Am DGIM-Kongress wurden die verschiedenen Therapieoptionen des Reizdarmsyndroms diskutiert. Scheinbar favorisieren deutsche Hausärzte in der Behandlung vor allem Probiotika, Spasmolytika und Phytotherapeutika. Welche weiteren Massnahmen stehen zur Verfügung?
Nach derzeitigem Verständnis führt beim Reizdarmsyndrom eine Störung der Darm-Hirn-Achse zu einer gesteigerten viszeralen Schmerzwahrnehmung und Darmmotilität. Eine Veränderung des Mikrobioms scheint eine ursächliche Rolle zu spielen. Ein Reizdarmsyndrom geht typischerweise mit Blähungen, Durchfall oder Obstipation und Bauchschmerzen einher. Depressive Verstimmungen begleiten oft die Symptomatik.
Gemäss einer am Kongress als Poster vorgestellten Umfrage präferieren deutsche Hausärzte eine Behandlung mit Probiotika, Spasmolytika und Phytotherapeutika. Die Grundversorger hielten damit die drei Wirkstoffklassen für am wirksamsten, für die es in Studien die schwächste Evidenz gibt, so Prof. Dr. med. Stefan Müller-Lissner, Park-Klinik Weissensee, Berlin. Die Unschärfen in der Diagnostik des Reizdarmsyndroms (32 verschiedene Krankheiten) und in dessen medikamentöser Differenzialtherapie (Abb. 1) erleichtern das Management betroffener Patienten nicht. Das Reizdarmsyndrom hat keine einheitliche Pathophysiologie, was bereits die Einteilung in die Subtypen Reizdarmsyndrom vom Diarrhoe-dominanten und Obstipations-dominanten Typ bzw. mit alternierendem Stuhlverhalten suggeriert.

Das Reizdarmsyndrom sei jedoch mit definierten peripheren und systemischen Störungen assoziiert, sagte Prof. Dr. Michael Schemann, Technische Universität München, an der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). Man wisse um die gestörten Signalwege im Gehirn, das bedeute aber nicht, dass sich die Erkrankung nur im ZNS abspiele. Beispiele für organische (messbare) Korrelate beim Reizdarmsyndrom sind Motilitätsstörungen des Darms oder das Gallensäureverlustsyndrom. Mithilfe von Biomarkern gelingt es heute, RDS-Subtypen zu identifizieren und gezielter zu behandeln. Als Biomarker einer behandelbaren Pathologie sind derzeit der 48h-Kolontransit (Motilitätsstörung) und Proteasen im Schleimhautüberstand (periphere sensorimotorische Störungen) messbar. Die Analyse von Stuhlproben oder die Messung von Immunmediatoren kommen als weitere Biomarker-Kandidaten infrage. Routinemässig werden diese Marker jedoch nicht eingesetzt.
Therapie: Medikamente, Diät und Probiotika
Bedingung für das Auftreten von Reizdarmbeschwerden ist die affektive Bewertung der Symptome durch den Patienten. «Es braucht ein peripheres Signal als initialen Trigger», sagte Prof. Müller-Lissner. Als Trigger kommen (abnorme) Motilität, bestimmte Nahrungsbestandteile, Bakterien oder Gasbildung infrage. Anhand dieser Trigger lassen sich auch die unterschiedlichen Therapieansätze klassifizieren: Diät, Probiotika und medikamentöse Therapien. Insgesamt gebe es keine durchschlagende Therapie; in der Schmerzmodulation bringen trizyklische Antidepressiva oder SSRI Linderung, mit dem Nachteil, dass sie langfristig (statt «on-demand» wie andere Therapeutika) eingenommen werden müssen, so der Experte.
Diät: Ballaststoffe und FODMAP
Die Empfehlung, eine faserreiche Ernährung zu favorisieren, etwa mit Weizenkleie und Flohsamenschalen, konnte bisher in Untersuchungen nur einen grenzwertigen Benefit zeigen, so Prof. Müller-Lissner. Als besser wirksam hat sich in den letzten Jahren die sog. FODMAP-Diät herauskristallisiert, also eine Diät, die bestimmte Obst- und Gemüsesorten meidet. Das Akronym steht für «Fructane, Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide (and) Polyole». Solche Kohlenhydrate und Zuckeralkohole sind in vielen Nahrungsmitteln enthalten und werden bei Gesunden fast komplett im Dünndarm abgebaut und resorbiert. Bei Reizdarmpatienten kann es passieren, dass diese nicht vollständig aufgespalten werden und in den Dickdarm gelangen. Sie verstärken den Einstrom von Wasser in den Darm und werden, sobald sie das Kolon erreichen, von Darmbakterien fermentiert. Dabei kommt es zur Gasbildung. Die Folge können unangenehme Blähungen, Durchfall oder unklare Bauchschmerzen sein. FODMAP-Quellen sind unter anderem Brokkoli, Blumenkohl, Erbsen, Kartoffeln, Lauch und Zwiebeln sowie Äpfel, Aprikosen, Kirschen, Birnen, Pflaumen und Trockenfrüchte.
Abnorme Motilität: Spasmolytika, Pfefferminzöl und Laxanzien
Eine abnorme Motilität im Gastrointestinaltrakt kann sich in Bauchschmerz manifestieren. Als altes, aber weniger bekanntes Spasmolytikum kann Pfefferminzöl bei Reizdarmpatienten mit guter Wirksamkeit zum Einsatz kommen. Das liegt an der hohen Bioverfügbarkeit des Pfefferminzöls. Das anticholinergisch wirkende Hyoscin (Buscopan®) ist zur Behandlung krampfartiger Bauchschmerzen beim Reizdarmsyndrom etwa gleich wirksam. Für Mebeverin hingegen haben Metaanalysen keine signifikante Wirkung nachgewiesen.
Gegen Obstipation und Völlegefühl kommen Laxanzien infrage. Für den zur Behandlung des Reizdarms mit Obstipation eingesetzten Guanylatcyclase-C-Rezeptoragonisten Linaclotid konnte zusätzlich ein analgetischer Effekt bei hypersensitiven Mäusen gezeigt werden.
Mikrobiommodulation: Probiotika und Antibiotika
Bei der Spaltung von Ballaststoffen durch Mikrobiota kommt es zu Gasbildung; umgekehrt wurden bei Patienten mit Meteorismus Auffälligkeiten in der bakteriellen Besiedlung des Darms gefunden. Dennoch haben sich Probiotika als wenig wirksam gegen Blähungsgefühl und Bauchschmerzen erwiesen. Das nicht-resorbierbare Antibiotikum Rifaximin hat sich in Bezug auf Besserung von Meteorismus im Vergleich zu Placebo als überlegen herauskristallisiert.
Diarrhoe: Loperamid und neue Substanzen (Tab. 1)
Neben altbekannten Antidiarrhoika bieten sich Gallensäurebinder in der Behandlung des Reizdarms an. Gallensäuren stimulieren nämlich im Kolon Motilität und Sekretion, wodurch eine kürzere Transitzeit resultiert und Diarrhoe begünstigt wird. Die Therapie mit einem Gallensäurebinder wie Colestyramin oder Colesevelam kann die Kolonentleerung bei Patienten mit Reizdarmsyndrom vom Diarrhoetyp verzögern.

Allgemeine Reizdarmsymptome: Iberis amara
Für den Kräutercocktail Iberogast®, bestehend aus der Bitteren Schleifenblume (Iberis amara) und den weiteren acht Kombinationspartnern Kamille, Kümmel, Melisse, Pfefferminze, Schöllkraut, Süssholz, Angelica und Mariendistel, gibt es eine Originalstudie, die eine Besserung des Parameters Schmerz sowie der Globalsymptomatik zeigt. Wirkmechanismus ist unter anderem eine Beeinflussung der peripheren Schwelle mukosaler Reize. Das Präparat ist in der Indikation «Reizdarm» zugelassen.
Quelle: Kongress der DGIM, 14.–17. April 2018, Mannheim
Weiterführende Literatur:
- Enck P, et al.: Irritable bowel syndrome – dissection of a disease. A 13-steps polemic. Z Gastroenterol 2017 Jul; 55(7): 679–684.
- Ford AC, et al.: American College of Gastroenterology monograph on the management of irritable bowel syndrome and chronic idiopathic constipation. Am J Gastroenterol 2014 Aug; 109(Suppl 1): S2–26.
- Wong BS, et al.: Increased Bile Acid Biosynthesis Is Associated With Irritable Bowel Syndrome With Diarrhea. Clin
- Gastroenterol Hepatol 2012; 10: 1009–1015.
- Madisch A, et al.: Treatment of irritable bowel syndrome with herbal preparations: results of a double-blind, randomized, placebo-controlled, multi-centre trial. Aliment Pharmacol Ther 2004 Feb 1; 19(3): 271–279.
HAUSARZT PRAXIS 2018; 13(5): 43–44
Autoren
- Dr. med. Anka Stegmeier-Petroianu
Publikation
- HAUSARZT PRAXIS
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