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Eine Leberzirrhose ist eine häufige Folge langanhaltender Belastungen der Leber, beispielsweise durch Alkoholmissbrauch oder aufgrund einer Hepatitis. In enger Zusammenarbeit haben nun Wissenschafter der Forschungsgruppe von Thomas Reiberger am CeMM, der Medizinischen Universität Wien sowie am Ludwig Boltzmann Institute for Rare and Undiagnosed Diseases (LBI-RUD) einen Algorithmus entwickelt, der die Abschätzung des Risikos von schweren Komplikationen bei Patienten mit Leberzirrhose einfach und ohne invasive Eingriffe ermöglicht.

Die Leberzirrhose stellt ein fortgeschrittenes Stadium praktisch aller Arten von Lebererkrankungen dar. Sie entsteht als Reaktion auf wiederholte oder schwere Schädigungen der Leber, zum Beispiel aufgrund einer Fettlebererkrankung oder Virushepatitis. Mediziner unterscheiden dabei zwei klinische Stadien der Zirrhose: ein frühes-asymptomatisches (kompensiertes) Stadium, in dem die Patienten meist nur wenige und unspezifische Symptome wie Müdigkeit aufweisen, und ein fortgeschrittenes-symptomatisches (dekompensiertes) Stadium, in dem schwere Komplikationen wie innere Blutungen (Varizenblutungen) oder Wasseransammlung im Bauchraum (Aszites) auftreten können, die sogar zum Tod führen können. Um das Risiko für derartige Komplikationen festzustellen, ist es aktuell erforderlich, eine invasive Messung des hepatovenösen Druckgradienten (HVPG) durchzuführen. Ab einem HVPG-Wert von ≥10 mm Hg besteht prinzipiell ein Risiko für leberassoziierte Komplikationen (hepatische Dekompensation), ab einem HVPG -Wert von ≥16 mm Hg steigt die Wahrscheinlichkeit für eine hepatische Dekompensation deutlich. Bis dato konnte dieses Risiko bei Patienten mit kompensierter Zirrhose nur durch die nicht überall verfügbare, invasive HVPG-Messung bestimmt werden. Wissenschafter der Forschungsgruppe von Thomas Reiberger am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, LBI-RUD und an der MedUni Wien sowie der Forschungsgruppe von Stefan Kubicek am CeMM entwickelten nun einen Algorithmus, der die Früherkennung des Risikos für eine hepatische Dekompensation schnell und einfach ermöglicht. In ihrer Studie trainierten die Erstautoren Jiří Reiniš (CeMM) und Oleksandr Petrenko (CeMM, LBI-RUD, MedUni Wien) Modelle für maschinelles Lernen auf Basis von Bluttestparameter von Patienten mit kompensierter Zirrhose, um HVPG-Werte ≥10 oder ≥16 mm Hg zu erkennen und so diejenigen zu identifizieren, die prinzipiell ein Risiko bzw. ein besonders hohes Risiko für die Entwicklung einer hepatischen Dekompensation haben.

Identifikation der wichtigsten klinischen Parameter für Risiko-Prognose

Die wichtigste Datenquelle für das Projekt war die laufende Wiener Zirrhose-Studie (Vienna Cirrhosis Study, VICIS), die an der Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der MedUni Wien und dem AKH Wien durchgeführt wird. Aus der Gesamtheit der klinischen Variablen wurden drei bzw. fünf optimale Parameter für die Erkennung von Hochrisiko-Patienten rechnerisch ermittelt und ausgehend davon ein 3- sowie ein 5-Parameter-Modell zur einfachen Bestimmung des Risikos für eine hepatische Dekompensation entwickelt. Studienleiter Thomas Reiberger erklärt: «Die Ergebnisse zeigen, dass mithilfe unseres entwickelten Algorithmus, durch eine simple Blutabnahme ganz einfach und schnell sowie ohne zusätzliche Belastung für Patienten eine präzisere Risikoabschätzung als mit anderen verfügbaren Methoden erreicht werden kann». 

Methode einfach durchführbar, Online-Rechner entwickelt

Um die diagnostische Leistung des nicht-invasiven 3P- sowie des 5P-Modells zur Vorhersage von einem HVPG ≥10 mm Hg bzw. ≥16 mm Hg zu bewerten, wurden die beiden Modelle anhand eines multizentrischen Datensatzes von 1.232 Patienten mit kompensierter Leberzirrhose aus acht europäischen klinischen Zentren validiert. «Der neuartige Ansatz erwies sich von ausgezeichnetem diagnostischem Wert. Nachdem der neue Test nur auf drei bzw. fünf allgemein verfügbaren Parametern beruht, und keine spezielle und teure Ausrüstung erfordert, wie es zum Beispiel für die Messung der Lebersteifigkeit erforderlich wäre, und – im Gegensatz zur invasiven HVPG-Messung – auch kein Risiko für die Patienten birgt, ist er leicht und überall einsetzbar», so Reiberger. «Während eine HVPG-Messung zur genauen Verlaufskontrolle einer klinisch signifikanten oder schweren portalen Hypertension weiterhin erforderlich ist, könnte der neue, nicht-invasive Ansatz vor allem für die Risiko-Früherkennung und somit Vermeidung einer Zirrhose-Dekompensation dienen oder auch für die Auswahl von Patienten, die von einer Teilnahme an klinischen Therapie-Studien besonders profitieren können.» 
Aufgrund ihrer einfachen Anwendbarkeit kann die vorgeschlagene Methode bei Routineuntersuchungen ohne zusätzliche Kosten eingesetzt werden. Für den leichten und breiten Einsatz wurde ein Online-Rechner entwickelt, mit dem Kliniker die HVPG-Werte und das assoziierte Risiko für betroffene Patienten mit kompensierter Leberzirrhose berechnen können. 

Originalpublikation:

Jiří Reiniš, Oleksandr Petrenko, et al. Assessment of portal hypertension severity using machine learning models in patients with compensated cirrhosis, Journal of Hepatology,2022, DOI: https://doi.org/10.1016/j.jhep.2022.09.012

Die hepatische Enzephalopathie umfasst ein breites Spektrum unspezifischer Symptome. Am häufigsten sind Infektionskrankheiten für eine Episode verantwortlich. Zur Behandlung wird Lactulose oder Lactitol verwendet. In schweren Fällen wird die Therapie durch Rifaximin ergänzt.

Die hepatische Enzephalopathie (HE) tritt häufig als Komplikation einer fortgeschrittenen chronischen Lebererkrankung auf, seltener im Rahmen eines akuten Leberversagens. Sie markiert wie das erstmalige Auftreten von Aszites oder eine erste Varizenblutung den Übergang in die Phase der dekompensierten Leberzirrhose. Bei der HE führen die verminderte Leberfunktion und/oder portosystemische Shunts zu einer Einschränkung der Hirnfunktion, indem neurotoxische Abbauprodukte, unter anderem Ammoniak, aus dem Darm direkt ins Hirn gelangen können. Portosystemische Shunts sind Umgehungskreisläufe (z.B. Ösophagusvarizen, splenorenale Shunts etc.) zwischen dem Pfortader-Einstromgebiet und der systemisch venösen Zirkulation als Folge einer Leberzirrhose mit portaler Hypertonie oder einer extrahepatischen Pfortaderthrombose bei sonst gesunder Leber. Selten treten sie bereits kongenital auf.

Klinische Präsentation und Diagnose der hepatischen Enzephalopathie

Klinisch präsentiert sich die HE mit einem breiten Spektrum unspezifischer neurologischer und psychiatrischer Symptome, die von diskreten Verhaltensauffälligkeiten bis hin zum Koma reichen können. Der Schweregrad der HE wird nach den West-Haven-Kriterien eingeteilt (Tab. 1). Im Gegensatz zu frühen subtilen neuropsychologischen Veränderungen werden die typische Asterixis («flapping tremor»), ein grobschlägiges Zittern der Hände oder eine Episode mit Des­orien­tierung im klinischen Alltag einfach und zuverlässig als Symptome der HE erkannt und als erste Zeichen einer klinisch manifesten HE gewertet [1].

10–14% der Patienten mit (kompensierter) Leberzirrhose entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung eine klinisch manifeste HE, was für den Patienten – und vor allem auch seine Angehörigen – oft sehr beeinträchtigend ist. Zur Früherkennung ist es sinnvoll, in der Sprechstunde regelmässig im Gespräch mit dem Patienten (Schlaf-, Konzentrations- oder Orientierungsstörungen, Gefühlsschwankungen), seinen Angehörigen (Persönlichkeitsveränderungen, Verhaltensauffälligkeiten oder Orientierungsstörung) und in der klinischen Untersuchung (Asterixis) nach Hinweisen für eine HE zu suchen. Die Asterixis kann am besten geprüft werden, indem man den Patienten die Arme ausstrecken und die Hände mit gespreizten Fingern nach dorsal flektieren lässt. Zur Diagnosestellung einer minimalen oder okkulten HE können erfahrene Untersucher eine Reihe neuropsychologischer oder psychometrischer Tests (z.B. Portosystemic Encephalopathy Syndrome Test, Critical Flicker Frequency Test, Inhibitory Control Test, Stroop Test) durchführen [2]. Diese Untersuchungen können in ausgewählten Situationen sinnvoll sein – z.B. bei Patienten mit starker Müdigkeit ohne klinische Zeichen für eine HE oder bei Patienten, bei denen eine minimale HE bereits relevante Auswirkungen auf die Arbeitstätigkeit oder die öffentliche Sicherheit hätte.

Umgekehrt muss bei jedem Patienten mit bekannter Lebererkrankung und neu auftretenden neurologischen oder psychiatrischen Veränderungen an eine HE gedacht werden. Die Diagnose einer HE wird klinisch gestellt, da es keine beweisenden Zusatzuntersuchungen gibt. Entsprechend der klinischen Präsentation müssen die möglichen Differenzialdiagnosen (intrakranielle Blutung, zerebrovaskulärer Insult, zerebraler Infekt, metabolische Störung oder medikamentös-toxische Ursachen) sorgfältig ausgeschlossen werden. Die Höhe des Ammoniak-Spiegels im Blut korreliert ungenügend mit dem Schweregrad der Klinik und bringt keinen diagnostischen oder prognostischen Nutzen. Hingegen muss bei normalem Ammoniak-Spiegel die Diagnose einer HE angezweifelt werden und umso intensiver nach einer Differenzialdiagnose gesucht werden.

Management der hepatischen Enzephalopathie

Häufig sind auslösende Faktoren, an erster Stelle Infektionen, für eine Verschlechterung der Leberfunktion und Entwicklung einer hepatischen Enzephalopathie verantwortlich (Tab. 2). Deshalb gehören zur Abklärung einer Episode mit klinisch manifester HE eine ausführliche Anamnese, eine klinische Untersuchung und Laboruntersuchungen. Der häufigste Infektfokus ist die spontan bakterielle Perito­ni­tis, deshalb stellt die diagnostische Parazentese beim Patienten mit Aszites ein wichtiger Bestandteil der Abklärungsuntersuchungen dar. Für den Hausarzt ist es wahrscheinlich praktikabler, den Patienten mit einer klinisch manifesten HE für das aufwendige Work-up auf die nächste Notfallstation oder an einen Spezialisten zuzuweisen. Spätestens bei quantitativer Bewusstseinsstörung (Somnolenz, Stupor, Koma) oder Desorientierung muss der Patient hospitalisiert werden. Während der Erstbeurteilung ist es entscheidend, rasch einen möglichen Auslöser zu identifizieren und gezielt zu behandeln (z.B. Ceftriaxon bei spontan bakterieller Peritonitis, endoskopische Blutstillung etc.). Die alleinige Behandlung eines auslösenden Faktors bringt meist bereits eine Verbesserung der HE.

Zur medikamentösen Therapie einer ersten Episode mit HE werden in erster Linie Disaccharide (z.B. Lactulose, Lactitol) verwendet [3]. Nebst der abführenden Wirkung begünstigen Disaccharide durch das Ansäuern des Kolonmilieus Bakterienstämme, die weniger Ammoniak produzieren, und vermindern die intestinale Resorption von Ammoniak. Die initiale Tagesdosis von drei- bis viermal 20 g Lactulose (z.B. 30 ml Duphalac®) oder drei- bis viermal 10 g Lactitol (z.B. 10 ml Importal®) wird kontinuierlich angepasst mit dem Ziel, dass der Patient zwei bis drei weiche Stühle täglich absetzt [4]. Zu beachten ist, dass nebst der fehlenden Therapieadhärenz auch eine Überdosierung mit Lactulose ein häufiger Grund für eine wiederkehrende Episode mit HE ist [5]. Nach einer durchgemachten Episode wird zur Prophylaxe eine dauerhafte Therapie mit Lactulose weitergeführt.

Zur Behandlung schwerer Episoden oder zur Prophylaxe nach Episoden einer HE, die unter Therapie mit Lactulose aufgetreten ist, kann die Lactulose-Therapie erfolgreich mit Rifaximin (z.B. Xifaxan®550 mg 2×/d), einem nicht-absorbierbaren Antibiotikum, kombiniert werden [6]. In ausgewählten Fällen kann die beschriebene Standardtherapie (Lactulose und Rifaximin) durch verzweigtkettige Aminosäuren (z.B. Hepa-Merz® Granulat) ergänzt werden [7].

Entscheidend für ein gutes Ergebnis nach einer Episode mit HE ist – entgegen der althergebrachten Meinung – eine ausreichend kalorien- und proteinreiche Ernährung mit 35–40 kcal resp. 1,2–1,5 g Protein pro kg Körpergewicht täglich [8]. Für Patienten mit wiederkehrenden Episoden sollte die Möglichkeit einer Lebertransplantation durch die entsprechenden Spezialisten am Transplantationszentrum beurteilt werden.

Take-Home-Messages

  • Die hepatische Enzephalopathie ist eine häufige Komplikation der Leberzirrhose.
  • Die klinische Präsentation der hepatischen Enzephalopathie umfasst ein breites Spektrum unspezifischer neurologischer und psychiatrischer Symptome.
  • Meist sind auslösende Faktoren (am häufigsten eine spontan bakterielle Peritonitis oder andere Infektionskrankheiten) für eine Episode mit hepatischer Enzephalopathie verantwortlich. Sie gilt es gezielt zu behandeln.
  • Zur Behandlung einer ersten Episode mit hepatischer Enzephalopathie und auch einer wiederkehrenden Episode wird Lactulose oder Lactitol verwendet. In schweren Fällen oder bei Episoden, die trotz Therapie mit Lactulose aufgetreten sind, wird die Therapie mit Lactulose durch Rifaximin ergänzt.

Literatur:

  1. Vilstrup H, et al.: Hepatic encephalopathy in chronic liver disease: 2014 Practice Guideline by the American Association for the Study Of Liver Diseases and the European Association for the Study of the Liver. Hepatology 2014; 60(2): 715–735.
  2. Rahimi RS, et al.: Hepatic encephalopathy: how to test and treat. Curr Opin Gastroenterol 2014; 30(3): 265–271.
  3. Als-Nielsen B, et al.: Non-absorbable disaccharides for hepatic encephalopathy: systematic review of randomised trials. BMJ 2004; 328(7447): 1046.
  4. Schumann C: Medical, nutritional and technological properties of lactulose. An update. Eur J Nutr 2002; 41(Suppl 1): 17–25.
  5. Bajaj JS, et al.: Predictors of the recurrence of hepatic encephalopathy in lactulose-treated patients. Aliment Pharmacol Ther 2010; 31(9): 1012–1017.
  6. Patidar KR, et al.: Antibiotics for the treatment of hepatic encephalopathy. Metab Brain Dis 2013; 28(2): 307–312.
  7. Gluud LL, et al.: Branched-chain amino acids for people with hepatic encephalopathy. Cochrane Database Syst Rev 2015; (9): CD001939.
  8. Amodio P, et al.: The nutritional management of hepatic encephalopathy in patients with cirrhosis: International society for hepatic encephalopathy and nitrogen metabolism consensus. Hepatology 2013; 58(1): 325–336.
  9. Brunner F, Dufour J, De Gottardi A: Therapie und Prävention der hepatischen Enzephalopathie. Schweiz Med Forum 2014; 14(27–28): 523–525.

HAUSARZT PRAXIS 2017; 12(12): 27–30

Autoren
  • Dr. med. Felix Brunner 
Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS 

Ingelheim, Deutschland und Indianapolis, USA – Die Ergebnisse der Phase-III-Studie EMPEROR-Reduced bei Erwachsenen mit Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (mit und ohne Diabetes) zeigten, dass Empagliflozin mit einer signifikanten 25-prozentigen relativen Risikoreduktion im primären Endpunkt der Zeit bis zum kardiovaskulären Tod oder Krankenhausaufenthalt aufgrund von Herzinsuffizienz assoziiert war.1 Die Studie untersuchte die Wirkung der Zugabe von Empagliflozin (10 mg) im Vergleich zu Placebo zur Standardbehandlung.1 Die Ergebnisse wurden auf dem ESC-Kongress 2020, der Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie,3 vorgestellt und im The New England Journal of Medicine veröffentlicht.1

Die Ergebnisse des primären Endpunkts waren in Untergruppen mit und ohne Typ-2-Diabetes konsistent.1 Wichtige sekundäre Endpunktanalysen aus der Studie zeigten, dass Empagliflozin das relative Risiko einer ersten und wiederkehrenden Krankenhauseinweisung wegen Herzinsuffizienz um 30 Prozent senkte.1 Darüber hinaus war die Abnahme der eGFR, ein Indikator für die Abnahme der Nierenfunktion, mit Empagliflozin langsamer als mit Placebo.1

Empagliflozin reduzierte das relative Risiko einer ersten und wiederkehrenden Krankenhauseinweisung wegen Herzinsuffizienz signifikant um 30 Prozent und verlangsamte den Rückgang der Nierenfunktion signifikant.1Die Ergebnisse waren konsistent in Untergruppen mit und ohne Typ-2-Diabetes.1Herzinsuffizienz ist die Hauptursache für Krankenhausaufenthalte in den USA und Europa.2Die Ergebnisse der Phase-III-Studie EMPEROR-Reduced wurden im New England Journal of Medicine1 veröffentlicht.

In einer explorativen Analyse korrespondierte die im primären Endpunkt der EMPEROR-Reduced-Studie beobachtete absolute Risikoreduktion einer number needed to treat von 19 Patienten über 16 Monate, um einen kardiovaskulären Tod oder einen Krankenhausaufenthalt wegen Herzinsuffizienz zu verhindern.1 Eine zusätzliche explorative Analyse zeigte, dass Empagliflozin das relative Risiko eines zusammengesetzten Nierenendpunktes*, einschließlich Nierenerkrankung im Endstadium und einem tiefgreifenden Verlust der Nierenfunktion, um 50 Prozent verringerte.1

Bei EMPEROR-Reduced wurden die Wirksamkeitsergebnisse mit einem einfachen Dosierungsschema erzielt, mit einmal täglicher Verabreichung und ohne Notwendigkeit einer Titration.1Das Sicherheitsprofil war ähnlich dem gut etablierten Sicherheitsprofil von Empagliflozin.1 Es gab im Vergleich zu Placebo keine klinisch bedeutsamen Unterschiede bei unerwünschten Ereignissen wie Hypovolämie (vermindertes Blutvolumen), Hypotonie (niedriger Blutdruck), Volumenverarmung (Flüssigkeitsverlust), Niereninsuffizienz (schlechte Nierenfunktion), Hyperkaliämie (hoher Kaliumspiegel) oder Hypoglykämie (niedriger Blutzucker).1

Von der Herzinsuffizienz sind weltweit über 60 Millionen Menschen betroffen,4 wobei in den USA und Europa jedes Jahr mehr als eine Million Menschen aufgrund der Erkrankung ins Krankenhaus eingeliefert werden.2 Herzinsuffizienz tritt auf, wenn das Herz nicht genügend Blut in den restlichen Körper pumpen kann, und ist die häufigste und schwerste Komplikation eines Herzinfarkts.5,6Menschen mit Herzinsuffizienz leiden häufig unter Atemnot und Müdigkeit, was ihre Lebensqualität stark beeinträchtigen kann.7,8 Personen mit Herzinsuffizienz haben oft auch eine beeinträchtigte Nierenfunktion, was die Prognose erheblich beeinträchtigen kann.9

*Die Auswurffraktion ist ein Mass für den Prozentsatz des Blutes, den die linke Herzkammer bei jeder Kontraktion auspumpt. Wenn sich das Herz entspannt, füllt sich der Ventrikel wieder mit Blut.

Literatur:

  1. Ponikowski P, Anker SD, AlHabib KF: Heart Failure: preventing disease and death worldwide. ESC Heart Fail. 2014;1(1): 4–25.
  2. Ambrosy A, Fonarow G, Butler J, et al.: The Global Health and Economic Burden of Hospitalizations for Heart Failure. Lessons Learned From Hospitalized Heart Failure Registries. J Am Coll Cardiol. 2014;63(12): 1123–1133.
  3. Solomon S, Dobson J, Pocock S, et al.: Influence of Nonfatal Hospitalization for Heart Failure on Subsequent Mortality in Patients With Chronic Heart Failure. Circulation. 2007;116(13): 1482–1487.
  4. American Heart Association. Ejection Fraction Heart Failure Measurement. Verfügbar unter: www.heart.org/en/health-topics/heart-failure/diagnosing-heart-failure/ejection-fraction-heart-failure-measurement. Letzte Prüfung: Juli 2020.
  5. American Heart Association. Warning Signs of Heart Failure. Verfügbar unter: www.heart.org/en/health-topics/heart-failure/warning-signs-of-heart-failure. Letzte Prüfung: Juli 2020.
  6. ClinicalTrials.gov. Empagliflozin outcome trial in Patients With chronic heart Failure With Preserved Ejection Fraction (EMPEROR-Preserved). Verfügbar unter: https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03057951. Letzte Prüfung: Juli 2020.
  7. Harper A, Patel H, Lyon A: Heart failure with preserved ejection fraction. Clin Med (Lond). 2018;18(Suppl 2): s24–s29.
  8. ClinicalTrials.gov. Empagliflozin outcome trial in Patients With chronic heart Failure With Reduced Ejection Fraction (EMPEROR-Reduced). Verfügbar unter: https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03057977. Letzte Prüfung: Juli 2020.
  9. GBD 2015 Mortality and Causes of Death Collaborators. Global, regional, and national life expectancy, all-cause mortality, and cause-specific mortality for 249 causes of death, 1980–2015: A systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2015. The Lancet. 2016; 388(10053): 1459–1544.

Um die 200’000 Patienten in der Schweiz leben mit der Diagnose Herzinsuffizienz. Bis zu 10% von ihnen entwickeln progrediente Symptome. Ab wann spricht man von einer schweren Herzinsuffizienz und was kann man dann machen?

In 2018 publizierte die Heart Failure Association of the European Society of Cardiology ein Positionspaper mit dem Thema der schweren Herzinsuffizienz [1]. Dieser Text ist grösstenteils eine Zusammenfassung, der dort publizierten Empfehlungen.

In der Schweiz leben 150’000–200’000 Patienten mit der Diagnose Herzinsuffizienz [2]. Trotz Fortschritte in der Herzinsuffizienztherapie in den letzten Jahren und neuen Medikamenten, wie beispielsweise Sacubi­tril/Valsartan, werden ca. 5–10% der Patienten mit Herzinsuffizienz progrediente Symptome entwickeln und an einer fortschreitenden, schweren Herzinsuffizienz leiden [3–5]. Die Anzahl der Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz wird bei verbessertem Überleben und steigender Inzidenz der Herzinsuffizienz weiter zunehmen. Es ist entscheidend, dass Grundversorger und niedergelassene Kardiologen die schwere Herz­insuffizienz erkennen und diagnostizieren und die Pa­tien­ten zum richtigen Zeitpunkt weiter an ein tertiäres Herzinsuffizienzzentrum überweisen. Nur so können weitere Therapiemöglichkeiten, inklusive die Listung zur Herztransplantation oder der Einsatz von mechanischen Kreislaufunterstützungssystemen (MCS) frühzeitig geplant und erfolgreich umgesetzt werden.

Definition der schweren Herzinsuffizienz und Prognosebestimmung

In der Literatur gibt es verschiedene Definitionen der schweren Herzinsuffizienz [5–8]. Aufgrund ihrer Vollständigkeit und klinischen Anwendbarkeit erachten wir die kürzlich publizierte Definition der Heart Failure Associaton (HFA)-ESC als für den klinischen Alltag sehr nützlich. Dabei müssen alle der folgenden Kriterien trotz optimaler Herzinsuffizienztherapie erfüllt sein

  1. Schwere persistierende Symptome der Herzinsuffizienz (NYHA Klasse III oder IV)
  2. Schwere kardiale Dysfunktion, definiert durch eine Reduktion der LVEF <30%, isoliertes rechtsventrikuläres Versagen oder nicht operable schwere Klappenabnormitäten oder kongenitale Abnormitäten oder persistierend hohe (alternativ steigende) BNP/NT-proBNP Werte und schwere diastolische Dysfunktion oder strukturelle LV Abnormitäten entsprechend der ESC Definition von HFpEF und HFmrEF
  3. Episoden von Lungenstauung oder systemischer Stauung, welche eine hoch dosierte intravenöse Therapie mit Diuretika (oder Diuretikakombina­tio­nen) erfordert oder Episoden von low-output mit Bedarf an Inotropika oder vasoaktive Medikamente oder maligne Arrhythmien, welche zu mindestens einer ungeplanten Vorstellung oder Hospitalisation in den letzten 12 Monaten geführt hat
  4. Schwere Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit, optimalerweise objektiviert durch einen 6-Minuten-Gehtest unter 300 Meter oder eine Spiroergometrie mit maximaler O2-Aufnahme von (pVO2 <12–14 mL/kg/min) mit vermuteter kardialer Genese

Zusätzlich ist die fortgeschrittene Herzinsuffizienz durch systemische Organdysfunktionen (Nieren­insuf­fi­zienz, kardiale Kachexie, Leberinsuffizienz) und/oder pulmonale Hypertonie gekennzeichnet. In diesem Sinne sind ein kardio-renales Syndrom oder eine Gewichtsabnahme von 6% des Körpergewichts innerhalb von 6 Monaten (Definition kardiale Kachexie) als Indikatoren einer schweren Herzinsuffizienz zu werten. Eine kardial bedingte pulmonale Hypertonie sollte frühzeitig dokumentiert und als Hinweis für eine fortgeschrittene Herzinsuffizienz gewertet werden. Wird diese zu spät erkannt, besteht das Risiko, dass ihr Ausmass eine Kontraindikation zur Herztransplantation darstellt. Auch kann die damit verbundene Verschlechterung der Rechtsherzfunktion eine weiterführende Therapie mit einem linksventriulären Herzunterstützungssystem (Left Ventricular Assist Device) verunmöglichen.

Begleiterkrankungen sind sehr häufig mit Herzinsuffizienz vergesellschaftet. Bei der Definition der schweren Herzinsuffizienz ist Kriterium 1 und 4 auch dann als erfüllt anzusehen, wenn eine kardiale Dysfunktion nach Kriterium 2 besteht, aber ein Grossteil der Limitierung durch eine Komorbidität (z.B. pulmonale Erkrankung) erklärt ist. Komorbiditäten wie beispielsweise Diabetes, Lungenerkrankungen (COPD, Schlafapnoe), Niereninsuffizienz, Anämie, Eisenmangel oder chronisch rheumatische Erkrankungen beeinflussen die Prognose einer Herzinsuffizienz erheblich und sollten bestmöglich behandelt werden [9]. Komorbiditäten sollten deshalb unbedingt in die Gesamtbeurteilung und Prognostizierung einfliessen, da sie einerseits den Schweregrad der Herzinsuffizienz wiederspiegeln können und andererseits auch als mögliche Kontraindikationen für Herzersatztherapien (Herztransplantation, Herzunterstützungssysteme) in Frage kommen. Besonders eine Endorgandysfunktion hat einen negativen Einfluss auf die Gesamtprognose. Weitere Abklärungen um eine mögliche Reversibilität einer Endorgandysfunktion nach der Transplantation oder einer mechanischen Herzunterstützung vorherzusagen (bsp. bei Niereninsuffizienz) sind sinnvoll, bleiben aber oft unschlüssig.

Eine regelmässige Risikostratifizierung ist bei schwerer Herzinsuffizienz zentral um den optimalen Zeitpunkt für eine Zuweisung ins Herzinsuffizienzzentrum nicht zu verpassen und weiterführende Abklärungen, Behandlungen und Nachkontrollen einzuleiten. Die Vorhersage der Prognose und die damit verbundene Risikostratifizierung kann nicht anhand eines einzelnen Parameters vorgenommen werden, sondern erfordert den Einbezug von unterschiedlichen, prognose-sensitiven Variablen. Verschiedene solche multivariablen Scores wurden klinisch validiert und finden breite Anwendung. Der Heart Failure Survival Score (HFSS) und das Seattle Heart Failure Model (SHFM) zählen zu den im klinischen Alltag am häufigsten verwendeten Scores [10,11]. Weitere Scores sind der (MECKI) score (Metabolic Exercise test data combinded with Cardiac and Kidney indexes score) und der MAGGIC Score Meta-Analysis Global Group in Chronic Herat Failure [12–15].

Obwohl das Erreichen eines bestimmten Scores (bsp. HFSS) mit einer Empfehlung zur Evaluation einer Herzersatztherapie verbunden ist, gibt es derzeit keinen Grenzwert, ab welchem eine Zuweisung ins Herzinsuffizienzzentrum erfolgen sollte. In Tabelle 1 sind die vom HFA-ESC gelisteten klinischen, laborchemischen-, Imaging- und Risiko-Score Triggers zusammengestellt, welche zur Zuweisung in ein Herzinsuffizienzzentrum führen sollten. Allzu oft werden Patienten leider zu spät überwiesen. Allgemein gilt: Ist die Definition der schweren Herzinsuffizienz erfüllt, sollte Kontakt mit einem Zentrum aufgenommmen werden.

Spiroergometrie und 6-Minuten Gehtest

Die Spiroergometrie ist eine zentrale Untersuchung zur Risikostratifizierung ambulanter Patienten mit Herzinsuffizienz. Zusätzlich zu prognostischen Informationen, werden objektive Daten zur globalen Leis­tungs­fähigkeit, zur kardio-pulmonalen Limitierung und kardiovaskulären Reserve generiert.

Eine maximale Sauerstoffaufnahme (pVO2) ≤12 ml/kg/min (≤14 ml/kg/min ohne Betablockertherapie) gilt als Indikation für eine Listung für eine Herztransplantation oder MCS nach den Guidelines [16]. Frauen, welche ≤50% der maximalen Sauerstoffaufnahme erreichen, könnten falls sie jünger als 50 Jahre sind ebenfalls für eine Herztransplantation evaluiert werden [16]. Falls das Atemäquivalent für Kohlendioxid (V E/V CO2) mehr als 35 beträgt, ist dies ein Hinweis auf eine schlechte Prognose.

Der 6-Minuten-Gehtest ist im Gegensatz zur Spiroergometrie, welche ein maximaler Belastungstest darstellt, ein submaximaler Belastungstest. Die Resultate der Studien bezüglich Korrelation mit dem Überleben sind nicht übereinstimmend [17–20]. Falls eine Spiroergometrie nicht möglich ist, ist der 6-Minuten-Gehtest eine valide Alternative. Eine Gehstrecke von <300 Metern identifiziert dabei Patienten mit schwerer Leistungsintoleranz.

Behandlungsstrategien für Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz

Es gibt nur zwei Langzeit-Behandlungsstrategien bei der schweren Herzinsuffizienz, falls man sich nicht für ein palliatives Konzept entscheidet. Diese sind die Herztransplantation oder ein mechanisches Kreislaufunterstützungssystem (MCS). Als überbrückende Lösungen stehen mechanische Kurzeit-Kreislaufunterstützungssysteme und intravenöse vasoaktive Medikamente zur Verfügung. Die Basistherapie der Überwässerung sind Diuretika.

Behandlung der Überwässerung

Schleifendiuretika bilden die Basistherapie der Hypervolämie. Bei schwerer Herzinsuffizienz bestehen oft eine Diuretika-Resistenz und zunehmende Niereninsuffizienz. Die Langzeitanwendung von Diuretika kann zu verschiedenen renalen Adaptationsmechanismen, wie zum Beispiel Hypertrophie und Hyperfunktion im Bereich des distalen Nephrons, sowie einer vermehrten Reninsekretion führen. Zusätzlich können eine Zunahme der urämischen Anionen und eine Proteinurie die Wirksamkeit der Diuretika beeinträchtigen [21]. Im klinischen Alltag wird oft eine sequentielle Nephronblockade, eine Kombination aus Schleifendiuretikum und einem Thiaziddiuretikum (bsp. Metolazone), eingesetzt um die Diuretikaresistenz zu durchbrechen. Für dieses Vorgehen gibt es allerdings wenig Evidenz.

Mit der sog. Ultrafiltration kann Flüssigkeit vom Blut durch eine semipermeable Membran über ein Dialysegerät entfernt werden. Bei fehlendem Ansprechen auf perorale Diuretika ist primär eine Umstellung auf eine intravenöse Gabe empfohlen. Dabei soll mit einer höheren Dosierung begonnen und diese sukzessive gesteigert werden, bis eine suffiziente Diurese erreicht ist. Wird diese nicht erreicht, wird als nächster Schritt eine Diuretikakombination mit sequentieller Nephronblockade empfohlen und nur falls ebenfalls diese Massnahmen versagen sollte in ausgewählten Fällen eine Ultrafiltration in Betracht gezogen werden [7,9].

Intravenöse vasoaktive Medikamente

Diese spielen vor allem in der akuten Situation bei Patienten mit Hinweis für ein Low Output Syndrom und Hypoperfusion eine Rolle. Zusätzlich besteht eine Indikation bei ausgewählten Patienten als Überbrückung bis zur Implantation von einem MCS oder Durchführung einer Herztransplantation. Obwohl Inotropika die hämodynamischen Parameter verbessern können, zeigen die Studien überwiegend keine Verbesserung des Outcomes. Einige Studien weisen sogar auf eine Verschlechterung der Prognose hin [22–24]. Deshalb ist eine Langzeitanwendung von Inotropika zu vermeiden. Einzig, falls keine anderen Therapieoptionen in Frage kommen, kann in ausgewählten Fällen eine sequentielle Therapie mit Inotropika als palliative Massnahme eingesetzt werden [25,26].

Mechanische Kreislaufunterstüzungssysteme: Kurzzeitsysteme

Mechanische Kurzzeit-Kreislaufunterstützungs­sys­te­me kommen in der akuten Phase eines kardiogenen Schocks zum Einsatz. Sie ermöglichen ein Zeitfenster während dem sich die kardiale Funktion durch maximale Entlastung erholen kann. Zusätzlich kann man auch den Verlauf der Erholung anderer Organsysteme, wie beispielsweise die neurologische Funktion nach einem Herzkreislaufstillstand abwarten. Kommt es jedoch zu keiner Verbesserung der kardialen Funktion können Kurzzeitsysteme «eine Brücke» zur Implantation einer langfristigen Herzkreislaufunterstützung (Ventricular Assist Device, VAD) oder einer Herztransplantation darstellen, falls man sich für diese Option entscheiden sollte. Es gibt verschiedene mechanische Kreislaufunterstützungssysteme, welche für eine begrenzte Zeit angewendet werden können. Die intra-aortale Ballonpumpe (IABP) wird mittels Katheter perkutan implantiert. Ein Ballon wird in der deszendierenden Aorta implantiert und jeweils während der Diastole inflatiert. Dadurch wird der Druck in der Aortenwurzel diastolisch erhöht, was zu einer verbesserten Koronarperfusion führt. Die Deflation des Ballons führt zu einer Reduktion der Nachlast und vermindert somit den Sauerstoffverbrauch. Ak­tuell wird die IABP vor allem beim kardiogenen Schock bei ischämischer Herzkrankheit von einigen Zentren eingesetzt, obwohl die Evidenz für eine Verbesserung der Mortalität nicht gezeigt werden konnte [1,27].

Eine Impella ist eine axiale intravaskuläre Pumpe, welche ebenfalls mittels Katheter implantiert werden kann. Sie kann bis zu 5 Liter Blut pro Minute vom linken Ventrikel in die Aorta ascendens transportieren und entlastet so den linken Ventrikel. Die Hämodynamik wird verbessert und der Füllungsdruck gesenkt; gleichzeitig wird der koronare Perfusionsdruck erhöht.

Obwohl bis jetzt keine eindeutigen Daten bezüglich einer Verbesserung der Mortalität erhoben werden konnten, zeigte eine kleine Registerstudie, dass das Benutzen von einem standardisierten Protokoll mit frühem hämodynamischen Support mittels Impella CP bei kardiogenem Schock möglicherweise mit einem verbesserten Outcome und tieferer Mortalität assoziiert ist [28].

Bei der extracorporalen Membranoxygenierung (ECMO) wird das Blut durch eine Membran in einer speziellen Herz-Lungen-Maschine ausserhalb des Körpers oxygeniert. Zusätzlich zum kompletten respiratorischen Support, enthält das ECMO Gerät eine axiale Pumpe, sodass Flüsse bis 6 L/min erreicht werden können. Eine periphere venös-arterielle ECMO kann durch einen interventionellen Kardiologen mittels Seldinger Technik implantiert werden und die Zirkulation bei versagendem Herzen aufrechterhalten sowie die Oxygenierung unterstützen.

Die hämodynamischen Effekte einer ECMO sind nicht physiologisch. Zum einen wird die Vorlast des Herzens reduziert indem das Blut von der venösen Seite drainiert wird. Andererseits führt der Auswurf des oxygenierten Blutes mit einem Fluss von 4–6 L/min in die Aorta zu einem Anstieg der Nachlast des linken Ventrikels, was je nach kardialer Dysfunktion zu einer Zunahme des enddiastolischen linksventrikulären Volumens und des Füllungsdrucks führen kann. Um in dieser Situation ein Lungenödem zu verhindern, kann beispielsweise zusätzlich eine Impella, implantiert werden um den linken Ventrikel zu entlasten [29]. Ähnlich wie die Impella kann die ECMO im Endstadium der schweren Herzinsuffizienz als «Brücke zur Transplantation» oder als «Brücke zur Entscheidung» im kardiogenen Schock verwendetet werden.

Langzeitmanagement der schweren Herzinsuffizienz

Wenn die Symptome der Herzinsuffizienz nicht mehr kontrolliert werden können oder End-Organfunk­tio­nen drohen, sind fortgeschrittene Herzinsuffizienztherapien indiziert. Eine Voraussetzung ist natürlich, dass die medikamentöse und Device Therapie nach den Guidelines optimiert und ausgeschöpft ist. Zusätzlich sollten Patienten, die eine Indikation für eine Revaskularisation haben revaskularisiert werden und Patienten mit valvulärer Kardiopathien, falls indiziert, einen Klappenersatz erhalten.

Herztransplantation

Patienten mit schwerer, therapierefraktärer Herzinsuffizienz ohne behandelbare Ursache kommen potenziell für eine Herztransplantation in Frage, falls die konventionellen Behandlungsalternativen ausgeschöpft sind. Das in der Risikostratifizierung erhobene Risiko sollte eine Mortalität von mindestens >20% für die folgenden 12 Monate ergeben [30]. Zudem sollte gewährleistet sein, dass eine Herztransplantation das Überleben des Patienten deutlich verlängert und die Lebensqualität wesentlich verbessert. Kandidaten für eine Herztransplantation sollten motiviert und emotional stabil sein und eine hohe Compliance und Therapieadhärenz aufweisen. Eine Evaluation möglicher Komorbiditäten ist ein wichtiger Bestandteil der Vorabklärungen, um das Outcome einer Transplantation abzuschätzen [16,31]. Kontraindikationen für eine Herztransplantation sind in Tabelle 2gelistet.
Die Prätransplantationsabklärung beinhaltet eine komplette Krankheitsanamnese, körperlicher Status, Spiroergometrie, Links-Rechtsherzkatheterisierung, Evaluation einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, Beurteilung von Frailty und Nutritionstatus. Weiterhin müssen Organfunktionen (Niere, Leber, Lunge) beurteilt werden und es wird ein Screening für Tumorerkrankungen und aktive Infektionen durchgeführt. Die prognostischen Scores sollten berechnet werden und weitere Untersuchungen je nach Vorliegen von Co-Morbiditäten durchgeführt werden [16]. Zusätzlich wird eine komplette psychosoziale Abklärung durchgeführt [32].

Die erste Herztransplantation wurde 1967 durchgeführt [33]. In der Schweiz wurden 2018 50 Herztransplantationen durchgeführt [35]. Das mediane Überleben liegt bei 12,5 Jahren [34]. Die häufigsten Ursachen der Langzeitmortalität sind Graftversagen, Infektionen und Multiorganversagen [34]. Die Gefahr eines letalen akuten Graftversagens ist innerhalb der ersten 30 Tage nach Transplantation am grössten. Infektiöse Komplikationen mit tödlichem Ausgang sind innerhalb der ersten 12 Monate aufgrund der hohen Dosen an Immunsuppressiva, inklusive Steroide, am häufigsten. Die Gefahr einer relevanten zellulären Abstossungsreaktion nimmt nach zwei Jahren deutlich ab. Im Langzeitverlauf gewinnt die Mortalität im Rahmen von Tumorerkrankungen, Nierenversagen und Transplantatvaskulopathie an Bedeutung [34].

Mechanische Langzeitunterstützung

Eine mechanische Herzpumpe (Ventricular Assist Device, VAD) wird zur Unterstützung der linken Kammer (LVAD), der rechten Kammer (RVAD) oder beider Kammern (BiVAD) eingesetzt. Studien zeigen ein verbessertes Überleben und eine verbesserte Lebensqualität bei Patienten mit schwerer, therapierefraktärer Herzinsuffizienz [9]. Ein VAD kann als «Brücke zur Transplantation» während der Wartezeit auf eine Transplantation eingesetzt werden. Falls ein Patient kein Transplantationskandidat ist, beispielsweise aufgrund des Alters, kann ein VAD als Destinationstherapie eingesetzt werden. Ein relevant erhöhter pulmonal vaskulärer Widerstand oder eine schwere Niereninsuffizienz sind Kontraindikation für eine Herztransplantation aber nicht für ein VAD Implantation. Sowohl der pulmonal vaskuläre Widerstand als auch eine schwere Niereninsuffizienz können sich unter einer VAD Therapie verbessern [36,37]. In diesen Fällen wird die VAD-Therapie als «Brücke zur Transplantationskandidatur» eingesetzt. Gleiches gilt bei potenziell kurativ behandelten Tumorerkrankungen, wo eine Tumorfreiheit von mindestens 5 Jahren vor einer möglichen Herztransplantation ausgewiesen werden sollte. In seltenen Fällen (bsp. fulminante Myokarditis) kann eine VAD-Therapie als «Brücke zur Erholung» eingesetzt werden.

Bei zurzeit noch fehlender, adäquater Lösung für eine langfristige rechtsventrikuläre oder biventrikuläre Herzunterstützungstherapie, bleibt die schwere rechtsventrikuläre Insuffizienz weiterhin eine Kontraindikation für die LVAD-Implantation [38].

Palliative Therapie

Von allen Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz kommen nur wenige für eine Herztransplantation oder eine VAD-Therapie in Frage. Sind alle Behandlungsstrategien ausgeschöpft werden im Endstadium der schweren Herzinsuffizienz die Behandlungsziele von Lebensverlängerung auf Symptomkontrolle und Optimierung der Lebensqualität umgestellt [39]. Die konventionelle, rein internistisch-kardiologische Therapie ist in dieser Situation oft nicht ausreichend, um das Leiden des Patienten zu lindern und eine multidisziplinäre Behandlung mit Einbezug von Palliativmedizinern ist empfohlen. Die PAL-HF Studie zeigte, dass ein interdisziplinärer palliativer Ansatz zu einer Verbesserung der Lebensqualität sowie der Angst- und Depressionssymptomatik im Vergleich zur Standardtherapie führte [40]. Der Zugang zu palliativen Behandlungskonzepten sollte deshalb für alle Pa­tien­ten mit schwerer Herzinsuffizienz niederschwellig sein. Ebenso ist eine frühzeitige Verfassung einer ausführlichen Patientenverfügung empfohlen. Falls nicht erfolgt sollte diese spätestens vor intensivmedizinisch aufwändigen Therapien erfolgen. Die individuellen Wünsche des Patienten bezüglich lebensverlängernder Massnahmen, inklusive Aktivitätsstatus eines implantierten Defibrillators, sollten regelmässig besprochen und dem erwarteten Krankheitsverlauf angepasst und entsprechend dokumentiert werden [41]. Falls möglich sollte die Entscheidung wann fortgeschrittene Herzinsuffizienztherapien (ICD, VAD-Therapie, Immunosuppression) eingestellt werden dem Patienten überlassen werden. Falls dieser nicht im Stande ist diese Entscheidung zu treffen sollten die Entscheidung durch Angehörige oder Betreuer oder ein ethisches Komitee vom Spital getroffen werden.

Zusammenfassend hat die Erkennung einer schweren Herzinsuffizienz und die frühzeitige Zuweisung in ein tertiäres Herzinsuffizienzzentrum oberste Priorität. Eine adäquate Risikostratifizierung mit Einbezug der etablierten Risikoscores, einer Spiroergometrie und einer Rechtsherzkatheteruntersuchung sollte in regelmässigen Abständen durch das Herzinsuffizienzzentrum durchgeführt werden. Die Therapiemöglichkeiten einer schweren Herzinsuffizienz haben sich insbesondere durch erhebliche technologische Fortschritte im Bereich der langfristigen Herzunterstützungssysteme (VAD) deutlich verbessert. Herzunterstützungssysteme können heute auch älteren Patienten mit gutem Therapieerfolg angeboten werden. Die Herztransplantation bleibt die Goldstandardtherapie. Diese bleibt aber aufgrund des allgemeinen Organmangels eine Rarität. Eine Anbindung an ein palliatives Care-Team sollte frühzeitig erfolgen und kann die Lebensqualität der betroffenen Patienten und deren Angehörige deutlich verbessern.

Take-Home-Messages

  • Schwere Herzinsuffizienz erkennen
  • Frühzeitige Zuweisung in ein tertiäres Herzinsuffizienzzentrum um weiterführende Abklärungen, Behandlungen und Nach­kontrollen einzuleiten
  • Frühzeitige Anbindung an ein palliative Care-Team

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CARDIOVASC 2020; 19(1): 6–11

Autoren
  • Dr. med. univ. Linn Ryberg Almqvist 
  • Prof. Dr. med. Otmar Pfister 
Publikation
  • CARDIOVASC 

Die aktuellen ESC-Leitlinien rücken die Bedeutung des Eisenstatus bei Pa­tien­ten mit Herzinsuffizienz in den Fokus. Ein Eisenmangel ist unabhängig von der Anämie mit einer verminderten körperlichen Leistungsfähigkeit und Lebensqualität verbunden. Die europäische Fachgesellschaft für Kardiologie empfiehlt daher bei allen Herzinsuffizienz-Betroffenen einen Eisenmangel durch eine intravenöse Substitution auszugleichen. Die orale Eisentherapie reicht in der Regel nicht aus, um die Eisenspeicher aufzufüllen.

Laut einer grossen europäischen Studie ist jeder zweite Patient mit chronischer Herz­insuffizienz von Eisenmangel betroffen, wobei die Häufigkeit mit dem Schweregrad der Herz­insuffizienz positiv korreliert [1]. Dieser hat erhebliche Auswirkungen auf die Hospitalisierung und Mortalität. Denn Eisen spielt eine zentrale Rolle in der Regulation der Herzfunktion und der peripherer Muskeln. Durch einen Eisenmangel wird der Organismus der oftmals von Bluthochdruck zusätzlich belasteten Patienten allgemein anfälliger für Krankheiten. Zum anderen kann ein chronisch niedriger Eisenstatus die Herzinsuffizienz verstärken. Ein routinemässiges Überprüfen des Eisenstoffwechsels ist bei Patienten mit Herzschwäche deshalb besonders wichtig.

Liegt ein Eisenmangel vor?

Eisenmangel wird definiert als eine Reduktion des Gesamtkörpereisens. Eine Eisenmangelanämie liegt nur dann vor, wenn die Hämoglobinkonzentration eisenmangelbedingt unter den alters- respektive geschlechtsspezifischen Normwert absinkt. Ein Eisenmangel entsteht durch ein Missverhältnis zwischen Eisenaufnahme und -bedarf. Dabei kann die Ursache einerseits in der ungenügenden Eisenzufuhr mit der Nahrung, andererseits im gesteigerten Bedarf oder im erhöhten Verlust des Eisens liegen [2]. Die häufigsten Ursachen für einen Eisenmangel sind ein vermehrter Verlust oder Verbrauch durch verstärkte Menstrua­tions­blutungen und Mangelernährung. Resorptionsstörungen sind dagegen selten.

Die folgenden drei Stadien des Eisenmangels werden unterschieden [1,6]:

  1. Nicht-anämischer Eisenmangel: 
    Hb und MCV normal, Ferritin verringert; kein Effekt auf die Hämatopoese.
  2. Nicht-anämischer Eisenmangel mit Mikro­zytose und/oder Hypochromie: 
    Hb normal, Ferritin, MCV und MCH verringert; Hämatopoese und eisenabhängige Stoffwechselvorgänge können beeinträchtigt sein.
  3. Eisenmangelanämie: 
    Hb <12 g/dl (Frauen) bzw. <13 g/dl (Männer), MCV, MCH und Erythrozytenzahl verringert.

In Anbetracht der Erfahrungen hinsichtlich Morbidität und Hospitalisierung wurde untersucht, inwieweit sich eine Therapie des Eisenmangels auch auf die Herzinsuffizienz auswirken könnte.

Intravenöse Eisentherapie ist erwiesenermassen wirkungsvoll   

Bereits vor einigen Jahren konnte in einer Studie gezeigt werden, dass eine i.v.-Eisensubstitution positive Effekte auf Leistungs­fähigkeit, Beschwerden und Lebensqualität bei Senkung der Hospitalisierungsraten und ohne schwerwiegende Nebenwirkungen nach sich zog [3]. Ebenso konnten die Patienten in der NYHA-Klassifizierung niedriger eingestuft werden. Inzwischen konnten diese Ergebnisse in weiteren Studien untermauert werden. In einer 2020 veröffentlichten Studie erhielten 1132 Patienten, die wegen einer akuten Herzinsuffizienz in der Klinik behandelt werden mussten und bei denen ein Eisenmangel festgestellt wurde, entweder mindestens zwei Injektionen Eisencarboxymaltose oder Placebo [4]. Der kombinierte primäre Endpunkt war Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz und kardiovaskulärer Tod. Im Verlauf von 52 Wochen konnte dieser durch die Eisentherapie um 21% reduziert werden.  Die positiven Ergebnisse haben das Leitlinien-Gremium dazu bewogen, die bisherige Empfehlung zu überarbeiten. Seit 2016 sollte die i.v.-Gabe von Eisencarboxymaltose bei symptomatischen Patienten (Serumferritin <100 µg/L oder Ferritin: 100–299 µg/L und Transferrinsättigung <20%) erwogen werden (Klasse-IIa A-Empfehlung). Die 2021 aktualisierten ESC-Guidelines haben dies nun differenzierter dargestellt [5]:

  • Der Eisenstatus soll bei allen Patienten mit Herzinsuffizienz regelmässig überprüft werden
  • Bei symptomatischen Herzinsuffizienz-Pa­tien­ten (LVEF <45%) mit Eisenmangel sollte eine Eisentherapie in Betracht gezogen werden, um die Herzinsuffizienz-Symptome zu lindern und die körperliche Leistungsfähigkeit und Lebensqualität zu verbessern
  • Bei symptomatischen HI-Patienten (LVEF <50%) mit Eisenmangel, die kürzlich wegen Herzinsuffizienz hospitalisiert waren, sollte eine Behandlung in Betracht gezogen werden, um das Risiko Herzinsuffizienz-bedingter Hospitalisierungen zu reduzieren

Da es nur begrenzte klinische Nachweise aus randomisierten klinischen Studien gibt, die den Einsatz von oralem Eisen bei dieser Klientel untersucht haben und diese Ergebnisse weder die körperliche Leistungsfähigkeit verbesserten noch ein ausreichendes Auffüllen der Eisenspeicher zeigte, wird empfohlen, eine i.v.-Eisensubstitution mit Eisencarboxymaltose zu bevorzugen.

Literatur:

  1. «Herzinsuffizienz? Jetzt Eisen-Wert im Blut testen lassen», www.herzstiftung.de, (letzter Abruf 30.09.2022)
  2. Eisenmangel und Eisenmangelanämie, www.onkopedia.com, (letzter Abruf 30.09.2022)
  3. FAIR-HF Studie, www.pressebox.de, (letzter Abruf 30.09.2022)
  4. «Herzinsuffizienz: Wie wirkt sich Eisen-Therapie auf die Prognose aus?», www.kardiologie.org, (letzter Abruf 30.09.2022)
  5. McDonagh TA, et al.: EHJ 2021; 42(36): 3599–3726.
  6. Chmiel C, Beise U: Eisenmangel, www.medix.ch/wissen/guidelines, (letzter Abruf 30.09.2022)

HAUSARZT PRAXIS 2022; 17(10): 34
CARDIOVASC 2022; 21(4): 40

Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS 

Das koronare CT hat für den Abklärungsalgorithmus in den aktualisierten Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) einen hohen Stellenwert. Verkalkung ist ein wichtiger prognostischer Indikator und hat therapeutische Implikationen. Unter anderem können Statine in Abhängigkeit des Vorliegens von Koronarkalk zu einer Reduktion des MACE-Risikos beitragen.

Neben der Umbenennung von stabiler Koronarer Herzkrankheit in das chronische Koronarsyndrom (KHK/CCS), hat es in den 2019 veröffentlichten Guidelines der European Society of Cardiology (ESC) auch einige inhaltliche Änderungen gegeben [1]. Von praktischer Relevanz sind vor allem die Überarbeitung der Vortestwahrscheinlichkeit und die Einführung der klinischen Wahrscheinlichkeit. Durch diese Anpassungen soll die diagnostische und prognostische Genauigkeit erhöht werden als Basis für möglichst adäquate Risikoabschätzung und davon abgeleitete Behandlungsmassnahmen erklärte PD Dr. med. Michael Zellweger, Universitätsspital Basel, im Rahmen des FOMF Update Refresher 2020 in Basel [2]. Die neue Bezeichnung «chronisches Koronarsyndrom» (CCS) widerspiegelt das Verständnis eines fortschreitenden Verlaufs der Krankheit mit dem dynamischen Prozess der Atherosklerose.

Vortestwahrscheinlichkeit revidiert

Die Vortestwahrscheinlichkeit («pretest probability», PTP) ermöglicht anhand von Alter, Geschlecht und Symptomatik (typische vs. atypische vs. nichtanginöse Beschwerden) eine Abschätzung der KHK/CCS-Wahrscheinlichkeit [3]. Vor allem bei Frauen wurde in den neuen Leitlinien die Wahrscheinlichkeitskriterien für das Vorliegen von KHK/CCS um etwa einen Drittel nach unten korrigiert, um unnötige Diagnostik zu vermeiden. Zudem wurde als klinisches Hauptsymptom in den aktualisierten Leitlinien die Dyspnoe hinzugenommen, da diese bei vielen Patienten ein bisher nicht hinreichend gewichtetes Symptom von KHK/CCS darstellt. Zusammenfassend ermöglicht die PTP die Einteilung der Patienten in eine niedrige (<15 %), mittlere und hohe Risikogruppe. Liegt die PTP bei <15% sind weitere Abklärungen nur bei Auftreten unklarer Symptome erforderlich. Für eine optimierte Risikostratifizierung wird zudem neuerdings der Miteinbezug der klinischen Wahrscheinlichkeit vorgeschlagen. Bei diesem Zusatzverfahren werden verschiedene Faktoren berücksichtigt, welche die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von KHK/CCS erhöhen respektive verringern (Abb. 1).

Koronares CT für Ausschlussdiagnostik

Nicht- invasive Ischämie-Bildgebung oder Koronar-CT werden bei symptomatischen Patienten als erster Test empfohlen, falls KHK/CCS nicht durch das klinische Assessment ausgeschlossen werden kann. «Die Stärke des koronaren CT ist der hohe negative prädiktive Wert», erklärt der Referent [2]. Dass bei einem normalen Befund der nicht-invasiven Koronar-CT-Untersuchung das Vorliegen von KHK/CCS mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, ist empirisch gesichert [5]. Der Referent illustriert dies anhand eines CT-Bildes mit normalen Herzkranzgefässen, die plaque- und kalkfrei sind. Verkalkung habe eine sehr gute prognostische Aussagekraft. Ist kein Koronarkalk nachweisbar, kann eine sehr gute Langzeitprognose gestellt werden. Dies zeigen Longitudinaldaten mit einem Follow-up Zeitraum von 15 Jahren (n=9715), gemäss welcher die Mortalitätsrate von Patienten ohne Koronarkalk 3% betrug im Vergleich zu 28% bei solchen mit einem Koronarkalkscore >1000 bei Baseline [6]. Bei einem 50- bis 60-jährigen Patienten mit ­einem CAC (Coronary Artery Calcification)-Score von 0, kann von einer 15-jährigen «Garantieperiode» ausgegangen werden. Bezüglich Wiederholung der Risikostratifikation bedeutet dies, dass ohne drastische Veränderung der Symptome eine erneute Testung hinfällig ist. Anhand verschiedener Beispielsbefunde von Koronar-CT-Untersuchungen veranschaulicht der Referent die diagnostischen Kriterien und deren Implikationen für das weitere Abklärungsprozedere:

Beispielbefund 1: Nicht-stenosierende KHK/CCS (CAC-Score >0, oder «soft plaque», <50% Stenose). Neben der Thematisierung von Lifestylefaktoren, stellt sich die Frage, ob eine medikamentöse Prohylaxe mittels Statine oder Aspirin sinnvoll ist.

Beispielbefund 2: Stenosierende KHK/CCS (CAC-Score >0, oder «soft plaque», 50–75% Stenose). Hier stellt sich die Frage, ob hämodynamisch relevant oder nicht. Dazu ist ein funktioneller Test indiziert, zum Beispiel ein Stress-MRI oder ein PET-CT. Kann eine hämodynamisch relevante koronare Herzkrankheit ausgeschlossen werden, sollten Lifestyle-Massnahmen angesprochen werden sowie eventuell prophylaktische medikamentöse Behandlung mit Aspirin oder Statinen. Ergibt der Befund der Nachuntersuchung, dass es sich um eine hämodynamisch relevante koronare Herzkrankheit handelt, was unter Belastung eine grosse Ischämie verursacht und prognostisch hochrelevant ist, sollte der Patient revaskularisiert werden.

Beispielbefund 3: Ergibt das Koronar-CT höchstgradige Stenosen, ist eine direkte invasive Koronar-Angiografie sinnvoll als Grundlage für eine adäquate Behandlung.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine invasive Intervention per Herzkatheter nur für Patienten mit einem hohen Risiko für schwerwiegende Symptome empfohlen wird (Vortestwahrscheinlichkeit >85%), nicht aber bei mittelgradigen Koronarstenosen ohne Ischämien [4].

Statine bei Koronar­verkalkung wirksam

Eine Longitudinalstudie (n=13 644) konnte zeigen, dass der Nutzen einer prophylaktischen Statintherapie vom Grad der Verkalkung abhängig gemacht werden kann. Bei einem CAC-Score von >101 führte eine Statintherapie statistisch signifikant seltener zu MACE (Major adverse cardiac events) im Vergleich zu Patienten ohne Statinbehandlung (p<0,0001, NNT=12) [7]. Bei einem CAC-Score von 0 war hingegen kein Unterschied messbar. Ob und unter welchen Voraussetzungen Aspirin als Primärprävention sinnvoll ist, wird kontrovers diskutiert. Es gibt einige grosse Studien, aus welchen hervorgeht, dass Aspirin als Primärprävention nicht zu empfehlen ist. Der Referent relativiert: «Ja nach CAC-Score sollte eine Aspirintherapie durchaus diskutiert werden», Es gibt empirische Daten, die zeigen, dass eine prophylaktische Aspirinbehandlung bei hohem CAC-Score wirksam sein kann [8]. Die auf der MESA (Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis)-Studie basierende Analyse mit Daten von 4229 Patienten konnte nachweislich belegen, dass Personen mit einem CAC-Score ≥100 von Aspirin als Primärprophylaxe profitieren.

Fazit

«Bei Ausschluss der koronaren Herzkrankheit gewinnt das CT in den neuen Guidelines an Bedeutung. Es wird vor allem im Bereich mit niedriger Vortestwahrscheinlichkeit eingesetzt, wenn überhaupt eine Abklärung nötig ist», fasst Dr. Zellweger zusammen [2]. Bei höherer Vortestwahrscheinlichkeit und klinischer Wahrscheinlichkeit sollten funktionelle Tests zum Tragen kommen. Revaskularisierte Patienten erhalten immer einen funktionellen Test, für diese Patientengruppe ist das CT ungeeignet [2,4].

Quelle: FOMF Basel 

Literatur:

  1. European Society of Cardiology (ESC): www.escardio.org
  2. Zellweger M: Koronare Herzkrankheit – Evaluation und Diagnostik. Folienpräsentation, PD Dr. med. Michael Zellweger, FOMF Update Refresher, Basel, 31.01.2020.
  3. Montalescot G, et al. (Task Force): 2013 ESC guidelines on the management of stable coronary artery disease: the Task Force on the management of stable coronary artery disease of the European Society of Cardiology. Eur Heart J 2013; 34 (38): 2949–3003
  4. Knuuti J, et al.: 2019 ESC Guidelines for the diagnosis and management of chronic coronary syndromes: The Task Force for the diagnosis and management of chronic coronary syndromes of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 2019; ehz425.
  5. Marwick TH, et al.: Finding the Gatekeeper to the Cardiac Catheterization Laboratory: Coronary CT Angiography or Stress Testing? J Am Coll Cardiol 2015; 65(25): 2747–2456.
  6. Shaw LJ, et al.: Long-Term Prognosis After Coronary ­Artery Calcification Testing in Asymptomatic Patients: A Cohort Study. Ann Intern Med 2015]. Ann Intern Med 2015;163(1): 14–21.
  7. Mitchell JD, Fergestrom N, Gage BF, et al.: Impact of statins on cardiovascular outcomes following coro­-
  8. nary artery calcium scoring. J Am Coll Cardiol 2018;72: 3233–3242.
  9. Miedema MD, et al.: Use of coronary artery calcium testing to guide aspirin utilization for primary prevention: estimates from the multi-ethnic study of athero-sclerosis. Circ Cardiovasc Qual Outcomes 2014; 7(3): 453–460.

HAUSARZT PRAXIS 2020; 15(6): 36–37 (veröffentlicht am 16.6.20, ahead of print)

Autoren
  • Mirjam Peter, M.Sc. 
Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS 

Bis zur Menopause reduzieren die weiblichen Hormone das kardiovaskuläre Risiko. Doch das fehlende Bewusstsein unter Frauen, ebenfalls eine KHK entwickeln zu können, ist gefährlich.

Kardiovaskuläre Erkrankungen stellen trotz beträchtlicher medizinischer Fortschritte in den vergangenen Jahrzehnten nach wie vor die Haupttodesursache bei Frauen sowohl in Industriestaaten als auch Entwicklungsländern dar.

Ein unter Frauen geringeres Bewusstsein für Herzerkrankungen sowie das oftmalige Fehlen typischer Symptome speziell bei der koronaren Herzerkrankung (KHK) führen häufig zu verzögerter Diagnostik und damit verspäteter Therapie resp. «Undertreatment» von Frauen mit KHK.

Geschlechterspezifika in puncto Risikofaktoren

Risikofaktoren für kardiovaskuläre Ereignisse bestehen für Männer und Frauen gleichermassen, ihre Gewichtung ist jedoch unterschiedlich. Erhöhter Blutdruck, Übergewicht und pathologischer Lipidstatus tragen bei Männern und Frauen in vergleichbarem Ausmass zu kardialen Komplikationen bei, während über Jahre praktiziertes Rauchen sowie Diabetes mellitus als Risikofaktoren bei Frauen wesentlich relevanter sind (Abb. 1).

Die weiblichen Hormone haben bis zum Erreichen der Menopause eine protektive Wirkung, weshalb der Manifestationszeitpunkt für kardiovaskuläre Erkrankungen bei Frauen durchschnittlich zehn Jahre später auftritt. In diesem Alter liegen ausserdem mehr Risikofaktoren vor, was zu einer höheren Komplikationsrate in Assoziation zum kardiovaskulären Ereignis führt.

Vermehrt Beachtung findet die familiäre Hypercholesterinämie (FH), die durch erhöhte LDL-Cholesterin-Werte gekennzeichnet ist und, falls sie bereits in der Kindheit auftritt, zu prämaturem Infarkt führen kann (20% der Myokardinfarkte vor dem 45. Lebensjahr sind durch FH bedingt). Männer er­kranken früher, postmenopausale Frauen dann sehr rasch; d.h. viele Frauen erleiden ihren Infarkt um das 50. Lebensjahr oder sogar schon in der dritten und vierten Lebensdekade.

Mehrere Daten weisen darauf hin, dass Rauchen besonders bei jüngeren Frauen mit einer im Vergleich zu männlichen Rauchern deutlich erhöhten Risikokonstellation vergesellschaftet ist. In einer skandinavischen Studie betrug das relative Risiko (RR) für einen ersten Myokardinfarkt bei Frauen 9,4 im Vergleich zu Männern (RR: 2,9). Erklärungen dafür fanden sich in einem deutlich veränderten Lipid-Metabolismus bzw. im antiöstrogenen Effekt des Zigarettenrauchens bei rauchenden Frauen.

Unterschiede in Epidemiologie, klinischer Präsentation und Diagnostik

Bei Männern manifestiert sich die koronare Herzkrankheit in jedem Lebensalter häufiger als bei Frauen, auch wenn die Mortalität bei Frauen – aufgrund des höheren Lebensalters – höher ist als in der männlichen Population. Immer wieder wird von geschlechterspezifischen Unterschieden im klinischen Bild berichtet: Bei Frauen sei die Angina pectoris-Symptomatik viel untypischer und würde deshalb häufig nicht als KHK-assoziiert erkannt. Allerdings zeigen mehrere Studien, dass beim akuten Koronarsyndrom/Myokardinfarkt bei mehr als 70% der Frauen die Ischämie-spezifischen Symptome ebenso typisch vorhanden sind wie bei männlichen Patienten. Im Stadium der stabilen KHK stehen bei Frauen Symptome wie Atemnot, Engegefühl in der Brust, Übelkeit sowie allgemeine Müdigkeit im Vordergrund.

Als nichtinvasives Diagnoseverfahren zur Detektion bzw. Erfassung der Dimension einer KHK bietet sich in erster Linie das Belastungs-EKG an. Die mittlere Spezifität beträgt bei Frauen 70% (bei Männern 77%), was im Umkehrschluss bedeutet, dass bei 30% der Untersuchten falsch-positive Resultate nach Belastungs-EKG-Messung vorliegen; der positiv prädiktive Wert beträgt für Frauen 50% und für Männer 70%. Thoraxschmerzen sind als Symptom in der weiblichen Population wenig prädiktiv. Es existieren jedoch Parameter wie die Belastungsdauer bzw. Belastungskapazität oder die Geschwindigkeit der Herzfrequenzerholung 1–2 Minuten nach Belastungsende, die valide Aussagen bezüglich weiterem Vorgehen und allgemeiner Prognose ermöglichen. Bildgebende Verfahren während der Belastung (z.B. Echokardiografie), nuklearmedizinische Verfahren wie Myokardperfusionsszintigrafie mittels SPECT oder Positronenemissionstomografie (PET) erhöhen in der Folge die Aussagekraft.

Bei Hinweisen auf das Vorliegen einer KHK, besonders vor dem Hintergrund eines entsprechenden Risikoprofils, sollte rasch eine invasive Abklärung mittels Koronarangiografie erfolgen. Daten aus der jüngeren Zeit belegen, dass der Weg für Frauen bis zum endgültigen Beweis bzw. Ausschluss einer obstruktiven KHK durch eine Herzkatheteruntersuchung um vieles länger (und mühevoller) ist als für männliche Leidende.

Obwohl eine Obstruktion an den Koronararterien auch bei Frauen die häufigste Ursache für KHK ist, liegt eine nicht-obstruktive KHK bei weiblichen Patienten häufiger vor als bei männlichen (Abb. 2). In diesem Zusammenhang werden verschiedene Wirkungsmechanismen diskutiert, darunter insb. eine mikrovaskuläre koronare Dysfunktion mit gestörter Dilatationskapazität. Die Berechnung der sog. koronaren Flussreserve erfolgt mittels nichtinvasiver Verfahren wie PET. Daraus folgende pathologische Befunde sind eindeutig mit einer schlechteren Prognose vergesellschaftet. Diese Zusammenhänge zwischen koronarer vasomotorischer Dysfunktion und Komorbiditäten wie z.B. Insulinresistenz leiten möglicherweise die Entwicklung neuer Therapiestrategien zur Revaskularisation und nicht nur zur Verbesserung der anatomischen Gegebenheiten ein. Ganz neue Perspektiven könnten sich durch den Einsatz von stark lipidsenkenden Substanzen (PCSK9-Inhibitoren), antiinflammatorischen Wirkstoffen (z.B. Interleukin 1-Inhibitoren) oder neurohumoral modulierenden Substanzen eröffnen.

Darüber hinaus ergeben sich bei Frauen – obschon selten – öfter klinische Situationen mit Thoraxschmerzen und myokardialer Ischämie, so im Falle der Tako Tsubo-Kardiomyopathie (TCM) oder von Koronardissektionen besonders in der Peripartum-Phase. Die TCM ist ein zwar seltenes, aber dramatisches Bild: Beim akuten Myokardinfarkt äussert sie sich über Echokardiografie oder Laevokardiografie als «apical ballooning»; sie tritt vorwiegend bei postmenopausalen Frauen und oft durch emotionalen Stress in Zusammenhang mit einem «dramatischen» Ereignis auf und wird daher auch als Gebrochenes-Herz-Syndrom bezeichnet. Die Prognose ist im Allgemeinen sehr gut, nachweisbare Residuen am Herzmuskel sind selten.

Management des akuten Koronarsyndroms/Myokardinfarkts

Perkutane Interventionen (PCI) sind bei einem Grossteil der Patienten die Therapie der Wahl, um die Funktionseinschränkung des linken Ventrikels so gering wie möglich zu halten. Die Devise «time is muscle» bedeutet deshalb, die Zeitspanne zwischen dem Auftreten infarkttypischer Beschwerden und der Wiedereröffnung des Koronargefässes so kurz wie möglich zu halten. Dies gelingt inzwischen in gut organisierten Städten und Regionen auf zufriedenstellende Weise. Dennoch zeigen sich anhand internationaler Register oder auch des Wiener Infarktnetzes relevante zeitliche Unterschiede von bis zu einer Stunde: Frauen kontaktieren das Rettungswesen deutlich später als männliche Infarktpatienten, was insgesamt zu einer verlängerten Prähospitalzeit führt. Auch hier gilt wie bei anderen Aspekten des Themenbereichs «Frauen und KHK»: Aufklären und Zeit gewinnen!

Die höhere Hospitalmortalität bei akutem Myokardinfarkt bei Frauen ist vor allem dem höheren Lebensalter und damit dem grösseren Ausmass an Multimorbidität geschuldet. Für den kardiogenen Schock gilt das weibliche Geschlecht, unabhängig von begleitenden Komorbiditäten, als unabhängiger Prädiktor für ein deutlich schlechteres Überleben.

Kardiovaskuläre Implikationen vonKrebserkrankungen bei Frauen

Kardiovaskuläre Erkrankungen sind die Haupttodesursache bei Frauen, gefolgt von Karzinomerkrankungen. Zum einen liegen für beide Krankheitsentitäten manch gemeinsame Risikofaktoren vor, zum anderen können Karzinomtherapien wie kardiotoxisch wirkende Chemotherapien zu einer Aggravation von Herzerkrankungen führen.

Gemeinsame Risikofaktoren sind Adipositas und ein darauf aufbauendes metabolisches Syndrom, der Diabetes mellitus per se sowie ein insgesamt der Gesundheit abträgliches Verhalten wie mangelnde körperliche Aktivität, nährstoffarme Lebensmittel und ein damit oft assoziierter niedriger sozialer Status. Bei Brustkrebs, der häufigsten weiblichen Karzinomform, kommen verschiedene, potenziell kardiotoxisch wirkende Substanzen zum Einsatz, so z.B. Anthrazykline, Taxane oder Trastuzumab mit unterschiedlicher kardialer Toxizität, die u.a. in Abhängigkeit zu kombiniert verabreichten Substanzen steht.

Ausblick

Das Bewusstsein für Gendermedizin hat sich in den 1970/80er-Jahren anhand von geschlechterspezifischen Unterschieden bezüglich Wahrnehmung, Diagnostik und Therapie von Herzerkrankungen entwickelt (Abb. 3). Inzwischen wird intensiv Forschung auf diesem Gebiet betrieben, was sich in der Weiterentwicklung von Diagnose- und Therapieverfahren äussert. Möglicherweise bleibt bei allem akademischen Interesse an Unterschieden ein Hauptrisikofaktor bestehen: das fehlende Bewusstsein unter Frauen sowie innerhalb der medizinischen Community, dass Herzkreislauferkrankungen auf der Basis der Risikofaktoren Hypertonie, Adipositas, Rauchen und metabolisches Syndrom für Frauen ein deutlich höheres Risiko bezüglich Morbidität und Mortalität darstellen.

Take-Home-Messages

  • Die natürlich wirksamen weiblichen Hormone reduzieren das kardio­vaskuläre Risiko.
  • Nach der Menopause erreicht das Risiko für KHK bei Frauen dasselbe Ausmass wie bei Männern.
  • Die Risikofaktoren für die Entwicklung einer KHK sind bei Männern und Frauen identisch, manche (z.B. Rauchen) bedeuten jedoch für Frauen im Vergleich zu männlichen Rauchern ein viel höheres kardiovaskuläres Risiko.
  • Das fehlende Bewusstsein unter Frauen, ebenfalls eine KHK entwickeln zu können, ist einer der grössten Risikofaktoren.
  • In der stabilen KHK sind die Symptome bei Frauen oft weniger typisch und werden mitunter falsch interpretiert. Beim akuten Koronarsyndrom/Myokardinfarkt zeigen Frauen und Männer eine vergleichbare typische Symptomatik.

Literatur:

  1. Kannel WB: Clinical Misconceptions Dispelled by Epidemiological Research. Circulation 1995; 92(11): 3350–3360.
  2. Jespersen L, et al.: Stable angina pectoris with no obstructive coronary artery disease is associated with increased risks of major cardiovascular events. Eur Heart J 2012; 33(6): 734–744.
  3. Mosca L, et al.: Fifteen-year trends in awareness of heart disease in women. Results of a 2012 American Heart Association national survey. Ciruclation 2013; 127(11): 1254–1263.

Weiterführende Literatur:

  • Akhter N, et al.: Gender differences among patients with acute coronary syndromes undergoing percutaneous coro­na­ry intervention in the American College of Cardiology-­National Cardiovascular Data Registry (ACCNCDR). Am Heart J 2009; 157(1): 141–148.
  • Canoy D, et al.: Million Women Study Collaborators. Body mass index and incident coronary heart disease in ­women: a population-based prospective study. BMC Med 2013; 11: 87.
  • Chomistek AK, et al.: Relationship of sedentary behavior and physical activity to incident cardiovascular disease: results from the Women’s Health Initiative. J Am Coll ­Cardiol 2013; 61(23): 2346–2354.
  • Glaser R, et al.: Effect of gender on prognosis following percutaneous coronary intervention for stable angina pectoris and acute coronary syndromes. Am J Cardiol 2006; 98(11): 1446–1450.
  • Hansen CL, Crabbe D, Rubin S: Lower diagnostic accuracy of thallium-201 SPECT myocardial perfusion imaging in women: an effect of smaller chamber size. J Am Coll Cardiol 1996; 28(5): 1214–1219.
  • Kwok Y, et al.: Meta-analysis of exercise testing to detect coronary artery disease in women. Am J Cardiol 1999; 83(5): 660–666.
  • Mosca L, et al.: Effectiveness-based guidelines for the prevention of cardiovascular disease in women – 2011 update: a guideline from the American Heart Association national survey. J Am Coll Cardiol 2011; 57(12): 1404–1423.
  • Tamis-Holland JE, et al.: Sex differences in presentation and outcome among patients with type 2 diabetes and coronary artery disease treated with contemporary medical therapy with or without prompt revascularization: a report from the BARI 2 Trial. J Am Coll Cardiol 2013; 61(17): 1767–1776.
  • Tamura A, et al.: Gender differences in symptoms during 60-second ballon occlusion of the coronary artery. Am J Cardiol 2013; 111(12): 1751–1754.

CARDIOVASC 2018; 17(4): 7–10

Autoren
  • Univ. Prof. Dr. med. Andrea Podczeck-Schweighofer 
Publikation
  • CARDIOVASC 

Seit 2018 erfolgte die Aktualisierung der S3-Leitlinie Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose (AWMF 183-001) nach vorherigem Update der zugrunde liegenden PICO-Fragen (Population-Intervention-Comparison-Outcome-Fragen) zur systematischen Literaturrecherche. Diese wurde im Mai/Juni 2023 begutachtet und diskutiert und die Veröffentlichung ist nach der Verabschiedung durch die Fachgesellschaften im September 2023 erfolgt. Im Fokus der Leitlinienaktualisierung stand neben der Aktualisierung der Evidenz belegenden Literatur nebst Empfehlungen die Entwicklung eines Risikorechners für vertebrale Frakturen und Schenkelhalsfrakturen.

Seit 2018 erfolgte die Aktualisierung der vorliegenden S3-Leitlinie Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose (AWMF 183-001) nach vorherigem Update der zugrunde liegenden PICO-Fragen (Population-Intervention-Comparison-Outcome-Fragen) zur systematischen Literaturrecherche. Diese wurde in einer Konsultationsfassung im Mai/Juni 2023 begutachtet und diskutiert und die Veröfffentlichung ist nach der Verabschiedung durch die Fachgesellschaften im September 2023 erfolgt. Im Fokus der Leitlinien­aktualisierung stand neben der Aktualisierung der Evidenz belegenden Literatur nebst Empfehlungen die Entwicklung eines Risikorechners für vertebrale Frakturen und Schenkelhalsfrakturen. Dieser ist aufgrund der Vielzahl von Risikofaktoren, die zum Frakturrisiko beitragen, zur Handhabung der Risikoerfassung essenziell. Dieser Beitrag betrachtet die Entwicklung der Leitlinienaktualisierung inhaltlich, dies durch Reflexion der Kernthemen der Leitlinienaktualisierung.

Einführung

Ein Frakturrisiko lässt sich nicht allein durch die Bestimmung der Knochendichte vorhersagen. Wichtig sind die Erhebung und Berücksichtigung von Risikofaktoren, die das Frakturrisiko individuell bei Vorliegen erhöhen. Weltweit sind für die Berechnung des Frakturrisikos Risikokalkulatoren entwickelt worden und seit 2006 existiert das Risikomodell des Dachverbandes Osteologie (DVO) zur Berechnung des Risikos für vertebrale und Schenkelhalsfrakturen, das im Rahmen der Leitlinien des DVO zur Risikoberechnung verwendet wird. Hiermit unterscheidet sich das Ziel der Frakturvorhersage von dem weltweit am häufigsten verwendeten Risikokalkulator, dem FRAX. Denn dieser zielt auf die Vorhersage von klinischen vertebralen Frakturen, Schenkelhalsfrakturen, Humerusfrakturen und distalen Radiusfrakturen. 

Im Rahmen der Leitlinienbearbeitung wurden die Risikofaktoren für vertebrale Frakturen und Schenkelhalsfrakturen umfassend aufgearbeitet. Dazu wurde ein Risikorechner entwickelt, der nach Validierung und Zertifizierung webbasiert eingesetzt werden soll. Da dieser aufgrund der notwendigen Validierung und Zertifizierung noch nicht fertiggestellt ist, wird in der Zeit der Überbrückung eine Papierversion des Risikorechners zur Verfügung gestellt (siehe auch Tabelle 1  als Beispiel).

Die Risikofaktoren, die das Risiko für vertebrale und Schenkelhalsfrakturen erhöhen und die in diesem Risikorechner berücksichtigt werden, sind vielfältig (101 Kandidaten nach Literaturrecherche). Aus diesem Grunde wurden sie nach Prävalenz und Ausmass der Fraktur-Risikoerhöhung, also klinischer Relevanz, priorisiert, 33 Risikofaktoren werden somit in der Risikoberechnung berücksichtigt (Tab.  1).Denn nicht jeder vorliegende Frakturrisikofaktor erhöht das Risiko für eine vertebrale oder Schenkelhalsfraktur im gleichen Masse, und aufgrund vorhandener oder unbekannter Interaktion von Risikofaktoren sollen nicht mehr als zwei Risikofaktoren neben Alter, Geschlecht und Knochendichtemesswert in der Berechnung des absoluten Frakturrisikos berücksichtigt werden. Wichtig für die Bewertung des Risikos ist das Erreichen der durch die Leitlinien definierten Therapieschwellen.

Diagnostik und Therapieschwellen im neuen Risikomodell der Leitlinie 2023

Empfehlung zur Osteoporosediagnostik

Angelehnt an die vorherigen Leitlinienversionen wird eine Basisdiagnostik bei Frauen nach Eintritt der Menopause und bei Männern ab dem Alter von 50 Jahren in Abhängigkeit vom individuell vorliegenden Frakturrisikofaktorenprofil empfohlen. Diese Empfehlung ist an die SIGN-Empfehlungen adaptiert (SIGN revised Version Jan 202: 2.1 und 3.0–3.6), die besagt, dass ab dem Alter von 50 Jahren bei Auftreten verschiedenster Risikofaktoren eine Basisdiagnostik empfohlen werden sollte. Ab diesem Alter ist es sinnvoll zu eruieren, ob Risikofaktoren für ein erhöhtes Frakturrisiko vorliegen. Ab dem Alter von 70 Jahren ist das Frakturrisiko so hoch, dass eine Knochen­dich­te­messung sinnvoll erscheint, solange sich daraus spezifische therapeutische Konsequenzen ableiten sollen, sprich eine Therapie auch in Betracht gezogen wird. Eine ärztlich als relevant erachtete Risikofaktorenkonstellation ist für die Indikationsstellung zur Osteoporosediagnostik zu beachten, eine spezifische Frakturrisikoschwelle wird im Gegensatz zur vorherigen Version der Leitlinie nicht aufrechterhalten. Dies folgt dem Gedanken des Risikoadaptierten Case Findings. Neben den Risikofaktoren werden Risikoindikatoren zur Indikationsstellung für eine Basisdiagnostik berücksichtigt. Hierbei handelt es sich um Risikofaktoren, die nicht in die Risikoberechnung eingehen, die aber auf die Notwendigkeit für eine mögliche Osteoporose-Basisdiagnostik hinwiesen (Tab. 1).

Des Weiteren gilt wie bereits zuvor: Typische Fragilitätsfrakturen der Wirbelkörper oder des Femurs erhöhen das Frakturrisiko so substanziell, dass eine Therapie auch ohne Vorliegen eines Knochendichteergebnisses empfohlen werden kann. Eine Knochendichtemessung ist in diesem Falle vor Einleitung der Therapie nicht obligat.

Weitere Neuerungen in der Diagnostik

1. Faktoren, die imminent** das Frakturrisiko erhöhen: Die Liste der Faktoren, die das Frakturrisiko individuell erhöhen, ist lang. Das Ausmass der Frakturrisikoerhöhung durch einzelne Risikofaktoren ist unterschiedlich. So sind inzidente vertebrale oder Oberschenkelhalsfrakturen und die Glukokortikoidtherapie >7,5 mg/d >3 Monate Risikofaktoren, die besonders im ersten Jahr nach Auftreten das Frakturrisiko deutlich erhöhen. Dieses kurzfristig betonte, unmittelbar bedrohlich erhöhte Risiko für eine Fraktur, international «imminentes Frakturrisiko» genannt, ist in den letzten Jahren immer mehr in den Vordergrund gerückt. Eine rasch nach Frakturgeschehen eingeleitete Diagnostik wie auch eine eingeleitete medikamentöse Osteoporosetherapie sollen das imminente Frakturrisiko effektiv senken und so vermeidbare Frakturen verhindern. 

** Definition Imminentes Frakturrisiko: Sehr hohes Risiko für eine unmittelbar bevorstehende Fraktur, bedingt durch einen plötzlich aufgetretenen, sehr starken Frakturrisikofaktor, der eine kurzfristige, deutliche Frakturrisikoerhöhung bewirkt.

2. Risikokalkulation: Durch die zunehmende Anzahl an Faktoren, die das individuelle Frakturrisiko verändern , und die aber nicht vollkommen unabhängig voneinander das Frakturrisiko beeinflussen, ist die Einbindung eines Risikorechners zur Beurteilung des Frakturrisikos Ziel in der Diagnostik. Dies ist auch vorgesehen, um mehr Fachdisziplinen in das Screening für Osteoporose einzubinden. 

3. Knochendichte und Differenziallabor in der Basis­diagnostik: Angelehnt an die Empfehlungen der International Society for Clinical Densitometry (ISCD) wird neben der Messung der Wirbelsäule eine beidseitige Messung an der Hüfte empfohlen. Hierbei soll der niedrigste der zwei Femurhals- und Femurgesamt(Total Hip)-Werte als T-Score berücksichtigt werden, nicht der Mittelwert. Der T-Score Total Hip ist der Wert, der bei der Verwendung der Tabellen zur Therapieschwellen-Bestimmung beachtet werden soll.

Im Differenziallabor wird die Serum-Eiweisselektrophorese nun als Bestandteil des Basislabors genannt, nicht optional, des Weiteren werden CRP und BSG empfohlen, da ersteres vorwiegend auf eine Erhöhung von Interleukinen, die BSG auf eine Veränderung der Plasmaproteine reagiert

4. Diagnostik vertebraler Frakturen: Der DVO-Algorithmus berechnet das Frakturrisiko bezogen auf vertebrale Frakturen und Oberschenkelhalsfrakturen. Dass vertebrale Frakturen unterdiagnostiziert sind, ist bekannt. Eine Möglichkeit, vertebrale Frakturen zu diagnostizieren, bietet das Knochendichteverfahren Duale-Röntgen-Absorptiometrie (DXA) mit zusätzlichen Aufnahmen der lateralen Wirbelsäule durch das Vertebral Fracture Assessments (VFA). Ebenfalls aus der DXA-Messung ableitbar ist der Trabecular Bone Score (TBS), ein Parameter für die trabekuläre Knochenstruktur innerhalb der Wirbelkörper, der unabhängig von der Knochendichte das Frakturrisiko beeinflusst. Eine weitere Entwicklung bietet zudem die Auswertung konventioneller, z.B. CT-Abdomen-Bilder mit Programmen, die mithilfe künstlicher Intelligenz entwickelt wurden.

Therapieschwellen

Anders als in der vorherigen Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose des DVO (Version 2017) soll nicht nur eine Therapieschwelle festgelegt werden, sondern drei. Dies ist dem Wissen um differenzialtherapeutische Ansätze geschuldet, die unterschiedlich stark und schnell das bestehende Frakturrisiko senken. Nicht jeder Therapieansatz ist gleichermassen jederzeit optimal zur Frakturrisikosenkung geeignet. Zur Umsetzung der verschiedenen Therapieschwellen werden in der demnächst veröffentlichten Leitlinie Empfehlungen ausgesprochen. Für die Definition der Therapieschwellen wurde der Vorhersagezeitraum von 10 Jahre auf drei reduziert, da dieser Zeitraum einfacher im Gespräch mit den Patientinnen und Patienten i.S. eines «shared decision Prozesses» vermittelt werden kann, v.a. aber weil die meisten Studien einen 10-Jahres-Zeitraum nur durch Extrapolation der Frakturdaten abdecken lassen.

Die folgenden Therapieschwellen wurden festgelegt:

  • 3–<5%/3 Jahre: Sollte eine medikamentöse Therapie in Betracht gezogen werden
  • 5–<10%/3 Jahre: Soll eine medikamentöse Therapie empfohlen werden
  • ab 10%/3 Jahre: Soll eine osteoanabole Therapie empfohlen werden, ggf. auch als Ersttherapie

Exemplarisch erfolgt in Tabelle 2 die Darstellung der 5%-Frakturrisikoschwelle für Frauen. 

Therapie

Empfehlungen zur Basistherapie

Bei Patientinnen und Patienten ohne eine medikamentöse Therapie wird die tägliche Zufuhr von mindestens 1000 mg Kalzium über die Ernährung empfohlen. Eine Supplementierung ist nur dann empfohlen, wenn 1000 mg Kalzium/Tag nicht sicher mit der Nahrung zugeführt werden. Die maximale tägliche Aufnahme von Kalzium soll 2000–2500 mg/Tag nicht überschreiten. Neben der Kalziumzufuhr sind 800–1000 internationale Einheiten (IE) Vitamin D3 täglich empfohlen. Dabei sollten 2000–4000 I.E. Cholecalciferol pro Tag nicht überschritten werden und die wöchentlich als Bolus Dosierung nicht 20 000 IE Cholecalciferol.

Es ist eine ausreichende Versorgung mit Vitamin K, Vitamin B und Folsäure als allgemeine Vorsorge empfohlen. Bis auf den Ausgleich eines Vitamin-K-­Mangels, der z.B. bei chronisch Kranken vorkommen kann, wird jedoch keine weitergehende Empfehlung für eine Vitamin K2 ausgesprochen [1].

Insbesondere bei älteren Menschen soll ein Programm zur Sturz­ und Frakturprophylaxe im Rahmen der Osteoporosetherapie durchgeführt werden, nach Sturz ein Sturzrisikosassessment erfolgen und die Ursache des Sturzes untersucht werden. Hierzu gehört auch eine Visuskontrolle. Eine regelmässige, an den funktionellen Status angepasste körperliche Aktivität soll gefördert werden. Das empfohlene Ziel der körperlichen Aktivität ist die Verbesserung der Muskelkraft, des Gleichgewichtssinns, der Reaktionsgeschwindigkeit und der Koordination. Zudem sollte Immobilisation vermieden werden [2].

Empfehlungen zur medikamentösen Therapie

In Tabelle 3 sind die bewerteten Medikamente aufgeführt. Östrogene sollen bei der postmenopausalen Frau nur dann zur Anwendung kommen, wenn hierfür von gynäkologischer Seite aufgrund einer bestehenden Beschwerdesymptomatik eine Indikation gestellt wurde, oder aber für alle anderen Therapieansätze bei diagnostizierter Frakturrisikoerhöhung i.S. einer Osteoporose eine Kontraindikation besteht. Werden Östrogene eingenommen, so ist in der Regel keine weitere Osteoporosetherapie parallel, mit Ausnahme der Hochrisikopatientinnen mit einem Frakturrisiko ab 10%/3 Jahre, notwendig.

Neue und neu bewertete Substanzen: 2020 wurde der Sklerostinantikörper Romosozumab zur Therapie der manifesten Osteoporose der postmenopausalen Frau mit deutlich erhöhtem Frakturrisiko in Deutschland und der Schweiz eingeführt. Romosozumab stellt eine weitere osteoanabole Therapiemöglichkeit neben Teriparatid dar. Ein Zyklus der Romosozumab-Therapie beträgt 12 Monate und senkt das Frakturrisiko im Vergleich zu dem oralen Bisphosphonat Alendronat stärker [3]. Zum osteoanabol wirkenden Teriparatid liegen nun Daten zur Senkung des Oberschenkelhalsfrakturrisikos aus Metaanalysen vor [4].

Differenzialtherapie: Die Indikation für den Einsatz des osteoanabol wirkenden Romosozumab ist auf postmenopausale Frauen mit einem deutlich erhöht liegenden Frakturrisiko begrenzt. Die Indikation von Teriparatid besteht für postmenopausale Frauen und Männer mit einem hohen Frakturrisiko, inklusive Langzeit-Glukokortikoidtherapie-assoziierter Osteoporose bei hohem Frakturrisiko. Was exakt mit dem Begriff «deutlich erhöhtes Frakturrisiko» und «hohes Frakturrisiko» umfasst wird, ist Thema zahlreicher Veröffentlichungen. Hierbei kann Bezug auf die Studieneinschlusskriterien oder das Ausmass der Frakturrisikoerhöhung genommen werden, die Diskussion hierzu ist noch nicht beendet. Wichtiger Punkt ist aber die hieraus resultierende Empfehlung in der Differenzialtherapie. Liegt ein imminent erhöhtes Frakturrisiko vor, so ist i.d.R. auch eine Hochrisikosituation bzw. ein hohes Frakturrisiko gegeben. 

Mit zwei auf der Website des DVO veröffentlichten Statements wurde bereits eine Favorisierung osteoanaboler Therapieansätze nach vertebralen Frakturen und Oberschenkelhalsfrakturen im Vergleich zu oralen Bisphosphonaten formuliert, Statements, deren Aussage in das Kapitel Differenzialtherapie miteinfliessen sollen. Generell gilt: Je imminenter und höher das unmittelbar bestehende Frakturrisiko ist, desto schneller und effektiver muss das Frakturrisiko gesenkt werden. Dies ist mit osteoanabol wirkenden Medikamenten möglich, die gleichzeitig der «Skelettinsuffizienz», definiert durch eine verminderte Knochenstruktur und -qualität, klinisch resultierend in einer fortgeschrittenen Osteoporose, entgegenwirken und Knochenstruktur, -festigkeit und -qualität verbessern [5]. Die osteoanabole Therapieschwelle liegt bei 10%/3 Jahre. Eine rasche Senkung des imminent erhöht liegenden Frakturrisikos ist auch mit potenten, parenteral verabreichbaren Antiresorptiva wie Denosumab und Zoledronat möglich [6], dies jedoch ohne Veränderung der zuvor hervorgehobenen Knochenqualität. Das imminente Frakturrisiko geht auch mit einem erhöhtem Langzeitfrakturrisiko einher, was bei einer chronischen Erkrankung wie Osteoporose in der Sequenztherapie zu berücksichtigen ist.

Und hervorgehoben wird, was wichtig für die am meisten verordnete Substanz, die Bisphosphonate, ist: Im Sinne der Risiko-Nutzen-Abwägung einer Therapie, die das seltene Vorkommen einer Kieferosteonekrose (AR-ONJ) unter antiresorptiver Therapie berücksichtigt (0,7 pro 100 000 Lebensjahre) [7] soll nicht mehr vor Beginn, sondern mit Beginn einer Therapie mit Bisphosphonaten, Denosumab oder Romosozumab eine zahnärztliche Vorstellung empfohlen werden. Der Beginn der Osteoporosetherapie soll wegen der niedrigen AR-ONJ-Ereignisrate durch eine zahnärztliche ONJ-Prophylaxe nicht hinausgezögert werden.

5. Verlaufsdiagnostik unter medikamentöser Therapie: Für Knochendichteverlaufskontrollen liegen Daten für einen Zusatznutzen im Rahmen einer Verlaufskontrolle vor. Zum einen hinsichtlich Verbesserung der Therapieadhärenz [8], zum anderen zur Vorhersage der zu erwartenden Frakturrisikosenkung unter medikamentöser Therapie [9].

Für Knochenumbauparamater zeigen Daten einer Metaregression [10], dass diese Parameter auch zur Verbesserung der Medikamentenpersistenz, zur Vorhersage der Frakturrisikosenkung nach Beginn einer spezifischen Osteoporosetherapie und zur Überwachung von Pausierungen der spezifischen Osteoporosetherapie genutzt werden können. 

Take-Home-Messages

  • Eine Osteoporosediagnostik ist dann empfohlen, wenn eine ärztlich als relevant erachtete Frakturrisikokonstellation vorliegt. 
  • Generell sollte ausserdem eine Osteoporosediagnostik ab dem Alter von 70 Jahren bei Männern und Frauen aufgrund des mit dem Alter ansteigenden Frakturrisikos empfohlen werden.
  • Die Therapie der Osteoporose soll am individuellen Frakturrisiko ausgerichtet sein und immer mit den basistherapeutischen Massnahmen verbunden werden.
  • Zur Optimierung der Therapie sind drei Therapieschwellen festgelegt worden. Eine Schwelle ist für die osteoanabole Therapieempfehlung
    definiert.
  • Eine Therapie mit Bisphosphonaten, Denosumab, Romosozumab soll nicht wegen der niedrigen Kieferosteonekrosen-Ereignisrate durch eine zahnärztliche Kiefernekrosen-Prophylaxe hinausgezögert werden.

Literatur:

  1. Maus U, Kuehlein T, Jakob F, et al.: Basistherapie: Kalzium, Vitamin D und K, Ernährung, Körperliches Training. Osteologie 2023; 32(02): 110–114.
  2. Thomasius F, Maus U, Niedhart C, et al.: Generelle Fraktur-und Osteoporoseprophylaxe: Fokus Sturz. Osteologie 2023; 32(02): 104–109.
  3. Saag KG, Petersen J, Brandi ML, et al.: Romosozumab or Alendronate for Fracture Prevention in Women with Osteoporosis. N Engl J Med 2017; 377(15): 1417–1427.
  4. Simpson EL, Martyn-St James M, Hamilton J, et al.: Clinical effectiveness of denosumab, raloxifene, romosozumab, and teriparatide for the prevention of osteoporotic fragility fractures: a systematic review and network meta-analysis. Bone 2020; 130: 115081.
  5. Curtis EM, Reginster JY, Al-Daghri N, et al.: Management of patients at very high risk of osteoporotic fractures through sequential treatments. Aging Clinical and Experimental Research 2022; 1–20.
  6. Iconaru L, et al.: Which treatment to prevent an imminent fracture? Bone reports 2021; 15: 101105.
  7. Camacho PM, Petak SM, Binkley N, et al.: American association of clinical endocrinologists and American college of endocrinology clinical practice guidelines for the diagnosis and treatment of postmenopausal osteoporosis. Endocr Pract 2016; 22: 1–42; doi: 10.4158/EP161435.GL.
  8. Leslie WD, Morin SN, Martineau P, et al.: Association of Bone Density Monitoring in Routine Clinical Practice With Anti-Osteoporosis Medication Use and Incident Fractures: A Matched Cohort Study. J Bone Miner Res 2019; 34(10): 1808–1814; doi: 10.1002/jbmr.3813. 
  9. Bouxsein ML, Eastell R, Lui LY, et al.: Change in Bone Density and Reduction in Fracture Risk: A Meta-Regression of Published Trials. J Bone Miner Res 2019; 34(4): 632–642; doi: 10.1002/jbmr.3641. 
  10. Bauer DC, Black DM, Bouxsein ML, et al.: Treatment-Related Changes in Bone Turnover and Fracture Risk Reduction in Clinical Trials of Anti-Resorptive Drugs: A Meta-Regression. J Bone Miner Res 2018; 33(4): 634–642; doi: 10.1002/jbmr.3355.
  11. Dachverband Osteologie (DVO): S3-Leitlinie Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen und bei Männern ab dem 50. Lebensjahr, Version 2.0, vom 06.09.2023;
    https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/183-001; letzter Zugriff: 18.09.2023.

InFo RHEUMATOLOGIE 2023; 5(2): 12–17

Autoren
  • Dr. med. Friederike Thomasius 
Publikation
  • INFO RHEUMATOLOGIE 

Osteoporotische Frakturen betreffend gehört die Schweiz zusammen mit Schweden und den USA zu den Hochrisikoländern. Eine 50-jährige Schweizer Frau hat ein Risiko von 51,3%, im Rest ihres Lebens eine osteoporotische Fraktur zu erleiden. Für Männer ist das Risiko mit 20,2% deutlich geringer, aber immer noch bedeutend [1]. Prof. Dr. med. Marius Kränzlin, Basel, gab anlässlich der diesjährigen Jahrestagung der SGIM einen Überblick über die aktuellen Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie der Osteoporose.

Obwohl immer mehr Zahlen darauf hindeuten, dass die Frakturinzidenz seit der Einführung der Bisphosphonate abnimmt, haben die Anzahl der Hospitalisierungen aufgrund osteoporotischer Fraktur von 2000 bis 2008 in der Schweiz um 17%, die Hospitalisierungskosten gar um 30% zugenommen [2]. Diese Zahlen zeigen, wie wichtig es ist, die Patienten mit einem hohen Risiko zu identifizieren, um sie geeignet behandeln zu können. «Wir wissen zwar, dass die Abnahme der Knochendichte um eine Standardabweichung das relative Frakturrisiko verdoppelt, trotzdem mussten wir in den letzten Jahren lernen, dass sich die Densitometrie nicht zum Screening eignet, da die Spezifität mit >80% zwar sehr gut, die Sensitivität aber schlecht ist», so Prof. Dr. med. Marius Kränzlin, Basel, in seinem Vortrag an der diesjährigen Jahrestagung der SGIM.

Einerseits treten 50% der osteoporotischen Frakturen bereits im osteopenischen Stadium auf, also bevor der diagnostische Schwellenwert (T-Score -2,5) erreicht wird, andererseits gibt es Patienten mit einem sehr tiefen T-Score, die über viele Jahre keine Fraktur erleiden. Dies zeigt, dass die Knochendichte nicht der einzige Faktor für das Frakturrisiko ist. In vielen Ländern, so auch in der Schweiz, wird deshalb anstelle eines Densitometrie-Screenings die sog. Case-finding-Strategie empfohlen. Neben der Erfassung von vorangegangenen osteoporotischen Frakturen – dem grössten Risiko für eine erneute Fraktur – werden weitere Faktoren erfasst, die das Frakturrisiko erhöhen (Tab. 1).

Eine weiterführende Abklärung wird nur bei Vorhandensein von Risikofaktoren durchgeführt. Ein geeignetes Instrument zur Identifikation von Patienten mit einem erhöhten Risiko ist das WHO Fracture Risk Assessment Tool (FRAX), das die verschiedenen Risikofaktoren in einem bestimmten Algorithmus kombiniert. Auch ohne Knochendichtemessung kann mit diesem Risikorechner, der online unter www.shef.ac.uk/FRAX/ oder als iPhone-App zur Verfügung steht, das individuelle absolute Frakturrisiko einer Patientin oder eines Patienten berechnet werden. Je nach Resultat kann zur exakteren Risikobestimmung anschliessend eine Densitometrie gemacht und das Resultat in die FRAX-Berechnung miteinbezogen werden.

Mit dem errechneten Frakturrisiko richtig umgehen

Die Berechnung des Frakturrisikos ist die Grundlage für die Behandlungsentscheidung. Bei Patienten, die bereits eine Wirbel- oder Schenkelhalsfraktur erlitten haben, sind sich alle Leitlinien einig, dass hier die Indikation für eine medikamentöse Therapie gegeben ist. Bei vorbestehenden nichtvertebralen Frakturen kann die Behandlungsindikation aufgrund des FRAX und der für das jeweilige Land festgelegten Interventionsschwelle oder aufgrund einer Densitometrie (T-Score -2) gestellt werden. «In der Schweiz haben wir uns darauf geeinigt, den FRAX anzuwenden, und nur dann eine Densitometrie zu machen, wenn das Frakturrisiko zu hoch ist», erläuterte Prof. Kränzlin.

Schwieriger ist die Therapieentscheidung bei Patienten ohne Frakturen. In den USA gilt unabhängig vom Alter generell ein T-Score von –2,5 oder ein 10-Jahres-Frakturrisiko von ≥15–20% als Indikation für eine medikamentöse Behandlung. In England, der Schweiz und Frankreich wendet man stattdessen eine altersadaptierte Risikoschwelle an, d.h. eine medikamentöse Therapie wird empfohlen, wenn das geschätzte absolute 10-Jahresrisiko für eine osteoporotische Fraktur dem absoluten Risiko einer Person gleichen Alters mit prävalenter Fraktur entspricht (Tab. 2).

Nur so erreicht man, dass keine Patienten unnötig behandelt werden. Wie eine 2012 publizierte Studie zeigte, ist dieses Vorgehen ausserdem in allen Altersstufen kosteneffektiv [3].
Zur Behandlung steht heute eine ganze Reihe von Präparaten zur Verfügung. Für die Bisphosphonate, die selektiven Östrogenrezeptormodulatoren (Raloxifen, Bazedoxifen), die Östrogene, den RANKL-Antikörper (Denosumab) sowie das Teriparatid (rekombinantes Parathormon) gibt es sehr gute Evidenz (Grad A), dass das Risiko von vertebralen Frakturen ­signifikant gesenkt werden kann. Bei den nicht-vertebralen Frakturen senken vor allem die Bisphosphonate, Denosumab und Teriparatid das Frakturrisiko [4]. In den nächsten Jahren werden verschiedene weitere Substanzen erwartet, die sich zurzeit noch in der klinischen Phase III befinden, so z. B. ein Catepsin-K-Hemmer (Odanacatib) und die anabolen Anti-­Sclerostin- und Anti-Dickkopf-Antikörper.

Behandlungspausen sind wichtig

«Wie lange aber soll man eigentlich behandeln?», fragte Prof. Kränzlin und kam damit zu einem Punkt, der aktuell intensiv diskutiert wird. Studien zeigen, dass die Bisphosphonate nach einer dreijährigen Behandlung nach dem Absetzen noch während mindestens drei Jahren nachwirken, weshalb in den meisten Fällen eine Behandlungspause gemacht werden kann [6]. Von einer Weiterführung der Therapie profitieren nur diejenigen Patienten, bei denen der T-Score im Schenkelhals nach drei bis fünf Jahren Behandlung immer noch <-2,5 ist [7]. «Bei hohem Frakturrisiko empfehlen wir eine Bisphosphonattherapie von fünf bis sieben Jahren, bei moderatem Risiko von drei bis fünf Jahren, dann eine Pause und Follow-up. Für Denosumab empfehlen wir zum jetzigen Zeitpunkt auch nach drei bis fünf Jahren eine Behandlungspause, wobei wir noch nicht genau wissen, was nach dem Absetzen passiert», fasste Prof. Kränzlin die Empfehlungen der Schweizerischen Vereinigung gegen Osteoporose (SVGO) zusammen.

Ein Grund für die Beschränkung der Therapiedauer liegt auch in der unter Bisphosphonat-Langzeitbehandlung erhöhten Komplikationsrate. Das Risiko einer Kieferosteonekrose ist bei der Osteoporosetherapie zwar nicht sehr hoch (1:10’000 vs. 1:100 bei onkologischer Therapie), man muss sich aber bewusst sein, dass das Bisphosphonat nach einem Zahn-Kiefer-Eingriff im Kiefer akkumuliert, was das Risiko einer Osteonekrose deutlich erhöht [8]. Dentoalveoläre Eingriffe sollten deshalb erst acht Wochen nach der letzten Gabe von intravenösen Bisphosphonaten erfolgen und die Behandlung erst nach der vollständigen Abheilung des Zahn-Kiefer-Befundes wieder aufgenommen werden.

Eine weitere Komplikation, an welcher Patienten, die seit mehreren Jahren Bisphosphonate erhalten und über Schmerzen im Oberschenkel klagen, leiden, ist die atypische Femurfraktur. Diese Frakturen treten spontan auf, verlaufen typischerweise horizontal und weisen im Frakturbereich eine Verdickung der Kortikalis auf. Da sich diese Verdickung bereits im Vorfeld radiologisch nachweisen lässt, lohnt es sich, in der oben genannten Situation ein Röntgenbild zu machen. Nach Absetzen der Bisphosphonate normalisiert sich das Risiko einer atypischen Fraktur bereits nach sechs bis zwölf Monaten.

Quelle: 81. Jahrestagung der SGIM, 29.–31. Mai 2013, Basel

Literatur:

  1. Lippuner K, et al. Remaining lifetime and absolute 10-year probabilities of osteoporotic fracture in Swiss men and women. Osteoporos Int 2009; 20: 1131–1140.
  2. Lippuner K, et al. Fracture hospitalizations between years 2000 and 2007 in Switzerland: a trend analysis. Osteoporos Int 2011; 22: 2487–2497.
  3. Kanis JA, et al. European guidance for the diagnosis and management of osteoporosis in postmenopausal women. Osteoporos Int 2008 Apr; 19(4): 399–428.
  4. Lippuner K, et al. Cost-effective intervention thresholds against osteoporotic fractures based on FRAX® in Switzerland. Osteoporos Int 2012; 23: 2579–2589.
  5. Murad MH, et al. Clinical review. Comparative effectiveness of drug treatments to prevent fragility fractures: a systematic review and network meta-analysis. J Clin Endocrinol Metab 2012; 97: 1871–1880.
  6. Black DM, et al. The effect of 3 versus 6 years of zoledronic acid treatment of osteoporosis: a randomized extension to the HORIZON-Pivotal Fracture Trial (PFT). J Bone Miner Res 2012; 27: 243–254.
  7. Schwartz AV, et al. Efficacy of continued alendronate for fractures in women with and without prevalent vertebral fracture: the FLEX trial. J Bone Miner Res; 25: 976–982.
  8. Rizzoli R, et al. Osteonecrosis of the jaw and bisphosphonate treatment for osteoporosis. Bone; 42: 84–847.

Hausarzt Praxis 2013; 8(9): 50–51

Autoren
  • Dr. med. Sabina M. Ludin 
Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS 

Osteoporosetherapeutika sind erwiesenermassen wirksam in der Verringerung des vertebralen und nicht-vertebralen Frakturrisikos. Idealerweise werden sie im Rahmen einer multimodalen Therapie eingesetzt und auf individuelle Patientenmerkmale abgestimmt. In Anbetracht der Notwendigkeit einer Langzeitbehandlung ist ein besonderes Augenmerk auf das Management von Reboundeffekten und Nebenwirkungen zu richten. Heutzutage wird vorgeschlagen nach einigen Jahren eine Therapiepause («Drug holidays») einzulegen.

Dr. med. Adrian Forster, Chefarzt, Schulthess Klinik, Zürich und Dr. med. Regula Capaul, niedergelassene Hausärztin, Zürich-Oerlikon gaben einen praxisbezogenen Einblick in die komplexe Thematik der Osteoporosetherapie [1]. Heutzutage erkranken etwa 20% der Frauen und 7% der Männer über 50 Jahren an Osteoporose [2]. Für die Schweiz ergibt dies aktuell über 400’000 Betroffene. Osteoporose ist durch eine gestörte Remodellierung der Knochensubstanz und eine dadurch bedingte pathologische Mikroarchitektur der Knochen gekennzeichnet. Durch die verminderte Knochendichte kommt es zu einer gesteigerten Frakturgefährdung. Von Knochenschwund betroffen sind vor allem ältere Menschen sowie postmenopausale Frauen. Östrogenmangel, Untergewicht und Bewegungsmangel begünstigen das Entstehen einer Osteoporose. Daneben gibt es einige weitere Risikofaktoren. Die wichtigsten Medikamentengruppen zur Behandlung der Osteoporose sind in der Schweiz Antiresorptiva (Bisphosphonate, Denosumab, Raloxifen) und Osteoanabolika (Teriparatid, Romosozumab) (Tab. 1) [1]. All diese Osteoporosetherapeutika können den Verlust an Knochenmasse verringern und das Fraktrurrisiko reduzieren, allerdings in unterschiedlichem Ausmass [3].

Auswahl eines individuell passenden Bisphosphonates

Die Therapie mit Bisphosphonaten hat einen nachgewiesenen Nutzen für die Langzeittherapie von 3 bis 5 Jahren [3]. Zolendronat sei derzeit die potenteste, knochenaffinste Substanz, so Dr. Forster [1]. Zu dieser Substanz liegen Evidenznachweise zu positiven Effekten hinsichtlich vertebraler und nonvertebraler Fraktur­risiko­reduktion vor [3]. Allerdings komme es in den ersten Tagen nach einer Zolendronat-Injektion relativ häufig zu Nebenwirkungen in Form von grippeartigen Missempfindungen, berichtete der Referent [1]. Diese bilden sich aber in der Regel innert einiger Tage zurück. Eine Strategie, um das Risiko für Nebenwirkungen zu verringern, sei, dass man das Zolendronat eher langsam infundiert. Bei manchen Patienten würden sie dafür eine ganze Stunde einrechnen. Ausserdem könne man vorher ein nicht-steroidales Antirheumatikum oder ein Schmerzmittel auf der Basis von Paracetamol geben, riet Dr. Forster [1]. Vor einer Zolendronat-Infusion sollten die Patienten ausserdem genügend hydriert sein, da Bisphosphonate grösstenteils über die Nieren ausgeschieden werden. Der Referent empfahl Zolendronat nur bei Patienten mit einer eGFR >35 ml/min/1,73 m2einzusetzen.

Als Alternative zu Zolendronat kann wie im Fallbeispiel (Kasten) Alendronat in Betracht gezogen werden. Ibronat setze er mit Zurückhaltung ein, da es im Vergleich zu Zolendronat und Alendronat weniger knochenaffin sei und nur Daten zur Verringerung des vertebralen nicht aber des peripheren Frakturrisikos vorliegen, so der Referent [1].

Im Weiteren erwähnte Dr. Forster [1]: «Man sollte immer einen Vitamin D-Mangel beheben, bevor man ein Bisphosphonat gibt». Dies deshalb, damit der Knochen adäquat remineralisiert werden kann [1]. Vitamin D unterstützt bekanntlich die Einlagerung von Calcium in den Knochen; eine Vitamin-D-Supplementation ist einfach und kostengünstig umsetzbar.

Fallbeispiel: Fragilitätsfraktur BWS
Dr. Capaul berichtete vom Fall einer 56-jährigen Patientin, welche bei der Arbeit auf rutschigem Boden gestürzt ist und sich dabei eine Fraktur des 12. Brustwirbelkörpers (Deckplattenimpressionsfraktur) zugezogen hat.
Der behandelnde Orthopäde ordnete eine konservative Therapie an mit einem 3-Punkte-Mieder sowie körperlicher Schonung, begleitender analgetischer Therapie und röntgenologischen Verlaufskontrollen.
Die Patientin wurde der Referentin zur hausärztlichen Osteoporose-Abklärung überwiesen. Die Familienanamnese ergab, dass die Schwester der Patientin Osteoporose hatte. In der DEXA-Messung zeigte sich in der Lendenwirbelsäule eine Osteoporose und ansonsten eine Osteopenie. Die Referentin entschied sich für die Einleitung einer Bisphosphonat-Therapie. Zum Zeitpunkt der ersten Zolendronat-Infusion waren drei Monate vergangen seit dem Sturz. In der hausärztlichen Folgekonsultation sechs Monate später gab die Patientin an, dass sie aufgrund der Nebenwirkungen in den Tagen nach der Infusion (Schlafstörungen, Spannungsgefühl am Kopf) keine weitere Zolendronat-Infusion möchte. In Rücksprache mit einem rheumatologischen Spezialisten entschied die Referentin als Alternative auf Alendronat (Tablette, 1× wöchentlich) auszuweichen, da dieses ebenfalls gute Daten aufweist bezüglich Verhinderung von Wirbelfrakturen. Alendronat erwies sich bei dieser Patientin als gut verträglich und eine DEXA-Messung nach 2 Jahren ergab, dass in der Lendenwirbelsäule nun keine Osteoporose mehr vorlag.
nach [1]

Unabdingbare Massnahmen nach Absetzen von Denosumab

Denosumab hat einen nachgewiesenen Nutzen bis zu 3 Jahren [3]. Eine Beendigung der Therapie mit Denosumab führt zur vollständigen und raschen Umkehr der knochenspezifischen Effekte. Daher müssen nach dem Absetzen vorübergehend andere Massnahmen zum Erhalt der Knochendichte eingesetzt werden (Tab. 2). Erst ungefähr 2016 habe man realisiert, dass man nach Absetzen von Denosumab obligat ein Bisphosphonat geben muss, so Dr. Forster [1]. Am besten geeignet sei Zolendronat, das man einfach zum Zeitpunkt der fälligen Denosumab-Injektion gebe. Danach lohne es sich, jeweils nach 3 und 6 Monaten im nüchternen Zustand die Umbauparameter zu messen. Wenn diese ansteigen bis ins oberste Drittel der prämenopausalen Norm, soll man gleich noch eine zweite Infusion geben. «Erst wenn man sieht, dass die Umbauparameter unten bleiben, ist man auf sicherem Terrain», erklärte der Referent [1]. Erst dann kommt eine Therapiepause in Betracht. Wenn man die Umbauparameter nicht bestimmt, könne man einfach 6 und 12 Monate nach der letzten Denosumab-Injektion Zolendronat geben [1,5]. «Es braucht zwei Infusionen», betonte Dr. Forster [1]. Früher habe man gemeint, eine einzige Infusion sei ausreichend. Es gebe sogar Patienten, bei welchen drei Infusionen erforderlich seien, um die Umbauparameter adäquat zu supprimieren. Wenn Zolendronat nicht erwünscht bzw. nicht toleriert wird, könne man alternativ Alendronat einsetzen. Wenn man die Behandlung mit Denosumab sistiert, ohne anschliessend ein Bisphosphonat zu geben, verlieren die Patienten an der Wirbelsäule innerhalb von 12 Monaten praktisch alles, was sie gewonnen haben, so Dr. Forster [1].

Sind Kiefernekrosen und atypische Frakturen vermeidbar?

«Man kann Kiefernekrosen und atypische Frakturen vermeiden, aber es ist relativ aufwändig», räumte Dr. Forster ein [1]. Bei einer leichteren Osteoporose empfahl der Referent nach einer Therapiedauer von 3–5 Jahren eine Therapiepause von bis zu 5 Jahren zu machen. Bei einer schweren Osteoporose (niedriger T-Score, erlittene Fragilitätsfraktur oder morphometrische Wirbelkörperfrakturen) könne eine kürzere Pause von bis zu 2 Jahren ins Auge gefasst werden. Wichtig ist, die Patienten während des Behandlungsunterbruches zu monitorisieren, das heisst, in regelmässigen Abständen Knochendichtemessungen zu machen und den Knochenumbau labormässig nachzuverfolgen. Je nachdem wie diese Ergebnisse ausfallen, kann die Therapiepause weitergeführt oder ein Wiedereinstieg in die Behandlung in Betracht gezogen werden (Kasten). Bei Patienten mit Kiefernekrosen sind regelmässige zahnärztliche Kontrollen eine wichtige Massnahme.

Kongress: KHM-Kongress Luzern

Literatur:

  1. «Osteoporose», Seminar A1, Dr. med. Adrian Forster und Dr. med. Regula Capaul, KHM-Kongress Luzern, 20.06.2024.
  2. Rheumaliga Schweiz: Osteoporose, Broschüre, 14. Auflage, 2022, www.rheumaliga.ch, (letzter Abruf 04.07.2024).
  3. Obermayer-Pietsch B, Fössl I, Dimai HP: Langfristige Therapiekonzepte bei Osteoporose [Long-term treatment concepts for osteoporosis]. Internist (Berl) 2021; 62(5): 474–485.
  4. McClung M, et al.: Bisphosphonate therapy for osteoporosis: benefits, risks, and drug holiday. Am J Med 2013; 126(1): 13–20.
  5. Tsourdi E, et al.: Fracture risk and management of discontinuation of denosumab therapy: a systematic review and position statement by ECTS. J Clin Endocrinol Metab 2020 Oct 26: dgaa756.

HAUSARZT PRAXIS 2024; 19(8): 44–45 (veröffentlicht am 23.8.24, ahead of print)

Autoren
  • Mirjam Peter, M.Sc. 
Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS