«Treatable traits» lautet der neue Zauberbegriff in der Behandlung der COPD, nach dem auch die aktuellen Richtlinien gestaltet sind. Bezüglich des Therapieaufbaus soll ein individuelleres Patientenmanagement in den Fokus rücken, das sich nicht nur an den Symptomen ausrichtet, sondern auch an Markern wie den Bluteosinophilen.
Ein typischer Fall aus dem pneumologischen Alltag: Ein 64-jähriger Mann leidet seit mindestens 3 Jahren unter Belastungsluftnot. Er hat gelegentlichen Husten, keine Exazerbationen, war lange Jahre Raucher (42 pack years), hat aktuell aber damit aufgehört. An Nebendiagnosen ist lediglich eine Arterielle Hypertonie bekannt, die unter Therapie steht.
Um die Belastungsluftnot besser einschätzen zu können, nahm Dr. Christian Clarenbach von der Klinik für Pneumologie am UniversitätsSpital Zürich bei dem Mann eine Dyspnoe-Quantifizierung gemäss der mMRC-Skala vor. Der Patient wurde befragt und entsprechend seiner Antworten in den Grad I eingeordnet (Luftnot bei schnellem Gehen in der Ebene oder bei leichtem Anstieg). Die Lungenfunktion zeigte eine typische konkave Flussvolumenkurve, nach Inhalation eines kurzwirksamen Betamimetikums verbesserte sich die Kurve nur unwesentlich, ohne sich der Referenzkurve anzunähern. Der FEV1-Wert nach der Bronchodilatation betrug 56% vom Sollwert. «Der Patient hatte eine mindestens mittelschwere obstruktive Ventilationsstörung, also eine fortgeschrittene Lungenerkrankung, die nicht gut auf die Bronchodilatation reagierte. Unter Berücksichtigung seiner Vorgeschichte als Raucher konnte man demnach eine COPD diagnostizieren», so der Experte [1].
In die aktuellen Behandlungsrichtlinien für derartige Patienten fliessen verschiedene Informationen ein: Bis vor einigen Jahren war im Grunde nur die Spirometrie massgebend für die Einordnung der GOLD-Stufen bei der COPD. Mittlerweile werden aber auch die Exazerbationsrate und das Ausmass der Atemnot mit einbezogen. Hat ein Patient keine oder nur eine Exazerbation, wird er in Gruppe A oder B eingeteilt, entsprechend des Ausmasses der Belastungsluftnot (Abb. 1) [2].Der Patient im Fallbeispiel hatte keine Exazerbationen und zudem einen mMRC-Score von 1 und wurde daher in Gruppe A kategorisiert. Für solche Patienten wird in den Leitlinien nur ein Bronchodilatator empfohlen, unabhängig von anderen Massnahmen wie Rauchstopp, Selbstmanagement, mehr Aktivität, pulmonale Rehabilitation usw. «Es wird noch nicht einmal spezifiziert, was für ein Bronchodilatator das sein soll», merkte Dr. Clarenbach an.
Übertherapie an inhalativen Steroiden in der Schweiz
Ein Blick auf die Behandlungsrealität in der Schweiz zeigt aber, dass die Patienten bereits auf Stufe A zu einem grossen Teil mit inhalativen Steroiden (ICS) behandelt werden [3]. Das umfasst sowohl Therapien bestehend aus LABA/LAMA/ICS als auch LABA/ICS- und LAMA/LABA-Kombinationen. «Es besteht also eine Übertherapie an inhalativen Steroiden bei der COPD.»
Wem der Bronchodilatator hilft, darf ihn auch weiter nehmen
Wenn man einem Patienten einen Bronchodilatator gegeben hat und er ist mit diesem zufrieden – und das ist bei einer Vielzahl von Fällen gegeben –, dann kann man ihn auch so weiterbehandeln. Mit dem Bronchodilatator bewirkt man eine Verbesserung der Lungenfunktion, eine Reduktion der Symptome und oft auch eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit. Wenn Luftnot jedoch weiterhin ein Problem ist, wird als nächster Schritt zunächst die Kombination von Bronchodilatatoren empfohlen. «Dann kann auch innerhalb der verschiedenen Devices gewechselt werden, wenn einem Patienten eine Behandlung z.B. aufgrund der Inhalationstechnik nicht so zusagt.» Auch bei Patienten mit häufigen Exazerbationen sollte man zwei Bronchodilatatoren kombinieren, neu ist aber: Erst wenn der Patient dazu noch eine Bluteosinophilie aufweist, empfiehlt man, mit einem inhalativen Steroid zusätzlich zu behandeln. Demnach profitieren Patienten mit rezidivierenden Exazerbationen und solche, die eine erhöhte Bluteosinophilie aufweisen, schlussendlich am meisten, wenn ein inhalatives Steroid zusätzlich gegeben wird. Für eine Untergruppe mit chronischer Bronchitis und FEV1 <50% bietet sich darüber hinaus Roflumilast an, bei ehemaligen Rauchern kann Azithromycin erwogen werden als Optionen zur Reduktion der Exazerbationsrate.
Darf man ICS entziehen?
Was geschieht jedoch mit COPD-Patienten, die bereits unter ICS stehen und denen das Steroid wieder entzogen wird – hat dies Auswirkungen auf FEV1, Exazarbationen und/oder Symptome? Zu dieser Frage gibt es mittlerweile vier randomisiert-kontrollierte Studien, die in einem systematischen Review berücksichtigt wurden. Daraus entstanden ist eine Behandlungsempfehlung, wie man in einer solchen Situation mit dem Patienten vorgehen soll:
Lediglich für COPD-Patienten, die eine hohe Bluteosinophilie haben (≥ 300 Zellen/μl, besteht eine deutliche Empfehlung für die Weiterbehandlung mit ICS (Abb. 2). Bei den Patienten, die nicht eosinophil sind und auch keine Exazerbationen haben, kann man sicher das ICS absetzen und entziehen. Zu keiner eindeutigen Empfehlung durchringen konnte man sich hinsichtlich Patienten, die viele Exazerbationen haben, aber nicht eosinophil sind – hierzu lagen je nach Studie unterschiedliche Ergebnisse vor.

Zur Verdeutlichung führte Dr. Clarenbach noch die number needed to treat (NNT) an, die bei einer Behandlung mit inhalativen Steroiden notwendig wäre, um eine Exazerbation zu vermeiden: Wenn man Patienten mit ≥ 300 Eos/μl ICS gibt, muss man nur 9 Personen behandeln, um eine Exazerbation zu vermeiden. Bei Patienten, die nicht-eosinophil sind (<300 Eos/μl), beträgt die NNT dagegen schon 46. «Man muss sich also gut überlegen, ob man Patienten eine inhalative Steroidtherapie weiter geben will, insbesondere wenn diese nicht-eosinophil sind», lautete das Fazit des Züricher Pneumologen.
Quelle: FomF WebUp Pneumologie
Literatur:
- FomF WebUp Pneumologie, 7.12.2020; www.fomf.ch/webup/pneumologie-6-highlights-60-min-07-12-20.
- Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease, 2021 Report; https://goldcopd.org/wp-content/uploads/2020/11/GOLD-REPORT-2021-v1.1-25Nov20_WMV.pdf.
- Grewe FA, Sievi NA, Bradicich M, et al.: Compliance of Pharmacotherapy with GOLD Guidelines: A Longitudinal Study in Patients with COPD. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2020; 15: 627–635; doi: 10.2147/COPD.S240444.
- Chalmers JD, Laska IF, Franssen FME, et al.: Withdrawal of inhaled corticosteroids in COPD: a European Respiratory Society guideline. Eur Respir J 2020; 55: 2000351; doi: 10.1183/13993003.00351-2020.
InFo PNEUMOLOGIE & ALLERGOLOGIE 2021; 3(1): 18–20
Autoren
- Jens Dehn
Publikation
- INFO PNEUMOLOGIE & ALLERGOLOGIE
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