung?

Die Auswahl der passenden Therapie bei aktiver Multipler Sklerose ist ein komplexer Prozess, der viele Faktoren berücksichtigt. Im Mittelpunkt steht die Einschätzung des Risikos für ein Fortschreiten der Erkrankung und das Abwägen von Nutzen und möglichen Nebenwirkungen der verschiedenen krankheitsmodifizierenden Therapien (DMTs). Die Entscheidung, welches Medikament als Erstlinientherapie eingesetzt wird oder wann ein Wechsel zu einer anderen Therapie sinnvoll ist, wird in der Regel gemeinsam von Patient und behandelndem Arzt getroffen. Dabei spielt die individuelle Risikowahrnehmung eine große Rolle.

Neue Therapien, insbesondere die sogenannten hochwirksamen Behandlungen (HET), werden von vielen Patienten und Ärzten als besonders effektiv angesehen. Allerdings werden sie auch oft als risikoreicher eingeschätzt, obwohl die Ergebnisse aus klinischen Studien diese Wahrnehmung nicht immer bestätigen. Diese subjektive Einschätzung kann dazu führen, dass hochwirksame Therapien in der Praxis seltener eingesetzt werden, als es aus medizinischer Sicht sinnvoll wäre.

Eine aktuelle Datenerhebung untersuchte, wie die Risikowahrnehmung von Ärzten und Patienten die Therapieentscheidungen bei MS beeinflusst[2]. Dazu wurden 16 Fachkräfte des Gesundheitswesens (Health Care Professionals, HCP) zu ihren Behandlungsstrategien und den üblichen Wegen bei MS-Patienten befragt. Zusätzlich wurden Krankenakten und Patientendokumentationen ausgewertet, um die Zufriedenheit der Patienten und die Wirksamkeit der Therapien zu erfassen. In einer Online-Umfrage gaben MS-Patienten an, welche Behandlungsmethoden sie bevorzugen, welche Erwartungen sie an die Therapie haben und wie zufrieden sie mit ihrer Behandlung sind.

Die Ergebnisse zeigten, dass bei der Auswahl einer MS-Therapie vor allem klinische und subklinische Parameter (also Symptome und Veränderungen, die im MRT sichtbar sind, aber noch keine Beschwerden verursachen) entscheidend sind. Die individuelle Lebenssituation des Patienten spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Für viele Ärzte ist die Wirksamkeit der Therapie wichtiger als das Sicherheitsprofil, während die meisten Patienten sich vor allem eine Stabilisierung der Erkrankung wünschen, auch wenn dies mit stärkeren Nebenwirkungen verbunden sein kann. Eine direkte Korrelation zwischen der subjektiven Wahrnehmung von hochwirksamen Therapien und dem tatsächlichen Behandlungsverlauf konnte jedoch nicht festgestellt werden. Dies unterstreicht, wie wichtig eine offene Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist, um gemeinsam die beste Therapieentscheidung zu treffen.

Remyelinisierung bei MS: Warum das Alter eine Rolle spielt

Ein zentrales Problem bei Multipler Sklerose ist die Schädigung der Myelinscheiden, die die Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark umgeben. Die Myelinscheiden wirken wie eine Isolierung und ermöglichen eine schnelle Weiterleitung von Nervenimpulsen. Bei MS werden diese Schutzhüllen durch Entzündungsprozesse zerstört (Demyelinisierung). Der Körper verfügt jedoch über Reparaturmechanismen, die eine Wiederherstellung der Myelinscheiden ermöglichen – dieser Vorgang wird als Remyelinisierung bezeichnet. Leider ist die Remyelinisierung bei MS-Patienten häufig gestört oder unvollständig, was zu bleibenden neurologischen Ausfällen führen kann.

Um die Prozesse der De- und Remyelinisierung besser zu verstehen, wird in der Forschung häufig das sogenannte Cuprizone-Modell eingesetzt. Dabei handelt es sich um ein Tiermodell, bei dem Mäuse mit Cuprizone, einem Kupferchelator (eine Substanz, die Kupfer bindet und dem Körper entzieht), gefüttert werden. Dies führt zu einer gezielten Demyelinisierung verschiedener Gehirnstrukturen. Nach Beendigung der Cuprizone-Gabe kommt es bei jungen Mäusen zu einer schnellen und vollständigen Remyelinisierung. Allerdings entspricht dies nicht der Situation beim Menschen, da die Remyelinisierung bei MS-Patienten meist unvollständig bleibt.

Um das Modell näher an die menschliche Pathologie anzupassen, wurde es dahingehend verändert, dass ältere Mäuse (sechs Monate alt) verwendet wurden. Diese zeigten nach der Demyelinisierung eine deutlich langsamere und unvollständige Remyelinisierung, was der eingeschränkten Reparaturfähigkeit bei älteren MS-Patienten ähnelt. Eine aktuelle Studie untersuchte, warum die Remyelinisierung bei älteren Mäusen im Cuprizone-Modell weniger effizient verläuft und welche Rolle dabei entzündliche Prozesse spielen[3]. Dazu wurden sechs Monate alte Mäuse für 6,5 Wochen mit 0,4 % Cuprizone-haltigem Futter behandelt und anschließend 1,5 Wochen nachbeobachtet. Zum Vergleich wurden junge Mäuse (8–10 Wochen alt) für fünf Wochen mit 0,2 % Cuprizone behandelt und ebenfalls nachbeobachtet. Mithilfe von RNA-Sequenzierungen wurden die Genexpressionen in beiden Gruppen analysiert.

Die Ergebnisse zeigten, dass sowohl bei jungen als auch bei alten Mäusen eine deutliche Demyelinisierung verschiedener Gehirnareale auftrat. Während junge Mäuse eine schnelle und vollständige Remyelinisierung zeigten, verlief dieser Prozess bei älteren Tieren deutlich langsamer und blieb unvollständig. Die Analyse der Genexpression ergab, dass bei älteren Mäusen sowohl regenerative als auch entzündliche Prozesse stärker aktiviert waren. Besonders auffällig war, dass die Regeneration der Oligodendrozyten (Zellen, die Myelin produzieren) von einer verstärkten Astrozytose (Vermehrung von Astrozyten, einer weiteren Zellart im Gehirn) und einer verlängerten Mikrogilose (Vermehrung von Mikrogliazellen, die für die Immunabwehr im Gehirn zuständig sind) begleitet wurde. Diese Erkenntnisse sind wichtig, um die Mechanismen der Remyelinisierung besser zu verstehen und neue Therapieansätze zu entwickeln, die gezielt die Reparaturprozesse im Gehirn fördern.

Unterschiede bei NMOSD: Früh- und Spätmanifestation im Vergleich

Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) sind seltene, meist schubförmig verlaufende Autoimmunerkrankungen des zentralen Nervensystems. Die Erkrankung tritt im Durchschnitt erstmals im Alter von etwa 40 Jahren auf. Etwa 30 % der Patienten entwickeln die Krankheit jedoch erst ab dem 50. Lebensjahr – man spricht dann von einem sogenannten late-onset (später Krankheitsbeginn). Kleinere Studien und Fallserien haben bereits gezeigt, dass sich der Verlauf und das Ansprechen auf Therapien bei Patienten mit frühem (early-onset, <50 Jahre) und spätem Krankheitsbeginn (late-onset, ≥50 Jahre) deutlich unterscheiden können. Allerdings waren die bisherigen Studien oft klein oder schlossen keine europäischen Patienten ein.

Eine aktuelle Studie verglich daher NMOSD-Patienten mit frühem und spätem Krankheitsbeginn hinsichtlich klinischer Symptome, Schubrate, Fortschreiten der Behinderung und Ansprechen auf die Schubtherapie[4]. Von 447 untersuchten Patienten hatten 153 (34 %) einen late-onset. Frauen mit early-onset waren signifikant häufiger AQP4-IgG-positiv (93 % vs. 81 %). Auch in der Gesamtkohorte zeigte sich ein Unterschied in der Antikörperverteilung zwischen den beiden Gruppen (AQP4-IgG-positiv: 94,1 % vs. 81,0 %). Die Hauptsymptome unterschieden sich ebenfalls: Während 42 % der early-onset-Patienten zu Beginn eine Optikusneuritis (Entzündung des Sehnervs, die zu Sehstörungen führen kann) erlitten, war dies bei den late-onset-Patienten nur bei 27 % der Fall. Dafür trat bei 56,8 % der late-onset-Patienten zu Beginn eine Myelitis (Entzündung des Rückenmarks, die zu Lähmungen und Gefühlsstörungen führen kann) auf, im Vergleich zu 37,3 % bei early-onset.

Die Analyse der Schübe ergab jedoch keine signifikanten Unterschiede in der jährlichen Schubrate (Annualized Relapse Rate) zwischen den beiden Gruppen. Allerdings zeigten Patienten mit late-onset eine deutlich schlechtere Erholung nach einem Schub, sowohl in der Gesamtkohorte als auch in der Untergruppe mit akuter Myelitis. Bei Schüben, die den Nervus opticus (Sehnerv) betrafen, gab es hingegen keinen relevanten Unterschied im Erholungsverlauf. Mit Blick auf den Krankheitsverlauf erreichten late-onset-Patienten schneller definierte Endpunkte der Erkrankungsschwere, was bedeutet, dass sie früher eine stärkere Einschränkung der Funktionalität erlitten. Insgesamt hatten NMOSD-Patienten mit spätem Krankheitsbeginn häufiger Myelitiden und weniger Optikusneuritiden zu Beginn, waren bei Schüben schwerer betroffen, erholten sich schlechter und erreichten schneller klinisch relevante Einschränkungen als Patienten mit frühem Krankheitsbeginn. Die Gesamtzahl der Schübe war jedoch vergleichbar.

Diese Erkenntnisse sind für die individuelle Beratung und Therapieplanung bei NMOSD-Patienten sehr wichtig. Sie zeigen, dass das Alter bei Krankheitsbeginn einen erheblichen Einfluss auf den Verlauf und die Prognose der Erkrankung hat. Patienten mit spätem Krankheitsbeginn benötigen möglicherweise eine intensivere Betreuung und engmaschigere Überwachung, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Leoni Burggraf

Quellen

  1. Witt L, et al.: Kindesentwicklung nach Anwendung von monoklonalen Antikörpern in der Stillzeit. Abstract 91. 96. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), 8.–11. November 2023.
  2. Wagner B, et al.: Characterizing a neurologist’s risk perception and its influence on treatment decisions for patients with multiple sclerosis – KLEOS. Abstract 98. 96. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), 8.–11. November 2023.
  3. Möllenkamp T, et al.: Altersabhängige Unterschiede der Remyelinisierung: Analyse von mRNAExpressionsmustern zur Identifikation von Schlüsselfaktoren im Cuprizone Modell. Abstract 151. 96. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), 8.–11. November 2023.
  4. Kretschmer JR, et al.: Klinische Charakteristika des late- und early-onset bei Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen. Abstract 51. 96. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), 8.–11. November 2023.

Bluttests zur Unterstützung der Alzheimer-Diagnostik gewinnen zunehmend an Bedeutung. Dieser Artikel basiert auf Informationen aus der Alzheimer’s Association International Conference (AAIC) 2024 und beleuchtet, wie diese Tests die Diagnostik und Behandlung revolutionieren könnten.

Bluttests: Ein neuer Ansatz in der Alzheimer-Diagnostik

Die Alzheimer-Krankheit ist eine der häufigsten Ursachen für Demenz, und ihre Diagnose war bisher oft langwierig und kompliziert. Neue hochpräzise Bluttests könnten dies ändern. Diese Tests messen spezifische Biomarker, wie das phosphorylierte Tau-Protein (p-tau), das bereits vor dem Auftreten kognitiver Symptome im Blut nachweisbar ist. Besonders der Marker p-tau217 hat sich als vielversprechend erwiesen, da seine Zunahme mit der Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten und der Hirnatrophie korreliert. Zudem kann der p-tau217-Test die Wahrscheinlichkeit von Amyloid-Plaques im Gehirn vorhersagen, einem weiteren wichtigen Biomarker der Alzheimer-Krankheit.

Die Einführung solcher Bluttests könnte nicht nur die Genauigkeit der Diagnosen verbessern, sondern auch die Zugänglichkeit zu Behandlungen erleichtern. Derzeit werden Alzheimer-Diagnosen oft durch eine Kombination aus kognitiven Tests und bildgebenden Verfahren wie PET-Scans gestellt. Bluttests könnten diese Verfahren ergänzen oder sogar teilweise ersetzen, was die Diagnostik schneller und weniger invasiv machen würde.

Studienergebnisse: Präzision und Zuverlässigkeit

Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass Bluttests wie der PrecivityAD2-Test (APS2) eine hohe Genauigkeit bei der Erkennung der Alzheimer-Krankheit aufweisen. Der APS2-Test analysiert das Verhältnis von phosphoryliertem zu nicht phosphoryliertem Tau217 (%p-tau217) sowie das Verhältnis zweier Amyloidarten (Aβ42/Aβ40). In der Studie wurden 1213 Patienten untersucht, und der Test erreichte eine Genauigkeit von rund 90% – deutlich höher als die Ergebnisse von Haus- und Fachärzten, die herkömmliche Diagnosemethoden anwendeten.

Besonders beeindruckend ist, dass der APS2-Test auch bei Patienten mit Begleiterkrankungen, wie Nierenerkrankungen, zuverlässig war. Diese Erkrankungen können die Konzentrationen von p-tau217 beeinflussen, was die Diagnostik erschwert. Dennoch zeigte der Test eine bemerkenswerte Präzision. “Diese Ergebnisse sind besonders relevant, da ältere Menschen in der Primärversorgung häufig an mehreren Krankheiten leiden”, erklärte Dr. Sebastian Palmqvist von der Universität Lund, Schweden.

Frühdiagnose: Ein entscheidender Vorteil

Die Möglichkeit, Alzheimer in einem frühen Stadium zu diagnostizieren, ist ein entscheidender Vorteil der neuen Bluttests. Eine Studie mit 2718 kognitiv nicht beeinträchtigten Teilnehmern zeigte, dass p-tau217-Bluttests eine hohe Vorhersagekraft für das Vorhandensein von Amyloid-Beta-Plaques im Gehirn haben. Diese Plaques sind ein Schlüsselmerkmal der Alzheimer-Krankheit. Durch die Kombination der Bluttestergebnisse mit weiteren Tests, wie einem Amyloid-Beta-Liquor-Test oder einem PET-Scan, konnte die Vorhersagegenauigkeit auf über 90% gesteigert werden.

Diese Fortschritte könnten die Notwendigkeit invasiver Verfahren wie Lumbalpunktionen oder teurer PET-Scans erheblich reduzieren. “Wenn diese Ergebnisse von anderen unabhängigen Labors bestätigt werden, könnten Bluttests die Diagnostik revolutionieren und den Zugang zu klinischen Studien erleichtern”, so Dr. Gemma Salvadó, Hauptautorin der Studie.

Bluttests in der klinischen Praxis

Der Einsatz von Bluttests in der klinischen Praxis könnte die Versorgung von Alzheimer-Patienten erheblich verbessern. Laut Dr. Maria C. Carrillo, Chief Science Officer der Alzheimer’s Association, könnten diese Tests nicht nur die Genauigkeit der Diagnosen erhöhen, sondern auch den Zugang zu Behandlungen beschleunigen. Dies ist besonders wichtig, da neue Alzheimer-Therapien, die auf Amyloid-Plaques abzielen, zugelassen wurden.

Die Alzheimer’s Association hat ein Expertengremium einberufen, um Leitlinien für die Verwendung von Bluttests in der klinischen Praxis zu entwickeln. Diese Leitlinien sollen sicherstellen, dass die Tests korrekt angewendet werden und die Patienten von den Fortschritten profitieren können. Ärzte in der Primär- und Sekundärversorgung werden ermutigt, Bluttests als Teil eines umfassenden Diagnoseansatzes zu nutzen.

Ein Blick in die Zukunft

Die Entwicklung und Einführung von Bluttests für die Alzheimer-Diagnostik ist ein bedeutender Schritt nach vorn. Sie könnten nicht nur die Diagnostik und Behandlung verbessern, sondern auch die Teilnahme an klinischen Studien erleichtern. Dies ist besonders wichtig, da viele Menschen mit Demenz nicht diagnostiziert werden oder keine Informationen über ihre Erkrankung erhalten. Bluttests könnten dazu beitragen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung von Alzheimer-Patienten zu revolutionieren.

Die Forschung in diesem Bereich schreitet schnell voran, und weitere Studien werden zeigen, wie diese Tests in der Praxis eingesetzt werden können. Es bleibt zu hoffen, dass sie bald in großem Umfang verfügbar sein werden, um die Lebensqualität von Patienten und ihren Familien zu verbessern.

Leoni Burggraf

Quellen

  1. Alzheimer’s Disease Blood Tests Could Improve Diagnosis in Primary Care, Speed Recruiting for Research and Reduce Wait Times. AAIC 2024.
  2. Kongress: Alzheimer’s Association International Conference (AAIC)
  3. InFo NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE 2024; 22(4): 32 (veröffentlicht am 26.8.24, ahead of print)