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Wiederkehrende Fieberanfälle bei Kindern sind – aktuellen Studienergebnissen zufolge – mit einem erhöhten Risiko für psychiatrischen Störungen und Epilepsie im Erwachsenenalter verbunden. Eventuell könnte ein Effekt auf den Schläfenlappen ausschlaggebend sein.

Fieberanfälle sind in der Kindheit relativ häufig und betreffen schätzungsweise 3% bis 4% der Kinder. Im Allgemeinen gelten solche Anfälle als gutartig. Dänische Forscher fanden jetzt jedoch heraus, dass das 30-jährige Risiko von Epilepsie und psychiatrischen Störungen bei Kindern mit drei oder mehr fieberhaften Anfällen 15% bzw. 30% betrug. Im Vergleich dazu liegt das Risiko von psychischen Erkrankungen und Epilepsie bei nicht betroffenen Personen bei 2% bzw. 17%. Die Studie zeigte auch, dass die Sterblichkeit bei Patienten mit rezidivierenden fieberhaften Anfällen, die dann eine Epilepsie entwickeln, erhöht ist.

Die Forscher definierten drei Subpopulationen von Kindern mit fieberhaften Anfällen und ohne vorherige Diagnose von Epilepsie, Cerebralparese, intrakraniellen Tumoren, schwerem Kopftrauma oder intrakraniellen Infektionen. Zu diesen Teilpopulationen gehörten Kinder, die mindestens einen fieberhaften Anfall erlebt hatten, diejenigen, die mindestens zwei erlebt hatten, und diejenigen, die mindestens drei erlebt hatten. Das Risiko eines Wiederauftretens vor dem 5. Lebensjahr bei Kindern, die einen fieberhaften Anfall hatten, betrug 22,7%. Mit jedem weiteren Fieberanfall erhöhte sich dieses Risiko.

Aus anderen nationalen Registern sammelten die Ermittler Daten über Epilepsie und psychiatrische Störungen. Sie benutzten konkurrierende Risikoregressionen, um kumulative Inzidenzen zu schätzen, und Cox-Regression, um zu Hazard Ratios (HRs) für das Risiko des Auftretens dieser Störungen in verschiedenen Altersgruppen in Abhängigkeit von der Anzahl der fieberhaften Anfälle zu gelangen.

Es zeigte sich, dass Kinder mit einem Fieberanfall ein siebenfach erhöhtes Risiko für eine Epilepsiediagnose im Alter von 5 Jahren hatten (HR: 7,11). Hatte das Kind jedoch drei oder mehr fieberhafte Anfälle, war das Risiko 42-fach erhöht (HR: 42,06). Bei der Aufnahme von psychiatrischen Erkrankungen stellten die Forscher fest, dass das 30-jährige Risiko bei der Geburt etwa 17% betrug. Auch hier gab es mit jedem weiteren Fieberanfall einen schrittweisen Anstieg. In der Untergruppe mit drei oder mehr Fieberanfällen lag das Risiko bei fast 30%.

Direkter oder indirekter Effekt?

Worauf das erhöhte Risiko zurückzuführen ist, konnte nicht nachgewiesen werden. Es wurde spekuliert, dass es ein Effekt von fieberhaften Anfällen auf den Schläfenlappen sein könnte. Aber es wäre auch möglich, dass es sich um eine genetische Verwirrung handelt, die das Risiko von fieberhaften Anfällen sowie das Risiko von psychiatrischen Störungen erhöht. Weitere Nachforschungen bringen vielleicht och mehr Licht ins Dunkel.

Quelle: 5. Kongress der Europäischen Akademie für Neurologie (EAN)

InFo NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE 2019; 17(6): 39 (veröffentlicht am 24.11.19, ahead of print)

Publikation
  • INFO NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE

Die Genetik spielt eine zunehmend wichtige Rolle für die Diagnostik und Therapie, insbesondere bei therapierefraktärer Epilepsie. Die Ziele einer Epilepsietherapie sollten erreichbar sein – bei seltenen Epilepsien sollte der Fokus auf der Reduktion der Anfallsfrequenz und -stärke liegen.Das zur Therapie des Dravet-Syndroms (DS), des Lennox-Gastaut-Syndroms (LGS) und der Tuberösen Sklerose (TSC) als Zusatztherapie zugelassene Medikament Epidyolex® reduzierte im Vergleich zu Placebo die Anfallsfrequenz signifikant.1-4

Anfallsfreiheit – Wunsch oder Wirklichkeit?“ Dieser Frage gingen im Rahmen der Dreiländertagung in Berlin vom 15. bis 18. März 2023 zwei Neuropädiater und drei Neurologen nach. Eine Anfallsfreiheit könne angestrebt werden, wenn die Ätiologie der Epi­lepsie bekannt und eine kausale Therapie möglich seien. Deshalb solle die Suche nach der Ätiologie so früh wie möglich, auch in der Frühkindheit, nach dem ersten Anfall erfolgen, for­derte Prof. Anastasia Male-Dressler, Wien. Ob strukturelle, genetische oder metabolische Ätiologie – häufig könnten sie sich überlappen.

Ebenso wie Dr. Sabine Linquist, Neurologin aus Magdeburg, die sich in ihrem Vortrag mit der Diagnostik der Epilepsie bei Erwachsenen beschäftigte, kam die Neuropädiaterin Prof. Male-Dressler zu dem Schluss, dass die genetische Diagnostik einen hohen Stellenwert ein­nehmen sollte. Beide Expertinnen konnten von Fällen mit seltenen genetischen Mutationen berichten, deren Entdeckung Ein­fluss auf die Therapie hatte. So berichtete Prof. Male-Dressler von einem Fall, bei dem erst nach 16 Jahren die genetische Ursache für das vorliegende Lennox-Gastaut-Syndroms gefunden werden konnte. Bis dahin wurdeals Ursache für das LGS von einem hypoxischen Schaden durch die Geburt ausgegangen. Die Therapie mit Cannabidiol führte letztendlich zu einer 40 %igen Anfallsreduktion.

Je kleiner die Kinder, desto häufiger wird ein Syndrom gefunden und die Ätiologie geklärt, so Prof. Male-Dressler weiter. Das Epilepsiesyndrom könne in bis zu 42 % der Fälle klassifiziert werden, die Ätiologie in 54 %, ergänzte die Expertin.5 Sie zitierte eine Untersuchung, in der frühe mit späten Ätiologie-Aufklärungen verglichen wurden: Bei frühkindlichen Epilepsien handele es sich bei einem Drittel um genetische Ätiologien, die zu 12,7 % zielgerichtet the­rapiert werden können. Eine frühe Diagnosestellung sei häufiger mit epileptischen Enzepha­lopathien verknüpft.6

Prof. Bernd Neubauer, Neuropädiater aus Gießen, fokussierte sich ebenso wie der Neuro­loge Dr. Frank Bösebeck, Rotenburg, in seinem Vortrag auf die Lebensqualität der Patienten mit Epilepsie. Die Lebensqualität, die schwer zu definieren sei, könne bei Menschen mit Epilepsien im Kindesalter und bei solchen mit Behinderungen maßgeblich durch die Epilepsie selbst, aber auch durch die Therapie beeinträchtigt werden.

Bei Kindern kämen bidirektionale Epilepsie-assoziierte Komorbiditäten hinzu. Prof. Neubauer zielte insbesondere auf das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS), spezifische Lernstörungen, Angst- und Schlafstörungen sowie Depressionen ab. Das Risiko für ADS sei bei Kindern mit Epilepsie um das bis zu fünffache höher.8 Anders als bei Kindern ohne Epilepsie käme es bei beiden Geschlechtern gleich häufig vor.8 Bidirektionale Epilepsie-assoziierte Komorbididäten haben einen erheblichen Einfluss auf den Schulerfolg, so Prof. Neubauer weiter. Dieser sei bei Kindern und Jugendlichen mit Epilepsien ohnehin gefährdet: Während 10 % der Kinder mit normaler Intelligenz in der Vergangenheit eine Schule für Lernhilfe besuchten, waren es unter den Kindern mit Epilepsie und normaler Intelligenz 30 %.Prof. Neubauer gab als Gründe hierfür u.a. Verhaltensprobleme an. Er konnte auch Vorurteile nicht ausschließen.

Bei Erwachsenen mit Behinderungen spielen noch weitere Faktoren eine große Rolle für die Lebensqualität. Dr. Bösebeck ging insbesondere auf die Kommunikationsfähigkeit, das Alter und das Geschlecht ein. In Bezug auf die Therapie empfahl er, deren Last auf die Lebens­qualität im Auge zu behalten. Sei sie höher als durch die Erkrankung selbst, müsse die The­rapie überdacht werden. 

Bei allgemeiner Epilepsie gelinge es therapeutisch, bei über 60 % der Betroffenen eine An­fallsfreiheit zu erzielen, verglich Dr. Frank Kerling, Neurologe aus Schwarzenbruck.10 Aller­dings könne dies bei den seltenen Epilepsien wie dem Dravet-Syndrom, dem Lennox-Gastaut-Syndrom oder bei Tuberöser Sklerose keinesfalls erreicht werden, so der Experte. Die Patienten seien mehrheitlich therapierefraktär. Ziel sei hier die Reduktion der Sturz­anfälle oder der bilateral tonisch-klonischen Anfälle, besonders im Schlaf. Gerade zur Re­duktion von Sturzanfällen zeigte der Experte Daten zum Cannabidiol-Fertigarzneimittel Epidyolex® sowie  zu Felbamat und Rufinamid, die alle eine Reduktion um etwa 30 % bis 40 % erzielten.11‑14 Dr. Kerling empfahl, in Fällen, in denen keine Anfallsfreiheit erzielt werden könne, realistische Therapieziele zu formulieren.

Der Experte ging auf praktische Tipps bei der Gabe von Epidyolex® ein: Er empfahl, die Dosis des Arzneimittels, langsam zu steigern. Das Cannabidiol werde in Sesamöl gelöst angebo­ten. Das Sesamöl könne Diarrhoe verursachen. Dies könne jedoch in vielen Fällen durch langsames Auftitrieren umgangen werden, so die Erfahrung von Dr. Kerling. Er riet ebenso, das Arzneimittel zusammen mit einer Mahlzeit einzunehmen. Das sei verträglicher und führe zudem zu einer besseren Resorption des Cannabidiols.

Fazit: Anfallsfreiheit ist derzeit nicht für alle Menschen mit Epilepsien erreichbar. Verbesserte diagnostische Möglichkeiten, allen voran die genetische Analyse, könnten deutlich mehr Menschen einen Weg dorthin ebnen, besonders, wenn zielgerichtete Therapien zur Verfü­gung stehen. Bis dies soweit ist, steht bei den seltenen Epilepsien nicht die  Anfallsfreiheit, sondern die Anfalls­reduktion im Fokus. 

ERFAHREN SIE MEHR ÜBER EPIDYOLEX®

Quelle: Symposium von JAZZ Pharmaceuticals zum Thema „Anfallsfreiheit – Wunsch oder Wirklichkeit? Ziele bei Therapie-refraktärer Epilepsie in der Neuropädiatrie und in der Behindertenmedizin“ anlässlich der Dreiländertagung 2023 vom 15. bis 18. März 2023 in Berlin.

Referenzen

  1. Thiele EA, et al. Cannabidiol in patients with seizures associated with Lennox-Gastaut syn­drome (GWPCARE4): a randomised, double-blind, placebo-controlled phase 3 trial. Lancet 2018;391:1085–1096.
  2. Devinsky O, et al. Cannabidiol in Dravet syndrome study group. Trial of cannabidiol for drug-resistant seizures in the Dravet syndrome. N Engl J Med 2017;376(21):2011–2020.
  3. Thiele EA, et al. Add-On Cannabidiol Treatment for Drug-Resistant Seizures in Tuberous Sclerosis Complex: A Placebo-Controlled Randomized Clinical Trials; JAMA Neurol 2021;78(3):285–292.
  4. Fachinformation Epidyolex®, Oktober 2022, www.swissmedicinfo.ch
  5. Zuberi SM, Wirrel E, Yozawitz E, et al. ILAE classification and definition of epilepsy syndromes with onset in neonates and infants: Position statement by the ILAE Task Force on Nosology and Definitions. Epilepsia 2022;63(6):1349–1397.
  6. Demos M, Guelle I, DeGuzman C, et al. Diagnostic Yield and Treatment Impact of Targeted Exome Sequencing in Early-Onset Epilepsy. Front Neurol 2019; doi: 10.3389/fneur.2019.00434
  7. Holmes GL. Drug Treatment of Epilepsy Neuropsychiatric Comorbidities in Children. Paediatr Drugs 2021;23(1):55–73.
  8. Brikell I,  Chen Q, Kuja-Halkola R, et al. Medication treatment for attention-deficit/hyperactivity disorder and the risk of acute seizures in individuals with epilepsy. Epilepsia 2019;60(2):284–293.
  9. Seidenberg M, Beck N, GeisserM, et al. Academic achievement of children with epilepsy. Epilepsia 1986;27(6):753–759.
  10. Chen Z, Brodie MJ, Liew D, et al. Treatment Outcomes in Patients With Newly Diagnosed Epilepsy Treated With Established and New Antiepileptic Drugs: A 30-Year Longitudinal Cohort Study. JAMA Neurol 2018;75(3):279–286.
  11. Huber B, Hauser I, Horstmann V, et al. Seizure freedom with different therapeutic regimens in intellectually disabled epileptic patients. Seizure 2005;14(6):381–386.
  12. Devinsky O, Patel AD, Cross JH, et al. Effect of Cannabidiol on Drop Seizures in the Lennox–Gastaut Syndrome. N Engl J Med. 2018;378(20):1888–1897
  13. Montouris GD, Wheless JW, Glauser TA. The efficacy and tolerability of pharmacologic treatment options for Lennox-Gastaut syndrome. Epilepsia 2014;55(Suppl 4):10–20. 
  14. Vanstraten AF, Ng YT. Update on the management of Lennox-Gastaut syndrome. Pediatr Neurol 2012;47(3):153–161.
  15. https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/epidyolex, zuletzt aufgerufen am 21.03.2023
  16. FDA-Zulassung 2018, https://www.fda.gov/news-events/press-announcements/fda-approves-first-drug-comprised-active-ingredient-derived-marijuana-treat-rare-severe-forms, zuletzt aufgerufen am 21.03.2023
  17. https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/epidyolex, zuletzt aufgerufen am 21.03.2023

Referenzen können bei Jazz Pharmaceuticals Switzerland GmbH angefordert werden

CH-NEU-2300001 , März 2023

Über Jazz Pharmaceuticals plc / GW Pharmaceuticals

Jazz Pharmaceuticals plc (NASDAQ: JAZZ) ist ein globales biopharmazeutisches Unternehmen, dessen Ziel es ist, durch Innovationen das Leben von Patienten und ihren Familien zu verbessern. Wir haben uns der Entwicklung von lebensverändernden Medikamenten für Menschen mit schweren Krankheiten verschrieben, für die es oft nur begrenzte oder gar keine therapeutischen Optionen gibt. Wir verfügen über ein breit gefächertes Portfolio an vermarkteten Medikamenten und neuartigen Produktkandidaten in den Bereichen Neurowissenschaften und Onkologie, die sich im frühen bis späten Entwicklungsstadium befinden. Wir forschen an biologisch und chemisch hergestellten Wirkstoffkandidaten, innovativen Verabreichungstechnologien und Cannabinoiden, um neue Therapieoptionen für Patienten zu finden. Jazz hat seinen Hauptsitz in Dublin, Irland, und beschäftigt Mitarbeiter, die sich für Patienten in fast 75 Ländern weltweit engagieren. Für weitere Informationen besuchen Sie bitte www.jazzpharmaceuticals.com.

Über EPIDYOLEX® (Cannabidiol Fertigarzneimittel)

Epidiolex®/Epidyolex® (Cannabidiol), das erste von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) für die USA und von der Europäischen Kommission für Europa zugelassene verschreibungspflichtige Medikament auf pflanzlicher Cannabisbasis, ist eine orale Lösung, die hochreines Cannabidiol (CBD) enthält.15,16 In den USA ist Epidiolex® als Therapie bei Krampfanfällen in Verbindung mit dem Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS), dem Dravet-Syndrom (DS) oder Tuberöser Sklerose (TSC) bei Patienten ab einem Alter von einem Jahr zugelassen.16 In der Europäischen Union ist Epidyolex® als Zusatztherapie von Krampfanfällen in Verbindung mit Clobazam bei Patienten ab zwei Jahren mit dem Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS) oder dem Dravet-Syndrom (DS) zugelassen sowie für die Zusatztherapie von Krampfanfällen im Zusammenhang mit Tuberöser Sklerose, für Patienten ab 2 Jahren.17 Epidyolex® wurde von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) der Orphan Drug-Status für die Behandlung von Krampfanfällen im Zusammenhang mit DS, LGS und TSC zuerkannt.17 In der Schweiz ist Epidyolex® als Zusatztherapie von Krampfanfällen bei Patienten ab zwei Jahren mit dem Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS), Dravet-Syndrom (DS) oder der Tuberösen Sklerose (TSC) zugelassen.4

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Epidyolex®, 100 mg/ml, Lösung zum Einnehmen

Zusammensetzung: Wirkstoff: Cannabidiol. Jeder ml Lösung zum Einnehmen enthält 100 mg Cannabidiol (100 mg/1 ml). Hilfsstoffe: Ethanol, Sesamöl, Sucralose (E955), Erdbeer-Aroma (enthält Benzylalkohol).

Indikationen: Als Zusatztherapie bei Krampfanfällen, die bei Patienten ab 2 Jahren mit Lennox‑Gastaut‑Syndrom (LGS), Dravet‑Syndrom (DS) oder der Tuberösen Sklerose (TSC) einhergehen.

Dosierung/AnwendungBei LGS und DS: Therapieeinleitung: 2 x tgl. 2,5 mg/kg (5 mg/kg/Tag) über 1 Woche. Erhaltungstherapie: 2 x tgl. 5 mg/kg (10 mg/kg/Tag). Jede Dosis kann in wöchentlichen Schritten von 2 x tgl. 2,5 mg/kg (5 mg/kg/Tag) bis zur empfohlenen Maximaldosis von 2 x tgl. 10 mg/kg (20 mg/kg/Tag) weiter erhöht werden, unter Einhaltung des vollständigen Überwachungsplans. Kinder und Jugendliche: Es gibt keinen relevanten Nutzen von Epidyolex bei Kindern im Alter bis zu 6 Monaten; die Sicherheit und Wirksamkeit bei Kindern im Alter von 6 Monaten bis 2 Jahren ist bisher noch nicht erwiesen. Bei TSC: Therapieeinleitung: 2 x tgl. 2,5 mg/kg (5 mg/kg/Tag) über 1 Woche. Erhaltungstherapie: 2 x tgl. 5 mg/kg (10 mg/kg/Tag). Jede Dosis kann in wöchentlichen Schritten von 2 x tgl. 2,5 mg/kg (5 mg/kg/Tag) bis zur empfohlenen Maximaldosis von 2 x tgl. 12,5 mg/kg (25 mg/kg/Tag) weiter erhöht werden, unter Einhaltung des vollständigen Überwachungsplans. Kinder und Jugendliche: Es gibt keinen relevanten Nutzen von Epidyolex bei Kindern im Alter unter 1 Monat; die Sicherheit und Wirksamkeit bei Kindern im Alter von 1 Monat bis 2 Jahren ist bisher noch nicht erwiesen. Absetzen: Dosis schrittweise verringern. Patienten mit Leberfunktionsstörungen, leichte (Child-Pugh A): keine Dosisanpassung erforderlich; mittlere (Child-Pugh B): Anfangs-, Erhaltungs- und Maximaldosis müssen im Vergleich zu lebergesunden Patienten circa halbiert werden, Maximaldosis von > 10 mg/kg/Tag bei LGS und DS und von > 12,5 mg/kg/Tag bei TSC wird bei diesen Patienten nicht empfohlen; schwere (Child-Pugh C): Anwendung nicht empfohlen. Patienten mit Nierenfunktionsstörungen: keine Dosisanpassung erforderlich. Einnahme: konsequent mit oder ohne Nahrung. Die orale Einnahme wird empfohlen; falls erforderlich ist die enterale Anwendung über nasogastrale und gastrostomische Sonden akzeptabel. Sonden aus Polyvinylchlorid und Polyurethan sollten nicht verwendet werden.

Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der Hilfsstoffe. Patienten mit erhöhten Transaminasewerten > 3-fach der oberen Normgrenze (ULN) und Bilirubinwerten > 2-fach der ULN.

Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen: Epidyolex kann dosisbezogene Erhöhung der Lebertransaminasen ALT, AST verursachen, insbesondere bei gleichzeitiger Anwendung von Valproat und Clobazam. Dosisanpassung oder Absetzen von Valproat oder Clobazam in Betracht ziehen. Vor Beginn der Behandlung müssen Serumtransaminasewerte (ALT, AST), alkalische Phosphatase und Gesamtbilirubinwerte ermittelt werden; sie sollen 2 Wochen, 1 Monat, 2 Monate, 3 Monate und 6 Monate nach Beginn der Behandlung ermittelt werden und danach periodisch oder wie klinisch angezeigt. Bei Dosisänderung von > 10 mg/kg/Tag oder Änderung der Arzneimittel (Dosis oder Addition) mit bekannter Auswirkung auf die Leber sollte Überwachungsplan wieder aufgenommen werden. Behandlung absetzen bei allen Patienten mit Transaminasewerten > 3-fach des ULN-Wertes und Bilirubinwerten > 2-fach des ULN-Wertes. Kann Somnolenz und Sedierung verursachen, erhöhtes Risiko für Pneumonie, erhöhte Anfallshäufigkeit, leicht erhöhtes Risiko für suizidales Verhalten und suizidale Gedanken kann nicht ausgeschlossen werden. Enthält geringe Alkoholmenge ohne wahrnehmbare Auswirkung. Benzylalkohol kann allergische Reaktionen auslösen; grosse Mengen nur mit Vorsicht und wenn absolut notwendig anwenden (Risiko der Akkumulation und Toxizität / „metabolische Azidose“). Sesamöl kann selten schwere allergische Reaktionen verursachen.

Interaktionen:Die Pharmakokinetik von Epidyolex ist komplex und kann zu Interaktionen mit gleichzeitig eingenommenen Antiepileptika führen. Die Dosis von Epidyolex und/oder der gleichzeitig eingenommenen Antiepileptika sollte bei der regelmässigen ärztlichen Überwachung eingestellt und der Patient auf unerwünschte Wirkungen engmaschig überwacht werden.

Schwangerschaft/Stillzeit: Nur sehr begrenzte Erfahrungen liegen vor. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt. Nicht anwenden bei Schwangerschaft, ausser der potenzielle Nutzen für die Mutter überwiegt das potenzielle Risiko für den Fötus eindeutig. Das Stillen sollte während der Behandlung unterbrochen werden.

Unerwünschte Wirkungen: Sehr häufig: verminderter Appetit, Somnolenz, Diarrhoe, Erbrechen, Fieber, Müdigkeit. Häufig: Pneumonie, Harnwegsinfektion, Reizbarkeit, Aggression, Lethargie, Krampfanfälle, Husten, Übelkeit, AST-, ALT-, GGT erhöht, Hautausschlag, vermindertes Gewicht.

Überdosierung: Erfahrungen sind begrenzt; es wurde von leichter bis mässiger Diarrhoe und Somnolenz berichtet. Den Patienten beobachten und geeignete symptomatische Behandlung inkl. Überwachung der Vitalfunktionen durchführen.

Packungen: 1 Flasche zu 100 ml; zwei 1-ml-Dosierspritzen für die orale Verabreichung und ein Flaschenadapter, zwei 5-ml-Dosierspritzen für die orale Verabreichung und ein Flaschenadapter. Abgabekategorie: A. Zulassungsnummer: 67590 (Swissmedic). Zulassungsinhaberin: DRAC AG, Murten. Herstellerin: GW Pharma Limited, Sittingbourne/UK.

Ausführliche Informationen finden Sie in der Arzneimittelinformation auf www.swissmedicinfo.ch

▼ Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Für weitere Informationen siehe Fachinformation von Epidyolex® auf www.swissmedicinfo.ch V.10/2022-01

Weltweit gibt es 400 Millionen COPD-Betroffene. Es handelt sich um die vierthäufigste globale Mortalitätsursache. Beim Innere Medizin Update Refresher 2017 in Zürich wurden die neusten Erkenntnisse für evidenzbasierte Diagnostik und Therapie vorgestellt.

Weltweit gibt es 400 Millionen COPD-Betroffene. Es handelt sich um die vierthäufigste globale Mortalitätsursache [1]. In der Schweiz gibt es 300 000 Betroffene, wobei die Prävalenz bei 30–39-jährigen 2,5% und bei >70-jährigen 8% beträgt. Zu den Risiko­faktoren zählen neben Tabakrauchen auch Staubpartikelexposition (z.B. in der Landwirtschaft) und Rauchpartikelexposition von Holzheizungen. Für eine möglichst spezifische, auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmte Behandlung, wurden die diagnostischen und therapeutischen Leitlinien dem aktuellen Stand der Forschung angepasst. Der Stellenwert von Bronchodilatatoren (LAMA = langwirksame Anticholinergika/LABA = langwirksame β-2-Agonisten) habe in den vergangenen Jahren stark zugenommen, hingegen werden inhalative Steroide (ICS) weniger häufig als früher eingesetzt, berichtete Prof. Dr. med. Robert Thurnheer, Chefarzt Medizin-Diagnostik, Kantonsspital Münsterlingen.

Phänotypisierung gemäss «Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease» (GOLD)

Die aktuell gültige Einteilung A–D (Tab. 1) erfolgt nicht mehr anhand der Lungenfunktion, sondern auf der Basis von Symptomen und Exazerbations­risiko und dient als Grundlage für eine evidenzbasierte Therapie. Als diagnostische Hilfsmittel werden die Fragebögen «CAT» (COPD-Assessment-Test) und «mMRC» (Dyspnoe-Screening) eingesetzt. Für Pa­tien­ten der Gruppe A (wenig Symptome, keine Exazerbationen) kann ein Bronchodilatator (LABA oder LAMA) eingesetzt werden. Bei Patienten der Gruppe B (Symptome, aber keine Exazerbationen) sollte ebenfalls ein Bronchodilatator eingesetzt werden. Falls die Symptome persistieren, sollte man auf ein Kombinationspräparat (Anoro® oder Spiolto® oder Ultibro®) wechseln. Falls vermehrt Exazerbationen auftreten ist die Kombination mit einem inhalierbaren Steroid (ICS) gemäss GOLD-Guidelines empfohlen.  Bei Patienten der Gruppe C (Exazerbationen) ist die erste Wahl eine Monotherapie mit LAMA. Falls weiterhin Exazerbationen auftreten, sollte auf eine Kombinationstherapie umgestellt werden: LABA und LAMA oder LABA und ICS. Die Therapie von Gruppe D kann auch nach einem Stufenschema erfolgen (Tab. 1), wobei Professor Thurnheer betreffend prophylaktischem Einsatz von Makroliden aufgrund von Nebenwirkungsrisiken (z.B. Innenohrschwerhörigkeit, long-QT-syndrome, Resistenzen, fehlende Langzeitdaten) zu Vorsicht riet.

Bronchodilatation: Was ist der ­therapeutische Nutzen und wie erzielt man die besten Effekte?

Zusammengefasst sprechen folgende Argumente für die Wirksamkeit der Bronchodilatation (LAMA, LABA): Verbesserung der Lungenfunktion [2], Abnahme der Überblähung [3], Besserung der Symptome [4], Abnahme der Exazerbationsrate [4]. Für Gruppe A und B spielt es keine Rolle, ob LABA oder LAMA zuerst angewendet werden. Für Gruppe C und D wird empfohlen LAMA zuerst einzusetzen. In der POET-Studie zeigte sich LAMA (Spiriva®) überlegen gegenüber Salmeterol (Serevent®) bezüglich Verhinderung von Exazerbationen [5].

Gemäss neuer Erkenntnisse wirkt sich ein möglichst früher Therapiebeginn (d.h. im lungenfunktionellen Stadium 2 = FEV1 50–80% Soll) positiv aus; beispielsweise zeigte sich in Studien, dass bei Anwendung von Tiotropium (Spiriva®) die Abnahme der FEV1 (Forciertes exspiratorisches Volumen in der ersten Ausatmungssekunde) nach zwei Jahren weniger stark ausgeprägt ist als in der Placebobedingung [6] und Patienten auch in einem frühen Stadium bei Belastung weniger von «Hyperinflation» (dynamische Überblähung) betroffen sind.

In mehreren klinischen Studien [7,8] zeigte sich, dass Kombinationspräparate von LAMA und LABA (Anoro®, Spiolto®, Ultibro®) einer Monotherapie (LAMA oder LABA) überlegen sind betreffend folgender Targets: bessere Lungenfunktion, weniger Symptome, Abnahme der Exazerbationsrate.  In der SPARK-Studie, konnte beispielsweise gezeigt werden, dass Ultibro® bessere Effekte erzielt als die jeweiligen Einzelsubstanzen [7]. Der Einsatz eines Kombina­tions­präparates wird vor allem für COPD-Patienten mit ungenügendem Ansprechen auf tiefdosierte Monotherapie mit LAMA oder LABA empfohlen [9] und für Patienten mit schwerer COPD und Dyspnoe-Symptomen [10,11].

Gemäss Kompendium ist immer zunächst eine Monotherapie durchzuführen und erst bei mangelnden Effekten ein Kombinationspräparat anzuwenden, gemäss Guidelines ist aber auch eine primäre Behandlung mit einem Kombinationspräparat erlaubt.  Für die Entscheidung, welches der drei Kombinationspräparate (Anoro®, Ultibro®, Spiolto®) angewendet wird, kann neben der Wirksamkeit auch das Handling eine Rolle spielen.

Inhalative Korticosteroide (ICS): Kontroverse betreffend therapeutischem Nutzen

Im Gegensatz zu Asthma, wo inhalative Steroide (ICS) die Basis-Behandlung darstellen, wird die Anwendung von ICS bei COPD kontrovers diskutiert.

In der FLAME-Studie [12] erreichte man mit kombinierten Bronchodilatatoren (LABA+LAMA) eine signifikant stärkere Verringerung von Exazerbationen im Vergleich zu LABA+ICS. In der WISDOM-Studie [8] führte das Weglassen von ICS nicht zu einer Zunahme der Häufigkeit von Exazerbationen, wobei sich bei den Patienten ohne ICS im Langzeitverlauf Verschlechterungen in den Werten der FEV1 zeigten [8]. Bei einer Subgruppe von COPD-Patienten mit Eosinophilie (>2% Blut-Eosinophilie) und erhöhtem Exazerbationsrisiko bewirkten ICS eine Verringerung der Exazerbationsrate [13,14]. Bei COPD-Pa­tien­ten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko konnte gemäss SUMMIT-Studie (n=16 485, 43 Länder) durch die Anwendung von ICS keine Verringerung der Mortalitätsrate erzielt werden, hingegen eine geringfügige Verringerung der «rate of decline» der Lungenfunktion [15].

Die Effekte einer kombinierten Anwendung von Bronchodilatatoren und ICS («triple therapy») kann nach aktuellem Stand der Forschung folgendermassen zusammengefasst werden [16]: kein Einfluss auf Mortalität und kardiovaskuläre Endpunkte, kaum Einfluss auf Lungenfunktion, etwas Exazerbations-Reduktion [17,18], aber deutlich mehr Pneumonien (Nebenwirkung von ICS).

Therapie der fortgeschrittenen COPD: «Treatable traits» und verhaltensmedizinische Massnahmen

Das Präparat Prolastin® kann bei einem Mangel an α-1-Antitrypsin (Protease-Inhibitor) als Substitution eingesetzt werden, wobei bisher lediglich für lungenstrukturelle Kriterien positive Effekte gezeigt wurden. Daxas® (Wirkstoff: Roflumilast) führt zu einer leichten Verbesserung der Lungenfunktion und einer leicht signifikanten Abnahme der Exazerbationsrate, wobei auch Nebenwirkungen auftreten können: Gewichtsabnahme, erhöhtes Risiko für Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen [19]. Mepolizumab (z.B. Nucala®) wird bereits für Asthmatiker mit Eosinophilie erfolgreich eingesetzt und auch bei COPD und Eosinophilie können damit positive Effekte bezüglich Reduktion der Exazerbationsrate erzielt werden, wobei das Präparat für COPD-Patienten aktuell noch nicht für diese Indikation zugelassen ist [20].  

Betreffend Sauerstoff-Therapie bei schwerer Hypoxämie erwähnte Professor Thurnheer, dass ein Überlebensvorteil erst nach etwa vier Jahren Therapie signifikant wird und dass sich bei lediglich leichter Hypoxämie hinsichtlich subjektiver Lebensqualität, Hospitalisations- und Exazerbationsrisiko keine Effekte zeigten [21].

Hinsichtlich verhaltensmedizinischer Massnahmen hat sich neben der Unterstützung eines Rauchstopps, Physiotherapie und Ernährungsberatung (häufig kalorische Mangelernährung aufgrund von Emphysem und Muskelwasting) bewährt. Für den Fall von Exazerbationen wird das Erstellen eines Aktionsplans empfohlen. So sollte man beispielsweise auf Reisen systemische Steroide (fünf Tagesdosen à 40 mg) [22] und bei bronchialer Symptomatik Antibiotika (z.B. Co-Amoxicillin, Tetrazyklin, u.a.) in Reserve haben. Als weitere Massnahmen werden Kontrolle der Inhala­tions­technik, jährliche Grippeimpfung und einmalige Pneumokokkenimpfung (Prevenar-13® bei Kindern) genannt.

Quelle: Innere Medizin Update Refresher, 5.–9.Dezember 2017, Zürich

Literatur:

  1. Bridevaux P-O, et al.: Prevalence of airflow obstruction in smokers and never-smokers in Switzerland. European Respiratory Journal 2010; 36: 1259–1269.
  2. Tashkin DP, et al.: Bronchodilator responsiveness in patients with COPD. European Respiratory Journal 2008; 31: 742–750.
  3. Dellaca RL, et al.: Effect of bronchodilation on expiratory flow-limitation and resting lung mechanics in COPD. European Respiratory Journal 2009; 33: 1329–1337.
  4. Jones PW, et al.: Correlating changes in lung function with patient outcomes in chronic obstructive pulmonary disease: a pooled analysis. Respir Res 2011; 12: 161.
  5. Vogelmeier C, et al.: Tiotropium versus salmeterol for the prevention of Exacerbations of COPD (POET). N Engl J Med 2011; 364: 1093–1103.
  6. Zhou Y, et al.: Tiotropium in Early-Stage Chronic Obstructive Pulmonary Disease. N Engl J Med 2017; 377: 923–935.
  7. Wedzicha JA, et al.: Analysis of chronic obstructive pulmonary disease exacerbations with the dual bronchodilator QVA149 compared with glycopyrronium and tiotropium (SPARK): a randomised, double-blind, parallel-group study. Lancet Respir Med 2013; 1: 199–209.
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HAUSARZT PRAXIS 2018; 13(1): 41–43

Autoren
  • Mirjam Peter, M.Sc. 
Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS 

Patienten mit einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) sind anfällig für pulmonale Infektionen, welche die Symptome (v.a. die der Dyspnoe) erheblich verstärken. Epidemiologische Daten sind allerdings kaum vorhanden.

Patienten mit einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) sind anfällig für pulmonale Infektionen, welche die Symptome, vor allem die der Dyspnoe, erheblich verstärken. Epidemiologische Daten zu einer solchen infektexazerbierten COPD (AECOPD) sind allerdings kaum vorhanden [1].

Die COPD (GOLD II–IV) hat eine Prävalenz (>40 Jahre) von ca. 5,9%. Diese Patientenpopulation erlebt jeweils zwischen 0,6–2,7 akute Exazerbationen pro Jahr [2]. Eine akute Verschlechterung der Respiration stellt für die COPD-Patienten ein erhebliches Mortalitätsrisiko dar, etwa 10% der Patienten mit einer AECOPD, welche stationär aufgenommen werden, versterben. Auslöser für eine AECOPD sind in der Mehrzahl der Fälle (ca. 60%) Infektionen, ca. hälftig virale und bakterielle. In ca. 30% der Fälle kann kein auslösender Faktor gefunden werden. Hierbei ist zu bedenken, dass inhalative Noxen wie Nikotin und Stickoxide eine Exazerbation triggern können.

Eine akute respiratorische Verschlechterung kann natürlich auch durch andere Faktoren ausgelöst werden, sodass die Differenzialdiagnosen neben der akuten Pneumonie auch eine Herzinsuffizienz, Pneumothorax, Pleuraerguss, Lungenemboli oder neu aufgetretene Arrhythmien umfassen können [3]. In einer Studie mit 1016 Patienten waren die Gründe für eine stationäre Einweisung bei Verdacht auf eine AECOPD 48% Atemwegsinfektionen, 26% Herzinsuffizienz, 3% Bronchial-Karzinom, 1% Lungenembolie, und 1% Pneumothorax [4]. Die therapeutischen Möglichkeiten während einer AECOPD sind aktuell nicht standardisiert und teilweise nur eingeschränkt effektiv. Daher ist die Prävention einer Exazerbation von grosser Bedeutung.

COPD-Patienten mit wiederholten Exazerbatio­nen haben eine verringerte Lebensqualität und Le­bens­erwartung (ca. 10% der hospitalisierten AECOPD-Pa­tienten versterben). Eine Prävention einer Exazerbation kann z.B. mittels oralen Mykolytika und Bronchodilatatoren erreicht werden. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass zwar die Schwere einer Ex­azerbation reduziert wird, nicht aber die Mortalität [5]. Im Folgenden werden die Möglichkeiten der Bild­gebung bei einer AECOPD besprochen. Ein Schwerpunkt soll aber auf der diagnostischen Risikoabschätzung einer AECOPD bei Patienten mit COPD liegen.

Bildgebung

Vor allem Patienten mit einer COPD können nicht lange die Luft anhalten und schlecht flach auf dem Rücken liegen. Um dennoch «scharfe» Aufnahmen des Thorax zu erhalten, muss die Aufnahme also möglichst schnell erfolgen. Diese Anforderungen erfüllen zwei Untersuchungsmodalitäten: das Röntgen und die Computertomografie (CT). Im Rahmen der PROVIDI-Studie wurden die Möglichkeiten der CT zur Vorhersage einer AECOPD eingehend untersucht [6].

Röntgen Thorax

Zur initialen radiologischen Untersuchung eines Pa­tien­ten mit einer AECODP steht das Röntgen des Thorax, wenn möglich im Stehen in 2 Ebenen [2]. Hiermit können differenzialdiagnostische Erkrankungen wie Pneumonie, Pneumothorax, Pleuraerguss oder Herzinsuffizienz ausgeschlossen werden. Bei ca. einem Fünftel der vermeintlichen AECOPD-Pa­tien­ten ändert sich die Diagnose, vor allem wegen einer Pneumonie, und entsprechend die Therapie [3,7–9].

Im Röntgen des Thorax bei Patienten mit COPD zeigen sich charakteristische Veränderungen im Vergleich zum Gesunden. Vor allem die ausgeprägte Überblähung ist offensichtlich, mit tief stehenden Zwerchfellen, einer Vergrösserung des Retrosternalraumes und Vergrösserung der interkostalen Ab­stände. Die Herzsilhouette ist in der Regel eher schmal und es zeigt sich eine rarefizierte Pulmonal­gefäss­zeichnung. Im Rahmen einer Infektexazerbation zeigt sich oftmals eine Verdickung der Bronchialwände, welche zu einer deutlich reduzierten Belüftung der peripher gelegenen Lungenabschnitte führt (Abb. 1).

Wie oben bereits ausgeführt, zeigen sich bei ca. 20% der Patienten relevante Befunde wie z.B. Pneumonien. Im Fall einer typischen, bakteriellen Infektion sieht man eine flächige Verdichtung eines Segments, Lappens oder der ganzen Lunge (Abb. 2).

Eine aktuelle Studie an nicht-hospitalisierten AECOPD-Patienten zeigte in 20% der Fälle ein Infiltrat [10]. Erreger wurden zahlreiche identifiziert, z.B. Haemophilus und Streptococcus. Interessanterweise ergaben sich in der pulmonalen Besiedlung keine Unterschiede zwischen COPD-Patienten mit Exazerbation und solchen ohne. Zum anderen zeigten sich Pneumonien gehäuft in den Wintermonaten. Daher wurde geschlussfolgert, dass Exazerbationen und Pneumonien bei COPD-Patienten gemeinsame infektiöse Trigger haben und eher ein Kontinuum darstellen als separate Entitäten.

Computertomografie (CT)

Eine CT des Thorax mit Fokus auf dem Lungen­parenchym kann ohne intravenöse Kontrastmittelgabe erfolgen. Eine Aufnahme in Atemstillstand ist wünschenswert, kann aber von Patienten mit einer AECOPD nicht immer realisiert werden. Teilweise ist eine flache Rückenlage auf dem CT-Untersuchungstisch kaum möglich, dann noch für 4–10 Sekunden (je nach CT-Gerät) Luft anhalten ist ebenfalls eine enorme Herausforderung für die Patienten. Wenn es um den Ausschluss einer Lungenarterienembolie geht, ist eine i.v. KM-Gabe unverzichtbar. Als Schichtdicke haben sich für beide Fragestellungen 1-mm-Schichten etabliert.

Die phänotypischen Veränderungen einer COPD lassen sich in einen Emphysem-Phänotyp und einen Atemwegsphänotyp klassifizieren [11]. Von einer bronchialen Dilatation spricht man, wenn das Lumen des Bronchus 110–150% des Lumens der begleitenden Pulmonalarterie beträgt. Bei mehr als 150% spricht man von einer Ektasie. Zusätzlich findet man bei Bronchiektasen eine fehlende Verjüngung in die Peripherie. Bronchiektasen können zylindrisch, varikös und zystisch konfiguriert sein.

Die bronchiale Wand wird im Verhältnis Innen- zu Aussendurchmesser beurteilt: Wenn das Verhältnis 0,5–0,8 beträgt, spricht man von einer milden Wandverdickung, <0,5 bezeichnet eine schwere Wandverdickung. Zusätzlich findet man bei COPD-Patienten mit Raucheranamnese häufig Bronchien, welche durch Mukus verlegt sind.

Vor allem Patienten mit einem Atemwegstyp scheinen besonders anfällig für eine AECOPD. Mittels CT konnte gezeigt werden, dass eine bronchiale Wandverdickung im Rahmen einer AECOPD signifikant häufiger auftrat als im «normalen» Intervall (Abb. 3) [12]. Allerdings ist die Interreader-Übereinstimmung für die Beurteilung der Bronchialwandverdickung schlecht.

Wie initial bereits erwähnt, ist die Vermeidung einer Exazerbation ein wichtiges Ziel. Hierfür müssen Patienten mit einer erhöhten Suszeptibilität für eine Exazerbation identifiziert werden. Im Rahmen der COPD-Gene-Studie wurden 833 Patienten identifiziert, welche 0–1 Exazerbationen hatten und 169 Patienten mit mehr als 2 Exazerbationen [13]. Dabei zeigte sich, dass mit jedem mm Zunahme der bronchialen Wanddicke auf Segmentebene die jährliche Ex­azerbationsrate um den Faktor 1,84 anstieg. Patienten mit mehr als 35% Lungenemphysem zeigten pro 5% Zunahme des Emphysems eine Zunahme der Ex­azerbationsrate um das 1,18-Fache. Diese Daten lassen eine routinemässige Phänotypisierung von Patienten mit COPD mittels CT für sinnvoll scheinen.

Neben der Wanddicke ist auch die bronchiale Dilatation von grosser Relevanz für eine Exazerbation. Bronchiektasen erhöhten das Risiko für eine Exazerbation signifikant (Odds Ratio 4,99) und waren unter verschiedenen Parametern der stärkste Prädiktor (Abb. 4) [14]. Der Nachweis bzw. Kenntnis von Bronchiektasen hat auch klare therapeutische Relevanz, da z.B. eine i.v. Antibiose auf P. aeroginosa bei vorhandenen Bronchiektasen indiziert sein kann [1]. Die Keimbesiedlung in solchen Bronchiektasen bei Ex­azerbation lässt oftmals atypische Erreger vermuten, vor allem Mykobakterien. Hier konnte gezeigt werden, dass Mykobakterien bei Patienten mit seltenen COPD-Exazerbationen häufiger nachzuweisen waren als bei Patienten mit häufigen Exazerbationen [14].

Neben den peripheren Atemwegen spielen auch die zentralen Atemwege, Trachea und Hauptbronchien, eine wichtige Rolle bei der Atemstromlimitation. Patienten mit COPD erzeugen einen erheblichen Unterdruck in Trachea und Hauptbronchien bei der Inspiration. Zwei Faktoren führen (einzeln oder zusammen) zu einem exspiratorischen zentralen Atemwegskollaps (ECAC: expiratory central airway collaps) [15].

Im Laufe der Zeit kann es zu einer Aufweichung der Knorpelspangen kommen, was in eine Malazie mündet. Eine solche Tracheobronchomalazie hat eine Prävalenz von 5–10% bei COPD Patienten [16]. Zudem kommt es zu einer vermehrten Einwölbung der Pars membranacea. Wenn diese zu einer Lumenreduktion um >50% führt, spricht man von einem «exzessiven dynamischen Atemwegskollaps» (EDAC: excessive dynamic airway collapse) (Abb. 5).

Dass Patienten mit COPD einen signifikant höheren Atemwegskollaps zeigen als normale Pa­tien­ten, ist bekannt. Allerdings spielt dies bei der Genese einer Exazerbation keine relevante Rolle, da sich die Atemwegsinstabilität zwischen stabilen und exazerbierten COPD nicht unterscheiden [15].

Es scheint allerdings auch ein Zusammenhang zwischen der Schwere des Lungenemphysems und Exazerbationen zu bestehen [17]. Die Patienten rekrutierten sich aus einer Lungenkarzinom-Screening-Population. Es wurde der COPD-Phänotyp Emphysem- oder nicht-Emphysemtyp bestimmt. Die Emphysem-Phänotyp-Patienten waren deutlich schwerer erkrankt (vorhergesagter FEV1: 61% vs. 90%) als die nicht-Emphysem-COPD-Patienten. Daher ist es nicht wirklich verwunderlich, dass in der Gruppe der schwerer erkrankten Patienten sich häufiger Exazerbationen zeigten als in der fast gesunden Population.

Ein übergreifender Effekt ist die Ventilation einzelner Lungenregionen. Mittels hyperpolarisiertem Helium kann in der Magnet-Resonanztomografie (MRT) die regionale Ventilation dargestellt werden. Bei Patienten mit COPD werden regelhaft Ventilationsdefekte gefunden. Bei Patienten mit milder bis mittelschwerer COPD war das Ausmass der Ventilationsdefekte korreliert mit der Anzahl der Exazerbationen [18]. Die Ventilationsdefekte korrelierten wiederum mit dem Ausmass der Parenchymdestruktion (Emphysem) und der Atemwegserkrankung – also einem gemischten COPD-Phänotyp. Da man Ventilations-MRT-Untersuchungen nur in einzelnen Zentren weltweit durchführen kann und die Beurteilung des Lungenparenchyms/Atemwege nur eingeschränkt möglich ist, wurden mittels CT Ventilationskarten erstellt. Hierzu wurden Inspirations- und Exspirations-CT-Datensätze aus der COPD-Gene-Kohorte untersucht [19]. Mithilfe einer nicht-rigiden Registrierung wurden die Daten übereinandergelegt. Somit konnten regionale Deformationskarten erstellt werden. Erstaunlicherweise wiesen Patienten mit vermehrten Exazerbationen (≥6/Jahr) eine homogenere Ventilation auf als Patienten mit keinen Exazerbationen.

CT-Datensätze bieten aufgrund der hohen räumlichen Auflösung auch die Möglichkeit der Segmentierung von anatomischen Strukturen, z.B. den Atemwegen. Diese segmentierten Daten können dann z.B. für eine Simulation der Atemströme und der regionalen Widerstände genutzt werden. 42 COPD-Patienten wurden während einer Exazerbation und 6–8 Wochen im Verlauf mittels CT untersucht [20]. Die Atemwege wurden aus den CT-Daten segmentiert und für eine Simulation der Atemwegsströme genutzt. Hierbei zeigte sich, dass während einer Exazerbation es zu einer deutlichen Zunahme des zentralen und peripheren Atemwegswiderstandes kommt. Interessant war, dass vor allem die Abnahme des peripheren Atemwegswiderstandes mit der funktionellen Erholung assoziiert war. Daher scheint eine übermässige Entzündung der peripheren Atemwege ein entscheidender Faktor bei der Entstehung einer Exazerbation zu sein (es wurden Atemwege der 4.–8. bronchialen Generation untersucht). D.h. diese Regionen müssen therapeutisch erreicht werden, da allerdings die Atemströme signifikant während einer Exazerbation verändert sind, müssen orale Medikamente oder inhalative Substanzen mit extra-kleinem Durchmesser verab­reicht werden.

Exkurs Pulmonale Hypertonie

Es ist bekannt, dass eine COPD nicht nur die kleinen Atemwege und Alveolen betrifft, sondern auch die kleinen Pulmonalarterien (Durchmesser <500 µm). Diese vaskulären Veränderungen werden auch in Patienten mit moderater COPD und bei Rauchern mit normaler Lungenfunktion gefunden. Daher ist davon auszugehen, dass eine Vaskulopathie bereits in frühen Stadien einer raucherassoziierten Atemwegserkrankung auftritt. Ca. 4% der Patienten mit COPD haben eine pulmonale Hypertonie (PH), die PH-COPD ist in der Gruppe 3 der WHO-Klassifikation der PH gelistet [21]. In einer grossen Studie mit über 54.000 Teilnehmern war eine PH-COPD ein signifikanter Risikofaktor für eine stationäre AECOPD-Behandlung und -Mortalität. In einer echokardiografischen Studie konnte andererseits der Effekt einer Exazerbation auf die Rechtsherzfunktion gezeigt werden: Während der Exazerbation betrug der abgeschätzte PASP 40 mmHg und nach Rekonvaleszenz 29 mmHg [22]. Allerdings ist die Echokardiografie bei COPD-Patienten teilweise schwierig in der Beurteilung des PASP, der Referenzstandard, der invasive Rechtsherzkatheter, kann nicht bei allen COPD-Patienten durchgeführt werden. Auch hier hilft die CT mit einer einfachen Messung weiter: Ein Verhältnis Durchmesser der Pulmonalarterie zu Aorta ascendens >1:1 war deutlich mit dem Auftreten einer AECOPD assoziiert (Odds Ratio 4,78) (Abb. 6) [23]. Konkret hatten Patienten der COPD-Gene-Studie mit PA:A-Verhältnis >1 in 53% der Fälle eine Exazerbation. Die Durchmesser-Bestimmung der Pulmonalarterie kann auf axialen Schichten erfolgen, kurz vor der Bifurkation [24].

Take-Home-Messages

  • Bei Verdacht auf eine exazerbierte COPD ist die Röntgenuntersuchung des Thorax eine wichtige Methode, um Differenzial­diagnosen zu erkennen.
  • Eine Statuserhebung und Charakterisierung von COPD mittels Computertomografie ist eine sinnvolle Untersuchung, um das individuelle Risiko ­einer Exazerbation zu bestimmen.
  • Vor allem Patienten mit einem Atemwegs-Phänotyp der COPD (Wandverdickung und bronchialer Dilatation) sind anfällig für eine Exazerbation.

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InFo PNEUMOLOGIE & ALLERGOLOGIE 2019; 1(2): 10–14

Autoren
  • Prof. Dr. med. Sebastian Ley 
Publikation
  • INFO PNEUMOLOGIE & ALLERGOLOGIE 

Die fortschreitende und bislang nicht heilbare Lungenkrankheit COPD geht mit einer hohen Krankheitslast einher. Weltweit ist COPD gemäss WHO heutzutage die vierthäufigste Todesursache international und alleine in der Schweiz leiden über 400’000 Personen an dieser belastenden Lungenerkrankung. Ein neues Positionspapier gibt Denk- und Handlungsanstösse zur Verbesserung der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten.

Die COPD (Chronic obstructive pulmonary disease) geht mit einer chronisch obstruktiven Bronchitis und/oder einem Lungen­emphysem einher. Die charakteristische Atemwegsobstruktion ist nach Gabe von Bronchodilatatoren in der Regel nicht vollständig reversibel. Ausmass der Obstruktion, Lungenüberblähung und Gasaustauschstörung können unabhängig voneinander variieren [1]. Prof. Dr. med. Daiana Stolz, leitende Ärztin an der Klinik für Pneumologie am Universitätsspital Basel und Chefärztin und Direktorin der Klinik für Pneumologie am Universitätsklinikum in Freiburg im Breisgau (D) wurde vor drei Jahren vom Lancet beauftragt, eine weltweite Expertengruppe zusammenzustellen, um aufzuarbeiten, wie die COPD am besten diagnostiziert, behandelt, oder gar eliminiert werden könnte. Das über 50 Seiten umfassende Positionspapier wurde im September in The Lancet publiziert (Kasten). [2,3]. «Dieses Positionspapier ist mutig und wegweisend in vielerlei Hinsicht. Es macht die enorme epidemiologische, gesellschaftliche und auch volkswirtschaftliche Bedeutung von COPD klar. Es zeigt, auch im Vergleich mit anderen Volkskrankheiten, wie wenig wir dennoch in der Bekämpfung bisher geschafft haben. Und das Wichtigste: Es macht konkrete Lösungsvorschläge, wie wir es schaffen könnten», so Prof. Dr. med. Wolfram Windisch, Stellvertretender Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) sowie Chefarzt der Lungenklinik Köln-Merheim [3,4].

 

 

Rauchen ist nicht der einzige Risikofaktor

«COPD wird von vielen Menschen sehr stark mit Tabakrauchen assoziiert. Das ist auch ein wesentlicher Risikofaktor, aber es gibt eben auch nennenswerte andere Faktoren, die wir genau beobachten müssen. Deswegen haben wir eine neue Klassifizierung von fünf COPD-Typen entwickelt», erklärt Prof. Stolz, Erstautorin des Positionspapiers [3,4]. Dies sind die von den Experten identifizierten Risikofaktoren:

  • Genetische Faktoren
  • Frühkindliche Ereignisse (z.B. Frühgeburt)
  • durchgemachte Infektionen
  • Rauchen
  • Umweltfaktoren (z.B. Luftverschmutzung)

Dabei können Betroffene auch mehreren Risiko­faktoren gleichzeitig ausgesetzt sein – zum Beispiel wenn sie rauchen und ausserdem eine genetische Prädisposition aufweisen. Dadurch wird die Schädigung der Lungengesundheit zusätzlich begünstigt. In Abhängigkeit von diesen jeweiligen Risikofaktoren gelte es, die individuelle COPD-Therapie zu finden, so die Experten.

 

Expertenkommitte fordert ein UmdenkenDas im Lancet erschienene Positionspapier trägt den Titel «Towards the elimination of chronic obstructive pulmonary disease». «COPD ist eine enorme globale Gesundheitsbelastung für Menschen aller Länder, sozioökonomischer Gruppen und Altersstufen, wobei ärmere, benachteiligte und vulnerable Gruppen besonders betroffen sind», sagt Prof. Dr. med. Daiana Stolz, Erstautorin der Lancet-Publikation. Zigarettenrauchen ist weiterhin in Europa die häufigste Ursache für COPD [5]. Aber wie man heute weiss, gibt es weitere Risikofaktoren, die eine wesentliche Rolle spielen können. Daher wird vorgeschlagen, die COPD auf der Grundlage des Hauptrisikofaktors in fünf verschiedene Typen einzuteilen. Nur so bestehe die Chance, die Krankheit frühzeitig zu diagnostizieren und eine krankheitsmodifizierende Behandlung zu entwickeln. Zumindest einige Formen der COPD können möglicherweise verhindert werden, indem die Lungengesundheit über den gesamten Lebensverlauf hinweg als Leitprinzip berücksichtigt wird. «Es braucht ein Umdenken. Wir müssen die Erkrankungen früher diagnostizieren, bevor das Organ endgültig geschädigt ist und personalisierter behandeln. Das erfordert gezielte Forschungsvorgehen. Gleichzeitig müssen wir Risikofaktoren wie Luftverschmutzung, vorgeburtliche Belastungen und frühkindliche Infektionen stärker berücksichtigen. Sonst riskieren wir die Fortschritte, wie wir sie beim Rauchen gemacht haben, anderswo wieder zu verlieren», so Prof. Stolz [5].

 

Gezielter behandeln: Empfindlichere Diagnostik-Tools sind nötig

«Seit Jahrzehnten beruht die COPD-Diagnostik fast ausschliesslich auf der Spirometrie. Das Problem ist, dass dieser Lungenfunktionstest frühe COPD-Stadien nicht zuverlässig erkennen kann, sondern nur fortgeschrittene – und damit irreversible – Krankheitsstadien», so Prof. Stolz [4]. Die Autoren des Positionspapiers plädieren daher unter anderem für sensitivere Lungenfunktionstests, die Berücksichtigung von individuellen Risikofaktoren in der Anamnese und auch unterstützende bildgebende Verfahren in der Diagnostik. Was die Exazerbation einer COPD angeht, schlagen die Experten eine neue Definition vor. Anhand von objektiven, messbaren Kriterien, wie zum Beispiel bestimmten Entzündungen, liessen sich Betroffene so viel gezielter behandeln als aktuell.

Für die Umsetzung der Vision, COPD langfristig zu eliminieren, sei eine koordinierte Zusammenarbeit internationaler Stakeholder erforderlich, so die Autoren. «COPD ist eine globale Erkrankung, die auch mit Armut korreliert: Länder mit geringerem Einkommen haben auch mehr Fälle. Deswegen sollten alle Gesellschaftsschichten Zugang zu Diagnostik und Behandlung haben», erläutert Prof. Stolz.

Literatur:

  1. Nationale VersorgungsLeitlinie COPD, 2021, 2. Auflage, Version 1, AWMF-Register-Nr. nvl-003.
  2. «Die Pneumologie des Universitätsspitals als Titel-Thema im The Lancet», Universitätsspital Basel, 23.09.2022.
  3. Stolz D, et al.: Towards the elimination of chronic obstructive pulmonary disease: a Lancet Commission. Lancet 2022;400(10356): 921–972.
  4. «Neue Möglichkeiten für COPD-Diagnostik und -Therapie: Wegweisendes Positionspapier macht konkrete Behandlungsvorschläge», Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V., 15.09.2022
  5. «Lungenkrankheit COPD: Lancet-Sonderpublikation zu Diagnose, Therapie und Prävention», Universitäts­klinikum Freiburg (D), 07.09.2022.
  6. Olschewski H, et al.: Chronisch-obstruktive Lungen­erkran­kung 2021 – die richtige Therapie für den richtigen Patienten. Internist 2021; 62: 679–685.

HAUSARZT PRAXIS 2022; 17(10): 22

Autoren
  • Mirjam Peter, M.Sc. 
Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS 

Magen-Darm-Beschwerden können für Betroffene sehr unangenehm und belastend sein. Insbesondere Schmerzen und krampfartige Koliken beeinträchtigen die Funktionsfähigkeit und Lebensqualität erheblich. Hochdosiertes Pfefferminz- und Kümmelöl in Kappselform hat sich bei Patienten verschieddener Altersgruppen als wirksame und gut verträgliche Behandlungsoption erwiesen. Schmerzhafte Bauchkrämpfe werden rasch und effektiv gelindert.

Lässt sich für gastrointestinale Be­schwerden wie Blähungen, Bauchschmerzen oder Krämpfe, Völlegefühl, Durchfall oder Verstopfung keine organpathologische Ursache eruieren und treten diese Symptome über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten auf, spricht man von funktionellen Beschwerden. Bei vielen Betroffenen gibt es eine Symptomüberlappung von Beschwerden des oberen und des unteren Gastrointestinaltraktes, wobei erstere gemäss klassifikatorischer Einteilung funktioneller Dyspepsie und Reizmagen und letztere dem Reizdarmsyndrom zugeordnet werden [1].

Darm-Hirn-Achse: multifaktorielles Wechselwirkungsgefüge

Bauchkrämpfe entstehen durch eine krampfhafte Kontraktion bestimmter Muskeln im Verdauungstrakt, was mit einer Beeinträchtigung des Transports des Nahrungsbreis verbunden ist. Durch die dichte Innervation im Bereich von Magen und Darm werden die Schmerzsignale weitergeleitet und es kann zu Koliken kommen. Die vom Nervus vagus ausgehenden parasympathischen Nervenfasern fördern den Verdauungsvorgang, die sympathischen Nervenstränge hingegen hemmen die Aktivität von Magen und Darm. Das Zusammenspiel vegetativer und zentralnervöser Prozesse wird im Erklärungskonzept der Darm-Hirn-Achse («Brain-Gut-Axis») beschrieben [2]. Als zentrale Mechanismen fungieren dabei Motilitätsstörungen und viszerale Hypersensitivität [3,4]. Dadurch kann bereits bei nur geringfügig erhöhter Gasbildung viszerale Allodynie zur subjektiven Wahrnehmung von Blähungen führen. Neben Triggerfaktoren wie zum Beispiel Stress und Ernährung spielen auch Veränderungen des intestinalen Mikrobioms eine Rolle in diesem multifaktoriellen Wechselwirkungsgefüge.

Pfefferminz- und Kümmelöl wirken relaxierend und analgetisch

Es gibt verschiedene Methoden, welche zur Linderung von funktionell bedingten Bauchkrämpfen beitragen können, wie zum Beispiel Wärme­anwendungen, Verzicht auf Alkohol und Nikotin, ausreichende Flüssigkeitszufuhr, magenschonende Ernährung, Stressreduktion. Als medikamentöse Massnahme können krampflösende Substanzen Linderung verschaffen. Bei funktionell bedingten Bauchkrämpfen haben sich die ätherischen Öle der beiden Heilpflanzen Pfefferminze und Kümmel als sehr effektiv erwiesen. Pfefferminzöl bewirkt eine Entspannung der Muskulatur des Magen-Darm-Traktes über die Hemmung von spannungsabhängigem Kalziumeinstrom [5]. Neben diesen krampflösenden Eigenschaften sind auch die schmerzlindernden Effekte erwiesen. Eine Bindung von Menthol an den Kälterezeptor TRPM8 löst ein Kältesignal aus und wirkt inhibitorisch auf schmerzübertragende Nerven. Kümmelöl verfügt über karminative Eigenschaften, was zu einer Senkung der Oberflächenspannung und einer Hemmung der Gas- und Schaumbildung   im Darm beiträgt. Darüber hinaus wirkt Kümmelöl selektiv auf das Wachstum pathogener Keime ohne jedoch zu negativen Effekten auf erwünschte Darmbakterien zu führen [10].

Multiple Wirkmechanismen
Kümmelöl und Pfefferminzöl wirken schmerzlindernd und karminativ. Pfeffer­minzöl aktiviert die Kältesensoren der Darmnerven, was zur Beruhigung benachbarter Schmerz­sensoren führt und dadurch eine massive Reduktion von deren Empfindlichkeit induziert. Kümmelöl wirkt aktivitätshemmend auf gasbildende Bakterien, sodass Blähungen verringert werden [10]. Überdies wird das intestinale Mikrobiom positiv beeinflusst durch eine selektive Wirkung auf die pathogenen Bakterien.

In Kombination verringern die beiden ätherischen Öle zum einen unangenehme intestinale Reize und dämpfen die Schmerzwahrnehmung. Die Wirkstoffkombination Menthacarin (Carmenthin®) [6] enthält Pfefferminzöl und Kümmelöl in hoher Dosierung und lindert nachweislich funktionelle Verdauungsstörungen wie Schmerzen, Krämpfe, Blähungen, Druck- und Völlegefühl [7], wobei der symptomlindernde Effekt rasch eintritt und viele Patienten bereits nach einer Woche eine Beschwerdelinderung verspüren [8]. Die Inhaltsstoffe befinden sich in einer magensaftresistenten Weichkapsel, die sich erst im Darm auflöst und dort gezielte Wirkung entfalten kann. Die Verträglichkeit dieses pflanzlichen Präparates ist auch bei häufiger Einnahme gut [9]. Das phytotherapeutische Arzneimittel ist in der Schweiz bei entsprechender Indikation kassenzulässig ab 12 Jahren [6].

Literatur:

  1. Madisch A: Zeitschrift für Phytotherapie 2013; 34(06): 270–273.
  2. Matricon J, et al.: Aliment Pharmacol Ther 2012; 36(11–12): 1009–1031.
  3. Madisch A, et al.: Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 222–232.
  4. Mari A, et al.: Adv Ther 2019; 36(5): 1075–1084.
  5. Deutsche Apothekerzeitung (DAZ): DAZ 2018 (9): 73, 01.03.2018.
  6. Carmenthin®: www.compendium.ch
  7. Holtmann G, Stracke B: Gastroenterol 2016; 54 (8).
  8. Noe S, et al.: Internist 2016; 57 (Suppl. 1), S42–S42
  9. Madisch A, et al.: Internist 2015(56) (Suppl. 1), 28.
  10. Pharmazeutische Zeitung, 18.05.2016, www.pharmazeutische-zeitung.de
  11. Krueger D, et al.: J Physiol 2016; 594: 357–372.
  12. Chumpitazi BP, Kearns GL, Shulman RJ: AP&T 2018; 47(6): 738–752.

HAUSARZT PRAXIS 2020; 15(9): 46

Autoren
  • Mirjam Peter, M.Sc. 
Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS 

Insbesondere Reizdarmsyndrompatienten mit prädominanter Diarrhoe leiden unter einer hohen Krankheitslast. Dies zeigt unter anderem eine grosse internationale Befragungsstudie auf, die von einem schwedischen Forschungsteam durchgeführt wurde. Die Therapie des Reizdarmsyndroms erfolgt multi­modal und symptomorientiert. Ein übergeordnetes Ziel besteht darin, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. In der im vergangenen Jahr erschienenen Neuauflage der Reizdarm-Leitlinie wird unter anderem auch der Einsatz von Phytotherapeutika empfohlen.

Unter dem Begriff Reizdarmsyndrom (RDS) werden unspezifische funktionelle Verdauungsstörungen zusammengefasst. Zum typischen Beschwerdebild zählen Bauchschmerzen, Krämpfe, Blähungen und Stuhlgangsveränderungen wie beispielsweise Diarrhö und/oder Obstipation [1]. Die Diagnose des RDS stützt sich auf die Rom-IV-Kriterien (Tab. 1) und auf eine fokussierte gastroenterologische Anamnese unter Einbezug von psychosozialen Gesichtspunkten [2,9]. Die Ätiologie ist multifaktoriell, verschiedene Faktoren werden vermutet oder diskutiert, ohne dass diese sich notwendigerweise im Einzelfall nachweisen lassen [2]. Da die unterschiedlichen Pathophysiologien in der Klinik häufig nicht ersichtlich sind, wird eine multimodale Behandlungsstrategie angewendet [3]. Neben diätetischen Massnahmen und psychosozialen Interventionen, kommen dabei auch symptomorientierte medikamentöse Therapieoptionen zum Einsatz. Es kann ein langwieriger Prozess sein, bis die individuell passende Behandlungsstrategie für einen Patienten gefunden wird. Häufig werden auch Phytotherapeutika eingesetzt, die wissenschaftlich nachgewiesene spezifische Effekte aufweisen. Dass das RDS für Betroffene sehr belastend sein kann, zeigt unter anderem eine Befragungsstudie unter Beteiligung der Universität Göteburg sowie verschiedener Forschungseinrichtungen in Grossbritannien [4].

Online-Befragung: Einschätzungen von RDS-Patienten und Ärzten

Von 8627 gescreenten Patienten haben die Wissenschaftler im Zeitraum 2016 insgesamt 513 Reizdarmpatienten, welche die Inklusionskriterien erfüllten, befragt [4]. Eines der Einschlusskriterien war, dass Durchfall ein Hauptsymptom war. Von den Befragten waren 70% weiblich und das Durchschnittsalter lag bei 40,9 Jahren. Die Studienteilnehmer stammten aus Australien (n=76), Kanada (n=66), Frankreich (n=43), Deutschland (n=80), Italien (n=85), Spanien (n=81) und Grossbritannien (n=82). Alle Teilnehmer füllten einen 30-minütigen webbasierten strukturierten Fragebogen aus. Die Umfrage beinhaltete verschiedene Fragen zum subjektiv wahrgenommenen «Burden of Disease» und zu den bisherigen Behandlungen und Erfahrungswerten der Patienten, sowie zu ihren Erwartungen an die Therapie.

Zusätzlich zur Patientenbefragung wurde eine Umfrage unter Vertretern des Gesundheitswesens durchgeführt. 366 Hausärzte und 313 Gastroenterologen nahmen daran teil.

Schweregrad der Symptome korreliert mit Lebensqualität

Als das beeinträchtigendste Symptom gaben die befragten RDS-Patienten fäkalen Harndrang an (27%) [4] (Abb. 1). Müdigkeit trat an den meisten Tagen pro Monat auf (durchschnittlich an 18 Tagen). Die am häufigsten genannten Komorbiditäten waren Angstzustände (37%), Depressionen (27%) und Migräne (26%). Der häufigste Grund für die Vereinbarung eines ersten Termins mit einem Arzt war die starke Beeinträchtigung der Lebensqualität durch das Reizdarmsyndrom (49%). Weitere Gründe waren die zunehmende Häufigkeit der Symptome (48%), die Sorge um die Dauer der Symptome (44%) und ein zunehmender Schweregrad (42%). In der 2021 aufdatierten S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom wird ein evidenzbasierter Zusammenhang zwischen dem Schweregrad des RDS und der Einschränkung der Lebensqualität aufgezeigt [5,8]. Demzufolge beeinflusst die wahrgenommene Beeinträchtigung der Lebensqualität offensichtlich nicht nur den Umgang mit gastrointestinalen Symptomen, denn auch extraintestinale Symptome werden häufiger berichtet [6,7].

Über die Hälfte der Patienten nehmen mehrere Medikamente ein

Insgesamt 97% der befragten Patienten gaben an, mindestens eine Art von Medikamenten intermittierend oder täglich einzunehmen [4]. 61% der Patienten berichteten, dass sie  täglich oder zeitweise ≥3 Behandlungsarten in Anspruch nehmen. 19% gaben an, täglich Antidepressiva einzunehmen und 73% verwendeten zum Zeitpunkt der Befragung rezeptfreie Medikamente, entweder allein (42%) oder zusammen mit verschreibungspflichtigen Medikamenten (31%). Am häufigsten eingesetzt wurden Anti­diar­rhoika intermittierend bei 64% und täglich bei 12% der Patienten. Die am häufigsten täglich eingenommenen Medikamente ­waren Antidepressiva (19%), gefolgt von Probiotika (18%). 33% der Befragten gaben an, gelegentlich oder täglich Schmerzmittel auf Kodein­basis einzunehmen. Bei Patienten, die einen Gastro­enterologen aufgesucht hatten, war der Anteil derjenigen, die täglich krampflösende Mittel (14% vs. 15,8%), Gallensäuresequestratoren (5% vs. 1%), Mittel gegen Übelkeit (6% vs. 1%) und Antibiotika (4% vs. 1 %)  einnahmen höher als bei den übrigen Patienten (alle Vergleiche: p<0,05). An der Befragung der Ärzteschaft nahmen 366 Hausärzte und 313 Gastroenterologen teil: Insgesamt 70% respektive 65% stimmten zu, es sei wichtig, dass Patienten mit Reizdarmsyndrom sich unterstützt fühlen und 73% gaben an, dass ihr Hauptziel darin besteht, die Lebensqualität zu verbessern.

Phytotherapie als Bestandteil einer  multimodalen Therapie empfohlen

Gemäss der aktuellen S3-Leitlinie ist ein multimodaler, integrativer Behandlungsansatz am vielversprechendsten [1]. Unter anderem wird auch der Einsatz von pflanzlichen Präparaten respektive von Phytotherapeutika empfohlen. Neben der Verwendung von löslichen Ballaststoffen bei obstipativen und bei Durchfallbeschwerden, gibt die Leitllinie auch für einen Einsatz von STW5* beim Reizdarmsyndrom eine Empfehlung ab, wobei vor allem die Linderung der abdominellen Schmerzen hervorgehoben wird. Klinische Evidenzen für eine Linderung von Reizdarmsymptomen liegen auch für die Kombination aus Pfefferminz- und Kümmelöl vor.

* STW5 ist ein pflanzliches Kombinationspräparat mit alkoholischen Auszügen aus der Frischplanze Iberis amara und Angelikawurzel, Kamillenblüten, Kümmel­früchten, Mariendistel, Melissenblättern, Pfefferminzblättern, Schöllkraut und Süsswurzel.

Literatur:

  1. Layer P, et al.: Update S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Gemeinsame Leitlinie der DGVS und der DGNM, AWMF-Registriernummer 021/016. Z Gastroenterol 2021; 59(12): 1323–1415.
  2. Dolder M, Wilhelmi M, Huber F: Reizdarmsyndrom (Colon irritabile), www.medix.ch/wissen/guidelines/magen-darm-krankheiten/reizdarmsyndrom-colon-irritabile, (letzter Abruf 02.09.2022)
  3. Frieling T: Funktionsstörungen im Verdauungstrakt und funktionelle Magen-Darm-Erkrankungen, www.arzneimitteltherapie.de/heftarchiv/2017/09/funktionsstorungen-im-verdauungstrakt-und-funktionelle-magen-darm-erkrankungen.html, (letzter Abruf 02.09.2022)
  4. Törnblom H, et al.: Understanding symptom burden and attitudes to irritable bowel syndrome with diarrhoea: Results from patient and healthcare professional surveys. United European Gastroenterol J 2018; 6(9): 1417–1427.
  5. Drossman DA, et al.: Severity in irritable bowel syn drome: a Rome Foundation Working Team report. Am J Gastroenterol 2011; 106: 1749–1759.
  6. Levy RL, et al.: Intergenerational trans mission of gastrointestinal illness behavior. Am J Gastroenterol 2000; 95: 451–456.
  7. Whitehead WE, et al.: Learned illness behav ior in patients with irritable bowel syndrome and peptic ulcer. Dig Dis Sci 1982; 27: 202–208.
  8. Drossman D: Functional gastrointestinal disorders: history, pathophysiology, clinical features, and rome IV. Gastroenterology 2016; 150: 1262–1279.
  9. Lacy BE, Patel NK: Rome Criteria and a Diagnostic Approach to Irritable Bowel Syndrome. J Clin Med 2017; 6(11).

HAUSARZT PRAXIS 2022: 17(9): 31–32

Autoren
  • Mirjam Peter, M.Sc. 
Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS 

Das Reizdarmsyndrom (RDS) manifestiert sich in Art und Ausprägung der Symptome als ein heterogenes Krankheitsbild, rund 16% der Bevölkerung sind davon betroffen. Diagnostisch ist das RDS eine Herausforderung für den Arzt, die medikamentöse Therapie verläuft für den Patienten – auch aufgrund falscher Erwartungen – häufig unbefriedigend.

Um die Diagnose Reizdarmsyndrom zu etablieren, sollten laut aktualisierter S3-Leitlinie aus dem Jahr 2021 drei Aspekte gegeben sein:

  • Es bestehen chronische (d.h. länger als drei Monate anhaltende) oder rezidivierende Beschwerden, die von Patienten und Arzt auf den Darm bezogen werden und in der Regel mit Stuhlgangsveränderungen einhergehen.
  • Die Beschwerden sollen begründen, dass der Patient deswegen Hilfe sucht und/oder sich sorgt, und so stark sein, dass die Lebensqualität dadurch relevant beeinträchtigt wird.
  • Voraussetzung ist, dass keine für andere Krankheitsbilder charakteristischen Veränderungen vorliegen, die wahrscheinlich für diese Symptome verantwortlich sind. 

Wesentlich sind in dieser Definition die Faktoren Zeit (länger als drei Monate), Begrenzung der Beschwerden auf den Darm und Leidensdruck des Patienten. «Damit wollte man das RDS abgrenzen zu eher banalen Befindlichkeitsstörungen, die sich evtl. ähnlich, aber nicht so hartnäckig äussern können», erklärte Prof. Dr. Wolfgang Fischbach, Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologie, Gemeinschaftspraxis für Gastroenterologie, Aschaffenburg (D), und Mitarbeiter der Leitlinie [1]. 

Das klinische Bild des RDS wird von vier Faktoren bestimmt: Schmerzen/Krämpfe, Obstipation, Blähungen/Flatulenz und Diarrhö. Natürlich können mehrere dieser Symptome gleichzeitig auftreten. Darüber hinaus können Patienten mit RDS aber auch an anderen Stellen des Gastrointestinaltraktes Beschwerden haben: Etwa 27% aller RDS-Patienten leiden auch an einer funktionellen Dyspepsie, umgekehrt tritt bei 37% dieser Betroffenen auch ein RDS auf. Je höher die Zahl der von funktionellen Beschwerden betroffenen Organe, desto stärker fällt die Symptomschwere aus, und auch extragastrointestinale Symptome wie Depression oder Ängstlichkeit nehmen zu mit der Zahl der befallenen GI-Organe.

Differenzialdiagnosen
– Tumoren: KRK, bei Frauen speziell auch Ovarial-Ca
– Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED), mikroskopische Kolitis
– Zöliakie
– Laktose-/Fruktoseunverträglichkeit
– Bakterielle Fehlbesiedelung (SIBO)
– Divertikelkrankheit (insb. SUDD:
– symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit)

Seltener:
– Intestinale Ischämie
– intestinale Motilitätsstörungen (Pseudo-Obstruktion)
– Gallensäureverlustsyndrom
– Medikamenten-NW
– etc.

Keine spezifischen Biomarker 

Ist die Verdachtsdiagnose Reizdarmsyndrom gestellt, gibt es jedoch keine spezifischen Biomarker für eine positive Diagnosestellung, andere Erkrankungen können sich ähnlich präsentieren und müssen mittels Differenzialdiagnostik ausgeschlossen werden (Kasten). Prof. Fischbach wies diesbzgl. v.a. auf das Ovarial-Karzinom hin: In einer Fall-Kontroll-Studie mit 112 Patientinnen mit Ovarial-Ca (vs. 1060 gematchter Kontrollen) entwickelten 80–90% ein typisches RDS vor der Krebsdiagnose. Wichtigste Leitsymptome waren hier die abdominale Distension und Blähungen (OR 250!), abdominale Krämpfe/Schmerzen (OR 12) und dyspeptische Symptome (OR 17). Distension und Bauchschmerzen traten signifikant häufiger auf (>180 Tage vor Diagnosestellung). 

Stellt sich ein Patient mit entsprechenden Beschwerden bei seinem Arzt vor, sollte zunächst eine Anamnese mit körperlicher (einschl. rektaler) Untersuchung stattfinden, gefolgt von einem Basis-Labor (Blutbild, CRP, Leberwerte, Kreatinin, Zöliakie-AK, Stuhlcalprotectin, Stuhlerreger), Sonografie und ggf. gynäkologischer Überweisung. Wenn sich dabei der Verdacht auf organische Ursachen zeigt bzw. Alarmzeichen wie Gewichtsabnahme, Blut im Stuhl oder Anämie bestehen, kann ein RDS bereits ausgeschlossen werden. 

Ist das vorherrschende Symptom eine Diarrhö, empfiehlt die Leitlinie [2] eine umfassende Diagnostik bereits im Rahmen der Erstvorstellung. Liegt kein Diarrhö-dominantes Reizdarmsyndrom vor, sind eine probatorische Therapie oder eine symptomorientierte weiterführende Diagnostik angeraten. Diese ist laut Prof. Fischbach individuell abhängig u.a. von Schwere, Dauer und Dynamik der Symptome bzw. dem Alter, der Persönlichkeit und dem Leidensdruck des Patienten und wird in der Regel eine Ileokoloskopie, ÖGD mit Duodenalbiopsien und individuelle Funktionstests (Laktose, Fruktose) beinhalten. 

Der Experte rät dazu, bei der symptomorientierten weiterführenden Diagnostik die beschriebenen Massnahmen einmal zeitnah, umfassend und gründlich durchzuführen und dafür im weiteren Verlauf auf Wiederholungsuntersuchungen zu verzichten. Zu beachten sind bei alldem Nahrungsmittelunverträglichkeiten: In diesem Fall sei das Führen eines Ernährungs-Symptom-Tagebuchs über 4 Wochen mit ggf. anschliessender Karenz und Reexposition durchaus sinnvoll. Von Darmökogrammen rät die Leitlinie ab.

Jede Therapie ist zunächst probatorisch 

Am Anfang der Behandlung sollte eine verständliche Aufklärung über das Krankheitsbild stehen. Damit wird Vertrauen gewonnen und eine Basis geschaffen für ein gutes Arzt-Patienten-Verhältnis, das bei diesen Patienten langfristig benötigt wird. Dazu gehört v.a. die Darlegung der Behandlungskonzepte und deren realistisch erreichbarer Ziele. Daran an schliessen sich Allgemeinmassnahmen wie die Identifikation und Vermeidung von Triggern wie bestimmte Nahrungsmittel, Schlafmangel oder Alkohol. Sport und ausreichende Flüssigkeitsaufnahme wirken sich dagegen günstig aus.  

Erst wenn dies keinen Erfolg mit sich bringt, folgt eine medikamentöse Therapie. «Hierbei orientieren wir uns an dem vorherrschenden Symptom», erklärte Prof. Fischbach (Abb. 1). Grundsätzlich zu betonen sei, dass jede Therapie zunächst probatorisch ist. Dies sollte den Patienten auch verdeutlicht werden. Der Erfolg misst sich an der Symptombesserung, wobei es bei unzureichendem Erfolg durchaus Sinn macht, sukzessiv andere Medikamente auszuprobieren. 

Im Einzelfall können noch weitere Begleitmassnahmen erwogen werden. Hierzu zählen z.B. Antidepressiva, Psychotherapie, autogenes Training, Yoga oder Osteopathie. Weitere therapeutische Optionen sind laut Leitlinie eine Low-FODMAP-Diät («empfehlenswert») und Pfefferminzöl sowie weitere Phytotherapeutika («zu erwägen»). Keine Empfehlung gibt es dagegen für Präbiotika und einen fäkalen Mikrobiomtransfer.

Take-Home-Messages

  • Das RDS ist gekennzeichnet durch Bauchschmerzen, Blähungen und Stuhlgangveränderungen. Die Symptome sind nicht spezifisch.
  • Es ist eine sorgfältige, individuell ­ausgerichtete Differenzialdiagnostik erforderlich.
  • Zu Beginn der Therapie steht die Vermittlung eines verständlichen Krankheitsbildes.
  • Die Therapie umfasst Allgemeinmassnahmen, medikamentöse Ansätze und unterschiedliche Begleitmassnahmen.
  • Das RDS ist eine «organische» Erkrankung, keine funktionelle oder psycho­somatische Störung.

Kongress: StreamedUp! GastroLive

Quellen:

  1. Fischbach W.: Vortrag «Reizdarmsyndrom», Streamed
    Up! GastroLive «Diarrhö und Blähungen – was steckt dahinter?», 21.03.2023.
  2. Update S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie, Juni 2021, AWMF-Registernummer: 021–016.

GASTROENTEROLOGIE PRAXIS 2023; 1(1): 21–22 

Autoren
  • Jens Dehn 
Publikation

GASTROENTEROLOGIE PRAXIS 

Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung und geht einher mit einem erhöhten Risiko für embolische Ereignisse. Routinemässiges Screening erleichtert rechtzeitige Detektion und Behandlung. Als Therapie werden in den meisten Fällen orale Antikoagulantien empfohlen, wobei das Blutungs- und Schlaganfallrisiko mittels spezifischer Scores abgeschätzt werden kann. Der Substanzklasse NOAK/DOAK wird heutzutage ein höherer Stellenwert beigemessen als Vitamin-K-Antagonisten. 

Schätzungen zufolge entwickelt mindestens ein Viertel der aktuell 40-Jährigen im Verlaufe des Lebens Vorhofflimmern. Damit verbunden ist ein erhöhtes Schlaganfall- und Mortalitätsrisiko. Zur medikamentösen Behandlung gibt es heutzutage ein breites Arsenal an Wirkstoffen. «Die Indikation zur oralen Antikoagulation muss immer überprüft werden», betont Prof. Dr. med. Christian Sticherling, Stv. Chefarzt am Universitätsspital Basel [1]. Zur Abschätzung des Blutungsrisikos kann der HAS-BLED-Score verwendet werden [2]. Als diagnostischer Befund bei Vorhofflimmern gilt ein EKG mit irregulären RR-Intervallen ohne eindeutig abgrenzbare P-Wellen. Eine EKG-Langzeitüberwachung verbessert die Detektionswahrscheinlichkeit. Viele Betroffene haben sowohl symptomatische als auch asymptomatische Episoden von Vorhofflimmern. Bei Patienten >65 Jahren wird in den aktuellen ESC-Leitlinien ein Screening durch gelegentliche Pulsmessung oder EKG-Aufzeichnung empfohlen [3]. Bei Patienten, die eine Transitorische ischämische Attacke (TIA) oder einen ischämischen Schlaganfall erlitten haben, sollten EKG einschliesslich Langzeitmessung durchgeführt werden. Bei Herzschrittmacherpatienten ist eine regelmässige Untersuchung auf asymptomatische Hochfrequenzepisoden (AHRE) indiziert. Wird AHRE festgestellt, ist vor der Einleitung einer Therapie eine weitere EKG-Überwachung sowie eine Schlaganfall-Risikoabschätzung durchzuführen. Bei über 75-Jährigen oder Patienten anderer Altersgruppen mit einem hohen Schlaganfall-Risiko kann ein systematisches EKG-Screening zum Nachweis von Vorhofflimmern in Betracht gezogen werden.

 

 

Erhöhtes Risiko für zerebrovaskuläre Ereignisse

Rund 30% aller Schlaganfälle sind mit Vorhofflimmern assoziiert und die Hospitalisationsraten von Vorhofflimmerpatienten generell liegt bei 10–40% jährlich [3]. Insbesondere ESUS (Embolic Stroke of undetermined source), welche etwa 25% aller ischämischen Schlaganfallereignisse ausmachen, treten häufig durch Vorhofflimmern bedingt auf, erklärt der Referent [1,4]. In der Swiss-AF-Kohorten-Studie (Swiss Atrial Fibrillation Cohort Study) wird der Langzeitverlauf kognitiver Funktionen bei Vorhofflimmern im Zusammenhang mit strukturellen Veränderungen im Gehirn untersucht. Im JACC publizierte Teilergebnisse zeigen, dass klinische und subklinische Hirnläsionen bei Patienten mit Vorhofflimmern häufig sind und mit verminderter kognitiver Leistungsfähigkeit einhergehen können [5]. Bei Patienten, die einen idiopathischen Schlaganfall erlitten hatten, ist eine kontinuierliche Überwachung mit dem implantierbaren Reveal Herzmonitor der Standardüberwachung zur Erkennung von Vorhofflimmern überlegen, wie die Resultate der CRYSTAL-AF-Studie deutlich machen [6].

Eines der Ziele der Apple-Heart-Study war die Detektion von stillem Vorhofflimmern bei Patienten mit erhöhtem CHA2DS2-VASc-Score [7]. Der grossangelegten Studie mithilfe der Apple Watch liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Vorhofflimmern häufig asymptomatisch ist und erst mit dem Auftreten von embolischen Ereignissen bemerkt wird. Basierend auf einer Pulsmessung mithilfe optischer Sensoren ist bei unregelmässigen Pulswellen mittels Algorithmen der Rückschluss auf Vorhofflimmern möglich. Bei 2161 von 419’297 gesunden Freiwilligen registrierte die Apple Watch einen irregulären Puls. Bei etwas mehr als einem Drittel der 450 Betroffenen, welche im Anschluss eine Messung mit dem EKG-Patch durchführten, wurde Vorhofflimmern oder Vorhofflattern festgestellt. Der Anteil an Probanden, bei welchen ein unregelmässiger Puls festgestellt wurde, war also relativ gering und die Compliance der betreffenden Studienteilnehmer hinsichtlich einer nachfolgenden EKG-Patch-Messung nicht sehr gross. In technologischer Hinsicht ist es aber ein interessanter Ansatz und es handelt sich um eine alltagskompatible unkomplizierte Messmethode. Es ist davon ausgzugehen, dass in Zukunft weitere ähnliche Studien durchgeführt werden zur Evaluation des klinischen Nutzens und datenschutzrechtlicher Risiken des Einsatzes dieser digitalen Devices. 

NOAK werden gegenüber Vitamin-K-Antagonisten favorisiert

Gemäss aktuellem Kenntnisstand sollte den meisten Vorhofflimmerpatienten eine orale Antikoagulation empfohlen werden [3]. Für eine differenzierte Risikostratifizierung des Schlaganfall- und Blutungsrisikos existieren folgende Scores [2]: HAS-BLED-Score (Blutungsrisiko), CHA2DS2-VASc-Score (Schlaganfallrisiko) [3]. Bei einem CHA2DS2-VASc-Score von 1 (Männer) resp. 2 (Frauen) sollte unter Abwägung des individuellen Blutungsrisikos eine Antikoagulation in Betracht gezogen werden [8]. Ein HAS-BLED-Score von ≥3 gilt als erhöhtes Blutungsrisiko, wobei dies nicht zwingend ein Verzicht auf orale Antikoagula­tion bedeutet, sondern es wird empfohlen, behandelbare Blutungsrisikofaktoren zu identifizieren [8]. Bei der Wahl des Antikoagulans sind viele Faktoren zu berücksichtigen. In den aktuellen ESC-Leitlinien [3] haben NOAK (neue ­orale Antikoagulantien), auch DOAK (direkte orale Antiko­agulantien) genannt, eine stärkere Empfehlung als ­Vit­amin-K-Antagonisten. Eine Auswahl von in der Schweiz zugelassenen Vertretern der NOAK/DOAK ist in Tabelle 1 ersichtlich. Ausser bei Patienten mit valvulärem Vorhofflimmern oder künstlicher Herzklappe, bei welchen nach wie vor Vitamin-K-Antagonisten indiziert sind, werden NOAK/DOAK heutzutage favorisiert. Aus Metaanalysen geht hervor, dass NOAK/DOAK einen signifikant besseren Schutz vor kardioembolischen Ereignissen im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten bewirken, was vor allem durch eine geringere Rate intrakranieller Hämorrhagien bedingt ist [8]. Zudem bieten NOAK/DOAK den Vorteil, dass eine feste Dosierung gewählt werden kann und die Notwendigkeit einer regelmässigen Gerinnungskontrolle entfällt. Für das Therapieziel Frequenzkontrolle stehen neben bewährten Medikamenten (Beta-Blocker, Kalziumkanalblocker) vor allem bei älteren Patienten auch Schrittmacherimplantation und AV-Knotenablation zur Verfügung (Übersicht 1). Steht als Behandlungsziel Rhythmuskontrolle im Vordergrund, sollten primär Klasse Ic-Antiarrhythmika zum Einsatz kommen, so Prof. Sticherling (Übersicht 2) [1]. Auch der Lebensstil kann einen Einfluss haben, auf Inzidenz und Krankheitsverlauf. Zu den modifizierbaren Lifestyle-Faktoren, welche das Risiko für ein Vorhofflimmerrezidiv verringern, zählen Gewichtsreduktion, körperliche Aktivität und Alkoholabstinenz. Dies konnte empirisch nachgewiesen werden, wie beispielsweise in der Cardio-Fit Studie (n=308) [10] oder der 2020 im New England Journal of Medicine publizierten Alcohol-AF Studie (n=140).

Quelle: FOMF Basel 2020

Literatur:

  1. Sticherling Ch: Vorhofflimmern: Diagnostik und Therapie. Prof. Dr. med. Christian Sticherling, FOMF Basel, 31.01.2020.
  2. Pisters R, et al.: A Novel User-Friendly Score (HAS-BLED) To Assess 1-Year Risk of Major Bleeding in Patients With Atrial Fibrillation Chest 2010; 138(5): 1093–1100.
  3. Kirchhof P, et al.: 2016 ESC Guidelines on atrial fibrillation. Eur Heart J 2016; 37: 2893.
  4. Gladstone. Atrial Fibrillation in Patients With Cryptogenic Stroke. N Engl J Med 2014; 370: 2467.
  5. Conen D, et al.: Relationships of Overt and Silent Brain Lesions with Cognitive Function in Patients with Atrial Fibrillation. JACC 2019; 73(9): 989–999. DOI: 10.1016/j.jacc. 2018.12.039
  6. Sanna T, et al.: Cryptogenic Stroke and Underlying Atrial Fibrillation (CRYSTAL AF). N Engl J Med 2014; 370(26): 2478–2486.
  7. Perez MV, et al.: Large-Scale Assessment of a Smartwatch to Identify Atrial Fibrillation. N Engl J Med 2019; 381: 1909–1917.  
  8. Altiok E, Marx N: Orale Antikoagulation. Update zur Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten und nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulanzien. Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 776–783.
  9. Rosemann A: Neue/Direkte orale Antikoagulantien, 7/2018, www.medix.ch
  10. Pathak RK, et al.: Impact of CARDIOrespiratory FITness on Arrhythmia Recurrence in Obese Individuals With Atrial Fibrillation: The CARDIO-FIT Study. J Am Coll Cardiol 2015; 66(9): 985–996.
  11. Voskoboinik A, et al.: Alcohol Abstinence in Drinkers with Atrial Fibrillation. N Engl J Med 2020; 382: 20–28.

HAUSARZT PRAXIS 2020; 15(9): 37–38 (veröffentlicht am 17.9.20, ahead of print)

Autoren
  • Mirjam Peter, M.Sc. 
Publikation
  • HAUSARZT PRAXIS 

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) haben dieses Jahr die neue S2k-Leitlinie ‹Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke› publiziert. Diese enthält ein breites Armamentarium an Empfehlungen, um das Rezidivrisiko nach ischämischem Insult oder TIA zu senken. Zur Maximalprophylaxe sollten alle Massnahmen dauerhaft umgesetzt werden, was eine enge Zusammenarbeit zwischen Neurologen, Hausärzten und Betroffenen erfordert.

Schlaganfallrezidive sind relativ häufig. Aktuelle Analysen zeigen, dass fast jeder Fünfte, der einen Schlaganfall erlitten hat, innerhalb der nächsten fünf Jahre mit einem Folgeschlaganfall rechnen muss [1]. Nach einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA) ist das Schlaganfallrisiko vor allem in den Tagen unmittelbar nach der Attacke deutlich erhöht. Der Rezidiv-Prophylaxe kommt somit eine besondere Bedeutung zu. «Die neurologische Nachsorge sollte dabei weit über die medikamentöse Einstellung der ‹klassischen› Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder hohe Lipidwerte hinausgehen», betont DGN-Generalsekretär Prof. Dr. med. Peter Berlit [4]. Während im Teil 1 der Leitlinie der Fokus auf der medikamentösen Behandlung der ‹klassischen› Risikofaktoren liegt (Gerinnungshemmung, Therapie von Hypercholesterinämie und Hypertonie) werden im Teil 2 die darüberhinausgehenden Risikofaktoren wie Lebensstil, Diabetes mellitus, Hormonersatztherapie und Schlafapnoe thematisiert [2–4].

Indikation für Gerinnungshemmung individuell klären

Zur Schlaganfallprävention ist in bestimmten Situationen oder bei bestimmten Erkrankungen die Gabe von gerinnungshemmenden Medikamenten notwendig. «Die Thrombozytenaggregationshemmung und der Einsatz der oralen Antikoagulation sollten individuell je nach Blutungsneigung, Komorbiditäten und Risikofaktoren aufeinander abgestimmt werden. Die Leitlinie gibt hier einen Handlungskorridor vor, innerhalb dessen eine auf die einzelne Patientin/den einzelnen Patienten angepasste Therapie erfolgen kann», erklären Prof. Dr. med. Gerhard F. Hamann, Prof. Dr. med Armin Grau, und Prof. Dr. med. Joachim Röther, die alle Experten der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) sind [2–4].

Zur Thrombozytenaggregationshemmung werden in der Leitlinie ausschliesslich Acetylsalicylsäure (ASS), Clopidogrel und Ticagrelor empfohlen, andere Präparate haben mehr Nebenwirkungen oder es fehlt der Nachweis eines Zusatznutzens. Bei vertretbarem Blutungsrisiko ist die frühe (das heisst innerhalb von 24 Stunden nach Symptombeginn) und kurzzeitige doppelte Thrombozytenaggrega­tions­hemmung mit ASS und Clopidogrel für 21 Tage oder alternativ ASS und Ticagrelor für 30 Tage möglich. Bei Betroffenen mit Vorhofflimmern sollte immer eine orale Antikoagulation erfolgen, mit direkten oralen Antikoagulanzien.

Vorhofflimmern als Indikation für orale Antikoagulation

Vorhofflimmern (VHF) ist eine häufige Erkrankung und Betroffene haben ein vier- bis fünffach erhöhtes Risiko für einen ischämischen Schlaganfall. Zudem steht mit der oralen Antikoagulation (OAK) eine hocheffektive Therapie zur Verhinderung von Schlaganfällen bei VHF zur Verfügung. Die Leitlinie empfiehlt bezugnehmend auf die aktuelle Evidenzlage bei Patienten mit ischämischem Schlaganfall oder TIA mit permanentem, persistierendem oder paroxysmalem Vorhofflimmern eine OAK durchzuführen [2] (Kasten). Thrombozyten­aggre­ga­tionshemmer (TFH) sollen im Anschluss an die Akutphase in der Sekundärprävention nach ischämischem Schlaganfall oder TIA mit Vorhofflimmern nicht mehr verwendet werden, sofern keine anderweitige dringende Indikation für die Gabe von TFH vorliegt. Bei bestehender Thrombozytenaggregationshemmung aus anderer Indikation sollte eine interdisziplinäre Konsensfindung über die Notwendigkeit einer dualen oder Triple-Therapie angestrebt werden. Bei Kontraindikation zur dauerhaften OAK kann ein individueller Behandlungsversuch mit LAA-Okklusion erwogen werden. Bei Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko und dialysepflichtigen Pa­tien­ten kann bei stattgehabtem ischämischem Schlaganfall und VHF die Implanta­tion eines Vorhofohrokkluders erwogen werden. Denn Thromben, welche beim VHF embolisieren, entstehen in der überwiegenden Mehrheit im linken Vorhofohr (linksatrialer Appendix, LAA).

 

 

Hypertonie und Dyslipidämie behandeln

Der Blutdruck sollte nach einem Schlaganfall oder einer TIA langfristig unter 140/90 mm Hg gesenkt werden. Je nach Alter der Betroffenen, Verträglichkeit der Blutdrucksenker und Vorerkrankungen ist sogar eine Senkung auf systolisch 120 bis 130 mm Hg zu erwägen, wobei das Erreichen der Zielblutdruckwerte einen höheren Stellenwert als die Wahl der antihypertensiven Therapie hat.

Patienten mit ischämischem Schlaganfall oder TIA in der Vorgeschichte haben ein hohes Risiko, eine weitere atherosklerotisch bedingte kardiovaskuläre Erkrankung (ASCVD) zu erleiden, einschliesslich eines Schlaganfallrezidiv. Als Zielwert der cholesterinsenkenden Therapie gilt ein LDL-C-Wert von unter 70 mg/dl; alternativ kann eine Reduktion um >50 Prozent des Ausgangswerts erfolgen.

Lebensstilfaktoren nicht ausser Acht lassen

«Für Betroffene sind insbesondere die Informationen zum Lebensstil von hoher Relevanz, da sie ihn selbst beeinflussen können», erklärt Prof. Dr. Dr. med. Tobias Kurth [4]. Wobei gerade die langfristige Lebensstilumstellung für viele Patienten eine Herausforderung darstellt, bei der Mediziner immer wieder Unterstützung leisten müssen. Der regelmässige Verzehr von Obst und Gemüse oder eine mediterrane Diät senken das Risiko eines Schlaganfallrezidivs und vaskulärer Folgeereignisse. Der Salzkonsum sollte reduziert werden. Für den Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln oder die routinemässige Substitution von Vitaminen besteht laut Leitlinie keine eindeutige Evidenz. Wichtig ist regelmässige körperliche Aktivität, eine Reduktion des Alkoholkonsums sowie Rauchstopp/-verzicht. Diabetes mellitus als ‹gewichtigem› Risikofaktor für Schlaganfälle gilt es vorzubeugen. Diabetiker sollten nach einem Schlaganfall besonders auf eine gute Blutzuckereinstellung achten (<65 Jahre: HbA1c 6,5–7%; >65 Jahre: HbA1c 6,5–7,5%). Neben Lebensstilmodifikation und Diabetes mellitus geht Teil 2 der Leitlinie ausserdem auf die Indikationen zur OAK jenseits des Vorhofflimmerns ein sowie auf die Therapie von Dissektionen der hirnversorgenden Arterien, die Behandlung intrakranieller Gefässstenosen, die Hormonersatztherapie und das obstruktive Schlafapnoesyndrom. Bei Schlaganfällen im Zusammenhang mit einer onkologischen Erkrankung und einer tumorinduzierten Hyperkoagulopathie sowie bei Herzinsuffizienz mit einer Ejektionsfraktion <35% kann eine OAK anstelle einer Thrombozytenfunktionshemmung erwogen werden. Nach einer Schlafapnoe als zusätzlichem Risikofaktor soll man gezielt suchen. Die nächtliche Überdruckbeatmung (CPAP) ist bei mittelschwerer bis schwerer Schlafapnoe die Therapie der Wahl. Schlaganfallpatienten, die Kontrazeptiva einnehmen, sollten nach Möglichkeit andere Verhütungsmethoden erwägen.

Literatur:

  1. Stahmeyer JT, et al.: Häufigkeit und Zeitpunkt von Rezidiven nach inzidentem Schlaganfall. Eine Analyse auf Basis von GKV-Routinedaten. The frequency and timing of recurrent stroke – an analysis of routine health insurance data. Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 711–717.
  2. Hamann GF, et al.: Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft und Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke: Teil 1, S2k-Leitlinie, 2022, https://dgn.org/leitlinien/ll-030-133-sekundarprophylaxe-ischamischer-schlaganfall-und-transitorische-ischamische-attacke-teil-1, (letzter Abruf, 23.11.2022)
  3. Olma MC, et al.: Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke – Teil 2, S2k-Leitlinie, 2022, Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), https://dgn.org/leitlinien/ll-030-143-sekundarprophylaxe-ischamischer-schlaganfall-und-transitorische-ischamische-attacke-teil-2 (letzter Abruf, 23.11.2022)
  4. «Neue Leitlinie der DGN und der DSG zur Sekundär­prävention von Schlaganfällen», Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), 04.07.2022.
  5. Diener HC, et al.: Dabigatran compared with warfarin in patients with atrial fibrillation and previous transient ischaemic attack or stroke: a subgroup analysis of the RE-LY trial. Lancet Neurol 2010; 9(12): 1157–1163.
  6. Easton JD, et al.: Apixaban compared with warfarin in patients with atrial fibrillation and previous stroke or transient ischaemic attack: a subgroup analysis of the ARISTOTLE trial. Lancet Neurol 2012; 11(6): 503–511.
  7. Hankey GJ, et al.: Rivaroxaban compared with warfarin in patients with atrial fibrillation and previous stroke or transient ischaemic attack: a subgroup analysis of  ROCKET AF. Lancet Neurol 2012; 11(4): 315–322.
  8. Rost NS, et al.: Outcomes With Edoxaban Versus Warfarin in Patients With Previous Cerebrovascular Events: Findings From ENGAGE AF-TIMI 48 (Effective Anticoagulation With Factor Xa Next Generation in Atrial Fibrillation-Thrombolysis in Myocardial Infarction 48). Stroke 2016; 47(8): 2075–2082.
  9. Zonneveld TP, et al.: Blood pressure-lowering treatment for preventing recurrent stroke, major vascular events, and dementia in patients with a history of stroke or transient ischaemic attack. Cochrane Database Syst Rev 2018 Jul 19;7(7): CD007858. doi: 10.1002/14651858.CD007858.pub2.

InFo NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE 2022; 20(6): 34–35